Wertorientierte Steuerung. Das EVA-Konzept nach Stern-Stewart


Seminararbeit, 2004

35 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anhangsverzeichnis

1. Aufgabenstellung und Gang der Arbeit

2. Darstellung des EVA-Konzepts nach Stern Stewart
2.1. Hintergrund und Darstellung des Grundkonzepts
2.1.1. Hintergrund der Entwicklung wertorientierter Steuerungskonzepte
2.1.2. Wesen & Charakter des EVA als wertorientiertes Steuerungskonzept
2.1.3. Berechnungsschema EVA
2.2. Berechnung der drei Basisgrößen
2.2.1. Eingesetzes Kapital (Capital)
2.2.2. Betrieblicher Gewinn nach Steuern (NOPAT)
2.2.3. Gewichtete durchschnittliche Kapitalkosten (WACC bzw. kWACC)
2.3. Konversionen vom “Accounting Model” zum “Economic Model”
2.3.1. Notwendigkeit und Zielsetzung der Konversionen
2.3.2. Mögliche Konversionen und ihre Systematisierung
2.3.3. Ausmaß der Konversionen in der betrieblichen Praxis

3. Vier Einsatzmöglichkeiten des EVA-Konzepts im Unternehmen
3.1. Periodische Performance-Messung mit Hilfe des EVA
3.2. Beurteilung von Investitionsentscheidungen
3.3. EVA zur Unternehmensbewertung
3.4. EVA als Entlohnungsinstrument / Wertorientiertes Anreizsystem

4. Beurteilung des EVA-Konzepts
4.1. Beurteilung der Grundlagen und der Berechnungsweise des EVA
4.2. Beurteilung des Anwendungsbereichs Erfolgsmessung
4.3. Beurteilung der Anwendung zur Fundierung von Entscheidungen
4.4. Beurteilung des Anwendungsbereichs Entlohnungsinstrument

5. Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung

Hiermit erkläre ich, Tom M. Sieber, an Eides Statt, dass ich die an der Justus-Liebig-Universität Gießen vorgelegte Seminararbeit zum Thema „Wertorientierte Steuerung: Das EVA-Konzept nach Stern Stewart“ selbständig und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Die aus fremden Quellen übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht.

Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Weise keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch nicht veröffentlicht.

Gießen, den 12. Dezember 2003

Tom M. Sieber

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Berechnungsschema des EVA.

Abb. 2: Bestandteile des Unternehmenswerts

Anhangsverzeichnis

1. Berechnung der Basisgrößen NOPAT und Capital (Operating Approach)

2. Lücke-Theorem

3. Unternehmensbewertung mit EVAs und Free Cashflows

4. Mögliche Fehlsteuerungseffekte aufgrund traditioneller Kennzahlen

5. Sinking-fund-depreciation zur Glättung der Perioden-EVAs

6. Darstellung der Umsetzung des EVA-Konzepts im Siemens-Konzern

1. Aufgabenstellung und Gang der Arbeit

Nach dem Vorbild amerikanischer Unternehmen hat sich auch in Europa seit Anfang der 90er Jahre vermehrt eine kapitalmarktorientierte respektive wertorientierte Unternehmensführung durchgesetzt.[1] Definitionsgemäß umfasst diese alle Strategien und Maßnahmen des Managements, die darauf abzielen, den Wert des Unternehmens zu steigern.[2] Grds. gilt, dass ein Unternehmen dann seinen Wert steigert, wenn der Ertrag durchgeführter Investitionen größer ist als die Kosten des dafür verwendeten Kapitals.[3]

Für die wertorientierte Unternehmensführung wurden zahlreiche Konzepte vorgestellt, von denen in der vorliegenden Arbeit auf das Konzept des Economic Value Added (EVA™) der Unternehmensberatung Stern Stewart & Co. eingegangen werden soll.[4]

Nach einer umfassenden Darstellung des EVA-Konzepts, seiner Bestandteile und der Berechnungsweise werden in Abschnitt 3 dieser Arbeit die möglichen Einsatzbereiche des EVA-Konzepts aufgezeigt. Eine Beurteilung des Konzepts folgt in Abschnitt 4, den Abschluss der vorliegenden Arbeit bildet ein Fazit in Abschnitt 5.

