Internationalisierungsstrategien in der Automobilzulieferindustrie. Ein Vergleich zwischen europäischen und US-amerikanischen Unternehmen


Diplomarbeit, 2005

98 Seiten, Note: 1.7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise

2 Theoretische Grundlagen der Internationalisierung
2.1 Motive der internationalen Geschäftstätigkeit
2.1.1 Begriff der Internationalisierung
2.1.2 Volkswirtschaftlich orientierte Erklärungsansätze
2.1.3 Betriebswirtschaftlich orientierte Erklärungsansätze
2.1.4 Internationalisierung im Kontext der allgemeinen Unternehmensstrategie
2.1.4.1 Wachstumsstrategien nach Ansoff
2.1.4.2 Wettbewerbsstrategien nach Porter
2.2 Internationalisierungsstrategien
2.2.1 Begriff der Internationalisierungsstrategie
2.2.2 Strategieaufbau und Planung
2.2.2.1 Voraussetzungen für Internationalisierung
2.2.2.2 Entscheidung über Markt- und Standortwahl
2.2.2.3 Wahl einer geeigneten Markteintrittsform
2.2.2.3.1 Ausgestaltungsmöglichkeiten der Markteintrittsform
2.2.2.3.2 Vertretung durch Dritte
2.2.2.3.3 Kooperationen
2.2.2.3.4 Tochtergesellschaften
2.2.2.4 Bestimmung des Markteintrittzeitpunktes

3 Ausgangssituation in der Automobilzulieferindustrie
3.1 Zulieferindustrie als Teil der Automobilindustrie
3.1.1 Grundlagen zum Begriff der Zulieferindustrie
3.1.2 Zulieferer im Wertschöpfungsprozess der Automobilindustrie
3.2 Branchenstrukturanalyse
3.2.1 Five Forces Ansatz von Porter
3.2.1.1 Marktmacht der Abnehmer
3.2.1.1.1 Ausgangssituation der Automobilhersteller
3.2.1.1.2 Strategien der Automobilhersteller
3.2.1.1.3 Maßnahmen zur Finanzierung der Strategien
3.2.1.2 Wettbewerb innerhalb der Zulieferindustrie
3.2.1.2.1 Reorganisation der automobilen Wertschöpfungskette
3.2.1.2.2 Auswirkungen auf die Automobilzulieferindustrie
3.2.1.3 Marktmacht der Lieferanten
3.2.1.4 Neue Wettbewerber
3.2.1.5 Bedrohung durch Substitutprodukte
3.2.2 Zusammenfassung des strukturellen Wandels
3.3 Erfolgsfaktoren und Strategien von Automobilzulieferern

4 Ausgewählte Internationalisierungsstrategien in der Automobilzulieferindustrie .
4.1 Vorgehensweise der Untersuchung
4.2 Teile- und Komponentenhersteller
4.2.1 Schefenacker AG (Europa)
4.2.1.1 Strategische Positionierung
4.2.1.2 Internationalisierungsverhalten
4.2.1.3 Analyse der Internationalisierungsstrategie
4.2.2 Intermet Group (USA)
4.2.2.1 Strategische Positionierung
4.2.2.2 Internationalisierungsverhalten
4.2.2.3 Analyse der Internationalisierungsstrategie
4.2.3 Vergleich der beiden Internationalisierungsstrategien
4.3 Modul- und Systemhersteller
4.3.1 Autoliv Inc. (Europa)
4.3.1.1 Strategische Positionierung
4.3.1.2 Internationalisierungsverhalten
4.3.1.3 Analyse der Internationalisierungsstrategie
4.3.2 Lear Corporation (USA)
4.3.2.1 Strategische Positionierung
4.3.2.2 Internationalisierungsverhalten
4.3.2.3 Analyse der Internationalisierungsstrategie
4.3.3 Vergleich beider Internationalisierungsstrategien

5 Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

Sonstige Quellen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Entscheidungsmatrix zur Wahl der Markteintrittsform

Abb. 2: Branchen-Globalisierungsniveau-Matrix

Abb. 3: Bestimmungsfaktoren nationaler Wettbewerbsvorteile (Portersche Diamant-Ansatz)

Abb. 4: Bestandteile des Wachstums-Vektors (Produkt-Markt-Matrix)

Abb. 5: Wettbewerbsstrategien nach Porter (generic strategies)

