Unterrichtsbeobachtungen und ihre Auswertung. Resümee der eigenen Unterrichtseinsätze


Praktikumsbericht / -arbeit, 2004

29 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Unterrichtsbeobachtungen
2.1 Allgemeine Erkenntnisse und Folgerungen
2.2 Lehrerverhalten
2.3 Schülerverhalten
2.4 Verlauf einer Stunde und Unterrichtsmethoden
2.5 Lernziele und Ergebnissicherung
2.6 Möglichkeiten der Disziplinierung

3. Resümee der eigenen Unterrichtseinsätze
3.1 Klasse 11 Unterrichtseinheit: Subjuntivo – Wiederholung mit Übungen jeweils zwei Stunden (17/18.09.03 à Mittwoch: 11b - 3. Std., 11a - 4. Std./ Donnerstag: 11a - 8. Std., 11 b - 9. Std.)
3.2 Klasse 6 Unterrichtseinheit: Das Gleichnis vom verlorenen Sohn jeweils 3 Stunden (6bcd: MI 24.09.03 3. Std., DI 30.09.03 5. Std., MI 01.10.03 3. Std.; 6a: DO 25.09.03 1. Std., MO 29.09.03 6. Std., DO 02.10.03 1. Std.)
3.3 Klasse 8c Unterrichtseinheit: Adjektive und das Fragepronomen quel (MO 29.09.03 3. Std. , MI 01.10.03 5. Std., MO 6.10.03 3. Std.)
3.4 Klasse 11 Unterrichtseinheit: Abraham und das menschliche Dilemma jeweils 3 Stunden (11cd: FR 17.10.03 2. Std., MO 20.10.03 3. Std., FR 24.10.03 2. Std.; 11ab: FR 13.10.03 3. Std., MO 20.10.03 5. Std., FR 24.10.03 3. Std.)
3.5 Klasse 9 und 11 Unterrichtseinheit: La phonétique corrective (9: MO 27.10.03 5. Std., DI 28.10.03 4. Std.; 11: MI 29.10.03 2. Std.) & Vertretungsstunde mit Arbeitsauftrag Französisch Klasse 8 MI 29.10.03 3. Std.
3.6 Klasse 10 und 9 Unterrichtseinheit: Lektionseinführung M2 ¡Déjate de historias! 3B Un fin de semana divertido (10a: MO 29.09.03 5. Std., MI 26.11.03 6. Std., MO 1.12.03 5. Std.; 10b: MI 26.11.03 5. Std.; MO 1.12.03 4.Std./2 Std. in Klasse 9 im Dez.)

4. Teilnahme an außerunterrichtlichen Veranstaltungen

5. Dokumentation der Sitzungen mit dem Ausbildungslehrer

6. Dokumentation der Seminarveranstaltungen

7. Bilanz

Abstract

Mein Berichtsheft soll einen Überblick über die Erfahrungen, die ich im 13-wöchigen Schulpraktikum am Otto-Hahn-Gymnasium in Tuttlingen gemacht habe, geben. Nach einer Einleitung zu den äußeren Formalien des Praktikums habe ich versucht, zunächst einmal die für mich wichtigsten allgemeinen Ergebnisse des Lehrerberufs und seiner Ausführung zusammenzufassen. Zusätzlich sind im zweiten Kapitel verschiedene Hospitationsbeobachtungen gegliedert und ausformuliert. Das dritte Kapitel beschäftigt sich ausschließlich mit der Planung und Durchführung meiner eigenen Unterrichtseinsätze. Im vierten und fünften Kapitel habe ich die begleitenden Veranstaltungen zum Schulpraktikum dokumentiert. Bevor ich eine allgemeine Bilanz gezogen habe, bin ich noch kurz auf meine außerunterrichtlichen Aktivitäten eingegangen.

