Essstörungen - Anorexie u. Bulimie


Hausarbeit, 2002

29 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Epidemiologie und allgemeine Aspekte

3. Anorexia nervosa
3.1. Symptomatik / Erscheinungsbild der Anorexia nervosa
3.1.1. Seelische Symptome
3.1.1.1. Krankheitsverleugnung
3.1.1.2. Gewichtsphobie
3.1.1.3. Gestörtes Selbstwertgefühl
3.1.1.4. Fehlwahrnehmungen (Müdigkeit, Sexualität, Hunger)
3.1.2. Körperliche Symptome
3.1.2.1. Die Abmagerung, das Untergewicht, die sogenannten Körperschemastörungen
3.1.2.2. Amenorrhö
3.1.2.3. Vegetative Symptome und andere klinische Befunde
3.1.2.4. Laborchemische Blutbefunde
3.2. Prognose
3.3. Ursachen
3.3.1. Psychologische Ursachen
3.3.2. Gesellschaftliche Ursachen
3.4. Therapie
3.4.1. Psychoanalyse
3.4.2. Tiefenpsychologische Gesprächstherapie
3.4.3. Verhaltenstherapie
3.4.4. Körperpsychotherapie
3.4.5. Einzel- und Gruppentherapie
3.4.6. Familiengruppentherapie

4. Bulimia nervosa
4.1. Symptomatik / Erscheinungsbild der Bulimia nervosa
4.1.1. Heißhungeranfälle
4.1.2. Methoden zur Gewichtskontrolle
4.1.2.1. Selbstinduziertes Erbrechen
4.1.2.2. Missbrauch von Abführmitteln
4.1.2.3. Fasten und Diäteinhalten
4.1.3. Das Körpergewicht und die starke Beschäftigung mit Ernährungsfragen
4.1.4. Psychosexuelle Symptome
4.1.5. Psychische Symptome
4.1.6.Körperliche Folgen
4.2. Prognose
4.3. Ursachen
4.3.1. Gesellschaftliche Aspekte
4.3.2. Persönliche und familiäre Aspekte
4.4. Therapie
4.4.1. Einzeltherapie
4.4.2. Familientherapie
4.4.3. Gruppentherapie
4.4.4. Selbsthilfegruppe
4.4.5. Medizinische Behandlung
4.4.6. Ernährungsberatung
4.4.7. Medikamentöse Behandlung
4.4.8. Stationäre Aufnahme

5. Zusammenfassung
5.1. Schluss

Literaturangaben

Eßstörungen

Anorexia nervosa - Bulimia nervosa

1. Einleitung

Sie hungern sich zu Tode, sehen aus wie Haut überzogene Skelette. Oder sie stopfen sich mit Nahrung voll ohne zuzunehmen. Macht Essen krank? Der Wunsch schlank zu sein, ist in unserer Gesellschaft - insbesondere bei Frauen - sehr verbreitet. Eine Krankheit voller Widersprüche. Als paradox werden die Symptome beschrieben. Magersuchtsfälle gab es schon vor über hundert Jahren, aber erst seit 1960 beschäftigen sich die Ärzte mit der Krankheit. Die Zahl der Erkrankten scheint immer mehr anzusteigen - wobei nicht definitiv gesagt werden kann, ob die Krankheit in der heutigen Gesellschaft tatsächlich häufiger auftritt, oder ob die gestiegene Aufmerksamkeit dazu führt, dass die Krankheit häufiger diagnostiziert wird.

Meinen Schwerpunkt möchte ich auf die verschiedenen Therapieformen bei der Anorexia nervosa legen, da ich dort eigene Erfahrungen im Rahmen meiner beruflichen Arbeit gemacht habe.

2. Epidemiologie und allgemeine Aspekte

Bezogen auf die Gesamtbevölkerung tritt die Anorexie jedoch relativ selten auf. Bei Frauen im Alter von 15 bis 25 Jahren, die als Risikogruppe für Magersucht gelten, findet sich die Erkrankung allerdings bei ca. 1% der Betroffenen. Hierbei möchte ich erwähnen, dass nur etwa 5% der Erkrankten Männer sind. Anorexie beginnt oft schon in der frühen Jugend, häufig kurz nach dem Einsetzen der ersten Menstruation. Die Störung tritt neben dem Erkrankungsgipfel um das 14. Lebensjahr, auch etwa im 18. Lebensjahr gehäuft auf.

