Gerechtigkeit für Ruanda? Die Frage nach der nationalen Aussöhnung


Seminararbeit, 2005

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

Einleitung

1 Die Folgen des Völkermordes
1.1 Die Machtübernahme der RPF
1.2 Die sozialen Folgen
1.3 Die Politik der „Nationalen Einheit“

2 Der Internationale Strafgerichtshof

3 Nationale Gerichtsbarkeit 3.1 Staatliche Gerichte
3.2 Gacaca

4 Fazit
Literaturverzeichnis

Einleitung

Im Rahmen meiner Hausarbeit möchte ich auf die Folgen innerhalb des Landes Ruanda für das Zusammenleben von Hutu und Tutsi nach dem Völkermord im Sommer 1994 eingehen.

Durch die Kolonialzeit unter den Deutschen und anschliessend unter den Belgiern kam es zu einer verschärften gesellschaftlichen Spaltung der Bevölkerung in die durch Tutsi bestimmte Oberschicht und der unterprivilegierten Schicht der Hutu, die den Großteil der Bevölkerung stellt.[1]

Nach Ende der Kolonialzeit und diversen Ausschreitungen wurde 1962 bei Parlamentswahlen der Hutu Grégoire Kayibanda zum Präsidenten der kurz zuvor als unabhängig erklärten Republik gewählt.[2]

Die Minderheit der Tutsi im Land war nunmehr aufgrund von Angriffen der Exil-Tutsi- Rebellen Repressalien der Regierung ausgeliefert, ähnlich wie zuvor die Hutu unter den Tutsi[3]. Als die Angriffe 1990 unter der Ruandischen Patriotischen Front (RPF) massiver wurden, entbrannte ein vierjähriger Bürgerkrieg[4], der die Regierung - seit einem Militärputsch 1973 unter General Habyarimana - massiv unter Druck setzte und sie schliesslich dazu zwang, dass Abkommen von Arusha zu unterschreiben, welches eine Beteiligung der Tutsi an der Regierung vorsah[5].

Doch der bis heute ungeklärten Absturz des Flugzeuges des Regierungschefs Habyarimana am 6. April 1994 wurde den Tutsi von Hutu - Hardlinern angelastet. Damit begann in Ruanda ein etwa hunderttägiger Völkermord, der mindestens 800.000 Opfer forderte.[6]

Erst der Sieg der RPF, mit lediglich geringer und verspäteter Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, welche den Völkermord zu lange als Stammeskrieg bewertete, beendete den Völkermord im Juli 1994[7], noch lange aber nicht die Auseinandersetzungen der beiden Bevölkerungsgruppen.

Wie bereits zuvor erwähnt, werde ich mich nur auf Ruanda beziehen und nicht auf die Folgen und Probleme in den anliegenden Ländern Burundi, Kongo, ehemals Zaire sowie Uganda, welche nicht zuletzt aufgrund der Flüchtlingsmassen noch heute aktuell sind, denn dies würde den angegeben Rahmen meiner Hausarbeit sprengen.

Zunächst werde ich mich mit der Zeit unmittelbar nach dem Völkermord und den Folgen befassen, daran anschliessend mit der Politik der heutigen Regierung zur Nationalen Einheit aller Ruander, sowie mit dem Versuch Gerechtigkeit durch Gerichtsverfahren auf internationaler, nationaler sowie lokaler Ebene zu schaffen. Denn die Autoren diverser auch hier angeführter Literatur sind sich einig, dass es nur dann zu einer nationalen Aussöhnung kommen kann, wenn Gerechtigkeit geschaffen wird. Ob dies überhaupt und falls auf dem momentan eingeschlagenen Weg möglich ist, werde ich am Ende meiner Arbeit zu beantworten versuchen.

1 Die Folgen des Völkermordes

1.1 Die Machtübernahme der RPF

Ende Juli 1994 besiegte die RPF endgültig die letzten regulären Regierungstruppen und beendete damit offiziell den Völkermord. Dennoch kam es insbesondere im Grenzgebiet zum heutigen Kongo noch verstärkt zu Kampfhandlungen[8] und auch die Bemühungen, das Land unter Kontrolle zu bringen, führten oftmals zu zumindest kurzfristigen Kämpfen. Insbesondere in den größeren Städten Kigali, Byumba und Gitarama kamen dabei vermehrt auch Zivilisten ums Leben.[9] In ländlichen Regionen kam es teilweise zu Massakern durch die Truppen der RPF, auch wenn keine Regierungstruppen ihnen den Weg versperrten oder in dem Gebiet Tutsi geschützt wurden, wie z.B. in der Gemeinde Giti.[10]

Hatten die Truppen der RPF ein Gebiet eingenommen, evakuierte man die Bevölkerung zunächst in Auffang-/Flüchtlingslager unter ihrer Verwaltung hinter den Frontgrenzen. Für manche war das die Rettung, für andere der erste Schritt zur „Säuberung (…) um die Unschuldigen von den Mördern zu trennen.“ Politische Führer, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie Priester sowie Intellektuelle wurden dabei oftmals direkt ausgesondert, erschossen oder verschwanden.[11]

Obwohl von offizieller Seite immer wieder betont wurde, dass die RPF keine Rachemorde dulde und es die strikte Anweisung gäbe, lediglich zu inhaftieren, damit diese Gefangenen einem anständigen Gericht vorgeführt werden könnten, sah die Realität anders aus. Oftmals genügten Anschuldigungen oder Vermutungen, jemand sei am Völkermord beteiligt gewesen, um getötet zu werden. Teilweise traf das auch Tutsi.