2. Darstellung des EVA-Konzepts nach Stern Stewart

2.1. Hintergrund und Darstellung des Grundkonzepts

2.1.1. Hintergrund der Entwicklung wertorientierter Steuerungskonzepte

Während bereits in den 80er Jahren in den USA die konsequente Ausrichtung der Unternehmensführung auf nachhaltige Wertsteigerung als das vorrangige Ziel galt, setzte sich diese sog. SV-Orientierung erst Mitte der 90er Jahre in den Staaten Europas durch.[5] Im Vordergrund steht dabei die Abkehr vom klassischen RoI-Denken und der buchhalterischen Periodisierung, da deren mangelnde Eignung als Erfolgsmaßstab erkannt wurde.[6] An traditionellen Zielgrößen wird insb. ihre mangelnde Korrelation mit der tatsächlichen Wertentwicklung[7], die mangelnde Berücksichtigung individueller Risiken sowie die uneinheitliche Ermittlung von Daten des externen Rechnungswesens kritisiert.[8]

Die Ursachen der Entwicklung zum SV-Denken lassen sich unter dem Stichwort des zunehmenden Kapitalmarktdrucks und Wettbewerbs auf internationa­len Kapitalmärkten zusammenfassen.[9] Vermehrt setzen daher heute auch dt. Unternehmen im Zuge des sog. VBM[10] auf zur Verfolgung der Wertsteigerungs-Zielsetzung entwickelte Konzepte.

Die finanziellen Ziele der Eigenkapitalgeber stehen dabei im Vordergrund, ausgedrückt als die Maximierung des Marktwertes des Eigenkapitals.[11] Aus Aktionärssicht bestimmt sich der Unternehmenswert aus den ihnen künftig zufließenden Zahlungen, weshalb die DCF-Methodik die Basis der meisten verwendeten SV-Ansätze bildet.[12] Dabei wird der Unternehmenswert durch Diskontierung zukünftiger freier Cashflows (FCFs) errechnet, der Eigenkapitalwert bzw. SV ergibt sich sodann durch Subtraktion des Marktwertes des Fremdkapitals.[13] Die Verwendung von Zahlungs- anstelle von Gewinngrößen erscheint zunächst konsequent: für den Aktionär sind nur heutige und künftige Zahlungen interessant, nicht an Buchwerten orientierte und durch bilanzpolitische Maßnahmen verzerrte periodisierte Erfolge.[14] Neben den zahlungs- wurden jedoch auch gewinnbasierte Wertkonzepte, wie der häufig verwendete EVA, vorgeschlagen.[15] Gemeinsame Idee gewinnbasierter Konzepte ist es, die mangelnde praktische Realisierbarkeit zahlungsstrombasierter Konzepte zu überwinden: „Free Cashflows sind zu weit von der Praxis entfernt“[16] befindet Hostettler (1996) und empfiehlt den EVA, da er sich an bekannten Kennzahlen orientiert. Auch Ewert/Wagenhofer (2000) bemängeln die Steuerbarkeit und Schwankungsfähigkeit von Cashflows sowie die sich ergebenden Verzerrungen und die eingeschränkte Aussagefähigkeit cashflow-basierter Größen.

