Empirische Prüfung des demographisch-ökonomischen Paradoxons in Deutschland


Hausarbeit, 2017

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsübersicht

1. Einleitung

2. Theorie
2.1 Das demografisch-ökonomische Paradoxon
2.1.1 Definition nach Birg
2.1.2 Gegensätzliche Positionen
2.2 Alternativer Ansatz der Ursachenbeschreibung
2.3 Forschungsfrage und Hypothesenbildung

3. Methodik
3.1 Datenerhebung
3.1.1 Erhebungsverfahren
3.1.2 Grundgesamtheit und Stichprobe
3.1.2 Gewichtung der ostdeutschen Teilpopulation
3.2 Operationalisierung
3.2.1 Unabhängige und abhängige Variablen
3.2.2 Konstruktbildung

4. Ergebnisse
4.1 Statistiken der Variablen
4.2 Zusammenhänge der Variablen

5. Diskussion der Erkenntnisse

6. Literaturverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1, Statistik der UV1 Bildung

Tabelle 2, Statistik der UV2 Einkommen

Tabelle 3, Statistik der AV Kinderanzahl

Tabelle 4, Korrelationen der UV1, UV2 und AV1

1. Einleitung

Der demografische Wandel ist eine der großen Herausforderungen westlicher Gesellschaften. In Deutschland ist die Sterberate bereits seit dem Jahr 1973 (Statista, 2017) höher als die Geburtenrate. Daraus ergeben sich strukturelle Veränderungen, die besonders die sozialen Sicherungssysteme des Staates, wie beispielsweise die umlagefinanzierte Rentenversicherung, betreffen. Während im Jahr 1962 noch 6 Arbeitnehmer pro Rentner für den Beitragsausgleich aufkommen mussten, so sind es schon heute nur noch 2,1 Arbeitnehmer pro Bezieher einer Altersrente (Deutsche Rentenversicherung Bund, 2015, S. 246).

Die Ursachen für diese zunehmende Kinderlosigkeit werden in der aktuellen Forschung auf verschiedenste Dinge zurückgeführt. Häufig vertreten ist beispielsweise der Rückschluss auf den gestiegenen Wohlstand und die daraus resultierende Entbehrlichkeit von Kindern als private Altersvorsorge, auch als demografisch-ökonomisches Paradoxon umschrieben (Birg, 2005, S. 19). Das Bildungsniveau aber führt Birg dabei ebenso als Ursache an, da die Kinderzahl pro Frau in dem Maße abnahm „wie die Lebenserwartung und andere Maße des Entwicklungsstandes, darunter vor allem das Pro-Kopf-Einkommen und das Ausbildungsniveau der Bevölkerung, zunahmen.“ Andere Forscher wie Kröhnert, Olst und Klingholz (2004, S. 3) ziehen jedoch unterschiedliche Schlüsse aus empirischen Daten, welche für eine entgegengesetzte Position sprechen: da die reicheren Länder Westeuropas höhere Kinderzahlen als die ärmeren Länder haben, existiert demnach kein demografisch-ökonomisches Paradoxon mehr.

Da die empirischen Erkenntnisse der Wissenschaft in dieser Hinsicht nicht eindeutig sind, ist es somit das Ziel dieser Hausarbeit, den Zusammenhang von Einkommen, Bildung und Kinderanzahl anhand der deutschen Gesamtpopulation von 2014 empirisch zu überprüfen. Im Vorfeld werden dafür die verschiedenen Standpunkte innerhalb der Wissenschaft zum vermeintlichen Kausalzusammenhang näher erläutert und daraus Thesen gebildet. Im Anschluss dazu werden Datensätze des GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften für die deutsche Gesamtpopulation verwendet, statistisch ausgewertet und anschließend diskutiert.

