NGOs - normatives und utilitaristisches Potenzial für das Legitimitätsdefizit transnationaler Politik?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I: Einleitung

II: Hauptteil
2.1. Theorien internationaler Beziehungen
2.1.1. Realismus
2.1.2. Liberalismus
2.1.3. Konstruktivismus
2.2. Annäherung an den Begriff „NGO“
2.2.1. Geschichte der NGOs
2.2.2. Versuch einer Definition von NGOs
2.2.3. Wirkungsmöglichkeiten von NGOs
2.3. Annäherung an den Begriff „Legitimität“
2.3.1. Was ist Legitimität?
2.3.2. Legitimitätsdefizit transnationaler Politik
2.4. Zusammenführung der Begriffe „NGO“ und „Legitimität“ zur Arbeitshypothese H
2.4.1. H1: Demokratisierungspotenzial von NGOs
2.4.1.1. Was ist Öffentlichkeit?
2.4.1.2. Wie kann man Öffentlichkeit herstellen? –
Kampagnenarbeit von NGOs
2.4.2. H2: Problemlösungspotenzial von NGOs
2.4.2.1. NGOs und die Vereinten Nationen
2.4.2.2. NGOs und internationale Regime
2.4.2.3. NGOs und die Bewältigung von Krisen und Kriegsfolgen
2.4.2.4. NGOs und humanitäre Nothilfe
2.4.2.5. NGOs und Menschenrechte

III. Fazit

IV. Literaturverzeichnis

I: Einleitung

Früher war der Begriff „Weltpolitik“ die Summe der nationalstaatlichen Außenpolitiken. Allgemein als verbindlich anerkannte Regelungen jenseits der Nationalstaaten waren schwer vorstellbar. Schließlich war die Außenpolitik dominiert von Kriegen gegeneinander, um nach dem Politikverständnis des Realismus dem (einzigen) Ziel, die eigene Position zu stärken und Macht zu vergrößern, nachzukommen. Zwei Weltkriege, die Herausbildung komplexer Gesellschaften und wachsende internationale Probleme führten im Laufe der Jahre jedoch zu einem Umdenken. Grenzenloser Handel brachte grenzenlose Probleme mit sich. Vernetzung, Interdependenz und Globalisierung sind die Stichworte, unter denen Weltpolitik heute diskutiert wird. Sie reduzieren die Reichweite nationaler Wirtschafts-, Sozial- oder Umweltpolitik und bringen neue Probleme (Abwanderung nationaler Unternehmen, Terrorismus, Klimawandel,...) mit sich. Probleme, die über die Steuerungs- und Lösungsfähigkeit einzelner Staaten hinausgehen. Zu komplex, vernetzt und vielschichtig sind sie. Eine den Nationalstaaten vergleichbare, übergeordnete Machtinstanz fehlt. „Government“ und „governance“ finden keine Entsprechungen mehr auf der Seite politischer Kontrolle (vgl. Schmidt/Take 1997: 13). Selbstverständlich gibt es transnationale Organisationen wie die Vereinten Nationen oder die NATO. Für die Vielzahl und Komplexität der Probleme aber reicht dies nicht aus. Deswegen mischen sich private Akteure verstärkt in die Weltpolitik ein und werden von dieser auch immer mehr gebraucht. Transnationale Unternehmen oder Nichtregierungsorganisationen (im Folgenden wird für Nichtregierungsorganisationen das englische Kürzel „NGOs“ für „nongovernmental organizations“ verwendet) übernehmen vormals staatliche Aufgaben. Kofi Annan, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, konstatierte im Milleniums-Bericht der Weltorganisation treffend:

„The more complex the problem at hand...the more likely we are to find non-governmental organizations, private sector institutions and multilateral agencies working with sovereign states to find consensus solutions“ (Annan nach Kohout/Mayer-Tasch 2002: 16).

Diese Privatisierung der Weltpolitik ist ein bislang wenig untersuchter Aspekt der Globalisierung. Kann sie dazu beitragen, den Umgang mit der Komplexität transnationaler Herausforderungen zu erleichtern, die Effektivität weltpolitischer Problemlösung zu erhöhen und eine breitere (globale) Öffentlichkeit zu schaffen (vgl. Brühl et al. 2001:

11)? Und wie steht es mit dem sich aus der neuen Inkongruenz von „government“ und „governance“ ergebenden Legitimitätsproblem globalen Regierens?