2.1.2. Wesen & Charakter des EVA als wertorientiertes Steuerungskonzept

Ausgehend von der Kritik an bestehenden finanziellen Führungssystemen in Unternehmen stellten Joel M. Stern und G. Bennett Stewart III, Gründer der Unternehmensberatung Stern Stewart & Co., ihr Konzept für eine wertorientierte Unternehmenssteuerung vor.[17] Ihre Kritik an traditionellen Führungssystemen lässt sich zu fünf Punkten zusammenfassen, die nachfolgend kurz genannt seien: (1) Die Vielzahl verwendeter Steuerungsgrößen führt zu Konfusion und Demotivation. (2) Finanzielle Maßstäbe stammen i.d.R. aus buchhalterischen Daten, welche die wirtschaftlichen Zusammenhänge verfälschen und nicht mit der tatsächlichen Wertschaffung zusammenhängen. (3) Zielvorgaben werden in Budgetverhandlungen vereinbart, die Manager dazu veranlassen, hinsichtlich des tatsächlichen Potentials ihrer Geschäfte zu über- oder zu untertreiben. (4) Planung, Budgetierung, Berichtswesen und Vergütung sind nicht integriert und (5) traditionelle Anreizsysteme beinhalten zu geringe erfolgsabhängige Bestandteile.

Es ist der Anspruch von Stern Stewart, diese Problemkreise zu überwinden und den Wohlstand der Aktionäre, der anhand der absoluten Steigerung des Unternehmenswertes gemessen wird, zu maximieren.[18] Dabei orientieren sie sich am EVA als Maßgröße des betrieblichen Übergewinns, d.h. Aktivitäten werden als wertschaffend angesehen, wenn der Erfolg die Kosten des zur Erreichung des Erfolges eingesetzten Kapitals übertrifft, also eine im Vergleich zu Opportunitätsanlagen hergeleitete Mindestverzinsung übertroffen wird.[19] Jedoch wird nicht nur die geforderte Mindestverzinsung der Fremd-, sondern auch der Eigenkapitalgeber berücksichtigt. Die Anwendung des Übergewinns ist der zentrale Unterschied zur DCF-Methode, bei der ein Kapitalwertkalkül durch Diskontierung von FCFs angewendet wird. Als absolute Größe zeigt der EVA den periodischen Wertbeitrag eines Unternehmens/einer Einheit nach Abzug der Kapitalkosten.[20]

2.1.3. Berechnungsschema EVA

Der EVA ist also ein Residualgewinn[21], bei dem von einem modifizierten Ergebnis vor Zinsen und nach Steuern kalkulatorische Kapitalkosten abgezogen werden.[22] Zur Berechnung des EVA sind ergo eine Gewinngröße (NOPAT), eine Vermögensgröße (Capital) und der Kapitalkostensatz (WACC) erforderlich, denn er wird errechnet durch „operating profits less the cost of all of the capital employed to produce those earnings“[23]. Die drei erforderlichen Größen, die sie beeinflussenden Entscheidungen und der schematische Weg zur Berechnung sind in Abb. 1 dargestellt. Im NOPAT spiegeln sich die operativen Entscheidungen wider, wie bspw. eine Steigerung des Kapitalumschlags, die Ausnutzung von Kostensenkungspotenzialen oder die Preispolitik. Im Capital zeigt sich die Investitionspolitik wie z.B. Entscheidungen über die Kapitalallokation innerhalb des Geschäftsfeld-Portfolios. Der WACC als drittes Element der Berechnung bildet die Finanzierungspolitik des Unternehmens ab. Hierbei sei v.a. an die Optimierung der Kapitalstruktur sowie der Konditionen des Fremdkapitals gedacht.[24] [25]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Berechnungsschema des EVA25