2. Theorie

2.1 Das demografisch-ökonomische Paradoxon

2.1.1 Definition nach Birg

Der negative Zusammenhang zwischen Einkommen, Lebenserwartung, Bildungsniveau und anderen Indikatoren für gesellschaftlichen Fortschritt auf der einen Seite und der Anzahl an Kindern pro Frau auf der anderen Seite lässt sich laut Birg (2005, S. 21) so interpretieren, dass „die Menschen sich umso weniger Kinder leisten, je mehr sie sich auf Grund des wachsenden Realeinkommens und Lebensstandards eigentlich leisten könnten.“ Dieses Phänomen nennt er das demografisch-ökonomische Paradoxon. Es tritt demnach vor allem in der westlichen Welt auf, beispielsweise in Deutschland, aber auch in anderen Industrieländern wie Japan. Wie bereits in der Einleitung beschrieben, schreibt Birg die Ursachen für das Paradoxon der fehlenden Notwendigkeit einer alternativen und unabhängigen Altersvorsorge in der heutigen Zeit zu (Birg, 2005, S. 19).

2.1.2 Gegensätzliche Positionen

Die Existenz des Paradoxons ist zwar anerkannt, es konnte bisher jedoch kein Konsens innerhalb der Wissenschaft erzielt werden. So kommen beispielsweise Kröhnert, Olst und Klingholz (2004, S. 3) zu anderen empirisch fundierten Erkenntnissen, wenn sie die Kinderanzahl der europäischen Länder in Bezug auf Wohlstand vergleichen:

Das Wohlstandsniveau der einzelnen Länder (gemessen im kaufkraftkorrigierten Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner) korreliert positiv mit den Kinderzahlen. Die reicheren Länder Westeuropas wie Island (1,93 Kinder je Frau) oder Norwegen (1,75) haben höhere Kinderzahlen als ärmere wie Griechenland (1,25) oder Portugal (1,47). In Europa gibt es somit seit Jahren kein „ökonomisch-demografisches Paradoxon“ mehr.

Dabei untersuchten sie auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für unterschiedliche Kinderzahlen anhand einer Vielzahl von sozioökonomischen Indikatoren. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass ab einer gewissen Stufe des gesellschaftlichen Entwicklungsstands „der Zusammenhang zwischen Wohlstand und Fortschritt einerseits und sinkenden Kinderzahlen andererseits nicht mehr gilt“ (Kröhnert, Olst, & Klingholz, 2004, S. 2-3). Entgegengesetzt erzielen sogar genau die Länder die höchsten Raten, in denen der gesellschaftliche Entwicklungsstand am weitesten fortgeschritten ist. Als Grund für die höhere Rate nennen sie den Umstand, dass Frauen in grundsätzlich allen westeuropäischen Ländern zwar eher auf Kinder verzichten, um finanziell unabhängig sein zu können, in Industrienationen jedoch die Möglichkeit haben, sowohl finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen als auch den Kinderwunsch zu erfüllen. Demnach werden dort die meisten Kinder geboren, „wo Gesellschaften die Gleichstellung der Geschlechter am besten gewährleisten. Je moderner eine Gesellschaft und je größer die Emanzipation der Frauen, umso höher sind die Kinderzahlen“ (Kröhnert, Olst, & Klingholz, 2004, S. 3).

2.2 Alternativer Ansatz der Ursachenbeschreibung

Heike Wirth (2013, S. 164-165) weist in ihrer Studie auf den Paarkontext hin, sodass nicht nur das Bildungsniveau der Eltern als Individuum oder als Ganzes betrachtet werden sollte, sondern in Bezug auf Kinderlosigkeit auch immer das Gefälle innerhalb der Partnerschaft, da es eine signifikante Rolle spielt: Demnach sind Paare mit einem Bildungsgefälle zugunsten der Frau, das heißt mit einem weniger gebildeten Mann im Vergleich zur Partnerin, mit einer höheren Wahrscheinlichkeit kinderlos als bei einer hohen Qualifikation beider Partner. Ebenso haben Frauen selbst dann eher Kinder, wenn sie einen noch höher gebildeten Partner haben, obwohl sie selbst auch hoch gebildet sind.

