Hannah Arendt. Freiheit und Politik


Seminararbeit, 2011

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Hauptteil. Freiheit und Politik

1. Der Sinn der Politik ist Freiheit
1.1. Begriff der Freiheit
1.2. Handeln
1.3. Anfangen-Können

2. Die totale Herrschaft als Zerstörung des Politischen
2.1. Exekution der objektiven Gesetze
2.2. Bewegungsgesetzte
2.3. Das eiserne Band des Terrors
2.4. Ideologie, Ohnmacht, Verlassenheit

3. Die heutigen Gefahren für den Bereich des Politischen
3.1. Verwischte Grenzen zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten
3.2. Entmachtete Opposition

III. Schlussteil

IV. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Für viele gehört es mittlerweile zum guten Ton, bei Gelegenheit ausdrücklich zu betonen, dass man „apolitisch“ sei und mit der Politik nichts zu tun haben wolle. Auf diese Weise machen wir uns leicht zu passiven Mitläufern, welche alles, was ringsherum passiert, wehrlos und urteilslos hinnehmen, ohne über Konsequenzen für sich selbst und die Gesellschaft nachzudenken, wir uns somit letzten Endes in eine selbstverschuldete Handlungsohnmacht begeben.. Die Politik ist einer der wichtigsten Bereiche des menschlichen Lebens. Wir alle sind Teil des politischen Lebens, ob wir uns nun dessen bewusst sind oder nicht, oder es gar bis zum Letzten leugnen.

Vielleicht ist es angenehm sich als Opfer zu fühlen und beständig zu beklagen, was nicht läuft und es ist sicher einfacher, notwendige Entscheidungen anderen zu überlassen und auf eigenes Handeln zu verzichten. Dieses Phänomen bezeichnet man heutzutage mit dem Fachbegriff „Politikverdrossenheit“, welches auch in früheren Jahrzehnten ein Problem war und zu Katastrophen geführt hatte, indem man radikalen und besonders motivierten Minderheiten bereitwillig das Feld der Meinungsfreiheit überließ und damit ihnen Raum und Möglichkeit gab, sich zu entfalten. Insbesondere Hannah Arendt, eine der berühmtesten Philosophen ihrer Zeit, hat sich in ihren Schriften mit den Ursprüngen der totalitären Herrschaft befasst. Sie nannte es „Flucht in die Ohnmacht“. In diesem Text sollen die abschreckenden Folgen eines solchen Verhaltens oder besser eines solchen Verhaltensverzichts anhand ihrer Schriften deutlich gemacht werden. H. Arendt selbst hat hautnah das Wesen totalitärer Herrschaft kennengelernt und aus diesem Grund sich in ihrem weiteren Leben mit Fragen der Diktatur im philosophischen und politischen Bereich auseinandergesetzt.

Ist es möglich, die Gefahr einer totalitären Herrschaft rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern? Ist die Menschheit fähig, aus den Fehlern der eigenen Vergangenheit und Geschichte zu lernen? Diese und ähnliche Fragen haben die Philosophin beschäftigt, als sie versucht hat, die gemeinsamen Muster bei den Ursprüngen zweier Diktaturen ihrer Zeit zu finden: der NS-Diktatur und des kommunistischen Regimes. Bei diesen beiden Herrschaftssystemen, der bolschewistischen und der nationalsozialistischen, handelte es sich um nicht-konstitutionelle Diktaturen. Sie haben beide keine verfassungsmäßige Grundlage und sind insofern illegitim (Fritze 2008: 91).

Die beiden oben erwähnten totalitären Herrschaften bezogen ihren repressiven Charakter und ihre gewalttätige Ausrichtung zu einem großen Teil aus ihren Ideologien. Die beiden untersuchten Diktaturen bezeichnet man daher heutzutage mit dem Fachbegriff „ideologiegeleitet“ oder auch als Weltanschauungsdiktatur (Fritze 2008: 92).

Im weiteren Verlauf dieser Arbeit soll insbesondere der enge Zusammenhang zwischen der Ideologie und dem Terror samt deren Auswirkungen auf den gesamten politischen Bereich und den Raum der politischen Freiheit dargestellt werden.