Die eigentliche Berechnung des EVA ist auf zwei Wegen möglich: neben der capital charge-Formel kann er durch die value spread-Formel berechnet werden. Insb. in der capital charge-Formel (1) zeigt sich die Natur des EVA als Übergewinnverfahren. Danach wird er als Differenz zwischen NOPAT und Kapitalkosten, welche sich aus der Multiplikation des eingesetzten, betriebsnotwendigen Kapitals zu Periodenbeginn mit dem Kapitalkostensatz ergeben, errechnet. Es wird deutlich, dass nur Aktivitäten wertschaffend sein können, deren Gewinne über den entsprechenden Kapitalkosten (Übergewinne) liegen.[26] Mittels der value spread-Formel (2) wird der EVA berechnet „by taking the spread between the rate of return on capital … and the cost of capital … and then multiplying by the economic book value of the capital committed to the business”[27]. Diese Differenz zwischen der Vermögensrendite ROIC[28] und dem Kapitalkostensatz kann auch als betriebliche Überrendite bezeichnet werden.[29] Folgender Zusammenhang wird deutlich: der EVA ist größer null, wenn die Rendite den WACC übersteigt. In dem Fall wurden die Renditeforderungen der Kapitalgeber übererfüllt, ein absoluter Übergewinn aus Aktionärssicht wurde erwirtschaftet.[30] Die Formeln sind ineinander überführbar, was beim Einsetzen von (3) in (2) deutlich wird und führen zum gleichen Ergebnis.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2. Berechnung der drei Basisgrößen

2.2.1. Eingesetzes Kapital (Capital)

Die relevante Vermögensgröße des EVA-Konzepts ist das betriebsnotwendige oder investierte Kapital bzw. das „…capital committed to the business“[31]. Relevant ist dabei stets der Kapitalbestand am Periodenanfang.[32] Zur Berechnung des Capital stehen zwei alternative Wege zur Verfügung: zum einen kann der Kapitaleinsatz nach dem operating approach durch Überprüfung der Vermögensgegenstände der Aktivseite der Bilanz auf ihre Betriebsnotwendigkeit hin ermittelt werden. Vermögensgegenstände, die (noch) nicht dem Geschäftsbetrieb dienen, werden als nicht betriebsnotwendig klassifiziert und von der Bilanzsumme subtrahiert. Darüber hinaus werden Anpassungen des Kapitals vorgenommen, u.a. die sog. „Equity Equivalents“, womit Vermögensgegenstände bezeichnet werden, die zwar betriebsnotwendig sind, aber aufgrund der angewandten Bilanzierungsrichtlinien nicht aktiviert werden können.[33] Durch sie soll der „…accounting book value into something I call economic book value“[34] überführt werden. Innerhalb des financing approach ist das bilanzielle Eigenkapital der Ausgangspunkt. Die Addition der „Equity Equivalents“, der kapitalisierten Leasingzahlungen und des zinstragenden Fremdkapitals ergibt die Kapitalbasis der EVA-Berechnung.[35]

2.2.2. Betrieblicher Gewinn nach Steuern (NOPAT)

Als Gewinngröße wird ein betrieblicher Gewinn nach adjustierten Steuern jedoch vor Finanzierungskosten, der sog. Net Operating Profit After Tax (NOPAT), verwendet. Ausgangspunkt des EVA sind ergo nicht Cashflows, sondern Jahresabschlussdaten und somit periodisierte Größen, unabhängig vom Zahlungszeitpunkt. Dieser Gewinn wird jedoch nicht einfach aus dem Abschluss übernommen, sondern erst nachdem er durch Konversionen in einen ökonomisch relevanten Gewinn überführt wurde.[36] Anschließend wird er um adjustierte Steuern vermindert. Dadurch wird ein Steueraufwand errechnet, der sich bei reiner Eigenfinanzierung ergeben würde, die steuerliche Vorteilhaftigkeit des eingesetzten Fremdkapitals wird folglich zunächst nicht beachtet. Die steuermindernde Wirkung abzugsfähiger Fremdkapitalzinsen, das sog. Tax Shield, wird innerhalb der Kapitalkosten in die Betrachtung mit einbezogen. Dieser korrigierte Gewinn nach adjustierten Steuern repräsentiert somit eine ausschließlich auf betrieblichen Tätigkeiten beruhende Gewinngröße, die frei von Finanzierungseinflüssen ist.[37] Dies ist zu beachten, da der betriebswirtschaftliche Gewinnbegriff Finanzierungskosten beinhaltet. Für die Berechnung des NOPAT gibt es zwei alternative Wege[38]: zum einen kann er ausgehend vom Umsatz durch Subtraktion des operativen Aufwandes (operating approach) oder ausgehend vom Jahresüberschuss (financing approach) errechnet werden.[39]