Eine weitere Erkenntnis ihrer Analysen ist somit, dass die im Kohortenvergleich ansteigende Kinderlosigkeit von Frauen mit hoher Bildung in keiner Weise einer zunehmende Homogamietendenz der hohen Bildungsgruppen zugrunde liegt. Sie vermutet eher, dass „sich die Homogamietendenz weder im Durchschnitt aller Bildungsgruppen, noch spezifisch für hoch qualifizierte Männer und Frauen, verstärkt.“ Stattdessen wäre viel eher eine „leicht rückläufige Neigung zur bildungsgleichen Partnerschaft“ als eigentliche Ursache, unabhängig von der Höhe der Bildung, festzustellen (Wirth, 2013, S. 164-165). Diese Überlegungen von Heike Wirth sollten aufgrund der Plausibilität an dieser Stelle noch erwähnt werden, auch wenn sie aufgrund der Datenbegrenzung der vorliegenden Arbeit nicht direkt empirisch geprüft werden können.

2.3 Forschungsfrage und Hypothesenbildung

Die Forschungsfrage bildet sich aus den widersprüchlichen Erkenntnissen des Forschungsstandes und zielt darauf ab, die Thesen von Birg oder Kröhnert et. al. zu stärken. Sie lautet also konkret: Besteht ein Zusammenhang zwischen Einkommen bzw. Bildungsgrad und Anzahl der Kinder in Deutschland im Jahr 2014?

Um somit den Forschungsgegenstand empirisch überprüfen zu können, werden auf Grundlage der Ergebnisse von Birg und dem demografisch-ökonomischen Paradoxon die folgenden beiden Hypothesen gebildet:

H1.) Umso höher das Einkommen, desto weniger Kinder
H2.) Umso höher der Bildungsgrad, desto weniger Kinder

Durch die Überführung in Hypothesen und der empirischen Überprüfung kann das Modell des demografisch-ökonomischen Paradoxon entweder vorläufig bestätigt und gestärkt werden oder aber, im Falle einer Falsifikation, die Hypothesen von Kröhnert et. al. stützen.

3. Methodik

3.1 Datenerhebung

3.1.1 Erhebungsverfahren

Der für die vorliegende Forschungsarbeit verwendete Datensatz entstammt der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) 2014 und wurde vom GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften erhoben. Während der Erhebung wurden unterschiedlichste Daten über Einstellungen, Verhaltensweisen und Sozialstruktur der Bevölkerung in Deutschland gesammelt.

Dabei wurden die Daten der Teilnehmer in persönlich-mündlichen Befragungen mit standardisiertem Frageprogramm (CAPI – Computer Assisted Personal Interviewing) und zwei Zusatzbefragungen als CASI (Computer Assisted Self-Interviewing) gesammelt (Baumann & Schulz, 2015, S. 15). Das Mindestalter der Befragung war 18 Jahre.

3.1.2 Grundgesamtheit und Stichprobe

Das Untersuchungsgebiet der Datenerhebung war ausschließlich die Bundesrepublik Deutschland. Die Grundgesamtheit bildet somit die deutsche Gesamtbevölkerung mit einem Alter von mindestens 18 Jahren zum Zeitpunkt der Datenerhebung, aufgeteilt in männliche und weibliche Teilnehmer. Befragt wurden insgesamt 3.471 Menschen, welche durch eine zweistufige, disproportional geschichtete Zufallsauswahl in Westdeutschland (inkl. West-Berlin) und Ostdeutschland (inkl. Ost-Berlin) aus allen in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Personen, die zum Zeitpunkt der Erhebung in Privathaushalten lebten und vor dem 01.01.1996 geboren sind, gezogen wurden (Baumann & Schulz, 2015, S. 15-16). Dabei wurden in der ersten Auswahlstufe Gemeinden in Deutschland mit einer Wahrscheinlichkeit proportional zu ihrer Einwohnerzahl ausgewählt, während in der zweiten Auswahlstufe Personen aus den Einwohnermeldekarteien zufällig gezogen wurden.

