Prüfungsangst und Lernen. Über hemmende und förderliche Prüfungsangst


Examensarbeit, 2005

81 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition grundlegender Begriffe
2.1 Angst
2.1.1 Angst als Zustand und Angst als Eigenschaft
2.1.1.1 Angst als Zustand (A-STATE)
2.1.1.2 Angst als Eigenschaft (A-TRAIT)
2.2 Lernen
2.2.1 Lernstrategien
2.3 Prüfungsangst

3. Angstarten nach Schwarzer
3.1 Die Existenzangst
3.2 Die soziale Angst
3.3 Die Leistungsangst

4. Theorien der Angstentstehung
4.1 Psychoanalytische Theorie
4.1.1 Erste Angsttheorie FREUDs
4.1.2 Signaltheorie von FREUD
4.1.3 Zusammenfassung der Psychoanalytischen Theorie
4.2 Behavioristische Theorien
4.2.1 Zwei-Prozess-Theorie
4.2.2 Abschließende Bemerkungen zu den behavioristischen Theorien
4.2.3 Trait-State-Modell der Angst nach Spielberger
4.3 Kognitive Angsttheorien
4.3.1 Die Angstkontrolltheorie von Epstein
4.3.2 Die Stressbewältigungstheorie von Lazarus

5. Prüfungsangst
5.1 Prüfungsangstkonzeptionen
5.1.1 Der Ansatz von Mandler und Sarason
5.1.2 Der Ansatz von Alpert und Haber
5.1.3 Der Ansatz von Liebert und Morris
5.1.4 Der Ansatz von Wine
5.2 Prüfungsangst in Prüfungssituationen
5.3 Merkmale und Erscheinungsbild der Prüfungsangst
5.3.1 Gedankliche (kognitive) Symptome
5.3.2 Physiologisch-biochemische Angstsymptome
5.3.3 Motorische Angstsymptome
5.3.4 Weitere Angstsymptome
5.4 Gründe für Prüfungsangst
5.5 Messungen von Prüfungsangst
5.5.1 Die Selbsteinschätzung:
5.5.2 Die Fremdeinschätzung:
5.5.3 Die apparativen Messungen:
5.6 Angst und Leistung
5.6.1 Angst und Leistung in Schule und Hochschule
5.7 Typische Einstellungen von Prüfungsängstlichen
5.8 Leistungsangst im Gruppenvergleich: Geschlecht, Schulart und Sozialstatus
5.9 Bedingungen für die Beeinträchtigung bzw. Förde rung der Leistung durch Prüfungsangst
5.9.1 Kompetenz
5.9.2 Angststärke
5.9.3 Schwierigkeitsgrad von Aufgaben
5.9.4 Prüfungsroutine

6. Bewältigung von Prüfungsangst
6.1 Coping - Angstbewältigung aus kognitionstheoretischer Sicht
6.2 Das Repression-Sensitization-Konstrukt
6.3 Coping-Verhalten in Leistungssituationen

7. Empirieteil
7.1 Fragestellungen
7.2 Versuchsplan
7.2.1 Versuchspersonen und Versuchsleiter
7.2.2 Aufbau des Gesamtfragebogens

8. Empirische Befunde
8.1 Befunde zur förderlichen und hemmenden Angst in Bezug auf das Geschlecht
8.2 Prüfungsängstlichkeit und aktuelle Motivation
8.3 Prüfungsangst und Emotionen
8.4 Prüfungsängstlichkeit und Lernverhalten
8.5 Lernstrategien der hemmenden und förderlichen Prüfungsangst
8.6 Hemmende, förderliche Prüfungsangst und Klausurleistung
8.7 Vergleiche zwischen Student/Innen der alten Prüfungsordnung und Bachelorstudent/Innen

9. Diskussion der Befunde

10. Literatur

11. Anhang Fehler! Textmarke nicht definiert

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen befasst sich mit dem Thema Prüfungsangst und Lernen. In der heutigen Gesellschaft sind Leistungsdruck und Stress von großer Bedeutung. Die Angst vor dem Versagen spielt bei vielen Menschen eine große Rolle. Angst kann auf der einen Seite dazu anregen, die Anstrengungen zu vergrößern, sprich, einen förderlichen Charakter haben aber auf der anderen Seite kann sie auch durch eine Blockierung einen hemmenden Charakter einnehmen.