Offen brüsteten sich die RPF Truppen damit Rache zu üben, obgleich das von vielen Völkermords-Hinterbliebenen gar nicht erwünscht war. Auf großen Versammlungen begingen RPF Truppen Massaker oder nutzen sie, um Namen von Verdächtigen zu sammeln, welche umgehend vernommen und häufig direkt umgebracht wurden.[12]

Um ihre Willkür vor der Welt geheim zu halten, behinderte man humanitäre Hilfsorganisationen sowie Journalisten. Grundsätzlich wurden Ausländer strengstens kontrolliert, Anschuldigungen wurden abgestritten. Aussage- und belegkräftige Berichte gab es keine.

Als der UNO von Robert Gersony und seinem Team, welches im Auftrag der UNHCR in Ruanda war, um die Flüchtlingsproblematik und deren Rückführung zu bewerten, dann allerdings doch ein solcher Bericht aus Eigeninitiative vorgelegt wurde, indem von bis zu 45.000 Opfern die Rede war, wurde dieser unterdrückt. Alison Des Forges, die wohl den umfangreichsten Bericht über den Völkermord geliefert hat, vermutet, dass das nicht nur die ruandische Regierung und somit die politischen Verhältnisse im Land schützen sollte, sondern auch um nicht selbst in ein schlechtes Licht zu geraten. Man versprach den Informationsfluss so gut wie möglich zu hemmen, wenn das Morden ein Ende finden würde.[13]

Heute geht man sogar von bis zu 60.000 Toten aus. Dennoch wurden bisher nach Angaben von Human Rights Watch lediglich ca. 25 Angeklagte, größtenteils aber nur Militärs niedrigen Ranges, an Militärgerichten zu geringen Strafen verurteilt.

Untersuchungen des Internationalen Gerichtshofes versuchte man teilweise mit Ausreisesperren für Zeugen zu verhindern und auch die lokalen Gacacas, die alle Verbrechen und Geschehnisse während des Zeitraumes ab 1990 aufarbeiten sollen, sind laut Staatschef Kagame, Mitglied der bis heute regierenden RPF, nicht dafür zuständig. Man müsse zwischen Völkermördern und Mördern aus Rache unterscheiden und zunächst einmal das Land wieder aufbauen, heißt es von offizieller Stelle.[14]

Zwar wagt kaum einer diese Politik öffentlich zu kritisieren, da man dann schnell als Leugner des Völkermordes dargestellt wird, doch schürt dieses einseitige Rechtssystem den Unmut im Volk, insbesondere das Gerechtigkeitsempfinden und das Vertrauen in die Regierung der Hutu-Bevölkerung hat darunter zu leiden. Diese sind aber von elementarer Bedeutung, denn nur wenn beide Seiten zur Wahrheitsfindung beitragen und beitragen können, kann man den Völkermord ansatzweise auf- und verarbeiten.[15]

[...]


[1] Vgl. Schaller, Dominik: Regimewechsel, Völkermord und staatlich verordnete Versöhnung in Rwanda, in: Zimmerer, Jürgen (Hrsg.): Comparativ. Verschweigen-Erinnern-Bewältigen. Vergangenheitspolitik in globaler Perspektive, Heft 5/6, Leipzig 2004, S.127-130

[2] Vgl. Joireman, Sandra F.: Retributive Justice: The Gacaca courts in Rwanda, in: African Affairs Vol.103, (01/2004), Nr.410, S.73-89, hier: S.78

[3] Vgl. Schaller, a.a.O., S.131-132

[4] Vgl. Joireman, a.a.O., hier: S.78

[5] Vgl. Schaller, a.a.O., S.133

[6] Vgl. Schaller, a.a.O., S.134

[7] Vgl. Scherer, Christian: Ethnisierung und Völkermord in Zentralafrika. Genozid in Rwanda, Bürgerkrieg in Burundi und die Rolle der Weltgemeinschaft, Frankfurt/Main 1997, S.107

[8] Vgl. Schaller, a.a.O., S.135

[9] Vgl. Des Forges, Alison: Kein Zeuge darf überleben, Hamburg 2003, S.824-825

[10] Vgl. ebd., S.826-827

[11] Vgl. ebd., S.824/834-826

[12] Vgl. ebd., S.837-844

[13] Vgl. Des Forges, a.a.O., S.847-853

[14] Vgl. Possemeyer, Ines: Ruanda. Schuld und Sühne, in Geo 6/2003, S.152-180, hier: S.175

[15] Vgl. ebd.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Gerechtigkeit für Ruanda? Die Frage nach der nationalen Aussöhnung
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Institut für Neuere und Neuste Geschichte)
Veranstaltung
Proseminar: Völkermord in der Moderne. Ethnische Säuberung und Genozid im 19. und 20. Jahrhunder
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V47254
ISBN (eBook)
9783638442466
Dateigröße
475 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gerechtigkeit, Ruanda, Frage, Aussöhnung, Proseminar, Völkermord, Moderne, Ethnische, Säuberung, Genozid, Jahrhunder
Arbeit zitieren
Sonja Neuerer (Autor:in), 2005, Gerechtigkeit für Ruanda? Die Frage nach der nationalen Aussöhnung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47254

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