Warum ist das Handeln so prinzipiell wichtig? In welchem Verhältnis stehen das Handeln und die Freiheit zueinander? Und welche Bedeutung haben sie für den gesamten Raum des Politischen? Mit diesen und ähnlichen philosophischen und politischen Fragen hat sich die bekannteste Philosophin ihrer Zeit H. Arendt auseinandergesetzt. Und diesen Fragen soll auch in dieser Arbeit nachgegangen werden, um somit einen kurzen Einblick in diese auch heutzutage aktuelle Problematik zu gewinnen.

II. Hauptteil. Freiheit und Politik

1. Der Sinn der Politik ist Freiheit

1.1. Begriff der Freiheit

„Der Sinn der Politik ist Freiheit“ (Arendt 1994: 202).

Mit diesen Worten betont H. Arendt einen engen internen Zusammenhang zwischen Politik und Freiheit. Sie bedauert die Tatsache, dass das natürliche „Zusammenfallen von Freiheit und Politik“ nach unserer Bekanntschaft mit totalen Herrschaftsformen genauso problematisch geworden ist, wie die Vorstellung von der Vereinbarkeit der beiden. „Je weniger Politik, so scheint es, desto mehr Freiheit, oder je kleiner der Raum, den das Politische einnimmt, desto größer der Raum, der der Freiheit gelassen ist“ (Arendt 1994: 202). Sie ist der Auffassung, dass es die Freiheit ohne Politik überhaupt nicht gibt, weil sie gar keinen Bestand hätte. Danach ist die Freiheit nur dann der Sinn der Politik, wenn wir unter dem Politischen einen öffentlichen Raum verstehen. Ohne einen politisch garantierten öffentlichen Bereich hat die Freiheit in der Welt keinen Ort, an dem sie erscheinen könnte. (Arendt 1994: 201). Nach ihr unterscheidet man zwischen zwei Arten von Freiheit: der philosophischen und der politischen Freiheit. Erstere verlangt die Ausübung des Willens und ist unabhängig von den Verhältnissen der Welt und den Zielen, die der Wille sich setzt. Für H. Arendt hat die politische Freiheit nun die größte Bedeutung. Die politische Freiheit besteht in der Sicherheit, diese gibt es nur in der politischen, durch die Gesetze bestimmten Gemeinschaft (Arendt 1994: 215). Trotzdem wäre es zu einfach, die politische Freiheit mit der Sicherheit gleichzusetzen, wie das Montesquieu gemacht hat. Das beweist H. Arendt am Beispiel der Tyrannis, „denn Sicherheit grade kann sie gewährleisten, und für den Schutz des schieren Lebens hat sie sich oft allen anderen Staatsformen als überlegen erwiesen“. (Arendt 1994: 204).

Was ist denn nun die Freiheit für H. Arendt? Worin liegen ihre Wurzeln? Die Freiheit und die Unfreiheit erfährt man nach ihrer Meinung erst im Verkehr mit den anderen Menschen und nicht im Verkehr mit sich selbst. Frei sein können die Menschen nur in Bezug aufeinander, also nur im Bereich des Politischen und des Handelns (Arendt 1994: 201), weil die grundlegende politische Fähigkeit nämlich die Fähigkeit, politisch zu handeln ist (Fritze 2008: 67). Also ist das Freisein und das Handeln dasselbe, weil solange man handelt, ist man frei. Es ist aber zu beachten, dass die Freiheit eine Möglichkeit des Handelns bedeutet, es gibt aber keine absolute Garantie für ihre Verwirklichung (Althaus 2000: 302).

