Alkoholabhängigkeit. Frauen und Sucht


Zwischenprüfungsarbeit, 2003

41 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung:

1. Einleitung

2. Alkohol – allgemeine Gesichtspunkte
2.1 Wann ist man abhängig? – Definition der WHO
2.2 Gesundheitliche Risiken
2.3 Soziale Folgen der Alkoholabhängigkeit
2.4 „Leichte Mädchen“ und „schlechte Mütter“ – trinkende Frauen in den Augen der Gesellschaft
2.5 Körperliche Beeinträchtigungen und Wirkung des Alkohols auf die Psyche

3. Erkenntnisse aus der Suchtforschung zu…
…dem Familienstand
…der Schule und dem Beruf
…den Kindheitserfahrungen und der Beziehung zu den Eltern
…der Partnerschaft und Sexualität

4. Was führt Frauen in die Alkoholabhängigkeit? – Häufige Lebensumstände und Verhaltensmuster alkoholabhängiger Frauen
4.1 Gesellschaftliche Einflüsse: Sucht als Ausdruck mangelnder Emanzipation
4.2 Unglückliche Partnerschaft – angepasste Frauen
4.3 Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern: Männergewalt und Selbstwertgefühl der Frau
A) Frauen trinken, weil sie geschlagen werden
B) Frauen werden geschlagen, weil sie trinken
4.4 Die Sucht, gebraucht zu werden (Co-Abhängige Frauen)

5 Sucht entsteht im Kinderzimmer – familiäre Ursachen
5.1 Welche Defizite in der Familie begünstigen die Entstehung einer Abhängigkeit?
5.2 Die Bedeutung frühkindlicher Erfahrungen – Urvertrauen, Subjektivität und Autonomie
5.3 Geschlechtsspezifische Unterschiede im Sozialisationsprozess und ihre Bedeutung für eine Suchtentstehung
5.4 Welche Rolle spielen Adoleszenzerfahrungen für das spätere weibliche Selbstbild?
FAZIT: Welche Risikofaktoren bzw. protektive Faktoren lassen sich daraus ableiten?

6 Therapie
6.1 Motive von Männern und Frauen
6.2 Motivation
6.3 Welche Hilfsangebote für Suchtkranke gibt es?
6.4 Was leisten die Beratungsstellen?
6.5 Aufgaben und Ziele in der frauenspezifischen Suchtarbeit

1. Einleitung

1.1 Immer mehr Frauen trinken

Heute haben cirka 10 Millionen Deutsche Alkoholprobleme. Davon sind ein Drittel (3,3 Millionen) Frauen. Alkoholabhängig und/oder medikamentenabhängig sind in Deutschland schätzungsweise 1,4 Millionen Frauen. Dazu kommen etliche Frauen mit Essstörungen. Dies alles mit steigender Tendenz und einer nicht greifbaren Dunkelziffer. Bei den meist lange Zeit versteckten Suchtformen fallen Frauen dabei kaum „aus der Rolle“, und selbst in den größten Notzeiten verhalten sie sich angepasst und unauffällig. Meistens gelingt es ihnen über einen sehr langen Zeitraum die Fassade eines 'normalen Lebens' aufrecht zu erhalten.[1]

1.2 Vergleich des Trinkverhaltens von Frauen früher und heute

Um 1900 war der Anteil trinkender Frauen sehr gering. In den 50er Jahren trank die deutsche Frau höchstens mal auf Familienfeiern oder gemeinsam mit anderen beim Kaffeekranz. Das 'deutsche Fräulein' trank nur, wenn ein Mann sie ausführte, aber dann auch immer in Maßen, weil in der Einladung zu einem alkoholischen Getränk auch immer der Versuch einer Verführung mitschwang. Voreheliche Kontakte entehrten die Frau in den Augen der Gesellschaft.

1.3 Die emanzipierte Frau von heute trinkt

Es sind mittlerweile immer mehr Frauen, die trinken. Das Verhältnis alkoholabhängiger Frauen und Männer wurde lange Zeit auf 1:10 geschätzt. Seit den 70er Jahren ist das Verhältnis 1:4 mit einer Tendenz zum Verhältnis 1:3. Dies führt auch dazu, dass sich die Forschung, die sich bis vor kurzem immer auf Männer konzentriert hat, verstärkt dem Thema Frauen und Sucht, das immer relevanter wird, widmet.

