Hatespeech und Counterspeech im Netz. Hintergründe und Einflussfaktoren


Hausarbeit, 2017

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen
2.1 Begriffsklärungen
2.1.1 Hatespeech
2.1.2 Counterspeech
2.2 Aktueller Forschungsstand
2.2.1 Der Bystander-Effekt
2.2.2 Soziale Identität
2.2.3 Ableitung der Hypothesen

3. Methodisches Vorgehen
3.1 Experimentelle Befragung
3.2 Design des Fragebogens und Messung
3.3 Stichprobe, Rekrutierung und Feldphase

4. Ergebnisse

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seit Flüchtlinge vermehrt nach Deutschland kommen, um vor Krieg und Verfolgung zu fliehen, dienen die sozialen Netzwerke immer häufiger als Plattformen des Austauschs, der Diskussionen, aber auch der Hetze. Jeder hat eine Meinung, macht sich Sorgen, oder will seinen Hass nach außen tragen. Nutzer dieser sozialen Medien treffen dabei häufig auf eindeutig rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen und Kommentare, manche sind auch selbst diejenigen, die diese verbreiten. Auch Rechtsextreme und deren Anhänger ver- suchen in Sozialen Netzwerken, das Meinungsklima gegenüber der Flüchtlinge negativ zu beeinflussen, indem sie gezielt rechtsideologisch geprägtes Gedankengut propagieren. Durch die hohen Einwanderungszahlen regt sich in so manchem Bürger Zweifel und Un- gewissheit über die Zukunft und genau dies nutzen die ‚Hetzer‘ aus. Rechtsextreme Aus- drucksweisen verbreiten sich und rassistische Posts werden geteilt. Im Extremfall kann dies zu expliziter körperlicher Gewalt werden, nicht online, sondern offline. Am Beispiel der rassistischen Hetze in Clausnitz, wo Anfang 2016 eine wütende Menschenmenge vor einem Bus mit neu angekommen Flüchtlingen Parolen wie „Wir sind das Volk“ und „Haut ab!“ brüllte, wird deutlich, wie ausgeprägt die tatsächlichen rassistischen Handlungen in Deutschland sind. Diese werden von der Möglichkeit der schnellen Vernetzung durch Plattformen wie Facebook begünstigt. Diejenigen, die den rassistischen Äußerungen wi- dersprechen, werden nur allzu oft selbst Opfer von Beleidigungen. Aus dem Grund wird in der folgenden Arbeit Hassrede im Online-Bereich, wobei der Fokus auf Facebook, einer der beliebtesten Plattformen, liegt, genauer untersucht. Dabei wird auch auf Gegenrede und auf mögliche Einflussfaktoren eingegangen. Zuerst werden wichtige Begriffe geklärt und bisherige theoretische Erkenntnisse in diesem Bereich aufgeführt. Anschließend werden das methodische Vorgehen dieser Forschung und die daraus resultierenden Ergebisse be- handelt. Ziel der vorliegenden Arbeit wird es sein, herauszufinden, wie Facebook-Nutzer auf Hatespeech reagieren. Hierfür werden Einflussfaktoren wie die Bystanderzahl oder das Vorhandensein eines Normappells zur genaueren Beschreibung herangezogen.

2. Theoretische Grundlagen

2.1 Begriffsklärungen

Für eine genauere Beschäftigung mit Hassrede, die häufig ‚Hatespeech‘ genannt wird, und deren Pendant der Gegenrede, auch ‚Counterspeech‘, ist es unabdingbar, diese Begriffe zu klären, da sie im Laufe dieser Arbeit immer wieder relevant werden.