1.2. Handeln

H. Arendt befasst sich mit der Analyse des Verbs „handeln“. Ursprünglich hatte es zwei Bedeutungen sowohl im Griechischen, als auch im Lateinischen. In beiden Sprachen „teilt sich das Handeln in zwei klar voneinander geschiedene Teile bzw. Stadien: etwas wird begonnen oder in Bewegung gesetzt von einem Einzelnen…, um das Begonnene weiter zu betreiben und zu vollenden“ (Arendt 1981: 181). Das Handeln wird damit angefangen, dass „ein Anfang gesetzt, dass etwas Neues begonnen wird“. Also, wird die politische Freiheit, d. h. die eigentliche Freiheit für H. Arendt, in der „Fähigkeit des Neubeginnens erfahren“ (Arendt 1994: 218). Das Anfangen, das Beginnen sind die Schlüsselwörter für Freiheit, die ihren Ursprung in der Spontaneität hat. „Das Anfangen selbst aber fällt mit dem Andere-Anführen zusammen, denn nur mit Hilfe der Anderen kann der Anfangende etwas vollbringen“ (Arendt 1994: 218). Das Freisein und das Beginnen sind miteinander verkoppelt, sowohl auf dem sprachlichen Niveau im Griechischen und im Lateinischen, was schon oben erwähnt wurde, als auch im gesellschaftlich-politischen Bereich des menschlichen Lebens, wo man mit den Anderen zusammen handelt. Deswegen war „der eigentliche Sinn des Politischen in der Antike mit diesem Anfangen-Können aufs Engste verbunden“ (Arendt 1994: 218). Das Freisein wird nur im Handeln erfahren, dabei betont H. Arendt die „positive Freiheit des Anfangens“ (Arendt 1994: 219). Das Feisein beginnt überhaupt erst mit dem Handeln, so dass das Nicht-Handeln- Können und das Nicht-Freisein ein und dasselbe bedeuten (Arendt 1994: 216). Die positive Freiheit im Sinne H. Arendt ist viel mehr als ein „Nicht-gezwungen-Werden“ (Arendt 1994: 201). Man erfährt die politische Freiheit nur im Handeln und bezogen auf andere Menschen, sie ist keine „innere Freiheit“. Sie hängt davon ab, ob eine freie Nation den Raum gewährt, in welchem das Handeln sich auswirken und sichtbar werden kann. Mit anderen Worten entsteht der eigentliche Raum des Politischen zusammen mit den Geschichten, die das Handeln erzeugt, durch das Freisein, in dem die Gabe der Freiheit des Anfangen-Könnens, zu einer greifbar wichtigen Realität wird. (Arendt 1994: 225). Wenn man mit der Abschaffung der politischen Freiheit ernst macht, dann fängt man nach Meinung von H. Arendt mit der Gedanken- und Willensfreiheit an. Denn wenn man die Menschen daran hindern will, dass sie in der Politik frei handeln, so muss man sie daran hindern, frei zu denken und zu wollen, weil das die Vorraussetzung für freies Handeln im politischen Sinne ist. (Arendt 1994: 204).