2.2.3. Gewichtete durchschnittliche Kapitalkosten (WACC bzw. kWACC)

Die Berücksichtigung kalkulatorischer Zinsen bringt die grundlegende Idee aller Wertkonzepte zum Ausdruck, dass Wert für die Anteilseigner dann geschaffen wird, wenn die Mindestverzinsungsansprüche der Kapitalgeber erfüllt werden bzw. das eingesetzte Kapital mehr als die als Alternativrendite verstandenen Kapitalkosten erwirtschaftet.[40] Verwendet wird also ein opportunitätskostenorientierter Begriff der Kapitalkosten.[41] Im EVA-Konzept werden die Kapitalkosten kWACC über den WACC-Ansatz berechnet, wobei die Fremdkapitalkosten nach Steuern rFK und die über das CAPM abgeleiteten risikoadjustierten Eigenkapitalkosten rEK mit der Kapitalstruktur des Unternehmens gewichtet werden. Weiterhin ist das Tax Shield (1 – s) zu berücksichtigen. Die Ermittlung des WACC wird hier nicht ausführlich behandelt, da sich dies nicht von der Praxis anderer Konzepte unterscheidet.[42]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.3. Konversionen vom “Accounting Model” zum “Economic Model”

2.3.1. Notwendigkeit und Zielsetzung der Konversionen

Der Begriff EVA erweckt den Eindruck, dass ein periodenbezogener ökonomischer Gewinn (ÖG) ermittelt wird, welcher im Idealfall die einzig relevante Entscheidungsgrundlage zur Beurteilung von Investitionen, Strategien und ganzen Unternehmen darstellt.[43] Ein solcher ÖG ergäbe sich bei Kenntnis künftiger Zahlungsgrößen aus der Ertragswertveränderung innerhalb einer Periode.[44] Der EVA beruht jedoch nicht auf Zahlungen, sondern für seine Berechnung werden periodisierte, bilanzielle Daten unabhängig vom Zahlungszeitpunkt genutzt. Daher wird durch sog. Konversionen versucht, die bilanziellen Angaben in ökonomisch relevante Daten zu transformieren und somit die tatsächliche wirtschaftliche Ertragskraft aufzuzeigen.[45] Hintergrund ist die geringe Eignung der Bilanz, „realistic judgements of performance and value“ abzugeben, denn „accountants take the position that a company is more dead than alive.“[46]. Daraus folgt die Notwendigkeit der Konversion der Daten „from the liquidating perspective of a lender to the going-concern perspective of shareholders“[47]. Zielsetzung ist folglich, die beiden Basisgrößen aus dem „accounting model“ in das „economic model“ zu überführen. Dabei soll der NOPAT in eine zahlungsstromorientierte operative Cash-Größe und das Capital in eine marktwertorientierte Kapitalgröße transferiert werden.[48] Letztlich sind dazu finanzielle, steuerliche und bewertungsmethodische Verzerrungen zu eliminieren.[49]

2.3.2. Mögliche Konversionen und ihre Systematisierung

Stern Stewart haben eine Liste von 164 möglichen Anpassungen[50] zusammengestellt, die sich in Operating, Funding, Tax und Shareholder Conversions einteilen lassen.[51]

Mit Hilfe der Operating Conversions soll erreicht werden, dass die Gewinn- und Vermögensgröße betrieblichen Charakter haben. Folgerichtig werden nicht-betriebliche Komponenten eliminiert.[52] Hinsichtlich der Gewinngröße ist dies unproblematisch, da bereits in der GuV eine Trennung in betriebliche und nicht-betriebliche Bestandteile erfolgt. Die Beurteilung des Vermögens nach der Betriebsnotwendigkeit ist dagegen komplizierter, ohne zusätzliche Informationen ist sie kaum durchführbar.