Um die Prüfungsangst zu verstehen, war es für mich wichtig, zu Beginn dieser Arbeit auf das Entstehen der Angst einzugehen. Im weiteren Verlauf wird auf die Prüfungsangst und ihre Merkmale eingegangen. Wichtig für mich ist es, die verschiedenen Einstellungen von Hoch- und Niedrigprüfungsängstlichen zu verdeutlichen sowie aufzuzeigen, dass es eine hemmende und eine förderliche Prüfungsangst gibt. Der zweite Teil der Arbeit, der Empirieteil befasst sich ebenfalls mit Prüfungsängsten, die von der hemmenden und förderlichen Seite her untersucht wurden. Mich sprach diese Thematik sehr an, da ich in meinem Leben oft unter Prüfungsangst gelitten habe und sich diese zu bestimmten Prüfungen manchmal noch bemerkbar macht. Sowie eine Klausur in der Schule angekündigt wurde, war ich bereits schon Wochen vorher kaum in der Lage, mich auf das Lernen zu konzentrieren. Etwa zwei Tage vor der Prüfung, konnte ich kaum noch richtig schlafen, aus Angst etwas Wichtiges vergessen haben, zu lernen. Diese Prüfungsangst machte sich besonders in den Fächern bemerkbar, in denen ich wusste, dass ich keine sehr gute Note bekommen würde. Am Tag der Prüfung stand ich immer sehr pünktlich auf, aus Angst zu spät zur Prüfung zu kommen. Sowie ich in der Schule angekommen war, redeten alle über die Prüfung. Mein Herz fing an zu klopfen und meine Hände wurden kälter.

Doch heute als Studentin betrachte ich die Situationen der Prüfungen aus einer anderen Perspektive. Zwar habe ich diese Art der Angst bis jetzt nicht besiegen können, doch weiß ich jetzt, wie ich am besten Lernen kann und welche Lernstrategien am zweckvollsten sind.

Es muss berücksichtigt werden, dass die Angst eine Emotion ist, die sich bei jedem Individuum anders auswirkt und durch verschiedene Situationen und persönliche Merkmale beeinflusst wird.

Aus meiner Sicht erscheint es mir als zukünftige Lehrerin wichtig, sich mit dem Thema Prüfungsangst intensiv auseinanderzusetzen, um dann im Berufsleben zu versuchen, prüfungsängstlichen Kindern die Angst vor den Prüfungen zu nehmen. Meiner Meinung nach kann nur ein angstfreies Lernen die Aufnahmebereitschaft und Kreativität von Kindern garantieren.

Ich habe mir mit dieser Arbeit zum Ziel gesetzt, das Angstentstehen und die Symptomatik der Prüfungsangst herauszuarbeiten, sowie Handlungen zur Prüfungsangstbewältigung aufzuzeigen.

2. Definition grundlegender Begriffe

Um einen ersten Einblick zu bekommen, was das Wort „Angst“ bedeutet, werden im Folgenden die Begriffe „Angst“ und die verschiedenen Aspekte der Angst, „Angst als Zustand“ und „Angst als Eigenschaft“ definiert.

2.1 Angst

Nach DORSCH (2004, S. 44) ist das Wort „Angst“ verwandt mit dem lateinischen „angustus“ und bedeutet „eng“, „beengend“, „die freie Bewegung hindernd.“ So lassen sich nach GAGE/BERLINER (1996, S.159) im Anschluss an Spielberger zwei Arten von Angst unterscheiden. Zum einen die Angst als Zustand, die sich auf bestimmte Situationen bezieht. Der Mensch kann in diesem Fall Angst zu einem bestimmten Zeitpunkt, z.B. vor einer Prüfung, haben. Zum anderen die Angst als Disposition, die den Rang einer Persönlichkeitseigenschaft einnimmt.