1. Einleitung

Zusammen mit 5 weiteren Praktikant inn en wurden wir am zweiten Schultag nach den Sommerferien am Otto-Hahn-Gymnasium in Tuttlingen von unserem Ausbildungslehrer Herrn Dr. Herrmann willkommen geheißen. Da ich im Juni 2001 am selben Gymnasium Abitur gemacht habe, waren mir das Schulgebäude und ein Teil des Lehrerkollegiums bereits vertraut. Im Lehrerzimmer wurden wir am Referendartisch freundlich aufgenommen und konnten die ersten Kontakte knüpfen. Nachdem wir von Herrn Kück begrüßt und dem Lehrerkollegium vorgestellt wurden, waren die entsprechenden Fachlehrer jederzeit bereit, uns in ihrem Unterricht hospitieren zu lassen und uns mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Noch in der ersten Woche haben wir vom Hausmeister einen Generalschlüssel erhalten. Dies stellte sich als besonders wichtig heraus, da man mit diesem Schlüssel Zugang zum Kopierraum und den Klassenzimmern hat und auch die Jalousie in den Klassenzimmern betätigen kann. Auch die Lehrerbibliothek weist eine beträchtliche Bandbreite an Fachliteratur auf, die ich mir zunutzen machen konnte und die auch Anregungen für meine Unterrichtsgestaltungen bot.

Für die Zusammenstellung des eigenen Hospitationsstundenplans waren vor allem der Klassenplan und der Lehrerordner mit den Stundenplänen und Passfotos der jeweiligen Lehrer hilfreich. Ich habe hauptsächlich in meinen drei Fächern Spanisch, ev. Religion und Französisch hospitiert und dabei alle Fachlehrer dieser drei Fächer am OHG kennen gelernt. Darüber hinaus war es aber auch interessant, eine Klasse über einen Tag in allen Fächern zu begleiten und auch andere Fachstunden (z. B. Mathe, Musik, Deutsch, Physik,...) zu erleben. Besonders bemerkenswert ist die große Flexibilität der Schüler, sich auf unterschiedliche Lehrerpersonen und Methoden einzustellen. Der große methodische wie inhaltliche Unterschied zwischen geisteswissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Fächern war mir zu meiner Schulzeit noch nicht so stark aufgefallen. In der Oberstufe kristallisieren sich Schwerpunkte ganzer Klassen heraus, wobei die „Geisteswissenschaftler“ beträchtlich höhere hermeneutische Fähigkeiten aufweisen, während die „Naturwissenschaftler“ präziser und analytischer Probleme lösen.

