Die "Mixed Commission Courts" und ihr Einfluss auf den transatlantischen Sklavenhandel


Hausarbeit, 2019

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Funktionsweise der Mixed Commissions
2.1 Auftrag und Aufbau
2.2 Fallstudie Samuel Crowther

3. Globale Auswirkungen auf den Sklavenhandel
3.1 Entwicklung des Sklavenhandels
3.2 Emanzipierungen
3.3 Das Leben danach

4. Fazit

6. Quellen- und Literaturverzeichnis
6.1 Quellen
6.2 Literatur
6.3 Internetquellen

1. Einleitung

Im Jahr 1807 beschloss das Britische Parlament die Abschaffung des Sklavenhandels in den Britischen Kolonien, jedoch sollte es fast weitere drei Jahrzehnte dauern, bis auch die Sklaverei als solche durch den Abolition Act im Britischen Hoheitsgebiet, mit Ausnahme von Indien und Ceylon, verboten wurde.1 Der zeitliche Abstand dieser beiden Beschlüsse verdeutlicht, dass es sich bei der Abolition um einen Prozess handelt, für dessen Erfolg nicht nur ein gesellschaftlicher Wandel, sondern auch weitreichende diplomatische und politische Maßnahmen notwendig waren.

Schon während der Napoleonischen Kriege nutzte die Britische Marine das internationale Kriegsrecht dazu, Schiffe unbeteiligter Nationen auf illegale Frachten zu durchsuchen. Wurden bei diesen Durchsuchungen Sklaven angetroffen, so befreite man sie und beschlagnahmte die Schiffe als Kriegsbeute.2 Doch spätestens nach Ende des Krieges bedurfte es einer neuen rechtlichen Grundlage, denn schon 1816 stellte die Britische Regierung die Illegalität dieser Durchsuchungen zu Friedenszeiten fest.3

Somit begann Großbritannien eine Reihe bilateraler Verträge mit anderen See- und Kolonialmächten, wie Spanien, Portugal und den Niederlanden zu schließen, die das Durchsuchen verdächtiger Schiffe auf Sklaven, sowie die Einrichtung von Mixed Commission Courts an unterschiedlichen Standorten rund um den Atlantik ermöglichten. Diese gemeinsamen Gerichtshöfe sollten unter Beachtung der jeweiligen Verträge über die ihnen zugetragenen Fälle entscheiden, und bei Feststellung von schuldhaftem Verhalten die Sklaven befreien und die Schiffe veräußern.

Doch welchen Einfluss hatten diese Gerichte tatsächlich auf den Transatlantischen Sklavenhandel? Konnten sie den Handel zum Erliegen bringen oder waren ihre Bemühungen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein? Und welche Bedeutung hatten sie für die Einzelschicksale der Afrikanischen Sklaven?

Diese Arbeit soll Einblicke in die Funktionsweise der Mixed Commission Courts bieten, ihre Ergebnisse einordnen, sowie ihre Anstrengungen in den größeren Kontext des letztendlich zum Stillstand kommenden Transatlantischen Sklavenhandels setzen.

In der aktuellen Forschung sticht besonders MARTINEZ Werk hervor, das die menschenrechtlichen Errungenschaften der Mixed Commissions betont und sie mit modernen internationalen Gerichtshöfen in Verbindung setzt. Dagegen gibt BETHELL einen hilfreichen Überblick über die Entwicklung der Mixed Commissions, von ihrer Entstehung bis hin zu ihrer zunehmenden Ablösung durch innerstaatliche Gerichte. Insgesamt finden die Gerichte jedoch eher geringe Beachtung in der modernen Literatur, die sich besonders mit den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Vorraussetzungen und Konsequenzen des Abolitionismus auseinandersetzt.

Die Quellenlage dagegen kann zurecht als reich bezeichnet werden, denn dank der sorgfältigen Aufzeichnungen der verantwortlichen Beamten stehen uns heute zahlreiche Briefe und Berichte zur Verfügung, die Einblicke in den Alltag der Commissions aus erster Hand liefern. Als besonders aufschlussreich erweisen sich in diesem Zusammenhang die Sammlungen der Correspondence with British Coms. at Sierra Leone, Havana, Rio de Janeiro and Surinam on Slave Trade, die mehrere Jahrzehnte umfassen. Von ebenso elementarer Bedeutung ist HERTSLETS ausführliche Zusammenstellung Britischer Verträge mit Drittstaaten, die es ermöglicht, relevante Abkommen im ursprünglichen Wortlaut zu betrachten.