Ziel der Funding Conversions ist die vollständige Erfassung der betrieblich genutzten Finanzierungsmittel. Neben der Analyse der bilanziellen Verbindlichkeiten wird insb. untersucht, welche versteckten Finanzierungsformen genutzt werden.[53]

Im Rahmen der Tax Conversions wird der Steueraufwand in den eines annahmegemäß vollständig eigenfinanzierten Unternehmens umgerechnet. Ursache dafür ist der innerhalb des Kapitalkostensatzes berücksichtigte Vorteil der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen (Tax Shield). Ausgehend vom Steueraufwand der GuV wird der durch Ansatz von Fremdkapitalzinsen eingesparte Betrag hinzuaddiert, um zu den sog. Cash Operating Taxes zu gelangen.[54] Weitere Tax Conversions beziehen sich auf die latenten Steuern, welche aus dem Steueraufwand herausgerechnet werden.[55]

Im Mittelpunkt der Shareholder Conversions stehen die sog. Equity Equivalents.[56] Dadurch soll die Betrachtung des Unternehmens „durch die Brille des risikofreudigen Eigentümers und nicht des vorsichtigen … Gläubigers“[57] erreicht werden. Hintergrund ist, dass aufgrund der Bilanzierungsvorschriften relevante, aber nicht bilanzierungsfähige Vermögenskomponenten unberücksichtigt bleiben - eine Anknüpfung an bilanzielle Daten hätte somit ein zu geringes Vermögen zur Folge.[58] Aufwendungen der Periode, von denen in Folgejahren Rückflüsse zu erwarten sind, werden daher als strategische Investitionen aktiviert und über eine bestimmte Laufzeit abgeschrieben, um den NOPAT im Investitionsjahr zu entlasten.[59] Damit soll verhindert werden, dass Manager solche i.d.R. langfristig wirk- und bedeutsamen Maßnahmen unterlassen.

2.3.3. Ausmaß der Konversionen in der betrieblichen Praxis

In Abhängigkeit vom Ausmaß der vorgenommenen Konversionen unterscheidet Ehrbar (1998) vier EVA-Varianten.[60] Während der „Basic EVA“ unmittelbar an Bilanzangaben anknüpft, werden beim „Disclosed EVA“ bis zu 12 Standardanpassungen vorgenommen. Dieser berücksichtigt jedoch nur öffentlich verfügbare Zusatzinformationen und ist daher als interner Maßstab eher ungeeignet.[61] Werden auch interne Informationen berücksichtigt, könnten theoretisch alle möglichen Anpassungen vorgenommen und der „True EVA“ ausgewiesen werden. Obgleich dieser das „most theoretically correct and accurate measure of economic profit“[62] ist, kann er nur als theoretischer Grenzfall angesehen werden. Unter Praktikabilitäts- und Effizienzgesichtspunkten erscheint dies kaum sinnvoll, da der geringe zusätzliche Informationsnutzen den Aufwand der Datenbeschaffung nicht rechtfertigt. I.d.R. wird ein „Tailored EVA“ errechnet, bei dem laut Weaver (2001) durchschnittlich 19 Anpassungen vorgenommen werden.[63]

[...]


[1] Vgl. Bausch/Kaufmann (2000), S. 124.

[2] Vgl. Arbeitskreis Finanzierung der Schmalenbachgesellschaft (1996), S. 543-544.

[3] Vgl. Pfaff/Bärtl (1999), S. 87.

[4] Vgl. Böcking/Nowak (1999), S. 281. EVA ist ein eingetragenes Warenzeichen. Nachfolgend wird dieser Zusatz nicht geführt.

[5] Vgl. Stern et al. (2002), S. 7.

[6] Vgl. Bausch/Kaufmann (2000), S. 121-128. Die mangelnde Eignung der klassischen rechnungswesenorientierten Größen ergibt sich aus ihrer Tendenz, kurzfristige Erfolge überzubewerten und somit Anreize zur Fehlallokation von Ressourcen zu setzen. Zur Kritik an gängigen Steuerungskonzepten vgl. auch Rappaport (1998), S. 19-45.