2. Unterrichtsbeobachtungen

2.1 Allgemeine Erkenntnisse und Folgerungen

Zunächst einmal ist festzustellen, dass sehr verschiedene Lehrerpersönlichkeiten sehr verschiedenen Unterricht hervorbringen. Jeder Lehrer hat seine individuelle Art, die er in den Unterricht hineinträgt. Auf Seiten der Schüler sind in dieser Hinsicht sehr hohe Anpassungsfähigkeiten und soziale Kompetenzen, wie Diplomatie im Umgang mit Erwachsenen, Rücksichtnahme auf verschiedene Ansprüche und Bereitwilligkeit zur Akzeptanz individueller Eigenschaften gefordert. Der Erfolg einer Schulkarriere hängt in wesentlichen Teilen von der Beherrschung dieser sozialen Fähigkeiten ab und sollte vom Lehrer berücksichtigt und in seinem Unterricht integrierend gefördert werden. Dazu gehört an erster Stelle, dass der Lehrer selbst die Schüler als Individuen anerkennt und in ihren Eigenarten akzeptiert. Dies erfordert eine hohe Sensibilität und ein großes Empathievermögen, um dem einzelnen Schüler in seinen Bedürfnissen gerecht zu werden. Die wesentlichen Zugänge zu einem Menschen ergeben sich aus Situation, Emotion, Wahrnehmung und Verhalten. Konkret bedeutet dies, dass der Lehrer offen für Anfragen, Argumentation und Denkweisen seiner Schüler sein muss. Eine positive Wirkung erreicht er, wenn er seinem Schüler vermittelt, dass er dessen Standpunkt versteht und akzeptiert. Der Schüler darf nicht das Gefühl haben, dass seine Ansichten weniger gelten, sondern er sollte sich gleichberechtigt fühlen. „Das Besondere an Kindern ist nicht, dass sie ‘weniger’ als die Großen sind (weniger schlau, weniger erfahren, weniger informiert und weniger kompetent) – Kinder sind in erster Linie anders. Dies gilt in ganz besonderem Maße, wenn wir über ihre Denkwelt sprechen.“[1] Was Maria Montessori ausdrücken möchte, ist die Tatsache, dass Kinder ein eigenes Verständnis von den Dingen, die sie umgeben, entwickeln. Wie kleine Philosophen suchen sie einen Sinn hinter den unmittelbaren Vorkommnissen und entwerfen sich dabei ein eigenes Bild von der Wirklichkeit, von kausalen Zusammenhängen und von Regeln des menschlichen Miteinanders. Ein Lehrer, der dieses Wissen im Umgang mit seinen Schülern berücksichtigt, wird ihnen nicht mit Misstrauen, sondern Zu- und Vertrauen begegnen. Die Fähigkeit sich ernsthaft in die Logik der Kinder und Jugendlichen[2] hineinzuversetzen, zählt meines Erachtens zu den wichtigsten eines Lehrers. Um dies zu erreichen bedarf es nicht nur Kenntnisse aus der Entwicklungspsychologie, sondern auch der Bereitschaft sich auf andere Menschen positiv einzulassen. Aktives Zuhören[3], einfühlsames und wertneutrales Verhalten des Lehrers fordern den Schüler dazu auf, selbst aktiv zu sein. Er erkennt, dass seine Aussage angenommen wird und kann angstfrei seine Gedanken deutlich machen. Sein Interesse an der Kommunikation wird geweckt und er fühlt sich motiviert, die vom Lehrer gestellten Probleme zu lösen und somit auch seine eigenen Ansichten zu überdenken und gegebenenfalls neue Denkmuster herauszubilden[4]. Schüler reagieren sehr sensibel auf die Einstellung des Lehrers ihnen gegenüber und passen ihr Verhalten dementsprechend an. Auf diese Weise kann der Lehrer großen Einfluss auf das Verhältnis zu seinen Schülern ausüben. In der Stunde vor einer Klassenarbeit kann der Lehrer beispielsweise sein Entgegenkommen zeigen, indem er die Klasse fünf Minuten früher entlässt und sie im Gegenzug darum bittet, die restliche Zeit konzentriert mitzuarbeiten. Wenn der Lehrer Begeisterung für den Stoff, den er vorträgt, zeigt und mit Freude den Unterricht gestaltet, überträgt sich diese innere Einstellung auch auf die Lernenden. Der erste Kontakt mit Neuem wird durch die Darstellungsweise beeinflusst. Ist diese positiv und der Lehrer von dem überzeugt, was er präsentiert, wird er auch bei den Schülern Interesse und in Folge auch Freude wecken können. Schüler bewerten Fachkompetenz auf der einen Seite und die menschliche Darbietung des Stoffes auf der anderen Seite als die wesentlichen Pole, die einen guten Lehrer kennzeichnen.

Während einiger Hospitationen innerhalb einer Klasse habe ich unter anderem beobachtet, dass ein Schüler in verschiedenen Fächern auch zu ganz verschiedenen Leistungen fähig und bereit sein kann. Ein Lehrer muss akzeptieren, wenn sein Fach nicht aller Schüler Lieblingsfach sein kann. Hinzu kommen weitere äußere Faktoren, wie die Tagesform, persönliche Probleme und Leistungsdruck an gewissen Tagen, die sich auf die Leistungsstärke eines Schülers auswirken können. Der Lehrer sollte mit mangelnden Fachkenntnissen bei seinen Schülern sehr vorsichtig umgehen. Die lineare Lernweise, die in der Schule praktiziert wird, fordert noch wenig Vernetzungsfähigkeiten. Die Schüler sind oft darauf trainiert, den aktuellen Stoff (Lektion im Buch) zu beherrschen. Die Anforderung dieses Wissen mit bereits Gelerntem zu kombinieren, stellt in der Schulzeit eine große Herausforderung dar, der sich die Schüler bis zur 12. Klasse noch nicht genug gewachsen sehen. In einer solchen Situation sind beruhigende Worte und Geduld des Lehrers besonders fruchtbar für den weiteren Unterrichtsverlauf. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass je natürlicher, der bereits bekannte Stoff wieder wachgerufen wird, umso bereitwilliger und einfacher die Schüler drauf zurückgreifen können. Während meiner Schulzeit habe ich selbst die Erfahrung gemacht, dass ich eigentlich erst nach dem Abitur einen Gesamtüberblick über die Stofffülle hatte und jetzt fähig war, diese in Bezug untereinander zu setzen. Ich halte es für besonders wichtig dem Schüler klar zu machen, dass es nicht erheblich ist, wenn er nicht sofort auf „Altes“ zurückgreifen kann. Dahingegen sollte ihm klar gemacht werden, aus welchem Grund an dieser Stelle eine Vernetzung statt finden soll, und inwiefern es ein lohnendes Ziel sein kann, am Ende des Lernprozesses den Überblick über die Materie zu haben. Die Einbindung des Lernstoffes in ein größeres System vom Verständnis einer Materie und in Konsequenz vom Verständnis der Welt sollte dem Schüler als Aussicht erfolgreichen und disziplinierten Lernens transparent gemacht werden. Erkenntnisse der modernen Soziobiologie haben ergeben, dass das limbische System sowie einzelne Module im Gehirn im Voraus ermitteln, ob sich der erhebliche Aufwand eines Lernprozesses lohnt. Die Selektion erfolgt dabei nach dem EEA (Environment of Evolutionary Adaptedness) Prinzip. Nach dieser Ansicht ergibt sich der Lernprozess als Ergebnis der Leistung von Genen, die einen kausalen Zusammenhang ermitteln. Menschen sind nicht belehrbar, sondern lernfähig, d. h. Kinder können nicht belehrt werden, sie können nur selber lernen. Was also nicht einsichtig ist und nicht klar eingeordnet werden kann, das lernen sie nicht. Wer also den „Subjuntivo“ im Spanischunterricht einführt, ohne auf seine Aus- und Einwirkung im Sprechakt (Pragmatik) einzugehen, wird bei den Schülern keine Einsicht wecken können, die „Subjuntivoformen“ zu lernen.[5] Eine Fremdsprache kann auch als ein Zeichenmodell (Semiotik) erläutert werden, dass in der Erfassung der Welt gewisse Charakteristika und Einschränkungen aufweist, aus denen sich wiederum neue Erkenntnisse ergeben, die das Erlernen der Sprache sinnvoll machen.

Neben den fachlichen Kompetenzen sollten Schüler auch die Möglichkeit haben ihre kognitiven und emotiven Strukturen weiterzuentwickeln[6]. Eine solche Entwicklung kann nur in einem warmen, sozialen Klima von statten gehen. In der Interaktion mit der Umwelt erkennen Kinder, dass ihre bisher erworbenen Denkstrukturen nicht ausreichend sein können und adaptieren ihr Verhalten. Zu diesem Prozess trägt die Fähigkeit der Rollenübernahme wesentlich bei. Rollenübernahme bezeichnet die Fähigkeit, bestimmte Merkmale eines anderen Individuums zu verstehen, wahrzunehmen, daraus Verhaltensweisen des anderen in bestimmten Interaktionssituationen zu antizipieren und in die eigene Verhaltensstrategie einzuplanen. Rollenübernahme kann trainiert werden in Rollenspielen, Diskussionen und Anregungen zur Selbstreflexion. Besonders der Religionsunterricht bietet Möglichkeiten auf diese Entwicklung einzugehen. Im Religionsunterricht sollen Kinder neben dem Erlernen christlicher Grundkenntnisse die Zeit haben, im leistungsorientierten Schulalltag auch mal wieder zu sich zu finden. Lieder, malen, freie Diskussionsrunden und auch mal etwas lockere Stunden sollen den Schülern die Möglichkeit geben sich auch menschlich zu entfalten. Der Religionslehrer hat die einmalige Chance, Schülern etwas mit auf den Weg zu geben, was man nicht durch eigene Leistung erwerben kann, nämlich den Glauben an sich selbst und die Hoffnung auf Gottes Angenommensein und Erlösung. Gerade der Religionsunterricht bietet Möglichkeiten, Kinder mit Problemen des Lebens zu konfrontieren und sie auf Lösungen in der Bibel hinzuweisen. Dabei soll es sich nicht um Lektionen handeln oder oktroyierte Glaubensüberzeugungen, sondern die Kinder sollen vielmehr lernen, frei Entscheidungen zu treffen und diese auch begründen zu können. Der Religionslehrer kann versuchen den Kindern klar zu machen, dass sie mit ihren Fragen oder Konflikten von Gott nie allein gelassen werden, und dass die Bibel in vielen Situationen hilfreich sein kann. Wenn es dem Religionslehrer gelingt, den Schülern Gottes Versprechen auf bedingungslose Annahme mit auf den Lebensweg zu geben, kann das ein lebenslanges Potential an Kraft und Zuversicht bedeuten.

2.2 Lehrerverhalten

Um das Lehrerverhalten zu beschreiben, möchte ich das Modell des „Inneren Teams“ von Schulz von Thun verwenden. In diesem Modell werden verschiedene Aspekte im Verhalten eines Menschen und seiner Persönlichkeit herauskristallisiert und analysiert. Der Lehrerberuf erfordert eine große personelle Bandbreite an inneren Teammitgliedern und eine große Flexibilität in der Mannschaftsbesetzung und -umstellung. So muss ein Lehrer wissen, dass er in der Unter-, Mittel- und Oberstufe verschiedene situationsadäquate Mannschaftsmitglieder mitbringen muss, um dem Entwicklungsgrad der Kinder Rechnung zu tragen. In der Unterstufe bedarf es eines geduldigen und kreativen Erklärers, der kindgerechte Anweisungen gibt, Texte altersgerecht aufbereitet und auch bei mehrmaligem Nachfragen ruhig bleibt. Ebenso benötigt man einen regelgebenden Richter, der die Schüler in ihre Schranken weist und in die Arbeitsweise des Gymnasiums sacht einführt. Je genauer die Anweisungen sind, angefangen bei der Heftführung, über das Unterrichtsverhalten bis hin zur Klausur, desto zufriedener und engagierter arbeiten die Schüler mit. Hilfreich ist auch ein lobender Motivator, dem es gelingt die Klasse mit Lob und Sonderanreizen zu motivieren. In der Mittelstufe sind eher der verständige Zuhörer und coole Kamerad gefragt, der sich mit den aktuellen Problemen der Schüler auseinandersetzt und diese in altersgerechter Weise in den Unterricht integriert. Dabei sollte es dem Lehrer im Idealfall gelingen seinen Unterrichtsstoff an elementare Momente des jungen Erwachsenenlebens zu koppeln. Besonders wichtig scheint mir in dieser Stufe auch der authentische Vermittler, der zu dem, was er unterrichtet steht und sich vor einer Klasse nicht verstellt. Ebenso halte ich einen Ordnungswächter für angebracht, der klare Grenzen steckt und auch nicht scheut, Konsequenzen zu ziehen. Dabei sollte der Lehrer es unbedingt vermeiden über Schüler in der dritten Person zu reden, altkluge Ratschläge zu verteilen oder an Erwachseneneinsicht zu appellieren. Der fordernde Moderator sollte den Schülern zeigen, dass er ihnen eine Problemlösung zutraut, sie aber auch von ihnen erwartet. Wenn die Schüler auf eine Fragestellung auch zunächst mit Ablehnung oder gar nicht reagieren, ist es besser einen Moment zu warten oder die Frage erneut zu formulieren.

In der Oberstufe bedarf es dann nur noch eines suggestiven und kompetenten Anstifters, der das Thema vorstellt und sein Wissen zur Verfügung stellt. Ein aufnehmender und ermutigender Moderator soll die Schüler zu eigenen Überlegungen und selbst erworbenen Einsichten führen. In der Abitursphase bedarf es schließlich eines strukturgebenden Planers, der den Schülern das Gefühl gibt, ausreichend auf die Abschlussklausuren vorbereitet zu sein. Natürlich hat man auch immer die Aufgabe eines Kontrolleurs, der in Tests und Klausuren das Wissen abfragt. Zum Auftreten eines Lehrers gehört natürlich auch seine Körperhaltung. Eine angemessene Körperspannung, eine laute Stimme, die situationsangemessen variieren kann, angepasste Gestik, Mimik und Proxemik prägen ein Lehrerbild in entscheidendem Maße. Eine harmonische Köperhaltung signalisiert Aufgeschlossenheit und Energie. Begleitgesten unterstützen eine Aussage und auch die Mimik kann ganze Botschaften transportieren. Es ist wichtig, dass sich ein Lehrer vor seiner Klasse wohl fühlt und sich frei im Klassenzimmer bewegen kann (z. B. aus einer anderen Ecke sprechen, auf- und abgehen, Blätter im Raum verteilen, ...).

2.3 Schülerverhalten

Das Schülerverhalten lässt sich nach bestimmten Kriterien unterscheiden. Es gibt ganz allgemeine Faktoren, die sich auf das Schülerverhalten auswirken und darüber hinaus die Unterschiede in Unter-, Mittel- und Oberstufe.

In allen Alterstufen ist festzustellen, dass Schüler unruhig werden, wenn sie unterfordert sind, Bekanntes zu ausgiebig wiederholt wird oder sie ihre Aufgabe bereits vor anderen erledigt haben und unbeschäftigt sind. Der gegenteilige Effekt stellt sich ein, wenn etwas Neues eingeführt wird. Die 9. Klasse war während der ersten Wochen des Spanischunterrichts auffallend ruhig und aufmerksam, da die Erwartungen an die neue Fremdsprache entsprechend hoch waren. Nicht nur neuer Stoff, sondern auch Bewertungs- und Testphasen (mündlich oder schriftlich) sorgen für absolute Ruhe im Klassenzimmer. Exkurse des Lehrers zu bestimmten Themen, in die er auch in angemessenem Maße persönliche Erfahrungen einbringen kann (beispielsweise, wie man in Peru auf Spanisch einen Kaffee bestellt) oder witzige Auflockerungen können eine unruhige Klasse wieder an das Unterrichtsgeschehen binden. Unruhe am Beginn einer Unterrichtsstunde legt sich oft von selbst und kann beispielsweise aus der vorherigen Stunde resultieren, die die Schüler noch nicht ganz verarbeitet haben. Sobald im Klassenzimmer Stressmomente entstehen durch Überforderung, unklare Arbeitsanweisungen, Verzögerungen (z. B. Warten auf Rückgabe der Klausur) oder die Anweisung, das Tafelbild erst am Ende der Stunde abzuschreiben, reagieren Schüler mit lautem Protest und sind nicht bereit, sich weiterhin zu konzentrieren. Allgemein kann man auch feststellen, dass je größer eine Klasse ist, desto höher auch der Lärmpegel erscheint. Schüler merken sehr schnell, wie weit sie bei einem Lehrer gehen dürfen und versuchen dessen Schmerzgrenze natürlich auszuprobieren. Die beste Methode sind dabei klare Richtlinien. Ein Lehrer, der konkrete Verbote erteilt und sie konsequent einhält, wird weniger Disziplinprobleme haben, als ein Lehrer, der Regeln spontan nach seinem Gutdünken ändert. Der direkte Blickkontakt wirkt bei Schülern auch beruhigend. Schüler sollten nicht das Gefühl haben, dass sie gegen den Lehrer arbeiten müssen, sondern, dass er mit ihnen arbeitet. Die Klassengemeinschaft fühlt sich natürlich gestärkt, wenn sie gemeinsam den Schwachpunkt eines unbeliebten Lehrers trifft. Um dies zu vermeiden, sollte der Lehrer von vornherein um ein gutes Verhältnis zu den Schülern bemüht sein.[7]

[...]


[1] Maria Montessori (1987 [1950]) zitiert aus: Fritz Oser; Wolfgang Althof: Moralische Selbstbestimmung: Modelle der Entwicklung und Erziehung im Wertebereich. Stuttgart 11992, S. 39.

[2] Dazu gehört auch den Entwicklungsstand der Schüler zu berücksichtigen und sein Verhalten dementsprechend anzupassen. Die Unterteilung in Unter-, Mittel- und Oberstufe bedarf oft feinerer Differenzierungen, was den geistigen und moralischen Entwicklungsgrad der Kinder angeht.

[3] Formen der Umsetzung des aktiven Zuhörens sind das Paraphrasieren, Nachfragen, Zusammenfassen der Aussage und Verbalisieren dessen, was man verstanden hat.

[4] Die Entwicklungspsychologie spricht in diesem Fall von Konstruktivismus durch Interaktionismus.

[5] Eine weitere Möglichkeit der Plausibilisierung bietet der direkte Sprachvergleich.

[6] Gemeint ist beispielsweise die Förderung der moralischen Entwicklung nach Kohlberg.

[7] Vgl. Kapitel 2.1.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Unterrichtsbeobachtungen und ihre Auswertung. Resümee der eigenen Unterrichtseinsätze
Hochschule
Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Gymnasien) Rottweil  (Pädagogisches Seminar)
Veranstaltung
Praktikum
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
29
Katalognummer
V46629
ISBN (eBook)
9783638437783
ISBN (Buch)
9783638658973
Dateigröße
540 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Unterrichtsbeobachtungen, Auswertung, Resümee, Unterrichtseinsätze, Praktikum
Arbeit zitieren
Anita Glunz (Autor:in), 2004, Unterrichtsbeobachtungen und ihre Auswertung. Resümee der eigenen Unterrichtseinsätze, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46629

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