Verwaltungssprache


Hausarbeit, 2005

21 Seiten, Note: 1,9


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Charakteristik der Verwaltungssprache

2 Textsorten der Verwaltungssprache
2.1 Das Formular
2.2 Der Bescheid

3 Untersuchung des Wortbestandes
3.1 Das Substantiv
3.2 Das Verb
3.3 Das Adjektiv
3.4 Fremdwörter
3.5 Formeln

4 Bürgernahe Verwaltungssprache
4.1 Texte gliedern
4.2 Verständlich
4.3 Freundlich und Persönlich
4.4 Service

5 Literaturverzeichnis

1 Charakteristik der Verwaltungssprache

Die Verwaltungssprache ist eine Fachsprache, die als Mittel der Kommunikation innerhalb der Verwaltung und zwischen Verwaltung und Bürger wirkt. Im soziologischen Sinn meint die Verwaltung (engl. administration) die überwachende, disponierende Arbeit im Umgang mit Gütern, Tätigkeiten und Leistungen die nach bestimmten Regeln ablaufen. Sie wird von Beamten und Verwaltungsangestellten zur Erfüllung staatlicher Aufgaben gebraucht. Aber auch zum sprachlichen Leben eines jeden einzelnen gehört die Verwaltungssprache, sei es durch amtliche Hinweisschilder, Strafzettel, Bekanntmachungen oder Vordrucke. Die Sprache der staatlichen Organe beschränkt sich also nicht nur auf den Anwendungsbereich einer Berufsgruppe, sondern wirkt durch die ständige Kommunikation zwischen Ämtern und Bürgern auf die Allgemeinsprache. Auch in nichtstaatlichen Bereichen, wie z.B. im Produktions-, Handels- und Dienstleistungssektor, findet man Verwaltungen. Ich beziehe mich allerdings in meiner Arbeit auf die staatliche Verwaltungssprache, weil hier die Verwaltungsprinzipien am deutlichsten ausgeprägt sind.

Neben der Legislative und Judikative stellen öffentliche Verwaltungen die Exekutive als 3. Gewalt des Staates dar. Die Verwaltungssprache steht neben der Rechtssprache, mit der sie substitutionell und sachlich begründete Gemeinsamkeiten hat, und orientiert sich an der Juristensprache. Das Handeln der Verwaltung ist also an Gesetzte gebunden. Die enge Bindung staatlicher Verwaltung an das Rechtswesen zeigt sich in der Ähnlichkeit der sprachlichen Termini, was die Verständlichkeit der Texte für den Bürger erschwert.

Seit 1956 müssen Verwaltungsakten auf gesetzlichen Grundlagen beruhen. Dieses Verhältnis von Bürger und Staat wirkt sich unmittelbar auf das Verwaltungshandeln aus. Mit der Klagemöglichkeit gegen Verwaltungsakte ist die Verwaltung gezwungen, den gesamten Hintergrund nachvollziehbar zu gestalten.

Alle gesetzlichen Grundlagen des Handelns müssen angegeben sein, damit eine rechtliche Überprüfung durch den Bürger oder das Gericht gegeben ist.

2 Textsorten der Verwaltungssprache

Die bisherigen Versuche einer Unterscheidung nach Textsorten sind meist gescheitert. Die wenigsten Wissenschaftler haben nicht mehr als eine rudimentäre Auflistung unterschiedlicher Textvorkommen aufgestellt. Eine genauere Bestimmung und Klassifizierung der Textsorten der Verwaltungssprache ist daher eine noch ungelöste Aufgabe.

Der Sprachgebrauch der Verwaltungssprache gewinnt zunächst in der außerwissenschaftlichen Sprachkritik öffentliche Aufmerksamkeit (BENCKISER 1961). Texte aus diesem Bereich werden in dieser Zeit als Sprache der „verwaltenden Welt“ angesehen. Ihr Charakter gilt als „fortschreitende Entpersönlichung“ (Verteilung des Menschen in viele anonyme Funktionen)1. Dieser Sehweise werden alle Verwaltungstexte zugeteilt. Eine Differenzierbarkeit nach Textsorten ist daher nicht notwendig.