Seit den 70er Jahren wird auch vermutet, dass Frauen in dem Maße das Trinkverhalten von Männer annehmen, wie ihre Emanzipation heran schreitet und sie sich in Lebensstilen und Berufen bewegen, die denen der Männer ähnlich sind. Das heißt mit der Wandlung und Erweiterung des weiblichen Rollenverständnisses und des Rollenbildes hat sich auch das Trinkverhalten von Frauen geändert. Alkohol scheint zur Emanzipation dazuzugehören.

Frauen sind heute zunehmend mehr außer Haus, fahren Auto, sind berufstätig, gehen häufiger aus, treffen sich mit Kolleginnen und Kollegen in Kneipen, fahren öfter in den Urlaub und unternehmen häufiger Kurztrips. Das heißt, Frauen geraten damit zunehmend in Situationen, in denen Alkohol nicht nur toleriert wird, sondern fast schon selbstverständlich dazugehört. Die zunehmende Selbständigkeit hat Frauen mehr Spielraum und mehr Möglichkeiten gegeben, das früher nur Männern vorbehaltene Verhalten zu übernehmen. Bei jüngeren Generationen sind kaum noch Unterschiede im Trinkverhalten von Männern und Frauen festzustellen.

2. Alkohol – allgemeine Gesichtspunkte

2.1 Wann ist man abhängig? – Definition nach der WHO

Alkohol zählt als legales Suchtmittel zunächst einmal zu den gesellschaftlich tolerierten und akzeptierten Genussmitteln. Entscheidend, ob Alkohol zu einem Suchtmittel wird, ist die Dosis.[2]

Der Begriff 'Alkoholismus' wurde in der letzten Zeit durch den Begriff „Alkoholabhängigkeit“ ersetzt.

Nach der internationalen diagnostischen Einteilung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht man von „riskantem Alkoholkonsum“, „schädlichem Alkoholkonsum“ und „Alkoholabhängigkeit“:

Riskanter Konsum

Mit riskantem Konsum sind konsumierte Mengen gemeint, die statistisch ein erhöhtes Risiko für die Ausbildung einer Erkrankung beinhalten. Das heißt, regelmäßiger Konsum einer Menge Alkohol, die noch nicht zu sichtbaren Folgeerscheinungen führt, wie zum Beispiel Kontrollverlust. Die Alkoholmenge genau festzulegen ist schwierig, denn zwischen den einzelnen Menschen bestehen erhebliche Unterschiede in der Verträglichkeit und Wirkung

Schädlicher Konsum

Damit bezeichnet man den Alkoholkonsum, der gemessen an den Folgen auf jeden Fall zu einer Gesundheitsschädigung (körperlicher und/oder seelischer Art) führt. Dabei wird Alkohol gewohnheitsmäßig in größeren Mengen getrunken, damit seine positiven Wirkungen immer wieder erlebt werden können. Ein übermächtiger Konsumzwang besteht in diesem Stadium noch nicht

Alkoholabhängigkeit

Alkoholabhängigkeit liegt als psychiatrische Erkrankung vor bei einem starken, gelegentlich übermächtigen Wunsch, Alkohol zu konsumieren. Dabei ist das Denken und Interesse auf den Alkoholkonsum gerichtet und es besteht kaum noch eine Kontrolle über die getrunkenen Mengen. Es besteht eine psychische Abhängigkeit, gleichzeitig aber auch aufgrund der Toleranzentwicklung und der Entzugserscheinungen eine körperliche Abhängigkeit.

Bei Überforderung wird die Hemmschwelle von normalem über riskantem bis hin zum abhängigen Konsum eines Suchtmittels leicht überschritten.