Abb. 6: Globalisierungs/Lokalisierungs-Matrix und Strategieempfehlungen

Abb. 7: Dimensionen von Marktattraktivität

Abb. 8: Portfolio-Analyse zur Markt- bzw. Standortwahl

Abb. 9: Markteintrittsformen

Abb. 10: Merkmale zur Abgrenzung des Zulieferbegriffes

Abb. 11: Pyramidenförmige Zulieferstruktur in der Automobilindustrie

Abb. 12: Elemente der Branchenstruktur (Five Forces)

Abb. 13: Wertschöpfungswachstum und -anteile in der Automobilproduktion nach Regionen

Abb. 14: Konzentrationsprozess in der Automobilindustrie

Abb. 15: Regionale Veränderungen in der Wertschöpfung der Automobilproduktion

Abb. 16: Weltweite Top-100 Zulieferumsätze (Vergleich 2002 - 2004)

Abb. 17: Konzentrationsprozess auf Seiten der Zulieferer

Abb. 18: Anteile der Automobilzulieferungen für europäische Hersteller

Abb. 19: Struktureller Wandel in der Automobilindustrie

Abb. 20: Erfolgsfaktoren und strategische Ausrichtung der Automobilzulieferindustrie

Abb. 21: Motive für den Aufbau von Produktionsstätten im Ausland

Abb. 22: Übersicht Schefenacker AG

Abb. 23: Übersicht Intermet Group

Abb. 24: Übersicht Autoliv Inc

Abb. 25: Übersicht Lear Corp

„ Erfolg besteht darin, dass man genau die F ä higkeiten hat, die im Moment gefragt sind. “ (Henry Ford, 1863-1947)

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Die Automobilindustrie wird seit bald 50 Jahren als Paradeindustrie bezeichnet (vgl. Womack/Jones/Roos 1994, 17). Mit aktuell rund 60 Millionen produzierten Fahrzeugen (vgl. VDA 2004, 29) und circa 8,8 Millionen Beschäftigten bei Herstellern und Zulieferern (vgl. Kurek 2004, 9) ist diese eine der bedeutendsten und am stärksten globalisierten Branchen weltweit (vgl. Ernst&Young 2004, 11).

Jedoch sind die Automobilhersteller auf Grund eines sich verlangsamenden Wachstums in den traditionellen, reifen Märkten gezwungen, einerseits neue Kunden durch die Erschließung ausländischer Absatzmärkte zu gewinnen und andererseits produktseitig durch die Besetzung oder Schaffung von Nischensegmenten die bisherigen Marktanteile zu halten bzw. auszuwei- ten (vgl. Mercer 2004b, 1). Dies hat zur Folge, dass der Kostendruck in allen Bereichen der automobilen Wertschöpfungskette zunimmt und somit auch die Automobilzulieferer von den Veränderungen in der Branche betroffen sind. Folglich befindet sich die Automobilzulieferin- dustrie in einer Phase der Neuorientierung (vgl. Dudenhöffer/Havermann/Maukisch et al. 2001, 1).

Es ist aufschlussreich zu beobachten, wie die Zulieferunternehmen ihre Fähigkeiten und Un- ternehmensstrategien den neuen Herausforderungen anpassen, um unter dem Druck der sich verändernden Wettbewerbssituation in einer global agierenden Industrie weiterhin erfolgreich zu sein.

1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise

Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Analyse und der Vergleich von Internationalisierungsstra- tegien US-amerikanischer und europäischer Automobilzulieferer. Dabei soll kritisch unter- sucht werden, welche Rolle die Internationalisierung im Kontext der unterschiedlichen Unter- nehmensstrategien in der Automobilzulieferindustrie einnimmt. In diesem Zusammenhang gilt es zu prüfen, aus welchen Gründen die jeweiligen Automobilzulieferunternehmen interna- tional tätig werden, auf welche Märkte bzw. Standorte sie sich dabei konzentrieren als auch in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt das Auslandsengagement realisiert wird.

Die vorliegende Arbeit besteht aus drei Teilen, wobei sich der erste Teil (Kapitel 2) mit den theoretischen Grundlagen der Internationalisierung befasst. Im zweiten Teil (Kapitel 3) werden die Branchenstruktur der Automobilzulieferindustrie analysiert und im dritten Teil (Kapitel 4) die Internationalisierungsstrategien ausgewählter US-amerikanischer sowie europäischer Automobilzulieferer untersucht.