2.1.1 Hatespeech

Hatespeech ist die gängigste Bezeichnung für das Phänomen der Hassverbreitung im Onli- ne-Bereich. Das deutsche Gegenstück „Hassrede“ dagegen ist kaum etabliert. Eine feste Definition von Hatespeech ist nur schwer möglich, da der Kontext dabei eine nicht zu ver- nachlässigende Rolle spielt und es internationale und interkulturelle Unterschiede in der Auslegung des Begriffes gibt, jedoch verblassen diese durch die zunehmende Digitalisie- rung und Vernetzung der Welt immer mehr, wodurch Hatespeech auch zu einer länder- übergreifenden Herausforderung wird. Beim Versuch, eine allgemein anerkannte Begriffs- deutung vorzunehmen, stimmen die meisten mit der Definition von Hatespeech als „grup- penbezogene Menschenfeindlichkeit und Volksverhetzung“ (Amadeu Antonio Stiftung, S.11) überein. Außerdem sind typische Elemente einer Hatspeech (1) Gleichsetzung von Individuen mit einer Gesamtgruppe, zum Beispiel „Griechen sind faul“, (2) Verschwö- rungstheorien, dass zum Beispiel die Mondlandung nur inszeniert wurde, (3) Derealisierung, die häufig Unwahrheiten enthält, wie „alle US-Amerikaner sind überge- wichtig“. Außerdem wird bei einer Hatespeech oft eine (4) „Wir- und Ihr- Gegenüberstellung“ gemacht, auf die oft eine Handlungsaufforderung folgt. Auch werden (5) vorhandene Diskriminierungen in Hassreden oft legitimiert. Normalisierung von beste- henden Diskriminierungen (vgl. ebd., S.15).

Unterschiede gibt es aufgrund der Art des Mediums, mithilfe dessen Hass geäußert wird, zum Beispiel eine schriftliche oder mündliche Art. Dann lässt sich Hatespeech nach der Art der Gerichtetheit unterschieden, wobei Hatespeech direkt oder indirekt sein kann. Die direkte Art wäre beispielsweise die Beleidigung eines homosexuellen Mannes als „Schwuchtel“, wohingegen die indirekte Art wäre, einen Heterosexuellen so zu nennen. In beiden Fällen ist dieselbe Gruppe leidtragend, wobei der Angesprochene unterschiedlich ist (vgl. ebd, S.12). Eine weitere Erschwernis eines Defintionsversuchs ist, dass es nicht möglich ist, bestimmte Ausdrücke klar als Hassrede zu deklarieren und andere nicht. Durch unterschiedliche Kontexte und Interpretationsansätze würde ein ‚Katalog‘ an ‚ver- botenen Ausdrücken‘ keinen Sinn ergeben, weil jedes Wort unterschiedlich verstanden werden kann (vgl. ebd. S.14). Was die Folgen von Hatespeech anbelangt, so lassen sich diese in drei Kategorien unterteilen:

1)direkte psychische Verletzungen bei den Angehörigen der herabgewürdigten Gruppe 2)indirekte physische Verletzungen durch Folgehandlungen der Äußerung 3)soziale Folgen, wie Verstärkung von Rassismus in der Gesellschaft (vgl. ebd., S.25f.) Nach deutschem Recht ist Hatespeech Sprache „in einer Weise, die geeignet ist, den öf- fentlichen Frieden zu stören“ (ebd., S.11).

2.1.2 Counterspeech

Der Begriff Counterspeech bedeutet Reaktionen auf Inhalte, in denen Hatspeech oder Ex- tremismus integriert ist. Durch Counterspeech kann man dem entgegentreten und so „ge- gen Ideologien, Argumentationen und Geschichten von gewalttätigen Extremisten [vorge- hen]“ (Initiative für Zivilcourage Online, 2016, S.2). Jemand, der Counterspeech äußert, macht es sich zur Aufgabe, hasserfüllte oder rassistische Inhalte zu entkräften und zu wi- derlegen. „Dies kann geschehen, indem logische oder sachliche Argumente oder aber auch Satire und Humor genutzt werden. Sie können konkret oder differenziert sein, direkt oder indirekt, ganz so wie die Person oder Gruppe, die diese entwickelt, dies möchte“ (ebd.).

2.2 Aktueller Forschungsstand

Wie bereits erwähnt, ist es das Ziel dieser Arbeit herauszufinden, wie sich Nutzer im Onli- ne-Bereich verhalten, wenn sie auf Hatespeech treffen und welche Einflussfaktoren dieser Reaktion zugrunde liegen. Was die Einflussfaktoren angeht, so gibt es hierzu bereits For- schungserkenntnisse, auf die immer wieder zurückgegriffen wird, nämlich der „Bystander- Effekt“ und die „soziale Identität“. Diese Modelle sollen im Folgenden näher erklärt wer- den.