Entzugserscheinungen

Das abrupte Absetzen von Alkohol führt zu gefährlichen Entzugserscheinungen. Aufgrund der Veränderung im Nervensystem kann es zu zentralnervösen Krampfanfällen, zum Orientierungsverlust und zu Bewusstseinsstörungen kommen. Diese werden oft begleitet von Halluzinationen. Dazu kommen vegetative Entzugserscheinungen wie Schwitzen, erhöhte Pulsfrequenz und Angstzustände

2.2 Gesundheitliche Risiken

Bei abhängigem Alkoholkonsum kommt es zu Zellschädigungen in allen Geweben, da sich Alkohol über die Blutbahnen im gesamten Organismus verteilt.[3]

Zu den Organschäden gehören:

- Leberschäden (Fettleber, Entzündungen, Zirrhose)
- Veränderungen der Bauchspeicheldrüse
- Veränderungen des Herzens (Erweiterung des Herzmuskels)
- Veränderungen des zentralen und peripheren Nervensystems und der Muskulatur

Sonstige gesundheitliche Risiken sind:

- eine Beeinträchtigung der Qualität des Schlafs, denn Schlaf unter Alkoholwirkung ist kaum erholsam
- Störungen im Mineralhaushalt
- Erhöhte Anfälligkeit für Infektionen, Hautveränderungen, Magenbeschwerden, gynakologische Störungen, Unfruchtbarkeit, Ausbleiben der Regelblutung und ein erhöhtes Brustkrebsrisiko.

Die schwersten alkoholbedingten Krankheiten sind die Zirrhose, Leberkrebs, Hepatitis, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems wie Schlaganfälle infolge Hypertonie und Schädigungen des Nervensystems bis hin zum völligen geistigen Abbau.

2.3 Soziale Folgen der Alkoholabhängigkeit

Zu den sozialen Folgen der Alkoholabhängigkeit zählen insbesondere:[4]

- Probleme mit dem Partner
- Berufliche Schwierigkeiten
- Rückzug aus Freundschaften (Isolation)
- Finanzielle Schwierigkeiten
- Gesellschaftliche Verachtung
- Im schlimmsten Fall Verlust der Familie, der Wohnung und der Arbeit

Die negativen sozialen Folgen treten bei Frauen, die durch häufiges Betrunkensein und hohen Alkoholkonsum auffallen, in der Regel schneller ein als bei Männern mit demselben Verhalten. Das liegt wohl an der Tatsache, dass die Grenzen für Frauen von der Gesellschaft viel enger gezogen werden. Was bei Männern noch nachsichtig belächelt wird, wird bei Frauen als eklig, abstoßend und unmoralisch verurteilt. Zudem kommen alle Klischees, die in unserer Gesellschaft immer noch fortwirken: Frauen, die viel trinken sind „leichte Mädchen“ und „schlechte Mütter“.

2.4 „Leichte Mädchen“ und „Schlechte Mütter“ – trinkende Frauen in den Augen der Gesellschaft

Trunkenheit bei Frauen wurde gesellschaftlich nicht toleriert. Trinkende Frauen galten als sexuell freizügig und wurden als schlechte ihre Kinder vernachlässigende Mütter betrachtet.[5]

Auch noch heute wird eine Frau mit hohem Alkoholkonsum gesellschaftlich abgelehnt oder das Trinken wird zumindest bei Männern eher akzeptiert und toleriert. Ein betrunkener Mann wird noch nachsichtig belächelt, während hingegen eine betrunkene Frau, die sich nicht mehr kontrollieren kann, als abstoßend, eklig und unmoralisch empfunden wird. Dies ist wahrscheinlich auch ein triftiger Grund, warum Frauen, im Gegensatz zu Männern, die ihr auffälliges Trinkverhalten eher nach außen tragen, heimlich trinken und versuchen, ihre Sucht so lange wie nur möglich zu verheimlichen.

Die Akzeptanz von Frauen, die in der Öffentlichkeit trinken, ist nur dann groß, wenn sie es verstehen, Maß zu halten und die Kontrolle behalten. Dieses Bild wird zumindest gesellschaftlich vorgegeben, indem z.B. in den Medien immer wieder hübsche, attraktive, glückliche und selbstbewusste Frauen mit einem Glas in der Hand abgebildet werden.

2.5 Körperliche Beeinträchtigungen und Wirkung des Alkohols auf die Psyche

Körperliche Beeinträchtigungen[6]

Unter Alkoholeinfluss sinkt die Reiz- und Leitfähigkeit der Nervenzellen, wodurch alle körperlichen und psychischen Funktionen des Körpers beeinflusst werden. Die Wirkung des Alkohols wird beeinflusst durch die individuelle und körperliche Verfassung sowie von der Trinkgewöhnung und Toleranzentwicklung.