Kapitel 2 behandelt die theoretischen Grundlagen der Internationalisierung. Dazu werden zu- nächst ausgewählte volks- und betriebswirtschaftliche Konzepte der Internationalisierung vorgestellt (Kapitel 2.1), welche allgemein die Motive für die Aufnahme einer internationalen Geschäftstätigkeit aufzeigen und zur Erklärung des in der Branchenstrukturanalyse aufgezeig- ten Wettbewerbs herangezogen werden können. Im Anschluss daran erfolgt die Einordnung der Internationalisierung in den Kontext der allgemeinen Unternehmensstrategien. Aufbauend auf diesen Grundlagen befasst sich Kapitel 2.2 mit der Entstehung und den Bestandteilen von Internationalisierungsstrategien. Dazu wird die Typologisierung der internationalen Unter- nehmung nach BARTLETT/ GHOSHAL erläutert, die im Sinne eines Erklärungsmodells grundsätzliche Ausprägungen einer internationalen Geschäftstätigkeit aufzeigt. Für die wei- tergehende Analyse von Internationalisierungsstrategien in der Unternehmenspraxis wird an- schließend (Kapitel 2.2.2) ein Entscheidungsmodell vorgestellt, dass sich mit dem Strategie- aufbau sowie der konkreten Planung eines Auslandsengagements auseinandersetzt und für den Vergleich ausgewählter Internationalisierungsstrategien in Kapitel 4 einen Analyserah- men bilden soll.

Im dritten Kapitel wird die Wettbewerbssituation der Zulieferer in der Automobilindustrie untersucht. Dazu erfolgt in Kapitel 3.1 eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Beg- riff der Zulieferindustrie, welche die verschiedenen Merkmale einer inhaltlichen Abgrenzung des Terminus, die Komplexität sowie Interpretationsspielräume aufzeigt. Als Grundlage für die weiteren Ausführungen werden die für Zulieferunternehmen in der Automobilindustrie am häufigsten anzufindenden Ansätze einer Typologisierung vorgestellt. Mittels dieser Klassifi- kation von Automobilzulieferunternehmen wird in Kapitel 3.2 die Struktur der Branche an- hand PORTERs Konzept der „Five Forces“ analysiert. Die Darstellung der verschiedenen Wettbewerbskräfte geht dabei insbesondere auf die Verhandlungsstärke der Abnehmer und die daraus resultierenden Folgen für den Wettbewerb innerhalb der Automobilzulieferindust- rie ein. Im Zuge der Branchenstrukturanalyse werden in Kapitel 3.3 an Hand der Anforderun- gen seitens der Automobilhersteller Erfolgsfaktoren für die Automobilzulieferer herausgear- beitet und zwei unterschiedliche Unternehmensstrategien abgeleitet. Erst die Unterscheidung zwischen diesen beiden strategischen Ausrichtungen ermöglicht eine Gegenüberstellung stra- tegisch ähnlich positionierter Unternehmen und damit den Vergleich der jeweiligen Internati- onalisierungsstrategien.

In Kapitel 4 werden den zwei verschiedenen Unternehmensstrategien jeweils ein USamerikanischer und ein europäischer Automobilzulieferer in Form von Fallstudien zugeordnet. Nach Vorstellung der Tätigkeitsfelder und des Internationalisierungsverhaltens erfolgt an Hand der in Kapitel 2.2.2 vorgestellten theoretischen Erkenntnisse und Vorgehensweisen eine Analyse der jeweiligen Internationalisierungsstrategien, die mit einer vergleichenden kritischen Beurteilung der Automobilzulieferunternehmen abschließt.

Im fünften Kapitel erfolgt abschließend eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der vorliegenden Diplomarbeit.

2 Theoretische Grundlagen der Internationalisierung

2.1 Motive der internationalen Geschäftstätigkeit

2.1.1 Begriff der Internationalisierung

In der Literatur wird der Begriff der Internationalisierung heterogen interpretiert. Die Auffassungen, was Internationalisierung umfasst, gehen dabei weit auseinander. So wird neben Internationalisierung in einem ähnlichen Kontext häufig von Globalisierung gesprochen. Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive stellt Globalisierung jedoch vielmehr eine Steigerung oder weiter reichende Form der Internationalisierungstendenzen dar (Germann/Rürup/Setzer 1996, 20-24; vgl. Engelhard/Dähn 1994, 262). In der vorliegenden Arbeit wird daher der Begriff der Internationalisierung in Bezug auf die betriebswirtschaftliche Ebene verwendet. Neben den sprachlichen beeinflussen zudem die konzeptionellen Unterschiede die Diskussion hinsichtlich einer einheitlichen Definition von Internationalisierung. Die folgenden Ausführungen stellen einen Auszug verschiedener Definitionsansätze dar.