2.2.1 Der Bystander-Effekt

Als Grundlage der Bystander-Theorie gilt John M. Darleys und Bibb Latanés Forschung von 1968 in diesem Bereich. In ihrer ersten Studie definieren sie den Begriff des „Bystander-Effekts“ indem sie sagen, dass „ die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine belie- bige Person in einer Notsituation hilft, in dem Maße abnimmt, wie die Anzahl der anderen Anwesenden zunimmt“ (Levine& Manning, 2008, S. 367). Als mögliche Ursache für die- ses Phänomen gilt die ‚Verantwortungsdiffusion‘, welche besagt, „dass in Notfällen das Gefühl, für die Hilfe verantwortlich zu sein, bei jedem Zuschauer umso stärker abnimmt, je mehr die Zahl der Zuschauer zunimmt“ (ebd., S. 371).Wenn also mehrere Menschen Zeu- gen einer Notfallsituation wären, würde sich demzufolge niemand aufgefordert fühlen, in das Geschehen einzugreifen, weil genug andere Leute da sind, die auch helfen könnten. Die Kosten, die das Helfen mit sich bringen würde, zum Beispiel die Gefährdung des eige- nen physischen Wohlbefindens oder eine Blamage, werden als Hindernis angesehen, aktiv zu werden. Letztendlich würde dies dazu führen, dass niemand in die Notsituation eingreift (ebd.). Als weiterer Einflussfaktor dafür, ob jemand eingreift oder nicht, gilt die ‚Bewer- tungsangst‘ durch ein Publikum. Durch andere Anwesende wird sich der potentielle Helfer darüber bewusst, dass der Eingriff in die Situation beobachtet wird. „Dies führt zu Stress, der wiederum die individuelle Wahrscheinlichkeit eines Eingriffs senkt, vor allem in un- vertrauten Situationen, in denen sich der individuelle Zuschauer unsicher ist, was er tun soll oder ob sein Eingriffsversuch erfolgreich sein wird“ (ebd.). Der potentielle Helfer macht sich in diesem Fall darüber Gedanken, ob er die Situation vielleicht missinterpretiert hat und würde mit einem Eingreifen riskieren, sich vor den anderen Anwesenden zu bla- mieren (vgl.ebd.).

2.2.2 Soziale Identität

Bisher lag der Fokus auf individuellen Entscheidungsprozessen und Einflussfaktoren. Was Gruppenprozesse angeht, so wurde bisher durch Konzepte wie die ‚Verantwortungsdiffusi- on‘ (vgl. Kap.2.2.1) angenommen, dass diese einen eher negativen Einfluss auf das Helfen in Notsituationen hätten. Mark Levine und Kollegen haben im Bezug auf die soziale Iden- tität und die Gruppenzugehörigkeit als Einflussfaktoren auf das Eingreifen in Notsituatio- nen mit „The implicit identity effect: Identity primes, group size, and helping.“ (2010) ent- scheidende Erkenntnisse herausgearbeitet. Sie sind der Auffassung, dass nicht alleine die Anwesenheit von anderen das Hilfeverhalten beeinflusst, sondern auch die Beziehung zwi- schen den Anwesenden (S.786). Levine, Cassidy und Jentzsch führten hierfür unter ande- rem Experimente durch, die zeigten, dass Menschen eher bereit sind, zu helfen, „wenn sie an der Person, die Hilfe benötigt, bestimmte Anzeichen einer gemeinsamen Gruppenmit- gliedschaft erkennen“ (Levine& Manning, 2008, S. 379). Auch die Beziehung zwischen den Zuschauern hat Levine zufolge einen Einfluss darauf, ob jemand hilft oder nicht.

[...]

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Details

Titel
Hatespeech und Counterspeech im Netz. Hintergründe und Einflussfaktoren
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Soziologie)
Veranstaltung
Hass im Netz. Effekte von (medienbezogenen) Hasskommentaren und Gegenrede im Online-Bereich.
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
16
Katalognummer
V464115
ISBN (eBook)
9783668945449
ISBN (Buch)
9783668945456
Sprache
Deutsch
Schlagworte
hatespeech, counterspeech, netz, hintergründe, einflussfaktoren
Arbeit zitieren
Magdalena Pfitzmaier (Autor:in), 2017, Hatespeech und Counterspeech im Netz. Hintergründe und Einflussfaktoren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/464115

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