Strukturprobleme der Alterssicherung in Deutschland nach der Rentenreform von 1957


Hausarbeit, 2005

26 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Chronik der sozialen Alterssicherung
2.1. Die große Rentenreform von 1957
2.2. Die Rentenreformen von 1972 bis heute

3. Grundlagen und Ziele der Alterssicherung
3.1. Das Drei-Säulen-Modell der Alterssicherung
3.2. Grundprinzipien der gesetzlichen Rentenversicherung
3.3. Ziele der Alterssicherung

4. Probleme der Alterssicherung im Rahmen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen
4.1. Stärkung der Erwerbsbeteiligung Älterer
4.2. Abbau der Anreize zur Frühverrentung

5. Lösungsansätze für die Probleme der Alterssicherung
5.1. Die Rentenreform 2001
5.2. Der Bericht der Kommission für die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme
5.3. Das Alterseinkünftegesetz
5.3.1. Die betriebliche Altersvorsorge
5.3.2. Die private Altersvorsorge

6. Ausblick

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Bevölkerungsstruktur Deutschlands ändert sich tiefgreifend. Die Progno­sen, die das Statistische Bundesamt in der 10. Koordinierten Bevölkerungs­vorausberechnung für das Jahr 2050 fällte, machen dies deutlich.

Die Geburtenhäufigkeit wird auf einem niedrigen Niveau von 1,4 Kindern pro Frau bleiben. Das bedeutet, dass jede Elterngeneration nur zu etwa zwei Dritteln durch Kinder ersetzt wird. Dies führt zu einer sinkenden und altern­den Bevölkerung. Weiterhin wird durch die Fortschritte in Gesundheitswesen, Hygiene, Ernährung, Wohnsituation und Arbeitsbedingungen die Lebenser­wartung weiter ansteigen. Ursache hierfür ist vor allem der Rückgang der Säuglings- und Kindersterblichkeit seit Ende des 19. Jahrhunderts, aber auch der Rückgang der Sterblichkeit älterer Menschen. Insgesamt ist eine deutlich längere Lebenserwartung der Bevölkerung zu beobachten. Kinder, die 1910 geboren wurden, hatten eine Lebenserwartung von 47 bis 51 Jahren; dieje­nigen die im Jahr 2000 geboren wurden, haben dagegen eine Lebenserwar­tung von 75 bis 81 Jahren. Im Jahr 2050 wird sich diese noch weiter auf 81 bis 86 Jahre erhöhen. Auch die fernere Lebenserwartung erhöht sich. Vor hundert Jahren betrug sie bei einem 60-Jährigen lediglich 14 Jahre, heute sind es ca. 19 und im Jahr 2050 23,7 Jahre.[1]

Dieser Anstieg der Lebenserwartung hat erhebliche Auswirkungen auf die Altersversorgung. Die Rentenbezugsdauer hat sich von 1965 bis 2001 be­reits um 5,5 Jahre verlängert. Im Moment stehen besonders geburtenstarke Jahrgänge im Erwerbsleben. Wenn diese dann ab etwa 2030 Renten­empfänger werden, fallen viele Beitragszahler weg und viele neue Rentner verlangen Leistungen aus der Rentenkasse. Spätestens dann wird die junge Generation zahlenmäßig unterlegen und finanziell überfordert sein, die Ren­ten aufzubringen.

In Zukunft stehen also weniger Beitragszahlern mehr Rentenempfänger ge­genüber, die ihre Rente länger beziehen werden als frühere Generationen und die wiederum höhere Kosten für Gesundheit und Pflege verursachen werden. Es wird also keine Rente finanziert werden können, die allein den Lebensstandard sichert, sondern es wird der Auf- und Ausbau einer er­gänzenden privaten Altersvorsorge notwendig sein.