Aufgrund der auffallend hohen Aktivität der Britischen Commissions in Sierra Leone, wird sich diese Arbeit besonders mit eben jenen Gerichtshöfen befassen, ohne jedoch die anderen Standorte auszuklammern.

2. Funktionsweise der Mixed Commissions

2.1 Auftrag und Aufbau

Um die Ergebnisse der Mixed Commissions schlüssig analysieren zu können, muss zunächst ihre Funktionsweise näher betrachtet werden. Nach langwierigen Verhandlungen, konnte die Britische Regierung 1817 bilaterale Abkommen mit Portugal, Spanien und den Niederlanden schließen, die den Vertragspartnern nicht nur gegenseitiges Recht zur Durchsuchung und Beschlagnahmung von mutmaßlichen Sklavenschiffen einräumten, sondern auch die Einrichtung gemeinsamer Gerichtshöfe auf den jeweiligen Hoheitsgebieten ermöglichten. Großbritannien wählte das strategisch günstig gelegene Freetown in Sierra Leone als Standort seiner Mixed Commissions.4

Diese garantierten nun zumindest theoretisch die Durchsetzung eines transatlantischen Handelsverbots.

Zusammengesetzt waren die Gerichte aus jeweils einem Commissary Judge und einem Commissioner of Arbitration, die von den beiden beteiligten Nationen ernannt und eingesetzt wurden. Zusätzlich stellte die Nation, auf deren Hoheitsgebiet der Gerichtshof saß, einen Registrar, der den höher gestellten Beamten assistieren sollte.5 Die beiden Richter sollten gemeinsam die Einzelfälle prüfen und bestenfalls zu einem übereinstimmenden Urteil kommen. Waren sie sich uneins, wurde per Los einer der beiden Arbitrators bestimmt, der das Unentschieden aufhob.6

Wurde nun ein mutmaßliches Sklavenschiff aufgegriffen, zumeist von der Britischen Marine, so brachte man es zum nächstgelegenen zuständigen Mixed Commission Court, wo die Richter die Papiere von Kapitän und Mannschaft prüfen, und Zeugenaussagen hören sollten.7 Hier kam es vor allem darauf an, wo genau das betroffene Schiff kontrolliert worden war, denn die bilateralen Verträge waren keinesfalls einheitlich gestaltet. So verboten die Niederlanden den Sklavenhandel komplett, während Portugal ihn nur teilweise unterband und auf bestimmten Längen- und Breitengraden weiterhin gestattete, wie z.B. an der heutigen Küste Angolas.8 Auch wurden die Verträge immer wieder modifiziert und verändert, was nicht nur zu weiteren Komplikationen führte, sondern Sklavenhändlern auch die Möglichkeit bot, durch gezielten Austausch der gehissten Flaggen und mitgeführten Papiere der Strafverfolgung zu entgehen.9

Bestätigten die Richter den Verdacht des Sklavenhandels, so wurde das Schiff zur Auktion freigegeben und der Erlös zwischen den beiden Nationen zur Kostendeckung aufgeteilt, nicht jedoch ohne vorher dem verantwortlichen Offizier und seiner Mannschaft eine Belohnung zu gewähren.10 Die Sklaven wurden befreit, registriert und in die Obhut der jeweiligen Regierung gegeben, in deren Hoheitsgebiet sich das Gericht befand.11 Im Fall von Sierra Leone konnten die befreiten Sklaven entweder in eine Apprenticeship eintreten, oder sie wurden als normale Arbeiter in verschiedene Dörfer der Kolonie geschickt.12