Im deutschen Wörterbuch von J. und W. Grimm (1854 Spalte 358, zitiert nach LENZEN, 1998, S.56) heißt es „Angst ist nicht blosz mutlosigkeit, sondern quälende sorge, zweifelnder, beengender zustand überhaupt.“

Lenzen (1998, S.56) ist der Meinung, dass mit dieser Begriffsbestimmung bereits drei wesentliche Sachverhalte angesprochen sind: erstens die subjektive Gefühlsqualität (quälende Sorge), zweitens der objektive Sachverhalt (beengender Zustand) und drittens die daraus resultierende Folge (mehr als Mutlosigkeit). In dem Handwörterbuch von Dorsch (2004, S.44) findet man eine Beschreibung zu Angst, die er definiert, als

„ein mit Beengung, Erregung, Verzweiflung verknüpftes Lebensgefühl, dessen besonderes Kennzeichen die Aufhebung der willensmäßigen und verstandesmäßigen `Steuerung` der Persönlichkeit ist. Man sieht in der Angst auch einen aus dem Gefahrenschutzinstinkt erwachsenden Affekt, der, teils in akutem Ausbruch (dem Schreck) verwandt, teils in schleichend - quälender Form eine elementare Erschütterung bewirkt.“

Auch HACKFORT und SCHWENKMEZGER (1985, S.19) teilen DORSCHS Meinung, dass Angst

„eine kognitive, emotionale und körperliche Reaktion auf eine Gefahrensituation bzw. auf die Erwartung einer Gefahren- oder Bedrohungssituation ist. Als kognitive Merkmale sind subjektive Bewertungsprozesse und auf die eigene Person bezogene Gedanken anzuführen. Emotionales Merkmal ist die als un-angenehm erlebte Erregung, die sich auch in physiologischen Veränderungen manifestieren und mit Verhaltensänderungen einhergehen kann.“

KROHNE (1996, S.11) unterscheidet die Angst nach selbstwert- bzw. ich bedrohenden Aspekten, die in Situationen von Prüfungen auftreten können und physisch bedrohlichen Aspekten, die in Situationen, z.B. Operationen, in Erscheinung treten können. Zusammenfassend ist hier zu sagen, dass der Begriff „Angst“ stets mit etwas Unangenehmen in Verbindung gebracht wird. Eine Person, die Angst hat, ist immer mit negativen Emotionen behaftet. Weiterhin kann man den Begriff „Angst“ aufteilen in die Angst als Zustand und die Angst als Eigenschaft, auf die im Weiteren eingegangen wird.

2.1.1 Angst als Zustand und Angst als Eigenschaft

Diese beiden Unterbegriffe, Angst als Zustand (A-State) und Angst als Eigenschaft (A-Trait) lassen sich dadurch unterscheiden, dass die Angst als State ein Zustand ist. Das bedeutet, dass die Person Angst in einer bestimmten Situation bekommt. Die Angst als Eigenschaft ist eine erworbene Disposition (gleichbedeutend mit „trait“), dass heißt, dass diese Form der Angst eine Neigung einer Person darstellt, in verschiedenen Situationen, ängstlich zu reagieren (ZIMBARDO, 1999, S.251).

In Kapitel 4.4.2 wird auf die Unterscheidung Trait und State noch näher eingegangen. Diese Unterscheidung zwischen Angst als Trait und Angst als Zustand (A-State) haben schon CATTELL & SCHEIER (1961) sowie SPIELBERGER (1966a) unterschieden, die die Bezeichnungen „anxiety state“ und „anxiety trait“ prägten (SÖRENSEN, 1994, S.6).

2.1.1.1 Angst als Zustand (A-STATE)

Die Angst als Zustand (A-State) wird als akut und zeitlich vorübergehend definiert. Nach SCHWARZER (1993, S.88) ist die Angst als Zustand von starker Intensität aber von kurzer Dauer und bezeichnet einen augenblicklichen vorübergehenden Zustand. Nach KROHNE (1996, S.5) ist diese Form der Angst ein von Situationsveränderungen abhängiger, intraindividuell variierender affektiver Zustand des Organismus. Bei der Angst als State handelt es sich um ein komplexes Reaktionsmuster. Mit Angst geht ein subjektives Erleben einher, das verbal anderen mitgeteilt werden kann, aber oft nicht für Außenstehende zu bemerken ist. Im kognitiven Sinn handelt es sich um eine Situation, die von der Person als Bewertung angesehen wird. Physiologisch gesehen kommt es zum erhöhten Blutdruck, steigender Herzfrequenz, Zittern, vermehrte Schweißbildung und zur Hemmung der Magen-Darm-Motorik.

