Das Bild Chinas in Goethes 'Chinesisch-Deutschen Jahres- und Tageszeiten'


Hausarbeit, 2005

19 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Zielsetzung und erste Überlegungen zur Hinführung und Beschäftigung mit dem Zyklus „Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten“

2. Goethe und die „Chinesisch-deutschen Jahres- und Tageszeiten“
2.1. Die Entstehung von Goethes letzten bedeutendem Zyklus
2.2. Verwendete Vorlagen

3. Die Bedeutung des Titels „Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten“

4. Goethes Beschäftigung mit dem Thema „China“ innerhalb des Zyklus
4.1. Das spezifisch Chinesische der Gedichte
4.2. Die chinesische Atmosphäre der ‚Jahres- und Tageszeiten’

5. Goethes Chinabild in den ‚Chinesisch-Deutschen Jahres- und Tageszeiten’
5.1. China als Spiegel zweier Welten
5.2. Goethe und China – Parallelen zwischen Werk und Autor

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

0. Einleitung

Goethe verbrachte im Jahr 1827 längere Zeit in seinem Gartenhaus an der Ilm. Er widmete diese Zeit der Entstehung seines letzten Gedichtzyklus den ‚Chinesisch-deutschen Jahres- und Tageszeiten’. Lange Zeit wurden die 14 Gedichte literaturwissenschaftlich kaum oder nur sehr einseitig wahrgenommen und gedeutet. Welch komplexes Bild Goethe in diesem Spätwerk jedoch entwirft, werde ich versuchen in meinen Ausführungen nahe zu kommen.

1. Zielsetzung und erste Überlegungen zur Hinführung und Beschäftigung mit dem Zyklus „Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten“

In meiner Hausarbeit werde ich der Fragestellung nachgehen, welches Bild Chinas Goethe innerhalb des genannten Zyklus entwirft. Dabei werde ich zunächst auf die Aspekte der Entstehungsgeschichte der Gedichte zu sprechen kommen und im Folgenden auf die von Goethe verwendeten Vorlagen eingehen. Darüber hinaus werde ich Vergleiche zwischen klassischer chinesischer Lyrik und Literatur und den von Goethe verfassten Gedichten anstellen, woraus deutlich hervorgeht, wie genau Goethe den chinesischen Ton trifft, ohne dabei nachzuahmen oder es zu wollen. Abschließend wird es meine Zielsetzung sein, herauszustellen, was Goethe bewegte, sich gerade in dieser Zeit, gegen Ende seines Lebens, mit der chinesischen Literatur zu befassen.

2. Goethe und die ‚Chinesisch-deutschen Jahres- und Tageszeiten

2.1. Die Entstehung von Goethes letzten bedeutendem Zyklus

Wie bereits einleitend beschrieben, zog sich Goethe im Mai 1827 in sein Gartenhaus an der Ilm, südlich von Weimar gelegen, zurück. Ursprünglich plante er wohl gar keinen längeren Aufenthalt, seine Entscheidung fiel wohl aufgrund des Naturerlebens, dass er dort empfand, und dass letztendlich auch den Zyklus nachhaltig beeinflusst hat. So notiert er am 24. Mai 1827 an Zelter:

Kund zu wissen sei hiermit dem theuersten Freunde, daß ich Sonnabend den 12. May ganz unschuldigerweise in meinen untern Garten fuhr, ohne auch nur irgend einen Gedanken als dasselbst eine freundliche Stunde zu verweilen. Nun gefiel es mir aber dasselbst so wohl, die Frühlingsumgebung war so unvergleichlich, daß ich blieb ohne bleiben zu wollen und heute am Himmelfahrtsfeste mich noch hier befinde, diese Tage her immer thätig und hoffe andern wie mir erfreulich. 1

Hier, in seinem Gartenhaus, verfasste Goethe zwischen Mai bis August die 14 Gedichte zum Zyklus der ‚Chinesisch-deutschen Jahres- und Tageszeiten. Die Gedichte spiegeln sein Leben im Einklang mit der Natur wieder, wie er es in dieser Zeit erlebte. Erstmalig erschienen sind sie im „Berliner Musen-Almanach für das Jahr 1830“.