DÜLFER hat ein sehr weites Begriffsverständnis und versteht unter Internationalisierung „je- de Art der Aufnahme erstmaliger oder zusätzlicher grenzüberschreitender Aktivitäten seitens der Unternehmung“ (s. 1982, 50). KUTSCHKER hingegen unterscheidet grundlegend zwei Funktionen. Zum einen sieht er Internationalisierung als ein „Instrument der Unternehmens- entwicklung“, das dazu dient, die gesteckten Unternehmensziele zu erreichen. Zum anderen betrachtet er Internationalisierung als eine Art „Führungskonzeption“ bzw. Unternehmensleit- bild, an Hand derer die unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden. Jedoch gilt für beide Perspektiven, dass die unterschiedlichen Handlungsoptionen je nach Ausmaß des be- reits bestehenden Auslandsengagements variieren (vgl. Kutschker 1997, 47-48). Des Weiteren bezeichnet KRUGMAN das Phänomen, dass die Produktion an unterschiedlichen Standorten nicht von verschiedenen Unternehmen, sondern gezielt über Engagements im Ausland von den gleichen Unternehmen betrieben wird, als Internationalisierung. Dabei richtet er seinen Fokus auf die länderspezifische Verlagerung von produzierenden sowie serviceorientierten Tätigkeiten und beschreibt damit die weltweite Reorganisation der Wertschöpfungsketten (vgl. Krugman 1996, 205-214).

Neben diesen eher prozessualen Sichtweisen der Auslandsaktivität existiert in der Literatur zudem eine institutionelle Herangehensweise. Dabei verknüpft der institutionelle Ansatz die Definition des Begriffs der Internationalisierung mit dem jeweilig betroffenen Unternehmen (so z.B. Fayerweather 1989, Sp. 926-927; Pausenberger 1982, 118-119). Demnach wird ein Unternehmen als international erachtet, wenn es, unabhängig von der jeweiligen Ausprägung der Aktivitäten, im Ausland tätig ist. Obwohl eine solche Betrachtung nicht an Funktionsbereiche geknüpft ist, stellt sich dennoch die Frage, ab welchem Grad des Auslandsengagements ein Unternehmen als international gelten kann (vgl. Perlitz 2004, 9-10).

Trotz vieler Versuche, den Internationalisierungsgrad quantitativ zu messen, ist bisher eine eindeutige und konsistente Festlegung nicht erreicht worden (vgl. Dülfer 2001, 7-8). Zudem erscheint bei punktueller Betrachtung einzelner Abgrenzungskriterien die Gefahr, dass der das ganze Unternehmen betreffende Charakter der Internationalisierung aus dem Blickfeld gerät (vgl. Krystek/Zur 2002, 5). Eine weitere qualitative Abgrenzung des Begriffs orientiert sich an den Unternehmenszielen. Demzufolge gilt ein Unternehmen als international, wenn das Auslandsengagement entscheidend für die strategische Positionierung des Unternehmens ist (vgl. Perlitz 2004, 10). Indem sich gewisse Unternehmensmerkmale ändern, kann dabei die Internationalisierung stufenweise oder abrupt wie etwa durch Fusionen bzw. Akquisitionen verlaufen (vgl. Kutschker 1997, 48-49). Bei Betrachtung der verschiedenen Definitionen kann für alle Ansätze festgestellt werden, dass Internationalisierung grenzüberschreitende unter- nehmerische Aktivitäten umfasst, die jedoch in ihrem Ausmaß stark differieren können (so z.B. Meffert/Bolz 1998, 124). Auf Grund der praxisnahen Themenstellung der vorliegenden Arbeit erscheint diese vereinfachende Formulierung als zweckmäßig.

