Grundbegriffe und Relationen der Peirceschen Zeichentheorie


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

12 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Grundlagen der Peirceschen Semiotik
1.1 Die Universalität der Zeichen
1.2 Die Universalkategorien

2. Zeichen als triadische Relation
2.1 Repräsentamen
2.2 Objekt
2.3 Interpretant
2.3.1 infiniter Regress

3. Die Zeichenklassifikation
3.1 Das Zeichen als Repräsentamen
3.2 Objektbezug des Zeichens
3.3 Interpretantenbezug des Zeichens
3.4 Hauptzeichenklassen

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Der amerikanische Philosoph, Logiker und Naturwissenschaftler Charles Sanders Peirce (1839 -1914) gilt als Begründer des Pragmatismus und der modernen Semiotik. In Auseinandersetzung mit Immanuel Kant und Aristoteles entwickelte Peirce in den Jahren 1867/68 in “On a New List of Categories” ein für seine weitere Arbeit grundlegendes System von drei Universalkategorien. Auf diese Kategorien aufbauend entwirft Peirce ein umfangreiches System der Zeichenklassifikation. Dabei betont er vordergründlich den funktionalen oder relationalen Charakter des Zeichens, das er als eine triadische Relation bestehend aus Repräsentamen, Interpretant und dargestelltem Objekt auffasst und dessen Interpretation ein Universum potentiell unendlicher Weiterverweisungen eröffnet. Im Jahre 1878 legt Peirce in “ How to Make Our Ideas Clear” seine Grundannahme des Pragmatismus dar. Seine zentrale These lautet: “Überlege, welche Wirkungen, die denkbarerweise praktische Relevanz haben könnten, wir dem Gegenstand unseres Begriffs in unserer Vorstellung zuschreiben. Dann ist unser Begriff dieser Wirkungen das Ganze unseres Begriffes des Gegenstandes.”(KG § 402) Vereinfacht hieße das: Die Bedeutung eines Begriffs ergibt sich aus der Summe aller möglichen praktischen Folgen. Peirce verbindet damit Zeichentheorie und Pragmatismus, da er den Begriff nicht nur als “Verhaltensregel” auffasst, sondern auch als Disposition, “unter bestimmten Bedingungen in bestimmter Weise zu handeln“. (vgl. Nünning 2004, 515f.) Die vorliegenden Ausführungen wollen in die eben schon erwähnten zentralen Grundbegriffe und Relationen der Peirceschen Zeichentheorie einführen. Thematische Schwerpunkte bilden dabei 1. Die Grundlagen der Peirceschen Semiotik, 2. Das Zeichen als triadische Relation und 3. Peirce Zeichenklassifikation. Die Ausführungen schließen mit einer Zusammenfassung, der sich das Literaturverzeichnis anschließt.

1. Grundlagen der Peirceschen Semiotik

1.1 Die Universalität der Zeichen

Als Ausgangspunkt der Peirceschen Zeichentheorie gilt die These, dass alles Denken notwendigerweise in Zeichen erfolgt (CP 5.251), denn, so Peirce weiter, jeder Gedanke verweist so wie ein Zeichen auf einen anderen Gedanken und bezieht sich auf ein Objekt in der Welt (CP 2.283ff.). Da nun “jeder Gedanke ein Zeichen ist” und “das Leben aus einer Folge von Gedanken besteht“, ist selbst der Mensch ein Zeichen (CP 5.314). Zeichen sind für Peirce nicht nur eine Klasse von Phänomenen, die im Gegensatz zu Nichtzeichen bestehen, sondern vielmehr ist das ganze “Universum mit [von] Zeichen durchdrungen, wenn es nicht sogar ausschließlich aus Zeichen besteht“ (CP 5.448). Damit wird die Semiotik zur Universalwissenschaft erhoben, von der Peirce (1958, 408) sagt: “ It has never been in my power to study anything -mathematics, ethics, methaphysics, gravitation, thermodynamics, optics, chemistry, comparative anatomy, astronomy, psychology, phonetics, economics, the history of science, whist, men and woman, wine, meterology - except as a study of semeiotic.”