Goethe hatte sich bereits seit Beginn des Jahres 1827 mit chinesischer Literatur beschäftigt und mehrere Romane in englischen, sowie französischen Übersetzungen gelesen, auf welche im folgenden Kapitel noch eingegangen werden soll. Bemerkenswert ist dabei, dass Goethe sich trotz seiner Ablehnung der allgemeinen Chinabegeisterung und der Chinoiserien, die im 18. Jahrhundert vorherrschte, noch im Alter damit zu beschäftigen begann. Hideo Fukuda sagt hier wohl zu recht: „Erst im hohen Alter wurde ihm [Goethe] die chinesische Kultur verständlich und fruchtbar.2 Das Fremde an dem Land China begann ihn zu faszinieren, und er hat es auf einzigartige Art und Weise in seinem Werk interpretiert, ohne dabei zu kopieren oder nachahmen zu wollen. Im Gegenteil, durch den Einfluss der chinesischen Literatur in seinem Spätwerk entsteht etwas ganz und gar Neues. Fukuda schreibt darüber: „Nur unbedeutende Werke in häufig schlechten Übersetzungen lagen Goethe vor. Umso bemerkenswerter ist es, wie er mit richtiger Ahnung die wesentlichen Züge der chinesischen Dichtung herausfühlte und den chinesischen Geist gebührend erfaßte. Denn er hat jenen dichterischen Scharfsinn, der Raum und Zeit überwindet, und fühlt eine innere Verwandtschaft mit dem chinesischen Wesen. In der Tat hat ihn das fremde im fernen Asien zu eigenem Schaffen angeregt.“ 3 Im Gespräch mit Eckermann am 31. Januar 1827 äußerte Goethe selbst sich zu seinen Eindrücken über China:

Goethe hatte sich bereits seit Beginn des Jahres 1827 mit chinesischer Literatur beschäftigt und mehrere Romane in englischen, sowie französischen Übersetzungen gelesen, auf welche im folgenden Kapitel noch eingegangen werden soll. Bemerkenswert ist dabei, dass Goethe sich trotz seiner Ablehnung der allgemeinen Chinabegeisterung und der Chinoiserien, die im 18. Jahrhundert vorherrschte, noch im Alter damit zu beschäftigen begann. Hideo Fukuda sagt hier wohl zu recht: „Erst im hohen Alter wurde ihm [Goethe] die chinesische Kultur verständlich und fruchtbar.[2] Das Fremde an dem Land China begann ihn zu faszinieren, und er hat es auf einzigartige Art und Weise in seinem Werk interpretiert, ohne dabei zu kopieren oder nachahmen zu wollen. Im Gegenteil, durch den Einfluss der chinesischen Literatur in seinem Spätwerk entsteht etwas ganz und gar Neues. Fukuda schreibt darüber: „Nur unbedeutende Werke in häufig schlechten Übersetzungen lagen Goethe vor. Umso bemerkenswerter ist es, wie er mit richtiger Ahnung die wesentlichen Züge der chinesischen Dichtung herausfühlte und den chinesischen Geist gebührend erfaßte. Denn er hat jenen dichterischen Scharfsinn, der Raum und Zeit überwindet, und fühlt eine innere Verwandtschaft mit dem chinesischen Wesen. In der Tat hat ihn das fremde im fernen Asien zu eigenem Schaffen angeregt.“ 3) Im Gespräch mit Eckermann am 31. Januar 1827 äußerte Goethe selbst sich zu seinen Eindrücken über China:

Die Menschen denken, handeln und empfinden fast ebenso wie wir und man fühlt sich sehr bald als ihres Gleichen, nur daß bei ihnen alles klarer, reinlicher und sittlicher zugeht.