[7] Vgl. zur mangelnden Aussagekraft traditioneller Kennzahlen z.B. Siegert (1995) S. 580-607.

[8] Vgl. z.B. Theisen (2000), S. 215-216. Diese Uneinheitlichkeit resultiert aus den Spielräumen der Bilanzierungsvorschriften.

[9] Vgl. bspw. Böcking/Nowak (1999), S. 281. Dazu zählt auch der Druck internationaler, performanceorientierter Kapitalgeber.

[10] Vgl. für eine Übersicht verschiedener Definitionen Ameels et al. (2002) S. 6-9. Die Autoren stellen fest, dass trotz unterschiedlicher Definitionsversuche „most definitions of value-based management are a sign of the same way of thinking.“, S. 6.

[11] Vgl. Arbeitskreis Finanzierung der Schmalenbachgesellschaft (1996), S. 543-544 sowie Hahn/Hungenberg (2001), S. 11-20.

[12] Vgl. Weber (2002), S. 191. Der SV-Ansatz von Rappaport orientiert sich unmittelbar an der DCF-Methodik.

[13] Vgl. Hahn/Hungenberg (2001), S. 192-194.

[14] Vgl. Knorren/Weber (1997), S. 8-9.

[15] Vgl. hierzu Ewert/Wagenhofer (2000), S. 7. Die Konkurrenz zwischen den Konzepten wird dadurch erzeugt, dass renommierte Beratungsgesellschaften jeweils eigene Konzepte vorschlagen. Zur hohen praktischen Bedeutung von Wertbeitragskonzepten und insb. des EVA vgl. v.a. Afra/Aders (2000) und (2001), neuer auch Aders/Herbertinger (2003) sowie Pellens et al. (2000).

[16] Hostettler (1996), S. 36.

[17] Vgl. hierzu und zu den folgenden Ausführungen Stern Stewart & Co. (1996), S. 3-6.

[18] Vgl. Stewart (1994), S. 74-82. Die Charakterisierung des EVA als „A Single Focus“ soll seine Überlegenheit dokumentieren.

[19] Vgl. Fiedler (2003), S. 185.

[20] Vgl. Knorren/Weber (1997), S. 22.

[21] Vgl. zum Residualgewinn bereits Solomons (1965), S. 60-66.

[22] Vgl. Crasselt/Schremper (2000), S. 813-816.

[23] Stewart (1991), S. 2.

[24] Vgl. Crasselt/Schremper (2000), S. 814-815.

[25] Vgl. hierzu Hahn/Hungenberg (2001), S. 203. Die Darstellung zeigt die Berechnung nach der capital charge-Formel.

[26] Vgl. Keller/Plack (2001), S. 347-348.

[27] Stewart (1991), S. 136.

[28] Diese cashflow-orientierte Rentabilitätskennziffer wird auch als „Stewart’s R“ bezeichnet. Vgl. Günther (1997), S. 234.

[29] Vgl. Böcking/Nowak (1999), S. 283. Z.T. findet sich auch die Bezeichnung „Rendite-Spread“.

[30] Vgl. Weber (2002), S. 194.

[31] Stewart (1991), S. 136.

[32] Vgl. Hostettler (1997), S. 51-52. Bei starken Schwankungen kann ein Durchschnittsbestand der Periode verwendet werden.

[33] Vgl. Böcking/Nowak (1999), S. 284. Darunter fallen insb. Aufwendungen für FuE. Weitere Anpassungen sind bspw. bei Leasinggeschäften, der LIFO-Bewertung des Lagerbestandes, dem Geschäfts- und Firmenwert und latenten Steuern vorzunehmen.

[34] Stewart (1991), S. 91.

[35] Vgl. Böcking/Nowak (1999), S. 284.