Die folgende Arbeit versucht, am Beispiel von NGOs aufzuzeigen, wo sich für private Akteure Handlungsspielräume in der Weltpolitik ergeben können und damit deren Legitimität erhöht werden kann. Dazu wird zunächst anhand der Theorien internationaler Beziehungen dargelegt, wie NGOs im Laufe der geschichtlichen Entwicklung an Bedeutung gewinnen konnten (d.h. wie sie in den theoretischen Kontext internationaler Beziehungen einzuordnen sind) und was heute unter dem Begriff „NGO“ verstanden wird. In einem weiteren Schritt wird der zentrale Begriff „Legitimität“ mit seinen zwei Komponenten input- und output-Legitimität erläutert. Dies ist notwendig, um dann anhand zweier Hypothesen untersuchen zu können, inwieweit NGOs zu einer erhöhten Legitimität transnationalen Regierens betragen können. Das Fazit zeigt kritisch die Grenzen der vorliegenden Arbeit auf.

II: Hauptteil

2.1. Theorien internationaler Beziehungen

In der Einleitung wurde bereits dargelegt, dass Aufgaben privater Akteure wie der NGOs durch die Globalisierung entstanden sind. Um jedoch verstehen zu können, warum sie wirklich an Einfluss gewinnen konnten und nun bei der Bearbeitung globaler Probleme mitmischen können, bedarf es eines Blickes in die politische Theoriengeschichte internationaler Beziehungen. Dabei wird zunächst auf die beiden Großtheorien Realismus und Liberalismus eingegangen (wohlwissend, dass es sich bei beiden um ein Theoriengeflecht und keine einheitliche Theorie handelt und damit inhaltliche Unterschiede unberücksichtigt bleiben. Diese würden jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen.). Als dritte Theorie wird der Konstruktivismus herangezogen, da er Idealen, Normen und Wertvorstellungen einen Platz in der internationalen Politik zuerkennt.

2.1.1. Realismus

Mit dem „klassischen“ Realismus wird vor allem Hans Morgenthau und sein Werk „Politics among Nations“ (vgl. Morgenthau 1973) in Verbindung gebracht. Er geht von einer anarchischen Struktur des internationalen Systems aus, in welcher Nationalstaaten die einzig wichtigen (da zur Machtausübung fähigen) Akteure sind und „international politics, like all politics, is a struggle for power“ (ebd.: 27). Von politischem Interesse sind folglich „harte“ Themen wie Machterhaltung und Machtvergrößerung. „Weiche“ Sachthemen (wie etwa der Umweltschutz) hingegen sind bedeutungslos (vgl. Kohout/Mayer-Tasch 2002: 15). Diese sind jedoch gerade die Arbeitsfelder von NGOs. Damit ergibt sich auch deren politische Bedeutung, nämlich keine. Internationale Organisationen werden von Staaten lediglich als Instrumente zur Durchsetzung ihrer Eigeninteressen eingesetzt.

Fazit: Seiner Entstehungszeit nach dem zweiten Weltkrieg entsprechend, lässt sich der Realismus gut anwenden, um Phänomene des 19. Jahrhunderts begreiflich zu machen. Als „Kriegstheorie“ ist er auch heute noch wichtig, um das Entstehen von Konflikten zu erklären. Für die Beschäftigung mit NGOs ist er jedoch nutzlos, da er die Bedeutung nichtstaatlicher Akteure unterschlägt.

2.1.2. Liberalismus

Während Realisten empirisch versuchen, Erklärungsmuster zu finden für das, was sie sehen, vertreten Anhänger des Liberalismus einen normativen Ansatz. Sie gehen von der Fragestellung aus: "Wie soll das internationale System beschaffen sein? Welche Institutionen, welche Ordnung muss für ein friedliches internationales System entwickelt werden?“ Der Realismus betrachtet, wie zuvor dargestellt, den Staat als primären Akteur im internationalen System. Der Liberalismus hingegen beschäftigt sich in erster Linie mit dem Individuum und dessen Verhältnis zum Staat. Dadurch spielen Aspekte wie Menschenrechte oder die innenpolitische Konstituiertheit eines Staates (anders als im Realismus) eine Rolle. Diese theoretische Entwicklung erklärt sich durch zunehmende politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Vernetzung von Akteuren (und zwar nicht nur von Staaten, sondern auch von gesellschaftlichen Akteuren, Unternehmen, NGOs) nach dem Zweiten Weltkrieg. Dem nationalstaatlichen Machtstreben des Realismus steht damit ein Strukturprinzip gegenüber, das Kooperation und Interdependenz betont. Der liberale Institutionalismus als „Untertheorie“ erklärt diese plötzliche Fähigkeit zur Kooperation (welche im Realismus durch das Sicherheitsdilemma und das Nullsummenspiel undenkbar war) durch Institutionen. Institutionen dienen dazu, bestimmte Verhaltensmuster vorzuschreiben, die durch Offenlegung von Interessen ein kalkulierbares Handeln ermöglichen und somit Unsicherheiten bei der Zusammenarbeit reduzieren. Andrew Moravcsik (vgl. Moravcsik 1993: 473ff.) geht noch einen Schritt weiter, indem er Individuen und private Akteure zu Hauptakteuren in der internationalen Politik macht. Individuelle Interessen können Regierungshandeln beeinflussen. Als Interessengruppen (principals) richten sie ihre Präferenzen an den Staat (agent), weil dieser umsichtiger handelt als sie. Regierungen wiederum müssen die Individualinteressen berücksichtigen, um wiedergewählt zu werden. Damit stellt Moravcsik die Interaktion zwischen Individuen und Staat her. Kooperation mit anderen Staaten vollzieht sich, wenn innerhalb nationaler Staaten eine solche Nachfrage besteht (demand for cooperation), weil Ziele im Alleingang nicht erreicht werden können. Diese Nachfrage kann dann auf internationaler Ebene in Verhandlungsrunden (grand bargains) auf ein Angebot (supply) treffen.