Frauen vertragen in der Regel weniger, das heißt, bei ihnen setzt die Wirkung bei gleicher Dosis schneller ein. Gründe dafür sind:

- Frauen sind in der Regel leichtgewichtiger, aber auch bei gleichem Gewicht erreichen Frauen bei gleicher Dosis einen 15% höheren Blutalkoholspiegel aufgrund des niedrigeren Wasseranteils des weiblichen Körpers (die gleiche Menge Alkohol wird in weniger Körperflüssigkeit gelöst
- Außerdem enthält die männliche Leber mehr an ein Enzym, das beim Abbau von Alkohol wesentlich mitwirkt, das heißt der weibliche Körper baut in der selben Zeit weniger Alkohol ab als der männliche Körper; wird zusätzlich die Pille genommen, dauert der Abbau noch länger

Alkoholkonsum wirkt sich je nach Dosis, das heißt je nach Alkoholgehalt im Blut, der in Promille gemessen wird, folgendermaßen aus:

Ab 0,2 Promille

- Nachlassen der Sehfähigkeit und der Bewegungskoordination
- Verschlechterung der Leistungsfähigkeit von Geruchs- und Gehörsinn
- Abnahme der Schmerzempfindlichkeit

Ab 0,5 Promille

- rapides Absinken der Reaktionsgeschwindigkeit
- Steigerung der Risikobereitschaft

Ab 1,0 Promille

- Rauschstadium beginnt
- Gleichgewichts- und Sprachstörungen (Torkeln und Lallen)
- Hohe Verletzungsgefahr durch Stürzen, Knochenbrüche etc.

Ab 2,0 Promille

- Betäubungsstadium
- Gekennzeichnet durch starke Ermüdung und Benommenheit
- Es kommt zu Störungen des Gedächtnisses und zum Orientierungsverlust
- Bes. Kurzzeitgedächtnis ist betroffen, meist wird alles nach 20min. wieder vergessen

Ab 3,0 Promille

- akute Alkoholvergiftung, die zu Atemlähmungen, zum Koma und sogar zum Tod führen kann

Die tödliche Dosis liegt bei einem erwachsenen gesunden Menschen in der Regel bei 5-8 Promille.

Alkohol wird hauptsächlich über die Leber abgebaut, nur zu 2-5% über die Atemwege (Fahne), Schweiß und Urin.

Wirkung des Alkohols auf die Psyche

Alkohol hat eine psychoaktive Wirkung. Selbst geringe Mengen wirken sich stimulierend auf das zentrale Nervensystem aus, hohe Dosierungen blockieren die Nervenleitungen, weswegen Alkohol wie ein Betäubungsmittel wirkt, der als angenehme Entspannung empfunden wird.

Alkohol wirkt sich folgendermaßen je nach individueller Lebenslage auf die psychische Befindlichkeit aus:

- je nach Dosis hebt Alkohol die Stimmung bis hin zu euphorischen Glückgefühlen durch den freigesetzten Neurotransmitter Dopamin (ähnlich wie bei Heroin, Kokain und Nikotin) (bei hihen Dosen kann das zu Gewalt umschlagen)
- Alkohol betäubt negative Gefühle wie Angst, Trauer, usw.
- Baut Hemmungen ab und löst Anspannungen
- Steigt die Kontakt- und Kommunikationsbereitschaft
- Macht Mut, sich zur Wehr zu setzen oder umgekehrt hilft „Probleme zu schlucken“.

3. Erkenntnisse aus der Suchtforschung

Familienstand

Alkoholabhängige Frauen sind auffällig häufig geschieden oder getrennt lebend. Der Anteil der geschiedenen oder getrennt lebenden abhängigen Frauen ist auffallend hoch. Abhängige Frauen sind weitaus häufiger geschieden oder getrennt lebend als nicht abhängige Frauen. Auch sind sie häufiger geschieden als drogen- und medikamentenabhängige Frauen.[7]

Schule und Beruf

Alkoholabhängige Frauen erreichen in der Regel sehr gute und meist bessere Abschlüsse als andere Suchtkranke. Viele von ihnen erreichen das Abitur.