[36] Vgl. Pfaff/Bärtl (1999), S. 92.

[37] Vgl. Pfaff/Bärtl (1999), S. 92.

[38] Stewart (1991), S. 94 bezeichnet die doppelte Berechnungsmöglichkeit von NOPAT und Capital als „The great Equivalence“.

[39] Vgl. zu den Berechnungswegen für NOPAT und Capital auch das Beispiel in Anhang 1.

[40] Vgl. Pfaff/Bärtl (1999), S. 93.

[41] Vgl. Lorson (1999), S. 1330.

[42] Eine anschauliche Darstellung zur Ermittlung der Kapitalkosten nach der Methode des WACC findet sich bspw. bei Knorren/Weber (1997), S. 16-21. Es empfiehlt sich auch ein Blick in die amerikanische Literatur, vgl. hier Brealey/Myers (2000).

[43] Vgl. Böcking/Nowak (1999), S. 285.

[44] Für eine anschauliche Darstellung des ökonomischen Gewinns vgl. jüngst Crasselt (2003), S. 47.

[45] Vgl. Weber (2002) S. 194.

[46] Beide wörtlichen Zitate sind Stewart (1991), S. 34 entnommen.

[47] Stewart (1991), S. 34-35.

[48] Vgl. Böcking/Nowak (1999), S. 285.

[49] Vgl. Hostettler (1995), S. 309. Es ist zu beachten, dass durchgeführte Anpassungen stets in beiden Größen zu erfolgen haben.

[50] Vgl. bspw. Weaver (2001), S. 52. Die vollständige Liste möglicher Konversionen steht nur Kunden von Stern Stewart & Co. zur Verfügung, schließlich stellt dies einen wesentlichen Bestandteil der Beratungstätigkeit der Gesellschaft dar.

[51] Vgl. Hostettler (1997), S. 97-105. Es werden auch andere Vorschläge gemacht, siehe z.B. die zweckbezogene Kategorisierung von O’Hanlon/Peasnell (1998), S. 429-434, der Vorschlag Hostettler erscheint unter praktischen Erwägungen am geeignetsten.

[52] Vgl. Wechsler (1997), S. 820.

[53] Vgl. Hostettler (1997), S. 121-129. Gedacht sei hierbei v.a. an Leasing- und Mietgeschäfte.

[54] Vgl. Hahn/Hungenberg (2001), S. 159. Andernfalls würde der Steuervorteil doppelt berücksichtigt, der EVA wäre zu hoch.

[55] Vgl. Böcking/Nowak (1999), S. 287.

[56] Vgl. Crasselt/Schremper (2000), S. 814. Diese conversions erhöhen das Eigenkapital, daher der Begriff „Equity Equivalents“.

[57] Hostettler (1995), S. 311.

[58] Vgl. Böcking/Nowak (1999), S. 287. Insb. Abschreibungen auf derivative Geschäfts- und Firmenwerte sind zu korrigieren.

[59] Vgl. Hahn/Hungenberg (2001), S. 203. Beispielhaft seien Aufwendungen für FuE sowie Marketing-Aufwendungen genannt.

[60] Vgl. Ehrbar (1998), S. 165.

[61] Vgl. Böcking/Nowak (1999), S. 285.

[62] Ehrbar (1998), S. 165.

[63] Vgl. Weaver (2001), S. 54-58. Die Spanne der Anpassungen in der Weaver’s Studie reichte von sieben bis 34.

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Wertorientierte Steuerung. Das EVA-Konzept nach Stern-Stewart
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Lehrstuhl für Industrielles Management & Controlling, Prof. Weißenberger)
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
35
Katalognummer
V46715
ISBN (eBook)
9783638438513
Dateigröße
594 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wertorientierte, Steuerung, EVA-Konzept, Stern-Stewart
Arbeit zitieren
Tom Sieber (Autor:in), 2004, Wertorientierte Steuerung. Das EVA-Konzept nach Stern-Stewart, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46715

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