3.1.2 Gewichtung der ostdeutschen Teilpopulation

Im ALLBUS 2014 wurden mehr Personen in den neuen Bundesländern befragt, als es ihrem eigentlichen Anteil an der gesamten Bevölkerung Deutschlands entspricht. Da sich die Forschungsfrage auf die gesamtdeutsche Bevölkerung bezieht, wird das Oversampling durch Gewichtungsvariablen korrigiert.

Sind laut Mikrozensus-Erhebung aus dem Jahr 2013 lediglich 18 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Privathaushalten aus Ostdeutschland (Statistisches Bundesamt, 2013), stehen dem im ALLBUS 32 Prozent Befragte in Ostdeutschland gegenüber: in Relation zum Mikrozensus wird somit das Gewicht der eigentlich 1.109 enthaltenen Fälle Ostdeutscher von 1 auf jeweils 0,5639131 reduziert. Die ostdeutsche Fallzahl beträgt dadurch nur noch rechnerisch 625, aber das Oversampling ist ausgeglichen (Baumann & Schulz, 2015, S. 3-4).

3.2 Operationalisierung

3.2.1 Unabhängige und abhängige Variablen

Für die empirische Überprüfung der Hypothesen H1 und H2 werden insgesamt drei Variablen auf einen möglichen Zusammenhang hin überprüft. Dabei handelt es sich um die abhängige Variable „Kinderanzahl Insgesamt“ sowie die beiden unabhängigen Variablen „Bildungsgrad“ (UV1) und „Einkommen“ (UV2).

Die unabhängige Variable „Einkommen“ ist eine von der GESIS generierte Zusammenfassung einer offenen Abfrage und der Listenabfrage zum Befragteneinkommen, um Messfehler zu minimieren. Wenn Befragte bei der offenen Frage zu ihrem eigenen monatlichen Netto-Einkommen eine gültige Antwort gegeben haben, enthält die UV „Einkommen“ die entsprechende Angabe der Befragten. Haben Befragte bei der offenen Frage die Antwort verweigert, bei der Listenabfrage jedoch eine gültige Antwort gegeben, wurde ihnen bei der UV „Einkommen“ die Klassenmitte der jeweils gewählten Einkommenskategorie zugeordnet (Baumann & Schulz, 2015, S. 497).

3.2.2 Konstruktbildung

Die zweite unabhängige Variable des Bildungsgrades wird aus dem jeweiligen Schul- und Hochschulabschluss gebildet. Dabei wird die Variable des ALLBUS „Allgemeiner Schulabschluss“ um die Variablen „Hochschulabschluss“ sowie „Fachhochschulabschluss“ erweitert und in einer neuen Variable zusammengefasst. Die manifeste Variable „Bildungsgrad“ enthält somit 6 Abstufungen, was eine metrische Behandlung ermöglicht: Kein Abschluss, Hauptschulabschluss, Mittlere Reife, Fachhochschulreife, Allgemeine Hochschulreife und Hochschulabschluss.

Die abhängige Variable „Kinderanzahl Insgesamt“ wird ebenfalls als manifestes Konstrukt aus mehreren direkt abgefragten Variablen generiert, da eine direkte Abfrage aller Kinder im ALLBUS 2014 nicht stattgefunden hat. Somit bildet sich diese Variable aus der Abfrage der Verwandtschaftsgrade aller weiteren im selben Haushalt lebenden Personen sowie der darauf addierten direkt abgefragten Anzahl der außer Haus lebenden Kinder.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Empirische Prüfung des demographisch-ökonomischen Paradoxons in Deutschland
Hochschule
Universität Mannheim
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
16
Katalognummer
V468205
ISBN (eBook)
9783668960428
ISBN (Buch)
9783668960435
Sprache
Deutsch
Schlagworte
empirische, prüfung, paradoxons, deutschland
Arbeit zitieren
Christian Meradji (Autor:in), 2017, Empirische Prüfung des demographisch-ökonomischen Paradoxons in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/468205

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Empirische Prüfung des demographisch-ökonomischen Paradoxons in Deutschland



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden