Theorie und Praxis des Bauens der Moderne - Le Corbusier


Hausarbeit, 2005

26 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Geist der Aufklärung als Ursprung der Moderne

3. Stilstillstand in der Baukunst

4. Industrialisierung – wirtschaftlicher Aufschwung und soziale Krise

5. Aufbruch zur Moderne in der Architektur Le Corbusiers Wertegang

6. Le Corbusiers Grundideen des modernen Bauens Tragstruktur für den sozialen Wohnungsbau Idee der vertikalen Straße

7. Die Studie einer zeitgemäßen Stadt für 3 Millionen Einwohner Die vier Grundprinzipien moderner Stadtplanung Funktionszonen der Stadt

8. Zusammenfassung

9. Versuch einer Kritik aus heutiger Sicht

10. Anhang
Tabellarischer Wertegang Le Corbusiers
Bildquellen
Literaturverzeichnis

„Jedes Zeitalter erschafft sich seine eigene Baukunst, die reines Abbild ihres Denksystems ist.“ Le Corbusier

1. Einleitung

Die architekturgeschichtlich betrachtete Zeit der Moderne unterliegt noch heute einer kontroversen Diskussion. Kritiker betonen die unmenschliche Radikalität der Ideen der modernen Architektur und der Stadtutopien vom Beginn des 20. Jahrhunderts, Anhänger loben ihre zukunftsweisenden Visionen und die Erlösung von der ästhe-tischen Last der Vergangenheit.

Welche Zusammenhänge zwischen den geistigen Befreiungen aus der Zeit der Aufklärung und den stilistischen Entwicklungen in der Architektur um die Jahrhundert-wende bestehen, möchte diese Arbeit beleuchten.

Das Lebenswerk von Le Corbusier, einem der wichtigsten Architekten der Moderne, zeichnet diese Epoche sehr deutlich nach. Durch die Klarheit und die Konsequenz seiner Gedanken und Aussagen zur Entwicklung von Architektur und Städtebau, die auf komplexen Analyse- und Erkenntnisprozessen beruhen, hat er spätere Architekten und Theoretiker nachhaltig beeinflusst.

Anhand seines 1922 in Paris vorgestellten „Plan de la Ville Contemporaine pour trois millions habitants“ stellt die Arbeit eine prägnante Städtebauvision der Moderne vor.

Abschließend soll durch einen heutigen Blick auf Le Corbusiers Theorien die moderne Stadtplanung kritisch betrachtet werden.

2. Der Geist der Aufklärung als Ursprung der Moderne

Die Reformation und die fortschrittlichen naturwissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse bildeten die Grundlagen, auf denen die Denker des 17. und 18. Jahrhunderts ihre Ideen von einer neuen säkularisierten Gesellschaft, von einem demokratischen Staat entwickelten. Die Freiheit des Einzelnen stärkende Menschen- und Bürgerrechte, die Aufhebung der Ständeordnung und die Aufwertung wissenschaftlicher Bildung und Forschung gegenüber den Lehren der Kirche und dem verbreiteten Aberglauben wurden eingefordert. Der menschliche Verstand, die Vernunft, das Denken erklärte man zum einzig gültigen Instrument der Wahrheitsfindung.

„Die Menschen der Aufklärung beflügelte der Glaube, Vernunft und Freiheit würden die Menschheit in absehbarer Zeit von Unterdrückung und Armut erlösen.“[1]

Die Verbreitung dieser freiheitlichen Gedanken und Ideen verstärkten die allgemeine Unzufriedenheit der unterdrückten Bevölkerung Frankreichs Ende des 18.Jahrhunderts. Adel und Klerus verloren an Einfluss. Hungersnöte, der Bankrott des Staates und das wirtschaftliche Erstarken des Bürgertums, welches keinerlei politisches Mitspracherecht besaß, spitzten die Lage zu.

Mit der französischen Revolution holte das Volk zum Befreiungsschlag aus. König Ludwig XVI. wurde gestürzt und das Bürgertum erlangte politische Macht. Doch die vom Volk erhoffte Freiheit und die Bildung eines demokratischen Staates blieben vorerst aus. Der Übergang vom Feudalismus zur kapitalistischen Gesellschaftsordnung ging mit erneuter Unterdrückung einher.