Die Beschäftigung mit Verwaltungstexten aus linguistischer Sichtweise stellt eine neue Dimension dar. Eine wichtige Rolle spielt nun die funktionale Beschreibung der Texte, für die die folgende Unterscheidung von Textvorkommen zugrunde gelegt wird:

- Verwaltungsvorschriften. Hiermit sind alle normsetzenden Texte, in denen Weisungen für den Aufbau, für Handlungen und Entscheidungen der Verwaltung und den Ablauf des Verwaltungsgeschehens erteilt werden, gemeint. (Dienstanweisungen, Geschäftsordnungen, Erlasse, Durchführungsbestimmungen)
- Verwaltungsakten. Das sind Texte deren Tatbestand unter eine Norm subsumiert wird.
- Allgemeinbehördlicher Schriftverkehr. Sie dienen der Kommunikation einzelner Institutionen untereinander und mit dem Bürger. (Anfragen, Antworten, Mitteilungen, Entwürfe)
- Informative Schreiben. Diese Verwaltungstexte sind Texte mit aufklärender und belehrender Funktion (intern und extern).

(Merkblätter, Bekanntmachungen, Hausmitteilungen, Bürgerbriefe)

Wie schon erwähnt stellt die Verwaltung ein ausführendes Organ der Legislative dar. Die Verwaltungssprache bedient sich der juristische Fachsprache, sowie Elementen der Alltagssprache. Diese Anteile an juristischer und allgemeiner Sprache werden nach fachsprachlichen Intensitätsgraden durch ein gestaffeltes Stufenmodell abgebildet.

(1) Gesetzessprache
(2) Urteils- und Bescheidssprache
(3) Wissenschafts- und Gutachtersprache
(4) Sprache des behördlichen Schriftverkehrs
(5) Verwaltungsjargon2

Bis auf die (1) Ebene beziehen sich alle auf schriftliche Verwaltungstexte. Aus solchen Unterscheidungen wird erkennbar, dass man sich immer am jeweiligen Text und dessen Zweck orientiert. Andere Gesichtspunkte werden nur nachrangig einbezogen.

Sprachwissenschaftliche Arbeiten zur Verständlichkeit von Verwaltungstexten haben zusammenfassend folgende Gruppen von Textvorkommen unterschieden:

(1) - Steuererklärung
- formloser Antrag
- Formularantrag
- Widerspruch

(2) - Widerspruchsbescheid
- Bescheinigung
- Genehmigung
- Verfügung
- Bescheid
- Zeugnis
- Urteil3

Bis auf das Zeugnis und das Urteil gehören alle Textsorten zum Bereich der Verwaltung. Gruppe (1) verbindet das Kennzeichen des Anliegens und Gruppe (2) das des Verwaltungsaktes.

Aus diesen Versuchen die Verwaltungssprache in Textsorten einzuteilen, wird deutlich, welche unterschiedlichen Vorstellungen zur Sortenspezifik der Verwaltungstexte anzutreffen ist.

Ein weiterer Ausgangspunkt zur Identifizierung der Textsorten ist der Versuch, aus den Aufgaben der Verwaltung eine erste Systematisierung herzuleiten. Das Merkmal, welche alle Textsorten der Verwaltungen vereint, ist die Hauptaufgabe - nämlich das Bearbeiten von Wissen und Information. Für diese verschiedenen Bearbeitungstechniken der Wissensbearbeitung steht je eine Textsorte zur Verfügung.

Es lassen sich folgende Textsorten mit einzelnen Funktionen herausfiltern:

-Texte mit regulierender Funktion:

Hierbei handelt es sich um alle normsetzenden Texte, die das Verwaltungshandeln nach Form und Inhalt vorab festlegen: z.B. Dienstanweisungen, Vorschriften, Gesetze, Geschäftsanordnungen, Erlasse „Sie bilden den vorgegebenen Handlungs- und Wissensrahmen“4

-Texte mit wissensvermittelnder Funktion:

Das sind die Texte, die die Institutionen von den Klienten erhalten: z.B. Anträge, Vermerke, Widersprüche, Anfragen, Austauschersuche

-Texte mit wissensbearbeitender Funktion:

Dazu gehören die bei einem Bearbeitungsprozess auffallenden schriftlichen Äußerungen. Sie dienen der verwaltungsinternen Bearbeitung: z.B. Verwaltungsakte

Bei der Bearbeitung der Verwaltungsakte werden die Wissensbereiche der Klienten und Agenten zusammen gefügt. Wesentlicher Bestandteil der Akte ist das Formular (siehe 2a)

- Texte mit handlungsschließender Funktion:
Texte, die die Ergebnisse des Verwaltungshandels mitteilen: z.B. Bescheide (hoheitliche Verwaltungsakte) à Steuerbescheid, Nutzungserlaubnis
- Texte mit informativer Funktion:
Verwaltung hat häufig den Anlass zu aufklärender und belehrender Information: z.B. Merkblätter, Bekanntmachungen, Hausmitteilungen, Bürgerbriefe5

Bestimmte Schreiben vereinigen mehrere Texte mit unterschiedlichen Funktionen und dienen somit als zentrales Arbeitsmittel der Verwaltung. Ein Beispiel hierfür wäre ein Antragsvordruck, der zugleich Mitteilungen des Bürgers oder der Verwaltung, verwaltungsinterne Vermerke und den abschließenden Verwaltungsbescheid enthalten. Verwaltungsschreiben sind also mehrfach adressiert und dem zu Folge von bürgernahen Schreiben weit entfernt. Ein Beispiel hierfür, welches ich jetzt näher betrachten will, ist das Formular. Sie sind an die unterschiedlichsten Klientengruppen adressiert und werden auch innerhalb der Verwaltung bearbeitet.

2.1 Das Formular

Formulare werden als eine der typischsten Textsorte der Verwaltungssprache angesehen. Dies ist begründet einerseits durch die Komplexität, ihrer weiten Verbreitung und den Schwierigkeiten für einen außenstehenden Bürger, die Texte zu verstehen. Formulare dienen sowohl der verwaltungsinternen Bearbeitung als auch der Kommunikation mit dem Bürger. Diese Doppelfunktion als Arbeits- und Kommunikationsmittel ist ein wesentliches Kennzeichen von Formularen. „Sie werden von den Agenten vor dem jeweiligen normsetzenden Wissenshintergrund als Lückentexte formuliert und von den Klienten mit ihrem individuellen Wissen und oftmals ohne Kenntnis des normativen Hintergrundes ausgefüllt und an die Verwaltung zurückgegeben.“6 Aus der doppelten Funktion leitet sich eine spezielle Textstruktur ab. Meist werden sie mit weiteren Texten (Erläuterungen, allg. Infos) ausgehändigt, welche allerdings nicht Bestandteil des Formulars sind. Man kann sie eher als Voraussetzung für das Verstehen dieser Texte ansehen. Die Formulare weisen eine Makrostruktur mit meist den selben Elementen auf:

- Name der abgebenden Institution, die zugleich Absender wie Adressat ist
- Name des Formulars, häufig in Form einer Bezeichnung der zugrunde liegenden Verwaltungshandlung (Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung, Arbeitslosenhilfe, Wohngeld etc., Anmeldung bei der Meldebehörde, Erklärung)
- Instruktion für den Ausfüller (Bitte zutreffendes ankreuzen. Belege beifügen!) Verwaltungssprache Textsorten der Verwaltungssprache 8
- Erhebungsteil mit Äußerungen, Leerräumen für den Klienten und resevierten Flächen für die Verwaltung
- Ermächtigung, z.B. Einzugsermächtigung
- Versicherungen, z.B. über die Richtigkeit der Angaben o Leerstelle für Datum und Unterschrift des Klienten7

Am deutlichsten kommt der Inhalt des Formulars im Erhebungsteil zum Ausdruck. Dieser ist dialogisch konzipiert, so dass die Verwaltung den Bürger veranlasst, die erforderlichen Informationen mitzuteilen(Fragen mit Leerzeilen für die Antwort, vorformulierte Stichpunkte zum Ankreuzen, vorformulierte Anträge, Aufforderungen sowie Einverständniserklärungen). Das Formular kann als Versuch, eine Äußerungssequenz schriftlich zu realisieren, angesehen werden.

Man unterscheidet zwischen zwei Arten von Formularen:

- Formulare zur Informationsgewinnung
- Formulare zur Informationsvermittlung

Als Oberbegriff verwendet man meistens den Ausdruck „Vordruck“, der für alle vorgefertigten Texte steht. Formulare direkt sind solche Schreiben, mit deren Hilfe die Verwaltung in bestimmten Handlungszusammenhängen Daten vom Bürger erhebt.

Durch die rechtlichen Einbindungen der Formulare, zählen sie zu einer komplexen Textsorte. Ihre Stellung innerhalb des Verwaltungshandelns kann (mit Lubenbach und Herwitz in Anlehnung an Luhmann) als „konditionelles Entscheidungsprogramm“8 beschrieben werden.

Sobald bestimmte Vorraussetzungen erfüllt sind, dann schließt sich eine Handlung X an.

Erfüllt ein BAföG Antrag zum Beispiel alle erforderlichen Bedingungen, muss er genehmigt werden.

Mit Hilfe der Formulare erfährt die Verwaltung die Information vom Bürger, die sie für die Entscheidungsfindung benötigt. Der Klient muss beim Ausfüllen eines Formulars seinen Einzelfall unter die allgemeinen Bestimmungen unterordnen. In der Kommunikation mit den Klienten müssen Vordrucke möglichst allgemein verständlich sein. Außerdem müssen sie juristischen Anforderungen genügen

2.2 Der Bescheid

Im rechtlichen Sinn versteht man unter Bescheid einen Verwaltungsakt, der die einzelnen Verwaltungsverfahren abschließt.

Das weite Verständnis, wie es im täglichen Sprachgebrauch verwendet wird - „Bescheid bekommen“ im Sinn von Auskünften, Mitteilungen und Schreiben der Verwaltung - ist jedoch nicht gemeint. Bescheide sind wie Formulare, als wesentliches Instrument öffentlicher Verwaltungen anzusehen. „Sie geben die von einer Verwaltungsbehörde zur Reglung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechtes getroffenen Entscheidungen kund, und zwar mit unmittelbarer Rechtswirkung.“9

Bescheide kann man auch als Antwort des Begünstigten oder Belasteten auf einen Antrag der Verwaltung sehen.

Aus der Funktion des Bescheides ergibt sich auch die Textstruktur. Die kommunikative Rahmenstruktur - Einleitung, Briefkopf, Adresse, Anrede, Grußformel mit Unterschrift - die auf der einen Seite aus der medialen Form der Übermittlung und andererseits aus der urkundlichen Notwendigkeit des Namenhaftmachens des Handlungsbeteiligten resultiert. Die Einleitung enthält Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme und weitere Angaben zur Bearbeitungserleichterung, wie z.B. die Kennzeichnung des Sachverhaltes und die Zustellungsart. Diese kommunikativen Grundkonstellationen stellen den Rahmen für die eigentlichen Hauptbestandteile des Bescheides dar - der „Tenor“ und seine „Begründung“. Zum Tenor, der die Entscheidungen formuliert, gehören auch die Kostenentscheidung und die Anordnung der sofortigen Vollziehung, sowie der Androhung von Zwangsmaßnahmen. „Der Tenor repräsentiert also mehrere performative Sprechhandlungen (Aufforderung, Verpflichtung, Gewährung, Versagung, etc.), die mit der Aushändigung an bzw. der Rezeption durch den Adressaten wirksam werden.“10

In der anschließenden Begründung spielen nun die vorher unbeachteten Rechtsgrundlagen eine wesentliche Rolle. Hier verbinden sich die Sachverhaltsdarstellungen und ihre rechtlichen Würdigungen die mit juristischem Hintergrund operieren.

[...]


1 Roland Poser: HSK Band 13, S. 628

2 Roland Poser: HSK Band 13, S. 629

3 Ebda.

4 Roland Poser: HSK Band 13, S. 634

5 Ebda.

6 Ebda.

7 Roland Poser: HSK Band 13, S. 636

8 Ebda.

9 Roland Poser: HSK Band 13, S. 637

10 Roland Poser: HSK Band 13, S. 638

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Verwaltungssprache
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Note
1,9
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V47127
ISBN (eBook)
9783638441438
Dateigröße
420 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verwaltungssprache
Arbeit zitieren
Ulrike Becker (Autor:in), 2005, Verwaltungssprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47127

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