So entstehen die „Chinesisch-deutschen Jahres- und Tageszeiten“ nicht nur unter dem Eindruck des aktiven Naturerlebnisses während des Aufenthaltes im Gartenhaus, sondern sie entstehen auch unter dem Einfluss der neu gewonnenen Erkenntnisse Goethes über die chinesische Literatur bzw. Lyrik, aus der etliche Motive entlehnt sind, was im folgenden noch auszuführen ist. Bei Christine Wagner Dittmar findet sich dazu noch folgendes: „Die ‚Chinesisch-deutschen Jahres- und Tageszeiten’ spiegeln die zu schöpferischer Gestaltung gewordene Auseinandersetzung Goethes mit chinesischer Dichtung.“ 4

2.2. Verwendete Vorlagen

Goethe befasste sich, wie ich bereits erwähnt habe, erst in seinem letzten Lebensabschnitt intensiv mit der chinesischen Dichtung und Literatur, die ihm zur damaligen Zeit auch nur in Form von Übersetzungen in englischer bzw. französischer Sprache zugänglich waren. Aus Goethes Tagebüchern, Briefen und Gesprächen ist überliefert mit welchen Schriften er sich befasst hat. Zunächst waren das lateinische Übersetzungen der konfuzianischen Klassiker, die von den Jesuiten übertragen worden waren. Weiterhin waren gemeinhin die Darstellung Chinas im nüchternen Bild der Gesandtschaftsberichte, sowie die naturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Land durch Reiseberichte zugänglich.

So las Goethe 1781 den Sammelband von Johann Baptista du Halde „Description géographique, historique, chronologique, politique et physique de l’empire de la Chine et de la Tartarie chinoise“ von 1733, der 1747 unter dem Titel „Ausführliche Beschreibung des chinesischen Reichs und der grossen Tartarey“ von A.D. Franz ins Deutsche übersetzt, erschien. Darin enthalten sind nicht nur chinesische Dramen, sondern auch Erzählungen, die sich zur damaligen Zeit großer Beliebtheit erfreuten. So las Goethe daraus das Drama „Tschau Schi Ku Erl Ta Pau Tschou“ (Die Waise des Hauses Tschau), sowie vier Novellen aus der Sammlung „Kin Ku K’i Kuan“ und einige Gedichte aus dem „Schi King“ (Buch der Lieder).

„Hao Kieou Tschuan“ (Die Geschichte einer trefflichen Gefährtin) ist der erste chinesische Roman der 1766 in deutscher Übersetzung erscheint – Goethe hat ihn, wie aus seinen Tagebuchnotizen bekannt ist, auch zu diesem Zeitpunkt gelesen. „Es ist eine ziemlich naive Familiengeschichte aus der Ming-Zeit, von einem tüchtigen jungen Mann und einer züchtigen Jungfrau, die nach unglaublichen Abenteuern Mann und Frau werden. Über diesen Roman äußert sich Goethe lobend zu Eckermann am 31. Januar 1827, besonders in der zweiten Hälfte, wo von der Sittlichkeit der Chinesen die Rede ist.“ 5

1817/18 las Goethe die englische Übersetzung des chinesischen Dramas „An Heir in His Old Age“ – dies stellt gleichzeitig seine erste intensive Auseinandersetzung mit der chinesischen Literatur dar, die ihren Höhepunkt in den Jahren 1825 / 27 erreichte.

Im Februar 1827 befasste sich Goethe mit „Hwa-Tsëen“ (Die Geschichte vom geblümten Papier). Es handelt sich bei dem Werk um eine in Versform verfasste Liebesgeschichte aus der Ming-Dynastie.

Besonders haben Goethe jedoch „The Songs of Hundred Beautiful Women“ inspiriert, die sich im Anhang der englischen Übersetzung von „Hwa-Tsëen“ finden, so stark, dass er im folgenden Nachdichtungen zu einigen Gedichten verfasste, die er im Aufsatz „Chinesisches“ 1827 veröffentlichte.

Darüber hinaus las er den Roman „Les deux cousines“ in der französischen Übersetzung von Abel Rémusat, der aus dem Zeitraum zwischen 14. und 16 Jahrhundert von einem unbekannten Autor stammt.