Die meisten alkoholabhängigen Frauen sind berufstätig; Frauen mit sehr hohem Alkoholkonsum bis zu 74%. Frauen mit abhängigem Konsum sogar zu 82%. Dabei sind vergleichsweise medikamentenabhängige Frauen nur zu 25% und drogenabhängige nur zu 10% berufstätig. In keinem anderen Punkt unterscheiden sich suchtabhängige Frauen so deutlich wie in Bezug auf ihre Berufstätigkeit. Außerdem scheinen sich alkoholabhängige Frauen im Gegensatz zu nicht alkoholabhängigen Frauen in ihren Berufen mehr in Überforderung zu verstricken. Bei den nichtabhängigen Frauen gelingt eine Abgrenzung ihrer Person vom Beruf wesentlich besser. Alkoholabhängige Frauen sind übermäßig engagiert und bekommen auf diesem Weg das Gefühl, gebraucht zu werden und unersetzlich zu sein. Entsprechendes findet sich bei nicht abhängigen nicht.

Kindheitserfahrungen und Beziehung zu den Eltern

Die Kindheitserfahrungen und die Beziehung zu den Eltern von alkoholabhängigen Frauen sind überwiegend negativ. Die Beziehung wird oft als „Hass-Liebe“ bezeichnet. Viele werden von den Eltern als Kinder abgewiesen und abgelehnt. Die Gründe dafür sind zum Beispiel unerwünschte Schwangerschaften oder ein nicht erfüllte Wunsch nach männlichem Nachwuchs. Die Kinder sind oft bis ins Erwachsenenalter nicht in der Lage, derartig tiefgehende Verletzungen und Gefühle des Nicht-Geliebt-Werdens zu verarbeiten.

Die meisten Väter von alkoholabhängigen Frauen schlagen zu und benutzen Prügel als selbstverständliches und übliches Erziehungsmittel. Oftmals wird auch die Muter geschlagen. Aber die Kinder wiederum werden auch häufig von den Müttern geschlagen. Schläge gehören in den kindlichen Alltag der meisten alkoholabhängigen Frauen dazu. Neben physischen Strafen wenden die Väter später alkoholabhängig werdender Mädchen grausame Härte und Strenge an. Alkoholabhängige Frauen haben demnach zu den Eltern, aber auch zu übrigen Familienangehörigen eine auffallend schlechte Beziehung (zu Geschwistern beispielsweise). Im Regelfall ist keine Bezugsperson vorhanden.

Nichtalkoholabhängige Frauen haben im Vergleich dazu überwiegend positive Erfahrungen in der Kindheit gemacht. Sie haben in der Regel gute Beziehungen zu ihren Eltern und zu Geschwistern. Auseinandersetzungen erfolgen sachlich und ohne physische Strafen.

Partnerschaft und Sexualität

Alkoholabhängige Frauen haben oftmals sexuelle Missbrauchserfahrungen in der Kindheit gemacht, aber auch in der Jugend und in der späteren Partnerschaft. Meistens leben sie in einer unglücklichen Beziehung. Kommunikation, Aufgabenverteilung und Emotionalität in der Partnerschaft wird von alkoholabhängigen Frauen oftmals als sehr schlecht und nicht zufrieden stellend empfunden. Je höher der Alkoholkonsum der Frauen ist, desto stärker ist die Beziehung konfliktträchtig und durch Dominanz und Gewalt des Partners gekennzeichnet.

4. Was führt Frauen in die Alkoholabhängigkeit? – Häufige Lebensumstände und Verhaltensmuster alkoholabhängiger Frauen

Generell kann man sagen, dass ein Risiko immer dann besteht, wenn ein Ungleichgewicht zwischen Belastung und Belastbarkeit besteht. Anstatt sich mit der Umwelt auseinanderzusetzen, zu versuchen, sie für sich „passend“ zu machen (z.B., indem man Überlastungen abbaut, Lebensträume verwirklicht, konstruktiv mit Konflikten umgeht usw.), wird durch den Konsum eines Suchtmittels versucht, mehr und mehr die Wahrnehmung zu verändern und das Leben so für sich erträglicher zu machen. Abhängigkeit ist also bei beiden Geschlechtern eine Antwort auf eine als unerträglich empfundene und auswegslose Situation, für die es in den Augen der Betroffenen keinen anderen möglichen Lösungsweg gibt, als durch den regelmäßigen Konsum eines Suchtmittels Ausgleich zu schaffen. Zumeist erleiden die Betroffenen einen Verlust des Selbstwertgefühls. Für Frauen kann es viele spezifische Situationen dafür geben. Hinter dem Alkoholproblem von Frauen steckt oft nicht nur eine Problematik, sondern ein ganzes Bündel.