2. Chronik der sozialen Alterssicherung

Im Rahmen der Sozialgesetzgebung des Reichskanzlers Otto von Bismarck entstand die deutsche Sozialgesetzgebung. Nach dem Krankenver­sicherungsgesetz von 1883 und dem Unfallversicherungsgesetz von 1884 trat 1889 nach Zustimmung des Bundesrates und des Kaisers Wilhelm I. das Gesetz zur Alters- und Invaliditätssicherung in Kraft. Das Gesetz galt für die durch Alter und Invalidität hervorgerufene Erwerbsunfähigkeit. „Alter“ wurde hierbei als eine Unterkategorie der Invalidität aufgefasst und galt nicht als eigener Versicherungsfall. Der Rentenanspruch begann mit Vollendung des 70. Lebensjahres und setzte eine dreißigjährige Beitragszahlung voraus. Zu dieser Zeit erreichte allerdings nur eine kleine Zahl der Versicherten dieses Alter. Versicherungszwang bestand für alle Lohnarbeiter der Industrie, des Handwerks und der Landwirtschaft.[2]

Diese drei Gesetze wurden 1911 zur Reichsversicherungsordnung (RVO) zusammengefasst. Die Alters- und Invaliditätsversicherung wurde um die Hinterbliebenenfürsorge erweitert. Mit der Einführung des Versicherungsge­setzes für Angestellte wurden zum ersten Mal die Arbeitnehmer in Ange­stellte und Arbeiter unterschieden. Dieses Gesetz wurde 1924 neu gefasst und erhielt die Bezeichnung Angestelltenversicherungsgesetz (AVG).

2.1. Die große Rentenreform von 1957

Unter dem Bundeskanzler Konrad Adenauer änderte sich das System der Rentenversicherung grundlegend mit dem Gesetz zur Neuregelung der Ar­beiterrenten- und Angestelltenversicherung von 1957. Arbeiter und Ange­stellte wurden gleichgestellt und die lohnbezogene, dynamische Rente ein­geführt. Die Altersrente wurde so zum Lohnersatz im Ruhestand. Die Renten wurden an die Einkommensentwicklung der Arbeitnehmer gekoppelt, so dass eine Beteiligung am Wirtschaftswachstum möglich war. Erstmals war der Ruhestand kein Privileg der besitzenden Klassen mehr, der Zusammenhang von Armut und Alter wurde weitgehend beseitigt.[3]

Die Rentenreform änderte auch das Finanzierungsverfahren. Das Kapital­deckungsverfahren wurde durch das bis heute gültige Umlageverfahren er­setzt, welches auf dem Generationenvertrag beruht. „Der Generationenver­trag ist ein staatlich verfügtes, explizit zwei und implizit drei Generationen umfassendes und versicherungsmäßig organisiertes Beitrags-Transfersys­tem.“[4] Beim Umlageverfahren finanzieren die Beitragszahler die laufenden Renten der Leistungsempfänger, d.h. die junge Generation finanziert den Ruhestand der alten Generation. Die dabei erworbenen zukünftigen Ansprü­che an die Rentenkasse müssen später wiederum von der dann beitrags­zahlenden Generation aufgebracht werden. Eine Kapitalrückstellung gemäß der individuellen Ansprüche erfolgt nicht. Sollte daher das aktuelle Bei­tragsaufkommen die fälligen Rentenzahlungen nicht decken, muss der Staat durch Zuschüsse die Defizite decken.

Weiterhin wurde mit der Rentenreform 1957 ein vorzeitiges Altersruhegeld für Frauen ab 60 Jahren eingeführt. Damit sollte ein Ausgleich für die Dop­pelbelastung durch Beruf und Familie geschaffen werden.[5]

2.2. Die Rentenreformen von 1972 bis heute

Im Jahr 1972 wurde die Rentenversicherung unter Bundeskanzler Willy Brandt auch für Selbständige und Hausfrauen geöffnet. Für diese bestand nunmehr die Möglichkeit, durch freiwillige Beiträge Rentenansprüche zu er­werben. Weiterhin wurde eine flexible Altersgrenze für langjährig Versicherte ab Vollendung des 63. Lebensjahres nach 35 Versicherungsjahren einge­führt.[6]

20 Jahre später wurde die nächste Rentenreform nötig. Das Rentenreform­gesetz von 1992 berücksichtigte erstmals die demografischen Verände­rungen der sinkenden Geburtenraten und steigenden Lebenserwartung. Die Anpassung der Renten wurde nunmehr von der Entwicklung der Brutto- auf die Nettoeinkommen umgestellt. Damit wurde das Standard-Nettorentenni­veau nach 45 Versicherungsjahren auf gut 70 % festgelegt.