(vgl. Anorexia nervosa (Magersucht). – URL: http://www.medicine-worldwide.de ; 2001).

Stärker als bei jeder anderen psychischen Störung sind von der Bulimie vor allem Frauen betroffen und zwar sind 99% der an Bulimie Erkrankten Frauen. Auffällig ist außerdem, dass die Störung gehäuft in der Mittel- und Oberschicht auftritt. In der weiblichen Bevölkerung leiden in der Altersgruppe zwischen 18 und 35 Jahren etwa 2,5% an Bulimie. Auch bei Frauen ohne die Diagnose Essstörungen finden sich häufig einzelne Symptome der Bulimie: etwa 5% der weiblichen Gesamtbevölkerung berichten, dass sie z.B. das Herbeiführen von Erbrechen und die Einnahme von Abführmitteln einsetzen, um Gewicht zu verlieren(vgl. Bulimia nervosa (Bulimie) – URL: http://www.medicine-worldwide.de ; 2001).

Wörtlich übersetzt bedeutet Anorexie "Appetitverlust oder -verminderung" - eine irreführende Bezeichnung, da nicht unbedingt der Appetit, sondern in erster Linie das Essverhalten gestört ist. Der Zusatz "nervosa" weist auf die psychischen Ursachen der Essstörung hin.

Die Bezeichnung "Bulimia nervosa", kurz auch Bulimie genannt, bedeutet sinngemäß "Ochsenhunger" und steht für ein Krankheitsbild, das in der Umgangssprache häufig "Ess-Brech-" oder "Fress-Kotz-Sucht" genannt wird.

Die Unterscheidung der Anorexie von der Bulimie ist im Einzelfall oft schwierig. Zwar sind beide Krankheitsbilder jeweils durch typische Merkmale gekennzeichnet, der Übergang ist jedoch fließend. Gemeinsam ist beiden Krankheiten, dass bei den Betroffenen eine extreme Angst vor einer Gewichtszunahme besteht. Während jedoch bei der Anorexie starker Gewichtsverlust durch extreme Diät im Vordergrund steht, ist das Hauptmerkmal der Bulimie das wiederholte Auftreten von Essattacken, die von aktiv herbeigeführtem Erbrechen oder der Einnahme von Abführmitteln bzw. harntreibenden Mitteln gefolgt sind. In Gegensatz zu anorektischen PatientInnen, die äußerlich durch ihr Untergewicht auffallen, liegt das Körpergewicht bei bulimischen PatientInnen meist im Normalbereich. Bei vielen PatientInnen tritt eine Mischung von Symptomen auf, man spricht dann von einer Bulimanorexie.

3. Anorexia nervosa

3.1. Symptomatik / Erscheinungsbild der Anorexia nervosa

Für die Diagnose der Anorexia nervosa (F 50.0) gelten nach ICD 10 folgende diagnostische Leitlinien:

„1. Tatsächliches Körpergewicht mindestens 15% unter dem erwarteten (entweder durch Gewichtsverlust oder nie erreichtes Gewicht) oder Body-Mass-Index von 17,5 kg/m2 oder weniger. Bei Patienten in der Vorpubertät kann die erwartete Gewichtszunahme während der Wachstumsperiode ausbleiben.
2. Der Gewichtsverlust ist selbst herbeigeführt durch: a. Vermeidung von
hochkalorischen Speisen; und eine oder mehrere der folgenden Möglichkeiten: b. selbst induziertes Erbrechen; c. selbst induziertes Abführen; d. übertriebene körperliche Aktivitäten; e. Gebrauch von Appetitzüglern und/oder Diuretika.
3. Körperschema-Störungen in Form einer spezifischen psychischen Störung; die Angst, dick zu werden, besteht als tiefverwurzelte überwertige Idee; die Betroffenen legen eine sehr niedrige Gewichtsschwelle für sich selbst fest.
4. Eine endokrine Störung auf der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse. Sie manifestiert sich bei Frauen als Amenorrhoe und bei Männern als Libido- und Potenzverlust. Eine Ausnahme stellt das Persistieren vaginaler Blutungen bei anorektischen Frauen mit einer Hormonsubstitutionstherapie zur Kontrazeption dar. Erhöhte Wachstumshormon- und Kortisolspiegel, Änderung des peripheren Metabolismus von Schilddrüsenhormonen und Störungen der Insulinsekretion können gleichfalls vorliegen.
5. Bei Beginn der Erkrankung vor der Pubertät ist die Abfolge der pubertären Entwicklungsschritte verzögert oder gehemmt (Wachstumsstopp; fehlende Brustentwicklung und primäre Amenorrhoe beim Mädchen; bei Knaben bleiben die Genitalien kindlich). Nach Remission wird die Pubertätsentwicklung häufig normal abgeschlossen, die Menarche tritt aber verspätet ein.“[1]