1.2 Die Universalkategorien

Für das Verständnis der Peirceschen Zeichentheorie ist eine wesentliche Vorraussetzung seine philosophischen Kategorienlehre (CP 1.300ff.), die er in Auseinandersetzung mit 10 bzw. 12 Kategorien von Aristoteles und Kant entwickelt. Die 3 Universalkategorien seines Systems, nach denen alles Seiende klassifiziert werden kann, nennt Peirce: Erstheit (firstness), Zweitheit (secondess) und Drittheit (thirdness) (vgl. CP 8.328). “Erstheit ist das, was so ist, wie es eindeutig und ohne Beziehung auf irgendetwas anderes ist. Zweitheit ist das, was so ist, wie es ist, weil eine zweite Entität so ist, wie sie ist, ohne Beziehung auf etwas Drittes. Drittheit ist das, dessen Sein darin besteht, daß es eine Zweitheit hervorbringt. Es gibt keine Viertheit, die nicht bloß aus Drittheit bestehen würde.” (PLZ 55) (vgl. Nagl 1992, 93f.)

Erstheit ist somit die Kategorie des Unmittelbaren, der noch nicht verwirklichten Möglichkeiten bzw. noch nicht reflektierten Gefühle. Es ist “dasjenige, dessen Sein einfach in sich selbst besteht, das weder auf etwas verweist, noch hinter etwas anderem steht” (CP 1.356). Zweitheit ist danach die Kategorie des Anderen, d.h. das Sein in Bezug auf ein Zweites (CP 1.356- 9). Es ist dasjenige, was außerhalb des Bewusstseins erfahren wird, also die Realität, das singulär Existierende. Die Kategorie der Drittheit stellt die Beziehung zwischen einem Ersten und einem Zweiten her (CP 1.377ff.), d.h. sie ist die Kategorie des Allgemeinen, des Gesetzmäßigen, der Gewohnheit, der Kontinuität, der Kommunikation und schließlich der Zeichen. (vgl. Nöth 1985, 35f.)

2. Zeichen als triadische Relation

Das Zeichen (sign) ist für Peirce Phänomenen der Drittheit, da es eine dreistellige oder triadische Relation bildet, die zwischen dem Zeichen (Repräsentamen), seinem Objekt und seiner Bedeutung (dem Interpretanten) besteht. (vgl. Nöth 1985, 36) Diese drei Korrelate finden sich auch in seiner Definition des Zeichens wieder: “Ein Zeichen, oder Repräsentamen, ist etwas, das für jemanden in einer gewissen Hinsicht oder Fähigkeit für etwas steht. Es richtet sich an jemanden, d.h., es erzeugt im Bewußtsein jener Person ein äquivalentes oder vielleicht ein weiter entwickeltes Zeichen. Das Zeichen, welches es erzeugt, nenne ich den Interpretanten des ersten Zeichens. Das Zeichen steht für etwas, sein Objekt. Es steht für das Objekt nicht in jeder Hinsicht, sondern in bezug auf eine Art von Idee, die ich manchmal den Grund des Repräsentamen genannt habe.” (CP 2.228) Die so definierte triadische Zeichenrelation lässt wie folgt veranschaulichen (vgl. Nöth 1985, S.37):

Wichtigster Gesichtspunkt dieser Zeichendefinition ist der relationale oder funktionale Charakter des Zeichens, der darin besteht, dass Zeichen nicht eine Klasse von Objekten bilden, sondern sie ent- bzw. bestehen nur im Bewusstsein eines Interpreten, der diese Relation herstellt: “Nichts ist ein Zeichen, wenn es nicht als ein Zeichen interpretiert wird” (CP 2.308). Damit schreibt Peirce der Triade einen prozessualen Charakter zu, spezifischer definiert den Zeichenprozess (Semiose), der im Moment der Interpretation durch den Interpretanten und dessen Rezeption ausgelöst wird.