Fazit: Die liberalen Theorien weisen NGOs einen Platz in den internationalen Beziehungen zu, da sie private Akteure und staatliche Kooperation mit ihnen und mit anderen Staaten (anders als der Realismus) anerkennen, weil gewachsene Interdependenzen eine derartige Problemlösung erfordern.

2.1.2. Konstruktivismus

Ausgangspunkt dieser Metatheorie ist, dass soziale Akteure die Realität selbst konstruieren und vermitteln. Sie treffen ihre Entscheidungen danach, welche soziale Rollenerwartung eine bestimmte Situation mit sich bringt. Sie stützen ihr Handeln folglich nicht nur auf das rational-eigennützige Realisieren ihrer Ziele, sondern auch auf intersubjektiv geteilte, wertegestützte Normen und Handlungserwartungen. Ideale, Normen und Wertvorstellungen finden in der internationalen Politik nun einen Platz und bestimmen Handlungsweisen (etwa den Wert friedlich zusammen zu leben) mit. Internationale Organisationen können solche gemeinsamen Wertvorstellungen über Staatsgrenzen hinweg stabilisieren.

Fazit: Den Konstruktivismus neben den zwei Großtheorien Realismus und Liberalismus aufzuführen macht insofern Sinn, als dass durch ihn Werte und Normen einen Platz in der internationalen Politik finden. Gerade darauf basiert die Arbeit von NGOs, wie sich anhand ihrer Hauptthemenbereiche Umwelt und Soziales zeigt.

Resümee:

Der kurze Ausflug in die politische Theoriengeschichte hat deutlich gemacht, dass sich die Theorien der zunehmenden Vernetzung internationaler Politik „angepasst“ haben und diese mit Hilfe des Liberalismus auch erklären können. NGOs wiederum entstanden als „ein Kind“ der Globalisierung und finden somit, wie ihre „Mutter“, eine theoretische Verwurzelung im Liberalismus. Das Hinzuziehen des Konstruktivismus erlaubt es darüber hinaus, NGOs gerade mit ihren gesamtgesellschaftlich-altruistischen, wertegeladenen Zielsetzungen in die Theorien internationaler Beziehungen einzubeziehen.

2.2. Annäherung an den Begriff „NGO“

Nachdem das theoretische Fundament erarbeitet wurde, welches eine Beteiligung von NGOs an internationalen politischen Prozessen erklären kann, ist es nun an der Zeit, sich näher mit dem Begriff „NGO“ auseinander zu setzen. Nach einem kurzen geschichtlichen Abriss wird eine Arbeitsdefinition des Wortes festgelegt und ein erster Blick auf die Arbeitweise von Nichtregierungsorganisationen geworfen.

2.2.1. Geschichte der NGOs

Bereits 1835 machte Alexis de Tocqueville bei einer Reise durch die USA zahlreiche freiwillige, gemeinwohlorientierte Vereinigungen aus, die vor allem soziale Aufgaben (anstelle des Staates) wahrnahmen. Diese Bürgervereinigungen können als frühe Form von NGOs bezeichnet werden. Sie institutionalisierten sich weiter und durch wachsende nationale und internationale Probleme und staatliches Versagen stieg ihre Zahl in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rapide an. Gleichzeitig differenzierten sich die Gesellschaften zunehmend und partikulare Interessen suchten eine Gemeinschaft und ein Sprachrohr. Sie fanden es in den pluralen Nichtregierungsorganisationen (vgl. Furtak 1997: 27).

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
NGOs - normatives und utilitaristisches Potenzial für das Legitimitätsdefizit transnationaler Politik?
Hochschule
Universität Stuttgart
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V47172
ISBN (eBook)
9783638441735
Dateigröße
519 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
NGOs, Potenzial, Legitimitätsdefizit, Politik
Arbeit zitieren
Sandra Markert (Autor:in), 2005, NGOs - normatives und utilitaristisches Potenzial für das Legitimitätsdefizit transnationaler Politik?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47172

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