Die Erwartung, die die Vertreter der Aufklärung in die Französische Revolution gesetzt hatten, nämlich den „Widerspruch zwischen natürlicher und gesellschaftlicher Existenz, von Gefühl und Vernunft, durch die Errichtung eines aufgeklärten, demokratisch verfassten Staates“[2] aufzuheben, ist enttäuscht worden.

Was waren die Gründe für dieses Scheitern? Schiller schrieb 1795 in seinen Briefen „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“, dass eine theoretische neue Kultur, wie sie die Aufklärung gezeichnet hat, nur dann in der Praxis verwirklicht werden kann, wenn dem Menschen die Möglichkeit gegeben wird, die Theorien zu verinnerlichen, um sie dann mit eigenen Erfahrungen zu beleben. „Eine reine Aufklärung der Begriffe, so lehrt uns Schiller, ändert den Charakter des Menschen nur mühsam oder gar nicht.“[3]

Der Geist ist also schneller als das Empfinden, die theoretischen Gedanken klarer als die praktische Entscheidung für ein angemessenes Tun, die sich erst im Nachhinein, als die Richtige erweisen kann. Zwischen „neuem Denken“ und „neuem Handeln“ liegt der Bereich der Erfahrung, die einen gewissen Zeitraum beansprucht. Schiller erklärte, dass man, um die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen erfahrbar und lebbar werden zu lassen „durch das ästhetische den Weg nehmen“ muss, „weil es die Schönheit ist, durch welche man zu der Freiheit wandert“.[4]

Gleichzeitig beobachtete er die sozialen Umstände seiner Zeit, die das Erkennen des Schönen, wie er es beschreibt, nahezu unmöglich machten. Er sah, dass den Menschen wichtige Grundvoraussetzungen fehlen, nämlich das sie „warm wohnen und zu essen haben“.[5] Dieser sozialkritische Aspekt seiner Betrachtungen warf einen langen Schatten voraus auf das folgende Jahrhundert, in dem sich die Verhältnisse durch die Industrialisierung zuspitzten, der einfache Mensch, abhängig von Arbeit und Arbeitgeber, unter katastrophalen Bedingungen in immer enger werdenden Städten hauste und wenig von der Schönheit der Natur oder hehrer Gedanken der Freiheit zu spüren bekam. Das „unkontrollierte, der Willkür des Kapitals ..., der Ausbeutung und dem prestigesüchtigen Größenwahn der Bourgeoisie ausgelieferte Wachstum der Städte“[6] war eine denkbar ungünstige Entwicklung der Umgebung des ästhetisch zu bildenden Menschen. Trotzdem wurden während des 19. Jahrhunderts die Ideen der Aufklärung immer wieder aufgegriffen. Auf unterschiedliche Weise fanden sie dann in der, rückblickend als Moderne bezeichneten Epoche ihre Verwirklichung.

3. Stilstillstand in der Baukunst

Wenn die Architektur eine Form der ästhetischen Ausdrucksmöglichkeiten einer Gesellschaft ist und damit deren Zustand und die Entwicklungen einer Zeit abzubilden vermag, dann scheint es erstaunlich, warum es gerade in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts, welche politisch und gesellschaftlich von tiefgreifenden Veränderungen geprägt war, nahezu zu einem Stillstand der architektonischen Ausdrucksformen kam.

Die Architekten der Goethe- und Schillerzeit schienen einen gänzlich neuen Stil anzukündigen. Sie wanden sich ab vom verspielten Barock und einer klaren klassischen Formensprache zu. „Die ernsthaften Ästhetiker und Künstler des romantisch-klassizistischen Zeitalters sahen im griechischen Altertum wie im gotischen Mittelalter den Ausweg und das Heilmittel gegen die Oberflächlichkeit, Frivolität und Dekadenz des 18. Jahrhunderts.“[7] Bauten von Karl Friedrich Schinkel und die Bank von England in London, die zu Beginn des 19.Jahrhunderts von Sir John Soane entworfen wurde und deren Stil „in seiner Herbheit und Präzision das heraufdämmernde Zeitalter der Technik ankündigt“[8], bestätigen eine neue Entwicklung. So entstanden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts herausragende Bauten, doch blieben die Baumeister des Klassizismus mit der Verwendung dorischer und ionischer Säulenordnungen, des Portikus, Risaliten und anderer Stilmittel bei der bloßen Nachahmung und Wiederbelebung von Vergangenem stehen. Was war der Grund dafür, dass noch volle hundert Jahre vergehen mussten, bis sich eine echte Erneuerung der Architektur abzeichnen und sich ein originaler und wirklich moderner Baustil durchsetzten konnte?