2.1 Repräsentamen

Das Repräsentamen ist das konkrete Zeichen als “Vehikel” (CP 1.339, 1.540) oder anders, es ist das Replika eines Zeichens. Zeichen existieren nach Peirce nur in diesen Replika, da Zeichenkörper im Gegensatz zu “wirklichen Objekt” nur mit Dargestelltsein und nicht mit wirklichem Sein postuliert werden können.1 Peirce charakterisiert das Replika weiterhin im Gegensatz zum Zeichen als einzeln, da bei der Wahrnehmung eines solchen nie die gesamte Menge miteinbezogen wird, sondern immer nur ein individuelles.2 (NE III.1)

2.2 Objekt

Das Objekt als zweites Korrelat der Triade umfasst materielle und imaginäre Objekte der Welt. Es ist das Korrelat der Erfahrung und seine Kenntnis ist Vorrausetzung für das Verstehen eines Zeichens, denn ein Zeichen kann nicht die Kenntnis eines Objektes vermitteln, es kann diese nur darstellen (CP 2.231). Das Objekt des Zeichens ist nach Peirce (CP 4.536) des weiteren durch die Kategorien unmittelbaren und dynamischen zu differenzieren. Das unmittelbare Objekt ist das Objekt der Vorstellung, dessen Existenz vom Semioseprozess abhängig ist. Das dynamische Objekt hingegen ist das externe Objekt, das den Prozess determiniert, aber unabhängig von diesem existiert. (vgl. Nöth 1985, 37f.)

2.3 Interpretant

Dieses dritte Korrelat des Zeichens, das Peirce (CP 8.179) gelegentlich auch als Bedeutung eines Zeichens definiert, bezeiht sich auf die Wirkung des Zeichens im Bewusstsein eines Interpreten (CP 5.474; 8.179). Nach Peirce (CP 4.536, 5.474-6, 8.314) kann das Zeichen auf dreierlei Weise auf den Interpreten wirken, woraufhin er drei Typen des Interpretanten unterscheidet: den emotionalen, den dynamischen und den finalen. Der emotionale oder auch unmittelbare Interpretant bezeichnet das Gefühl3, das ein Zeichen bewirkt. Der energetische oder auch dynamische Interpretant ist die Wirkung einer “körperlichen oder geistigen Anstrengung des Interpreten” und der logische, normale oder auch finale Interpretant (CP 8.343) ist die Zeichenbedeutung als Denkgewohnheit und Verhaltensänderung (CP 5.476).

2.3.1 infiniter Regress

Da nun für Peirce das Denken ebenso wie das Interpretieren Zeichenprozesse darstellen, erweist sich der Interpretant ebenfalls als ein Repräsentamen, welches selbst einen weitren Interpretanten als Korrelat hat, woraus ein “ad infinitum” (CP 2.92, 2.303) sich fortsetzender semiotischer Prozess entsteht. Dieser infinite semiotische Regress, ein scheinbares Paradox, ist jedoch nur als ein potenzieller, niemals in seiner Unendlichkeit aktualisierter Prozess zu verstehen, denn jeder Interpretant kann in einer Fortsetzung des Prozesses, für die es keine logischen Grenzen gibt, durch Interpretation gedanklich und somit semiotisch weiterentwickelt werden. Dieses verdeutlicht Peirce mit der Zuschreibung, dass das Zeichen mit der Wahrheit, also dem Universum, auf 3 Weisen verknüpft ist. Zum einen in dem Moment, wenn ein Objekt identifiziert wird, d.h. wenn ein Ding als Ding benannt wird. Daraufhin erfolgt die Beschreibung des Objektes, also die Bezeichnung von Eigenschaften dieses Ding. Damit ein vollständiges Zeichen existiert, so Peirce, muss das Zeichen auch bestimmt werden. (NE III.1)

[...]


1 Beispielsweise ist der gehörte oder gelesene Buchstabe A nur ein Replika des Zeichens A.

2 Das Zeichen A, welches uneingeschränkt alle A´s beinhaltet, kann immer nur in einem bestimmten Replika wahrgenommen werden, etwa dem hier geschriebenen A, wobei es sich von allen anderen A´s, die in diesem Text vorkommen, unterscheidet.

3 Beispiel: die Wirkung von Musik

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Grundbegriffe und Relationen der Peirceschen Zeichentheorie
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Institut für Philosophie)
Veranstaltung
C.S. Peirce, Ausgewählte Texte zur Philosophie und Semiotik
Note
1.0
Autor
Jahr
2005
Seiten
12
Katalognummer
V47351
ISBN (eBook)
9783638443197
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Grundbegriffe, Relationen, Peirceschen, Zeichentheorie, Peirce, Ausgewählte, Texte, Philosophie, Semiotik
Arbeit zitieren
Korinna Brinkmann (Autor:in), 2005, Grundbegriffe und Relationen der Peirceschen Zeichentheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47351

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