Im Folgenden sollen nun die verschiedenen Motive für die Aufnahme einer internationalen Geschäftstätigkeit betrachtet werden. Dabei beschränken sich die Ausführungen auf Theorien, welche für die vorliegende Arbeit als relevant und für die Analyse der Situation der Automo- bilindustrie als geeignet erscheinen. Zuerst werden drei Ansätze behandelt, die sich eher volkswirtschaftlich dem Phänomen der Internationalisierung nähern. Im Anschluss daran folgt eine betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise, die sich an den Internationalisierungsüberle- gungen von PORTER orientiert. Eine ausführliche Liste und Darstellung nahezu aller relevan- ten Erklärungsansätze findet sich bspw. bei MACHARZINA (1982, 4-11).

2.1.2 Volkswirtschaftlich orientierte Erklärungsansätze

Die von VERNON stammende Produktlebenszyklustheorie basiert auf der Überlegung, dass sich im Zeitablauf der Unternehmensgeschichte die Investitionsmaßnahmen analog der Stel- lung eines Produktes im Lebenszyklus von einem Außenhandelsverhalten zu Direktinvestitio- nen ändern (vgl. Vernon 1966, 190-207). VERNON unterscheidet dabei zwischen drei Phasen eines internationalen Produktlebenszyklus. In der Phase der Produktinnovation geht er davon aus, dass ein neues Produkt im Innovationsland hergestellt und eingeführt wird. Bei einset- zender Auslandsnachfrage wird das Produkt exportiert. Der Export entspricht dem technologi- schen Lückenhandel (vgl. Hufbauer 1966, 94-109) und setzt sich fort, bis die Imitationslücke geschlossen ist (vgl. Swoboda 2002, 43). In der zweiten Phase erlangt das Produkt an Reife und die zunehmende Nachfrage erlaubt größere Stückzahlen bei sinkenden Preisen für die Abnehmer. Vor dem Hintergrund der steigenden Auslandsnachfrage kalkuliert eine Unter- nehmung, ob ein Produktionsstandort im Ausland günstiger wäre als der bisherige Export (vgl. Stein 1998, 63-64). VERNON identifiziert für diese Phase als weitere potentielle Stand- orte Länder, die eine ähnliche Nachfragestruktur aufweisen wie die Herkunftsnation (vgl. Vernon 1966, 196-198). Die Stagnationsphase stellt schließlich das Ende des Produktlebens- zyklus dar. Dabei geht die Theorie davon aus, dass in den Industrienationen kein Wachstum mehr erreicht werden kann und durch neue Wettbewerber der Kostendruck weiter zunimmt. Aus diesem Grund beginnt die Verlagerung der Fertigung in Entwicklungsländer und es kommt zu einem Export der Entwicklungsländer zurück in das Herkunftsland. Obwohl die Überlegungen VERNONs insbesondere in der Praxis großen Anklang fanden (vgl. Wells 1968, 5), warfen Kritiker der Theorie vor, keine Angaben über die Länge der einzelnen Sta- dien zu machen (vgl. Tesch 1980, 164) und VERNON räumte selbst ein, dass Unternehmen inzwischen über weltweite Netzwerke besser in der Lage sind, gleichzeitig ihre Produkte ein- zuführen (Vernon 1979, 261-267).