Nach SCHWENKMEZGER (1985, S.13) liefern kognitive Prozesse dem Organismus in Angstsituationen die Information, dass geeignete Abwehrmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Bedrohliche Situationen werden nicht mehr als bedrohlich wahrgenommen und es entsteht ein geringeres Angstniveau. Die kognitiven Prozesse Angst zu empfinden werden umgewandelt und das Individuum fühlt sich der Gefahrensituation nicht mehr hilflos ausgeliefert.

SCHWARZER (1993, S.90) unterscheidet im Anschluss an Liebert und Morris zum einen die Aufgeregtheit, die die subjektive Empfindung von Erregung signalisiert und zum anderen die Besorgtheit, die die Wahrnehmung der Angst auf kognitive Prozesse bezieht. Im Zustand der Besorgtheit und Aufgeregtheit versucht das Individuum, allerdings oft vergeblich, seine Fähigkeiten der Bewältigung zu analysieren und der Organismus versucht alle körperlichen Kräfte zu mobilisieren, um diese Gefahrensituation zu bewältigen.

2.1.1.2 Angst als Eigenschaft (A-TRAIT)

Bei der Angst als Trait handelt es sich um eine stabile und andauernde Persönlichkeitseigenschaft. Diese Angst ist eine erworbene Verhaltensdisposition, d.h. Menschen fühlen sich unter Umständen von objektiv harmlos gesehenen Einflüssen bedroht. Wesentlich jedoch für diese Angst als Trait ist, dass die Personen sehr häufig auf Situationen mit Angstzuständen reagieren.

Viele Angstautoren sind sich darüber einig, dass die dispositionelle Angst, mit einem chronischen Erregungszustand verglichen werden kann. Das bedeutet z.B., dass eine ängstliche Person auf viele Reize aus der Umwelt oft mit großen Emotionen reagiert, da sie diese Stimuli als mögliche Gefahrenquellen ansieht. SARASON u.a. (1969, aus SCHWARZER, 1993, S.91) fanden heraus, dass viele Hochängstliche, die in bestimmten Situationen mit Angst reagieren, im Vergleich zu Niedrigängstlichen, ein vermindertes Selbstwertgefühl haben.

2.2 Lernen

Nach GAGE und BERLINER (1996, S.230) ist „Lernen ein Prozess, durch den ein Organismus sein Verhalten als Resultat von Erfahrung ändert.“ Nach dieser Definition hat ein Lernprozess stattgefunden, wenn sich das Verhalten verändert hat. So beschreiben sie, dass z.B. bei dem Spracherwerb des Kindes bei dem Wort „da-da“ zu „Vater“ eine sichtliche und hörbare Veränderung stattgefunden hat und schließen daraus, dass Lernen erfolgt ist.

BOWER/HILGARD (1981, S.11) definieren Lernen als eine Veränderung im Verhalten oder Verhaltenspotential eines Individuums in einer gegebenen Situation, die sich auf wiederholte Erfahrungen zurückführen lassen, die das Individuum in dieser Situation schon einmal erlebt hat. Vorausgesetzt wird dabei, dass man die Verhaltensänderung nicht auf der Basis von angeborenen Reaktionstendenzen, Reifung oder vorübergehenden Zuständen (z.B. Ermüdung, Trunkenheit, Triebe usw.) erklären kann. (GAGE/BERLINER, 1996, S.996)

Lernen geht auf „Erfahrung“ zurück, wobei ein Austausch zwischen Individuum und Umwelt stattgefunden hat. Durch diesen Austausch werden Reize (Stimuli) bedeutungstragend und Beziehungen zwischen Reizen und Reaktionen werden hergestellt. (GAGE/BERLINER, 1996, S.231)

2.2.1 Lernstrategien

WILD und SCHIEFELE (1994, S.185) beziehen den Begriff „Lernstrategien“ auf das selbstregulative Lernen. Das bedeutet, dass ein Schüler selbstständig wählen kann, welche Strategien er zum Lernen benutzen möchte. Mit Lernstrategien sind kognitive und verhaltensbezogene Lernaktivitäten gemeint. Es werden drei Formen der Lernstrategien, die im Folgenden erklärt werden, unterschieden: die kognitiven, die metakognitiven und die ressourcenbezogenen Lernstrategien.

Kognitive Lernstrategien

Der Begriff kognitive Lernstrategien umfasst Prozesse, die der Informationsaufnahme, Informationsverarbeitung und Informationsspeicherung dienen. Beispiele sind: die Wiederholungsstrategie, die Lerntätigkeiten umfasst, die durch aktives Wiederholen eine Verankerung im Langzeitgedächtnis hervorruft, die Elaborationsstrategie, die Lerntätigkeiten bezeichnet, die neues Wissen mit dem bestehenden Wissen verknüpft.

Metakognitive Lernstrategien

Mit dem Begriff „metakognitive Lernstrategien“ sind Kontrollmechanismen gemeint. Nach WEINSTEIN (1988) umfassen metakognitive Strategien die Planung von Lernschritten, die Überprüfung eigener Lernfortschritte durch Selbstüberwachung und die adaptive Regulation des Lernverhaltens.

Ressourcenbezogene Lernstrategien

Die ressourcenbezogenen Lernstrategien bezeichnen vorhandene Hilfsmittel, die bereitgestellt werden, um das Lernen zu vereinfachen. Hierzu müssen z.B. Schüler ihre Lernaktivität organisieren, ihre Arbeitszeit planen und versuchen, sich selber zu motivieren.

2.3 Prüfungsangst

Nach DORSCH (2004, S.739) ist Prüfungsangst ist ein Gefühlszustand, der vor und während des Ablegens von Prüfungen erlebt wird. Die Prüfungsangst stellt für Menschen eine kritische Situation dar. Diese Angst wirkt subjektiv und belastend. Dieses Empfinden drückt sich durch unangenehme Gefühle und Spannungszustände aus. Das Ausmaß der Prüfungsangst hängt nicht zuletzt von der Art und Wichtigkeit der Prüfung ab. Auch spielt die Schwierigkeit und die Komplexität eine entscheidende Rolle (SPANDL, 1979, S.22).

Prüfungsängstliche Menschen sind in Prüfungssituationen nicht in der Lage, die Leistungen zu erbringen, die sie unter normalen Umständen erbringen könnten.

3. Angstarten nach Schwarzer

Nach Schwarzer (2000, S.104) werden drei Angstformen unterschieden. Er teilt die Angst in die Existenzangst, in die Leistungsangst und in die soziale Angst ein.

3.1 Die Existenzangst

SCHWARZER (2000) betont, dass die Existenzangst auf den Erlebnissen in der Vergangenheit beruht. Diese Form der Angst warnt Individuen vor Situationen, in denen sie körperlichen Schaden nehmen könnten. Beispiele sind die Angst vor Verletzungen vor Krankheiten, oder vor Tieren.

3.2 Die soziale Angst

Bei der sozialen Angst steht die Bedrohung des Selbstwertes im Vordergrund. Diese Form der Angst wird hervorgerufen, wenn sich das Individuum z.B. von anderen beobachtet fühlt. In diesem Fall haben Personen Angst, sich zu blamieren oder sich lächerlich zu machen. SCHWARZER erwähnt die Scham, die Verlegenheit, die Publikumsangst und die Schüchternheit. Die Angst vor Vorgesetzten verbindet SCHWARZER mit der Publikumsangst. Weiterhin führt er die Sexualangst an, die er verbunden sieht mit der Angst vor dem anderen Geschlecht und der Verlegenheit.

3.3 Die Leistungsangst

Die Leistungsangst entsteht wie die soziale Angst durch die Wahrnehmung einer Bedrohung des Selbstwerts. Das Individuum hat in einer Leistungssituation Angst vor einem möglichen Misserfolg und/oder Angst vor Reaktionen anderer Personen. Leistungsangst tritt z.B. in Schulen oder ähnlichen Einrichtungen auf. Schwarzer sieht die Leistungsangst als Form von Bewertungsangst, wobei er Bewertungsangst unterteilt in Sexualangst, die mit Verlegenheit und Angst vor dem anderen Geschlecht verbunden ist, in Prüfungsangst und Berufsangst.

Die drei genannten Angstkomponenten Existenzangst, Soziale Angst und die Leistungsangst bilden die Grundlage der Schwarzer`schen Angstkategorisierung, die in der folgenden Abbildung 1 und 2 zu sehen ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Kategorisierung von Ängsten Quelle: SCHWARZER 1981a, S.93 aus

WEISS, 1986, S.10

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Kategorisierung von Ängsten Quelle: SCHWARZER 1981a, S.93 aus

WEISS, 1986, S.10

Für WINE (1982, zitiert nach WEISS, 1986, S.11) besteht die Grundform der Angst als State in der Bewertungsangst. Wesentliche Merkmale für Bewertungsangst sind negative Aussagen, Selbstherabsetzung und unzutreffende Schlussfolgerungen aus dem Verhalten anderer. So unterscheidet WINE als Formen der Bewertungsangst neben der Prüfungsangst die Sprechangst, die Publikumsangst, die soziale Angst und die Angst vor Verabredungen. Allerdings impliziert z.B. hohe Prüfungsangst nicht eine hohe Angst in anderen Bewertungssituationen.

4. Theorien der Angstentstehung

4.1 Psychoanalytische Theorie

Nach FREUD` s psychoanalytischer Theorie ist Angst ein Signal für einen Konflikt des Ichs mit den Anforderungen aus dem Es, dem Über-Ich und der Umwelt. Das Es steht für Befriedigung von Bedürfnissen und ist angeboren. Die Inhalte des Es sind größtenteils unbewusst. Das Ich hat die Aufgabe, zwischen den Anforderungen der drei Instanzen und der Außenwelt zu vermitteln. Die Inhalte des Ichs sind weitgehend bewusst. Das Über-Ich stellt die moralische Instanz dar. Das bedeutet, dass die Person für moralisches Verhalten belohnt wird und für nicht sanktionierte Handlungen in Form von Gewissensangst bestraft wird (WEINER, 1994, S.22).

4.1.1 Erste Angsttheorie FREUD` s

Nach FREUD` s erster Angsttheorie (1967, S.410ff.) entsteht Angst durch die Unterdrückung unbewusster Impulse. Das bedeutet, dass nicht entladene Libido zur Verdrängung führen und in Angst umgewandelt werden kann. In diesem Fall bezieht sich seine Angsttheorie auf die neurotische Angst, die durch einen Triebzustand hervorgerufen wird. Nach Freud entsteht neurotische Angst durch unterdrückte und verdrängte Triebregungen aus dem Es, die sich überwiegend auf das Sexuelle beziehen. Aufgrund von Verboten des Über-Ichs können die sexuellen Wünsche nicht befriedigt werden. Diese Verdrängung der sexuellen Triebregungen ist eine Lösung, um einen Konflikt zwischen dem Ich und dem Über-Ich sowie der Umwelt zu vermeiden (LAZARUS-MAINKA, 2000, S.19).

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Die Sexualität spielt beim Entstehen neurotischer Angst eine leitende Rolle, da es sich bei Sexualität um ein physiologisches Bedürfnis handelt. Im geschlechtsreifen Organismus wird somatische Sexualerregung ständig produziert. Um von der Person als Reiz wahrgenommen zu werden, muss die Erregung einen entsprechenden Wert überschreiten, wenn keine Sublimation erfolgt, kann die entstandene Triebspannung durch entsprechende sexuelle Aktion abgebaut werden. Aufgrund des Wunsches nach sexueller Befriedigung und Ansammlungen von Trieben, die sich akkumuliert haben und nicht befriedigt werden können, entsteht Angst. Somit spielt die Sexualität beim Entstehen neurotischer Angst eine leitende Rolle. Die folgende Abbildung 3 versucht dies verdeutlichen. [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

Abbildung 3: Schematische Darstellung der ersten Angsttheorie Freuds Quelle: KROHNE, 1996, S.157

Im Gegensatz zur (vorübergehenden) Angst als Zustand (vgl. Kap. 2.1.1.1) ist die neurotische Angst dem Traitbegriff näher und ist daher als eine Disposition (vgl. Kap. 2.1.1.2) eines Individuums zu Angstaffekten zu verstehen.

4.1.2 Signaltheorie von FREUD

Die Signaltheorie Freuds definiert Angst als eine Signalfunktion, die den Körper vor einer antizipierten Bedrohung warnen soll. FREUD (1967, S.412) sieht die ersten Anzeichen von Angst als Primärangst, wobei er die Geburt als „Prototyp der Angstsituation“ betrachtet. Nach KROHNE (1996, S.158) sieht er die Ursachen der Angst im Konflikt der drei psychischen Instanzen des Es, Ichs und Über-Ichs. Ein Konflikt mit der Außenwelt entsteht, wenn sich das Ich dem Es oder dem Über-Ich unterwirft. Das Ich vermittelt zwischen den beiden Instanzen, dem Es, dem Über-Ich und der Umwelt. Weitere Aufgaben des Ichs sind, die Konfliktsituationen möglichst früh zu erkennen, um diesen entgegenwirken zu können. Weiterhin differenziert Freud zwischen verschieden Gefahrenklassen und ordnet diesen festgelegte Angsttypen zu: Realangst, neurotische Angst und die moralische oder Über-Ichangst. Die Realangst tritt auf, wenn die Angst ein Objekt, einen real gegebenen Gegenstand, z.B. einen gefährlichen Hund, hat (LAZARUS-MAINKA, 2000, S.18). Die Auslöser der realen Angst sind Objekte oder Sachverhalte in der Umwelt. Das Ich nimmt Umweltvorgänge wahr, die den Organismus beeinträchtigen könnten. Die Angst, als Signal bereitet das Ich darauf vor, der Gefahr mit Flucht- oder Angriffaktionen entgegenzuwirken. Die moralische oder Über-Ichangst entsteht, wenn sich das Ich in einem Konflikt mit dem Über-Ich befindet. Hier beschreibt KROHNE (1996), dass sich das Ich emotional instabil fühlt und der Organismus die Gefahr als Schuldgefühl oder als Verlust sozialen Kontakts empfindet. Betrachtet man diese drei Angstarten unter dem Gesichtspunkt von Zustand versus Trait, dann handelt es sich bei der Realangst um einen Angstzustand. Bei der neurotischen und Über-Ichangst um Angst als Trait. Personen mit neurotischer Angst der Über-Ichangst können auch als ängstlich bezeichnet werden. Sie reagieren mit einem Angstaffekt auf bestimmte Situationen. Niedrigängstliche zeigen in denselben Situationen unter Umständen kaum eine Regung. Nach Freuds Konzeption unterscheiden sich Hochängstliche von Niedrigängstlichen dadurch, dass sich Hochängstliche schon in gewissen Situationen bedroht fühlen, die für Niedrigängstliche noch keine Bedrohung darstellen.

4.1.3 Zusammenfassung der Psychoanalytischen Theorie

Der psychoanalytische Ansatz Freuds sieht in der Unterdrückung von sexueller Spannung die Ursachen von neurotischer Angst. Er verfolgt in seiner zweiten Angsttheorie, der Signaltheorie, den Ansatz einer direkten Angsterzeugung durch unterdrückte Triebimpulse. Hier wird Angst zum Signalgeber, der den Organismus vor Gefahren warnt.

4.2 Behavioristische Theorien

Die behavioristische Theorie vertritt die Auffassung, dass Angst wie jedes menschliche Verhalten durch Lernen entsteht. Langfristig können sich Gewohnheiten herausbilden und Angst auf zweifache Weise generalisiert werden:

a) Generalisierung von auslösenden Reizen (Reiz-Generalisierung) oder
b) von ängstlichen Reaktionen (Reaktions-Generalisierung).

Zu a: Generalisierung des auslösenden Reizes

Durch die Reiz-Generalisierung von spezifisch angstauslösenden Merkmalen kann sich Angst, nach SÖRENSEN (1994, S.16) auf weniger spezifische Reize ausweiten. Ein Beispiel hierfür ist die Bienenangst. Wenn z.B. eine Person von einer Biene gestochen oder erschreckt wurde und daraufhin Angst erlebt hat, dann kann diese Angst generalisiert werden und von der einen „angsteinflößenden“ Biene auf andere Insektenarten ausgeweitet werden. Eine stärkere Form der Reiz-Generalisierung ist die Reiz-Substitution, bei dem der neu angstauslösende Reiz dem eigentlichen Reiz nicht mehr ähnlich sein muss. In diesem Fall kann ein Kind z.B. panische Angst vor Spritzen haben, diese Angst dann generalisieren und zukünftig nicht mehr Angst nur vor Spritzen zu bekommen, sondern schon wenn sich ihm eine Person in einem weißen Kittel nähert. In Kapitel 4.2.1 wird auf dieses Thema noch näher eingegangen.

Zu b: Generalisierung der ängstlichen Reaktion

Eine Angstreaktion, wie z.B. Weglaufen, die auf einen angstauslösenden Reiz erfolgen kann, kann sich nach SÖRENSEN (1994, S.16) auf alle möglichen Reaktionen, wie weit geöffnete Augen, Herzklopfen, etc. ausweiten (generalisieren), wenn diese Reaktionen, durch einen Erfolg wie z.B. Angstreduzierung durch Weglaufen, verstärkt werden. Diese Angstreduzierung könnte man Reaktionsersatz nennen, da die Reaktion so weit von der ursprünglichen Angstreaktion entfernt ist, dass die dahinter stehende Angst kaum noch zu erkennen ist.

4.2.1 Zwei-Prozess-Theorie

WATSON (1919, zitiert nach KROHNE, 1996, S.183-190) geht davon aus, dass Angstreaktionen im Sinne Pawlows konditioniert werden, und dass alle höher entwickelten Organismen über ein angeborenes Reiz-Reaktionsschema verfügen, dass im Laufe des Lebens weiter ausgebildet wird.

MOWRER (1948) und MILLER (1939) analysierten die motivierende und verhaltensverstärkende Funktion konditionierter Reaktionen. Nach MOWRER (1939, zitiert nach SÖRENSEN, 1994, S.17)) ist Angst eine Reaktion, die durch klassische und instrumentelle Konditionierung gelernt wird. Nach seiner Theorie vollzieht sich die Angst in zwei aufeinander folgende Phasen.

1.Phase: Klassische Konditionierung (ein neutraler Reiz wird zu einem Angstreiz) und

2. Phase: Instrumentelles Lernen (Aufbau von Angstvermeidung).

1. Phase In der ersten Phase tritt die Angst in Form von klassischer Konditionierung auf. Die folgende Abbildung soll diese Konditionierung verdeutlichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Quelle: Sörensen, 1994, S.17

Ein ursprünglich neutraler Reiz (hier Hund) gekoppelt mit einem unkonditionierten Reiz (hier Schreck) führt zu einer unkonditionierten Reaktion (Angst). Diese Angstreaktion wird nach mehrmaligem Aufeinandertreffen beider Stimuli erlernt. Von da an kann die Angst auch auftreten, wenn nur der bedingte Reiz, in diesem Fall der Hund, gegeben ist, das im nächsten Beispiel veranschaulicht wird.

Im folgenden Beispiel tritt Angst nach der Konditionierung ein, sobald der Hund in Erscheinung tritt. [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

Abbildung 5; Quelle: Sörensen, 1994, S.18

[...]

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Details

Titel
Prüfungsangst und Lernen. Über hemmende und förderliche Prüfungsangst
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig
Note
1,5
Autor
Jahr
2005
Seiten
81
Katalognummer
V47439
ISBN (eBook)
9783638443890
Dateigröße
560 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Prüfungsangst, Lernen
Arbeit zitieren
Vanessa Schünemann (Autor:in), 2005, Prüfungsangst und Lernen. Über hemmende und förderliche Prüfungsangst, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47439

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