Während sich revolutionäre Entwicklungen in Handel, Industrie und Technik vollzogen und dieser Bereich der Gesellschaft fortschrittlich und begeistert war, zeigten sich die geistigen und ästhetischen Auseinandersetzungen mit dieser Zeit eher resigniert und kraftlos. „Wenn wir einen Blick auf unsere Bilderausstellungen werfen, sind wir frappiert über die allgemeine Neigung der Künstler, alle Modelle mit alten Kostümen zu begleiten...Es ist offenbar das Zeichen einer großen Trägheit“.[9] Maler und Dichter haben durch ihre Arbeitsweise die Möglichkeit zurückgezogen, im Atelier und an Schreibtischen an ihrer Auseinandersetzung mit der Zeit zu arbeiten und Resultate zu erzielen. Architekten hingegen können nur in positiver Beziehung zu den treibenden Kräften der öffentlichen Meinung gewagte und neue Ideen zur Umsetzung bringen.

Doch die damaligen Bauherren und Geldgeber waren ‚Neureiche’ der Industrialisierung. Sie gehörten dem Bürgertum an, einer Klasse, die durch den Reichtum schnell zu Macht gelangte, aber durchschnittlich über eine niedrigere ästhetische Bildung und Kultur verfügte, als die Aufraggeber früherer Epochen.[10]

Gleichzeitig entwickelten sich neue Bautechniken, wie der Stahlskelettbau, der weite Überspannungen und große Höhen möglich machte und beim Bau von Fabrikhallen, Brücken und Bahnhöfen zum Einsatz kam. Die Diskrepanz zwischen der technischen Entwicklung und den ästhetischen, an vergangenem Glanz orientierten Vorstellungen der zahlenden Klasse wurde immer größer. Die gewünschten alten Stile repräsentierten für sie die Macht und den Reichtum, der ihnen bisher vorenthalten war. So ließen sie Bauwerke in neuer Bautechnik errichten und kaschierten diese mit dekorativen Sockeln, Pilastern und Stuck aus billigen Materialien. Eine Exaktheit der Imitation im Detail wurde gefordert.

An den Architekturhochschulen legte man ausschließlich Wert auf die perfekte Beherrschung aller vergangener Entwurfsstile. Für ihre praktische Arbeit standen den Architekten Musterbücher, die ein zahlreiches Sortiment von Stilmöglichkeiten enthielten, zur Verfügung. „Echte“ Stilnachahmung wurde zum bestimmenden Prinzip. Doch die Qualität der Bauten der Epoche des Historismus lag weit unter dem Niveau ihrer stilistischen Vorbilder. Das höchste Maß an „schöpferischer Neugestaltung“ leistete man sich bei, mit Verzierungen und Ornamenten überladenen Privatbauten durch die Vermischung unterschiedlicher Stile.

Die große Anzahl notwendig gewordener öffentlicher Bauten, wie Bahnhöfe, Schulen, Verwaltungsbauten, Universitäten, Messehallen usw., die teilweise erstmalig von öffentlichen Trägern in Auftrag gegeben worden, stellten hohe Anforderungen an die damaligen Architekten. Hinzu kam die geforderte Geschwindigkeit, in der sie errichtet werden sollten. Die Konzentration auf die Perfektionierung und Transformierung vergangener Stilmittel für die neuen Bauaufgaben war das höchste erreichbare Ziel.

Der gesellschaftliche Anspruch ging so weit, bestimmten öffentlichen Bauten einen speziellen vergangenen Stil zuzuordnen. So wurden Kirchen in gotischem, Synagogen in maurischem Stil entworfen und zinnenbekrönte Gefängnisse im Burgenstil errichtet. In der Ausschreibung für den Bau des Londoner Parlamentsgebäudes vermerkte man zum Beispiel die Forderung nach einem gotisch/elisabethanischen Stil, der die englische Nation und ihre historischen Traditionen repräsentieren sollte.[11]

Der Stillstand in der Entwicklung eines neuen Baustils wurde also verursacht durch einen allgemeinen Hang zu traditionellen Formen, die in einer von rasanten Veränderungen geprägten Zeit Halt und Selbstgewissheit geben sollten. Die bewährten Symbole von Macht und Stärke boten auch für die völlig neuartigen Bautypen die ästhetische Basis. Für zeitgemäße, also neue architektonische Ausdrucksformen war man noch nicht bereit.