3.1.1. Seelische Symptome

Die wichtigsten seelischen Symptome, die, wenn sie zusammentreffen, das krankheitsspezifische psychopathologische Bild ausmachen, sind die Krankheitsverleugnung, die Gewichtsphobie und die damit einhergehende zwanghafte und süchtige Haltung gegenüber dem Essen und dem eigenen Körper, das stark gestörte Selbstwertgefühl und schließlich die mangelnde Fähigkeit, eigene Gefühle (der Müdigkeit, der Sexualität und des Hungers) wahrzunehmen.

Im folgenden möchte ich mich diesen vier Symptomen zuwenden:

3.1.1.1. Krankheitsverleugnung

Magersüchtige sind immer darauf bedacht, normal und unauffällig zu wirken. Sie sprechen meistens mit leiser, monotonen Stimme, ihre Haut ist von durchsichtiger Blässe und ihre Augen sind nicht selten von erwartungsvoller Ängstlichkeit erfüllt. Anorektische Patienten verführen die Gesprächspartner dazu, sie als frei manipulierbare Marionetten zu betrachten. Sie sind vernünftig, nachgiebig, kompromissbereit und verständig, wenn man im Gespräch über das Belanglose nicht hinauskommt. Werdern jedoch die Grenzen des für sie unverbindlichen überschritten, verstehen sie meistens keinen Spaß mehr und lassen ihr Kämpfertum durchschimmern. Magersüchtige ändern ihre neutrale Stimmung schlagartig, wenn sie auf ihr ausgemergeltes, skeletthaftes Dasein angesprochen werden. Sie nehmen eine abwehrende kämpferische Haltung ein und behaupten, sie erfreuten sich der besten Gesundheit, seien immer noch zu dick und könnten nicht verstehen, dass man sie als krank betrachte. Und schon sind sie mitten in der Krankheitsverleugnung. Da sich der Magersüchtige vor der Gewichtszunahme panikartig fürchtet, leugnet er seine Abmagerung, und in dieser Verleugnung kann es sogar zur Verkennung der eigenen Leiblichkeit kommen.

Verleugnung ist ein unangemessener, wenn auch manchmal verständlicher Umgang mit der Wahrheit.

3.1.1.2. Gewichtsphobie

Die Gewichtsphobie oder auch die Angst, zu fett zu sein oder zuzunehmen, tritt bei Magersüchtigen häufig erst dann auf, wenn sie die Therapie begonnen haben und Gewicht zunehmen müssen. Dennoch ist die Gewichtsphobie ein wichtiges diagnostisches Kriterium. Die Magersüchtigen ängstigen sich davor, dass der Körper sich unförmig ausdehnen und den ihm zustehenden Raum einnehmen könnte, wenn sie sich normal und lebensgerecht ernähren.

3.1.1.3. Gestörtes Selbstwertgefühl

Hinter den bisher beschriebenen Symptomen steht vor allem ein sehr geringes Selbstwertgefühl. Anfänglich verbirgt sich dieses mangelnde Selbstwertgefühl hinter einer abwehrenden, verpanzerten Pseudosicherheit. Geäußerte Kritik an ihren Eßgewohnheiten wird schroff abgewehrt. Die Magersüchtigen scheinen eine starre, unbewegliche, durch keinen Einwand zu erschütternde Haltung zu haben, doch hinter dieser starren Panzerhaltung sind Unsicherheitsgefühle zu erkennen. Gelingt es, eine engere Beziehung aufzubauen, erkennt man, dass sich die Magersüchtigen ohnmächtig und hilflos fühlen. Sie haben ein besonders feines Gespür, sich auf die Bedürfnisse der Mitmenschen auszurichten. Mit Ausnahme der Eßgewohnheiten sind sie überangepasst. Sie fühlen sich als Marionetten in den Händen anderer Leute, kommen sich vor wie Mosaiksteine in einem von Mitmenschen entworfenen Bild, wie eine leblose Körperhülle ohne inneren Kern und Gehalt.