Da im Jahr 1989 fast jeder zweite männliche Rentner vorzeitig in Rente ging und nur noch wenige die eigentliche Altersgrenze von 65 Jahren abwarteten, sollten die Altersgrenzen ab 2001 stufenweise auf die Regelaltersgrenze von 65 Jahren angehoben werden. Ein vorzeitiger Rentenbezug war dann nur noch mit Abschlägen möglich.[7]

Eine weitere Änderung war die Implementierung eines Selbstregulierungs­mechanismus, der die finanziellen Lasten auf Versicherte, Steuerzahler und Rentner verteilen sollte.[8] Mit diesen Änderungen des Rentenreformgesetzes 1992 wollte man verhindern, dass der Beitragssatz von 18 % auf über 36 % im Jahr 2030 ansteigt. Die „magische Grenze“ von 20 % wollte man nicht überschreiten.[9]

Durch das Rentenreformgesetz 1992 wurde das gesamte Rentenversiche­rungsrecht vollkommen neu geregelt und als Sechstes Buch in das Sozialge­setzbuch (SGB VI) aufgenommen. Die vorher gültig gewesenen Gesetze „Reichsversicherungsordnung" (RVO), „Angestelltenversicherungsgesetz" (AVG) und „Reichsknappschaftsgesetz" (RKG) gibt es seitdem nicht mehr.

Aufgrund einer steigenden Arbeitslosigkeit und vermehrter Frühverrentungen in Form der „59er-Regelungen“ wurde 1996 das Gesetz zur Förderung eines gleitenden Überganges in den Ruhestand eingeführt. Vor allem in den neuen Bundesländern waren viele Männer vor ihrem Ruhestand arbeitslos.[10] Mit dem Altersteilzeitgesetz vom 23. Juli 1996 sollte älteren Arbeitnehmern ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente und damit die Ein­stellung eines sonst arbeitslosen Arbeitnehmers ermöglicht werden.[11]

Eine weitere Maßnahme war die Verringerung der Anrechnung von bei­tragslosen Ausbildungszeiten und von Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leis­tungsbezug, welche mit dem Wachstums- und Beschäftigungsförderungsge­setz (WFG) im September 1996 durchgesetzt wurde.[12] Dieses Gesetz beinhal­tete auch ein „Rentenspargesetz“, welches eine frühere und schnel­lere Anhebung des Rentenalters ab dem Jahr 2000 vorsah. Danach sollten Männer ab 2002 und Frauen ab 2005 bis zum Alter von 65 Jahren arbeiten müssen.[13]

1997 wurde die „magische Grenze“ von 20 % Beitragssatz zur Gesetzlichen Rentenversicherung überschritten (20,3 %). Deshalb und auch wegen der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit verabschiedete die Regierung Kohl im sel­ben Jahr das Rentenreformgesetz 1999. Folgende Änderungen waren vor­gesehen:

- Abschaffung der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Altersteilzeitarbeit sowie der früher beginnenden Altersrente für Frauen ab 2012,
- Neuordnung des Bereichs der Renten wegen verminderter Erwerbsfähig­keit,
- Anhebung der Altersgrenzen für Schwerbehinderte,
- Einführung eines demografischen Faktors, der das Rentenniveau entspre­chend der Zunahme der ferneren Lebenserwartung schrittweise von 70 % auf 64 % absenken sollte
- und eine verbesserte Berücksichtigung der Kindererziehung.

[...]


[1] Vgl. Statistisches Bundesamt, 10. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, 2003

[2] Vgl. Backes, 1998

[3] Vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, http://www.die-rente.info

[4] Schimany, 2003, S. 396

[5] Vgl. Backes, 1998

[6] Vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, http://www.die-rente.info

[7] Vgl. Ebd.

[8] Vgl. Schimany, 2003

[9] Vgl. Backes, 1998

[10] Vgl. Schimany, 2003

[11] Vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, § 1 Altersteilzeitgesetz

[12] Vgl. Schimany, 2003

[13] Vgl. Backes, 1998

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Strukturprobleme der Alterssicherung in Deutschland nach der Rentenreform von 1957
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Veranstaltung
Alternde Gesellschaften
Note
gut
Autor
Jahr
2005
Seiten
26
Katalognummer
V46647
ISBN (eBook)
9783638437943
Dateigröße
493 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Strukturprobleme, Alterssicherung, Deutschland, Rentenreform, Alternde, Gesellschaften
Arbeit zitieren
Anja Behr (Autor:in), 2005, Strukturprobleme der Alterssicherung in Deutschland nach der Rentenreform von 1957, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46647

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