4. Industrialisierung – wirtschaftlicher Aufschwung und soziale Krise

Die Industrialisierung, als Übergang von der manuellen, handwerklichen Fertigung zur Massenproduktion durch Maschinen, hatte umfassende gesellschaftliche Veränderungen zur Folge. In den Städten entstanden moderne Fabrikanlagen, in denen durch rationalisierte Arbeitsprozesse hohe Produktivität erreicht wurde. Immer mehr Menschen strömten in die Großstädte, weil sie dort ihre Zukunft sahen.

Das immense Bevölkerungswachstum zwischen 1800 und 1910 konnte die vorhandenen Stadtstrukturen nicht bewältigen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 1

Baulich ist die Zeit geprägt von einem immensen, aber formlosen Wachstum der Städte. Mithilfe der neuentwickelten Stahlskelettbauweise entstanden Eisenbahnbrücken, Fabrik- und Lagerhallen mit großer Spannweite und Büro- und Warenhäuser über mehrere Geschosse. Die Fabrikanten und andere Vertreter des Bürgertums lebten in großzügigen Villen im Grünen außerhalb der Stadt. Für die arbeitende Bevölkerung baute man Mietshäuser mit zahlreichen Wohnungen unterschiedlichster Qualität. Meist fehlten darin Bad und Toilette, die Menschen lebten ohne Licht und Luft um einen engen Innenhof, oftmals große Familien in einem Raum. Außerdem errichteten erfolgreiche Fabrikanten sogenannte Werkskolonien, in denen ihre Arbeiter wohnen konnten. Verloren sie jedoch die Arbeit, hatte dies den Verlust der Behausung für die ganze Familie zur Folge. Die beengten Verhältnisse, verbunden mit der unzureichenden Ausstattung der Städte mit Kanalisationsanlagen, führten zu katastrophalen hygienischen Bedingungen.

[...]


[1] www.wikipedia.org/wiki/Aufklärung

[2] Müller, Michael: Die Versöhnung der >theoretischen Kultur< mit der >praktischen Kultur< - eine Vision der

Moderne, aus: Klotz, Heinrich,Hrsg: Vision der Moderne. München:Prestel,1986, S.33

[3] ebd.S.34

[4] ebd.S.34 (dort zitiert aus dem 8. Brief der „Ästhetischen Erziehung“,S.591)

[5] ebd.S.34

[6] ebd.S.35

[7] Pevsner, Nikolaus: Europäische Architektur. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München. New York: Prestel, 1994, S.319

[8] ebd.S.330

[9] Charles Baudelaire „Der Maler des modernen Lebens, Die Modernität“ S.300 (aus den Kopien des Seminars

„Theorie der Moderne“ im WS04/05)

[10] Major, Máté: Geschichte der Architektur. Band 3, Budapest: Akadémiai Kiadó,1984, S.186

[11] Pevsner, Nikolaus: Europäische Architektur. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München. New York:

Prestel, 1994

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Theorie und Praxis des Bauens der Moderne - Le Corbusier
Hochschule
Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar  (Kulturmanagement)
Veranstaltung
Thoerie der Moderne
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
26
Katalognummer
V46659
ISBN (eBook)
9783638438056
ISBN (Buch)
9783640887590
Dateigröße
1224 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit betrachtet das Bauen der Moderne aus kulturwissenschaftlicher Sicht am Beispiel von Le Corbusier. Dabei wird nach theoretischen Betrachtungen besonders auf seinen Entwurf "La ville contemporaine"-eine zeitgemäße Stadt für 3 Mio Einwohner von 1922 eingegangen und mit einer Kritik aus heutiger Sicht abgeschlossen.
Schlagworte
Theorie, Praxis, Bauens, Moderne, Corbusier, Thoerie, Moderne
Arbeit zitieren
Anne Schmid (Autor:in), 2005, Theorie und Praxis des Bauens der Moderne - Le Corbusier, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46659

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