3.1.1.4. Fehlwahrnehmungen (Müdigkeit, Sexualität, Hunger)

Die am stärksten bei der Magersucht gestörten inneren Reize sind Müdigkeit, Sexualität und Hunger. Wenn man Magersüchtige in ihrer körperlichen Aktivität, in ihrem Bewegungsdrang beobachtet, könnte man oberflächlich annehmen, als ob sie die körperlichen Strapazen und die damit einhergehende Müdigkeit nicht spüren. Sie vollbringen z.T. körperliche Spitzenleistungen, die man nur bewundern kann.

Stellt sich also die Frage, was motiviert die Magersüchtigen zu solchen Höchstleistungen?

Ähnlich dem Fasten/Hungern dient die übergroße körperliche Aktivität in erster Linie dazu, dass Kalorien verbraucht werden und es zur Gewichtsabnahme kommt.

Die Magersüchtigen verleugnen ihre Müdigkeit, sie darf nicht sein. In Besserungsphasen geben die Kranken zu, oft zum Umfallen müde gewesen zu sein. Doch das kann in der Akutphase nicht zugegeben werden, weil sonst die Überanstrengung als Instrument zur Gewichtsabnahme aufgegeben werden müsste. Bei Magersüchtigen findet man immer eine gestörte Beziehung zur Sexualität, wie weit diese sexuellen Störungen allerdings gehen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Es wurde schon recht früh die ablehnende Haltung der Magersüchtigen gegenüber ihrer Geschlechtsrolle und der Sexualität beobachtet. Laut Janet weigerten sich die Magersüchtigen, die weibliche Geschlechtsrolle anzunehmen. Für Freud war die Magersucht „die Krankheit der sexuell Unreifen“. Für Feiereis hängt die Ablehnung der Sexualität bzw. die Ablehnung der weiblichen Identifikation mit dem negativ erlebten Mutter-(Frau-)Bild zusammen. Bei der Entwicklung der ablehnenden Haltung der eigenen Geschlechtsrolle gegenüber spielt die Familie oft eine ausschlaggebende Rolle. Häufig haben beide Elternteile eine negative Haltung gegenüber der Sexualität und erste sexuelle Versuche werden von den Eltern vehement torpediert. Die Töchter werden als verantwortungslose und mannstolle Flittchen bezeichnet. So entwickeln die heranwachsenden Töchter eine ablehnende Haltung zur Sexualität, welche schließlich abgelehnt und verleugnet wird. (vgl. Dr.med.Erpen; 1994; S.48 ff.)

Viele Magersüchtige verleugnen nicht nur die Müdigkeit und die Sexualität, sondern auch den Hunger und kompensieren ihn beispielsweise durch viel Trinken. Andere wehren die oralen Triebimpulse durch altruistische Projektion auf die Familie ab. Dabei bereiten sie für die ganze Familie liebevoll das Essen zu, an den Mahlzeiten nehmen sie allerdings nicht teil, genießen aber die Sattheit der anderen Familienmitglieder. Im Gegensatz zu anderen (wirklich) Hungernden können sie zu ihrer Not nicht stehen, sondern verleugnen in der Regel ihren Hunger.

[...]


[1] (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (Hrsg.): Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie. Band 4 Behandlungsleitlinie Essstörungen; 2000; S.8)

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Essstörungen - Anorexie u. Bulimie
Hochschule
Fachhochschule Braunschweig / Wolfenbüttel; Standort Wolfenbüttel  (Institut für Psychologie)
Veranstaltung
Seelische Krisen im Jugendalter
Note
2,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
29
Katalognummer
V4678
ISBN (eBook)
9783638128643
Dateigröße
535 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Essstörungen, Anorexie, Bulimie, Seelische, Krisen, Jugendalter
Arbeit zitieren
Kristina Gfrörer (Autor:in), 2002, Essstörungen - Anorexie u. Bulimie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4678

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