1.3. Anfangen-Können

Im Zentrum ihres Begriffs der Politik steht bekanntlich der Gedanke der Natalität, die Überzeugung, dass wir in unserem Handeln nicht determiniert sind, sondern den Lauf der Dinge unterbrechen und etwas Neues beginnen können (Fritze 2008: 82). Die Bestätigung des Beginns findet H. Arendt auch bei Augustinus, der behauptete, dass „der Mensch selbst in der Welt ein Anfang sei“ (Arendt 1994: 220). Dieses Anfangen-Können ist fähig, eine neue Welt zu schaffen. Das Anfang-Sein bestätigt sich in der menschlichen Existenz, insofern jeder Mensch wieder durch Geburt als etwas je ganz und gar Neues in die Welt kommt, die vor ihm war und nach ihm sein wird“ (Arendt 1994: 220). Und das bestätigt auf seine Weise die Kontinuität des Politischen, die Beständigkeit in der Welt. H. Arendt sieht das menschliche Handeln als ein Wunder, denn es birgt in sich ein Neuanfang. Das Freisein bedeutet handeln können. Diejenigen, die bewusst oder unbewusst auf ihr Handeln verzichten, geben in der Tat freiwillig ihre Freiheit ab, verweigern den Neuanfang und dadurch gefährden die Gesamtkontinuität des Politischen. Das Handeln an sich ist schon ein Anfangen, diese Wunderkräftigkeit gehört zu seinem Wesen. Das Wesentliche dabei ist, dass es in der Natur jedes Neubeginns liegt, dass er von dem Gewesenen her gesehen unerwartet und unberechenbar in die Welt bricht. So mutet uns im Grunde jedes Ereignis wie ein Wunder an (Arendt 1994: 221). Auf die spezifische Eigenschaft des Handelns, nämlich die „Unabsehbarkeit der Folgen“ (Arendt 1981: 188) geht H. Arendt auch in ihrem Werk „Vita activa oder vom tätigen Leben“ ein. Denn die Prozesse, mit denen wir es im Politischen zu tun haben, sind Ereignisketten, in deren Gefüge jenes Wunder des Zufalls enthalten ist (Arendt 1994: 222). Mit anderen Worten ist es die notwendige und fortbringende Spontaneität, die dem Handeln eigen ist und die dieses Wunder verursacht. Deswegen bezeichnet die Philosophin den Menschen als ein Wesen, das auf eine höchst geheimnisvolle Weise dafür begabt zu sein scheint, Wunder zu tun (Arendt 1994: 222). Im gewöhnlichen Sprachgebrauch nennen wir diese Begabung das Handeln. Und insofern Handeln und Anfangen das Nämliche sind, steckt ein Element des Handelns in allen menschlichen Tätigkeiten, die „mehr sind als die bloßen Reaktionen, auch als das bloße Herstellen“ (Arendt 1994: 223). Hier ist besonders wichtig, die Bedeutung der beiden Begriffe zu klären. Handeln, im Unterschied zum Herstellen, ist in der Isolierung niemals möglich. Jede Isolierung, ob gewollt oder ungewollt, beraubt der Fähigkeit zu handeln (Arendt 1981: 180). Das Handeln ist von seiner Natur her auf die Mitmenschen bezogen. Dagegen bedarf das Herstellen der Umgebung der Natur, zwecks Materialbeschaffung. Das Herstellen ist ein Mittel, um einen Gegenstand hervorzubringen. (Arendt 1981: 170). Außerdem kann man im Unterschied zum Denken und Herstellen nur mit Hilfe der Anderen und in der Welt handeln. Im Herstellen und Denken ist nur der Anfang frei. Im Vollbringen realisiert sich nicht mehr als der zu Beginn ergriffene Gedanken oder das von der Einbildungskraft vorweg vorgesehene Ding, dem der Herstellungs- und Denkprozess unterworfen ist. Demgegenüber sind das Anfangen und das Vollbringen im Falle des Handelns nicht so geschieden, sie gehen ineinander über. Dabei bleibt das Handeln, soll es auch nur das Geringste zustande bringen, auch in seinem Vollzug darauf angewiesen, dass die Freiheit dauernd neu bestätigt wird, dass neue Anfänge gleichsam dauernd neu in das einmal Begonnene nachströmen. Denn das Resultat des Handelns hat eher den Charakter einer Geschichte, die so lange weitergeht, als gehandelt wird, deren Ende und Endresultat aber keiner, auch nicht der, welcher die Geschichte anfing, voraussehen und konzipieren kann (Arendt 1994: 224).

Schlussfolgernd könnte man also sagen, dass die Freiheit in der Spontaneität und in der Unvorhersehbarkeit des Handelns liegt. Und somit besteht die Gefahr ihrer Abschaffung durch das Zurückführen auf das bloße Herstellen, den Automatismus und die Vermassung, die keine Spontaneität mehr enthält. Deswegen warnt H. Arendt vor der außerordentlichen Gefahr der totalen Herrschaft für die Zukunft der Menschheit. Sie besteht weniger darin, dass sie tyrannisch ist und politische Freiheit nicht duldet, als dass sie jede Form der Spontaneität, eben das Element des Handelns und der Freiheit in allen Tätigkeiten, zu töten droht (Arendt 1994: 223). Die totalitäre Herrschaft hat als Zweck den Ursprung der Freiheit zu ersticken, dadurch dass die Menschen freiwillig auf das Handeln verzichten, also ihre Freiheit wehrlos abgeben. Das kann nur ruinnöse Folgen mit sich bringen. Die Fortexistenz der Menschheit hängt von der Fähigkeit ab, „das Unheil zu wenden“ und die Freiheit aufzubewahren.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Hannah Arendt. Freiheit und Politik
Hochschule
Technische Universität Dresden
Note
1,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
16
Katalognummer
V464259
ISBN (eBook)
9783668926912
ISBN (Buch)
9783668926929
Sprache
Deutsch
Schlagworte
hannah, arendt, freiheit, politik
Arbeit zitieren
Vita Zeyliger-Cherednychenko (Autor:in), 2011, Hannah Arendt. Freiheit und Politik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/464259

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