2.2 Fallstudie Samuel Crowther

Einen außergewöhnlichen Einblick in die praktische Arbeitsweise der Mixed Commissions und die notwendigen Prozesse gewährt der Fall von Samuel Adjai Crowther, einem von dem Gericht in Sierra Leone befreiten Sklavenjungen, der später der erste anglikanische Bischof schwarzafrikanischer Herkunft wurde. Festgehalten wurde er 1890 noch zu Crowthers Lebzeiten durch PAGE, der seine Geschichte zwar eindeutig mit religiös motivierten Narrativen ausschmückt, aber trotzdem einen wertvollen ersten Überblick liefert. Laut PAGE geriet Crowther 1821 mit zwölf Jahren in Gefangenschaft und wurde im gleichen Jahr auf einem Portugiesischem Sklavenschiff durch zwei Britische Kriegsschiffe, eines davon die H.M.S. Myrmidon, und deren Besatzung befreit. Die Sklaven wurden auf die beiden Britischen Schiffe verbracht, von denen eines auf der Reise nach Sierra Leone mit allen Personen an Bord unterging.13 Dieses Narrativ wird zumindest teilweise in der modernen Literatur repliziert.14 Nach Abgleich mit den aktuell zur Verfügung stehenden Quellen und Datenbanken ist es jedoch wahrscheinlicher, dass es sich hier tatsächlich um einen Fall vom 15. April 1822 handelt, bei dem zwei schwer bewaffnete Spanische Schiffe, die Vecua und Icanam, von der H.M.S. Myrmidon und Iphigenia nach einem Feuergefecht, an dem sich auch Französische Schiffe auf Seite der Spanier beteiligten, aufgebracht und nach Sierra Leone begleitet wurden.15 16 Unterwegs wurde die Icanam jedoch von einem Tornado zerstört, fast alle Personen an Bord starben, darunter 380 Sklaven.17

[...]


1 VAN NIEKERK, J.P.: British, Portuguese, and American judges in Adderley Street: […] suppression of the transatlantic slave trade in the nineteenth century (Part 1), in: The Comparative and International Law Journal Of Southern Africa, Vol. 37, No. 1 (March, 2004), pp. 1-39, S. 5.

2 WHEATON, Henry: Reports of Cases Argued and Adjudged in the Supreme Court of the United States (Bd. 10), New York 1825, S. 40.

3 MARTINEZ, Jenny: Anti-Slavery Courts, in: The Yale Law Journal, Vol. 117, Nr. 4 (Jan., 2008), pp. 550-641, S. 568.

4 KING, James Ferguson: The Latin-American Republics and the Suppression of the Slave Trade, in: The Hispanic American Historical Review 3 (1944), pp. 387-411, S. 411.

5 British Parliamentary Papers: Correspondence with British Coms. at Sierra Leone, Havana, Rio de Janeiro and Surinam on Slave Trade: 1842 (Class A), S. 65.

6 HERTSLET, Lewis: A Complete Collection of the Treaties and Conventions At Present Subsisting Between Great Britain and Foreign Powers […], (Bd. 2) London 1820, S. 109.

7 BETHELL, Leslie: The Mixed Commissions for the Suppression of the Transatlantic Slave Trade in the Nineteenth Century, in: The Journal of African History 1 (1966), pp. 79-93, S. 85.

8 HERTSLET, Treaties and Conventions, S. 85.

9 MARTINEZ, Anti-Slavery Courts, S. 586.

10 HERTSLET, Treaties and Conventions, S. 111.

11 BETHELL, Mixed Commissions, S. 89.

12 FYFE, Christopher: A History of Sierra Leone, London 1968, S. 138.

13 PAGE, Jesse: Samuel Crowther. The Slave Boy Who Became Bishop Of The Niger, London 1892, S. 29.

14 WALLS, Andrew: The Legacy Of Samuel Ajayi Crowther, in: International Bulletin of Mission Research, Vol. 16, Nr. 1 (1992), pp. 15-21, S. 15.

Hier wird der April 1822 genannt, die Schiffe werden aber weiterhin als Portugiesisch bezeichnet.

15 British Parliamentary Papers: Correspondence with British Coms. at Sierra Leone, Havana, Rio de Janeiro and Surinam on Slave Trade: 1822-23 (Class B), S. 29.

16 african-origins.org

17 British Parliamentary Papers 1822-23, S. 29.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die "Mixed Commission Courts" und ihr Einfluss auf den transatlantischen Sklavenhandel
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Note
1,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
15
Katalognummer
V468451
ISBN (eBook)
9783668943759
ISBN (Buch)
9783668943766
Sprache
Deutsch
Schlagworte
mixed, commission, courts, einfluss, sklavenhandel
Arbeit zitieren
Patrick Prokop (Autor:in), 2019, Die "Mixed Commission Courts" und ihr Einfluss auf den transatlantischen Sklavenhandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/468451

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