Bei allen Goethe bekannten Romanen handelt es sich durchweg um Liebesromane, bei denen für meine Aspekte nicht so sehr der Inhalt, sondern die dichterische Beschreibung der Empfindungen zu beachten ist; denn abschließend lässt sich dazu sagen, dass Goethe genau den Ton, der allen diesen Romanen zugrunde liegt, in den ‚Chinesisch-deutschen Jahres- und Tageszeiten’ trifft.

3. Die Bedeutung des Titels „Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten“

Über die Bedeutung des Titels ist lange Zeit nur beiläufig gesprochen worden. Bei Monika Lemmel fand ich jedoch einige sehr interessante Aspekte, die als Schlüssel zum Verständnis dienen können. So weißt sie auf die enge Verbindung des Titels zu dem des ‚West-östlichen Divans’ hin, ja Frau Lemmel geht sogar soweit, von einer „Konkretisierung des ‚West-östlichen’ als ‚Chinesisch-deutsch’“ zu sprechen. 6 „’West-östlich’ ist das Verschmelzen zweier polarer Gegensätze, zweier Himmelsrichtungen, das auch für das konkretere ‚Chinesisch-deutsch’ zutrifft.“ 7 Tatsächlich entwirft Goethe in den Gedichten eine Szenerie mit chinesischem Dekor, die jedoch so auch jederzeit in Deutschland oder andernorts sich zutragen könnte.

Ein weiterer interessanter Aspekt den Monika Lemmel anspricht lautet: „So kündet besonders der zweite Teil des Titels die Absicht an, ein Ganzes, eine Totalität darzustellen, ein lebendes, natürliches, kosmisches Ganzes.“ 8 Sowohl Tag als auch Jahr stellen ein in sich geschlossenes Ganzes dar und sind doch Teil des jeweils anderen - Monika Lemmel spricht vom „Phänomen des ‚Größten’ im ‚Kleinsten’“.

In den ‚Jahres- und Tageszeiten’ spiegelt sich aber auch das Naturgesetz des ewigen Wandels wieder, dass Goethe jedoch gleichzeitig mit dem des ewig Gültigen verbindet. Die Natur wandelt sich von Jahreszeit zu Jahreszeit, von Tag zu Tag und gleichzeitig ist genau dieser Wandel das stets Konstante und Wiederkehrende.

Goethe bewundert die Leichtigkeit in der chinesischen Literatur, Kunst und Lebensweise; dies äußert er auch in einem Gespräch gegenüber Eckermann am 31. Januar 1827. Eben diese Leichtigkeit versucht er auf den Gedichtzyklus zu übertragen und dies trägt letztendlich maßgeblich zur chinesischen

[...]


1) Goethes Brief an C.F. Zelter vom 24.5.1827 (W.A. 4. Abt., Bd. 42, S. 189 f.).

2) Fukuda, Hideo: Über Goethes letzen Gedichtzyklus „Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten.“ In: Goethe- Jahrbuch 30 (1968), S. 193.

3) Ebd., S. 196.

4) Wagner-Dittmar, Christine: Goethe und die chinesische Literatur. In: Studien zu Goethes Alterswerken, hg. Erich Trunz, Frankfurt / Main 1971, S. 220-221.

5) Fukuda, Hideo: Über Goethes letzen Gedichtzyklus „Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten.“ In: Goethe- Jahrbuch 30 (1968), S. 194-195.

6) Lemmel, Monika: Der Gedichtzyklus Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten und sein Ort in Goethes Spätwerk. In: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 36 (1992), S. 144.

7) Ebd., S. 143.

8) Ebd., S. 143.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Das Bild Chinas in Goethes 'Chinesisch-Deutschen Jahres- und Tageszeiten'
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
2,5
Autor
Jahr
2005
Seiten
19
Katalognummer
V47179
ISBN (eBook)
9783638441797
ISBN (Buch)
9783640466641
Dateigröße
462 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bild, Chinas, Goethes, Chinesisch-Deutschen, Jahres-, Tageszeiten
Arbeit zitieren
Sandra Greiner (Autor:in), 2005, Das Bild Chinas in Goethes 'Chinesisch-Deutschen Jahres- und Tageszeiten', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47179

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