4.1 Gesellschaftliche Einflüsse: Sucht als Ausdruck mangelnder Emanzipation

Roswitha Soltau beschreibt in ihrem Buch, dass die Lebensbedingungen unserer Gesellschaft Ursachen bieten für das Bedürfnis, Drogen zu nehmen und sich damit in die Situation zu bringen im weiteren Verlauf des Lebens von diesen Suchtmitteln abhängig zu werden. Sie sieht die Suchtmittelabhängigkeit als lediglich sichtbaren Ausdruck der bestehenden ganz alltäglichen und normalen Abhängigkeit. Alltäglichkeit, so Soltau, trägt Sucht und Abhängigkeit bereits in sich selbst. Diese alltägliche Abhängigkeit wird akzeptiert und unhinterfragt als normal betrachtet und damit positiv ausgelegt.[8]

Der Suchtcharakter des Wirtschaftssystems wird u. A. deutlich durch:

- die ausschließliche Orientierung am Gewinn materieller Güter
- die geringe Zeit für persönliche Erholung und Entfaltung
- Reduzierung von menschlichen Kontakten zu pragmatisch-technischen Beziehungen
- Verbürokratisierung und zunehmende Anonymität im Leben
- Soziale Unsicherheit durch steigende Lebenserhaltungskosten
- Drohender Verlust von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen
- Ständig steigender Leistungsdruck.

[...]


[1] Quelle: Merfert-Diete, Christa/Soltau, Roswitha (Hrsg.) (1984): Frauen und Sucht. Die alltägliche Verstrickung in Abhängigkeit.

[2] Quelle: Franke, Alexa/Mohn, Karin/Sitzler, Franziska/Welbrink, Andrea/Witte, Maibritt (2001): Alkohol- und Medikamentenanhängigkeit bei Frauen. Risiken und Widerstandsfaktoren.

[3] Quelle: Franke, Alexa/Mohn, Karin/Sitzler, Franziska/Welbrink, Andrea/Witte, Maibritt (2001): Alkohol- und Medikamentenanhängigkeit bei Frauen. Risiken und Widerstandsfaktoren.

[4] Quelle: Franke, Alexa/Mohn, Karin/Sitzler, Franziska/Welbrink, Andrea/Witte, Maibritt (2001): Alkohol- und Medikamentenanhängigkeit bei Frauen. Risiken und Widerstandsfaktoren.

[5] Quelle: Merfert-Diete, Christa/Soltau, Roswitha (Hrsg.) (1984): Frauen und Sucht. Die alltägliche Verstrickung in Abhängigkeit.

[6] Quelle: Franke et al. (2001): Alkohol- und Medikamentenanhängigkeit bei Frauen. Risiken und Widerstandsfaktoren.

[7] Die Ergebnisse der Forschungsstudien (Befragungen abhängiger Frauen) entstammen folgenden Quellen: Franke et al. (2001): Alkohol- und Medikamentenanhängigkeit bei Frauen. Risiken und Widerstandsfaktoren.

Vogt, Irmgard (1986): Alkoholikerinnen. Eine qualitative Interviewstudie.

Singerhoff, Lorelies (2002): Frauen und Sucht.

[8] Quelle: Merfert-Diete, Christa/Soltau, Roswitha (Hrsg.) (1984): Frauen und Sucht. Die alltägliche Verstrickung in Abhängigkeit.

Ende der Leseprobe aus 41 Seiten

Details

Titel
Alkoholabhängigkeit. Frauen und Sucht
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
41
Katalognummer
V46843
ISBN (eBook)
9783638439398
ISBN (Buch)
9783638659123
Dateigröße
680 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frauen, Sucht, Beispiel, Alkoholabhängigkeit
Arbeit zitieren
Tamara Di Quattro (Autor:in), 2003, Alkoholabhängigkeit. Frauen und Sucht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46843

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