Diverse Autoren weisen in ihren Untersuchungen darauf hin, dass viele international tätige Unternehmen auf oligopolistisch strukturierten Märkten agieren. Die daraus entstandene The- orie des oligopolistischen Parallelverhaltens (u.a. Knickerbocker 1973) zeigt, dass demnach die Branchenstruktur im Inland sowie auf internationaler Ebene das Investitionsverhalten ei- ner Unternehmung prägen (vgl. Kutschker/Schmid 2005, 410). Diese Erklärung der Investiti- onen basiert auf der Annahme einer Störung des oligopolistischen Gleichgewichts durch ein Auslandsengagement eines Wettbewerbers und geht davon aus, dass die restliche Konkurrenz einer Branche gezwungen ist, ebenfalls Direktinvestitionen in fremden Märkten vorzunehmen (vgl. Knickerbocker 1973, 6-7). In diesem Zusammenhang wird zwischen zwei Verhaltens- formen unterschieden. Beim „Follow-the-Leader-Verhalten“ erfolgen die Investitionen der Wettbewerber in dem Land, in dem auch der Erstinvestor aktiv ist. Demgegenüber wird beim „Cross-Investment-Verhalten“ das inländische oligopolistische Gleichgewicht durch das En- gagement eines ausländischen Konkurrenten im Markt gestört. Als Folge darauf tätigen die einheimischen Anbieter zu Gunsten eines internationalen Gleichgewichts Gegeninvestitionen im Land des Erstinvestors. In beiden Fällen dominiert ein defensives Motiv zur Sicherung der bisher erlangten Positionierung im Markt (vgl. Braun 1988, 148-149). KNICKERBOCKER untersuchte die These des „Follow-the-Leader-Verhaltens“ an Hand einer empirischen Studie mit 187 US-amerikanischen Unternehmen aus oligopolistisch strukturierten Branchen und stellte fest, dass sich diese gemäß der oben dargestellten Produktlebenszyklustheorie verhiel- ten und mehr oder weniger konzentriert - innerhalb von fünf Jahren 62% der Firmen eines Industriezweiges - in ausländische Märkte investierten (vgl. Knickerbocker 1973, 47-49). Damit scheint die Vermutung, dass die „Follower“ versuchen, den Leader einzuholen, belegt. Im Gegensatz dazu konnte GRAHAM (1978, 82-89), der das „Cross-Investment-Verhalten“ ebenfalls empirisch untersucht hat, keinen eindeutigen Nachweis für diese Theorie erbringen. Letztendlich bleibt festzustellen, dass die oligopolistischen Reaktionsmotive schwer zu bele- gen sind, ein Parallelverhalten von Akteuren eines Industriezweiges jedoch eindeutig zu beo- bachten ist (vgl. Kutschker/Schmid 2005, 413-414).

Der eklektische Ansatz von DUNNING (1973, 289-335) beschäftigt sich nicht nur mit den Motiven der Internationalisierung, sondern rückt die Frage in den Vordergrund, wann bzw. unter welchen Bedingungen welche Markteintrittsformen vorteilhaft sind und versucht damit die Internationalisierung umfassender zu behandeln als andere Erklärungen. Entsprechend der Bedeutung des Begriffes „eklektisch“, greift DUNNING dazu auf verschiedene Ansätze wie die Theorie des monopolitischen Vorteils, die Standort- sowie die Internalisierungstheorie zurück (vgl. Stein 1998, 140-141). Daher wird die auch als „eklektisches Paradigma“ be- zeichnete Theorie zu den integrativen Ansätzen zur Begründung der Internationalisierung gezählt (vgl. Kutschker/Schmid 2005, 452). Laut DUNNINGs Überlegungen hängt die Inter- nationalisierung von drei Faktoren ab: den Eigentums- und Wettbewerbsvorteilen (ownership- advantages), den Standort- (location-specific-advantages) sowie den Internalisierungsvortei- len (internalisation-advantages). Die Eigentums- und Wettbewerbsvorteile stellen dabei Aus- gangspunkt und Voraussetzung für die Internationalisierung dar. Ferner wird je nach Grad der Internalisierung betrieblicher Aktivitäten, also im Sinne einer „Übertragung transaktionskos- tentheoretischer Überlegungen auf die internationale Unternehmenstätigkeit“ (s. Kutsch- ker/Schmid 2005, 445), die Entscheidung hinsichtlich des Exports getroffen. Liegen demnach Internalisierungsvorteile vor, kann ein Unternehmen gewisse Tätigkeiten besser umsetzen als vertragliche Partner im Ausland. Sollte jedoch ein ausländischer Standort Vorteile bspw. hin- sichtlich der Faktor- und Transportkosten oder Infrastrukturbedingungen bieten, kommt es zu Direktinvestitionen. Abb. 1 verdeutlicht den Zusammenhang der drei genannten Faktoren und der nach DUNNING empfohlenen Markteintrittsformen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Entscheidungsmatrix zur Wahl der Markteintrittsform

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Müller/Kornmeier 2002, S. 278

Obwohl die Theorie DUNNINGs von einigen Autoren als Verlegenheitslösung (vgl. Macharzina/Engelhard 1991, 25-28) oder unpräzise (vgl. Braun 1988, 329) kritisiert wird, fasst sie dennoch drei Erklärungsansätze zusammen und unternimmt den Versuch die volks- sowie betriebswirtschaftliche Sichtweise zu vereinen. Damit hilft der integrative Charakter dieser Theorie, das Internationalisierungsverhalten besser zu verstehen, auch wenn in der Unternehmenspraxis eine konkrete Analyse notwendig ist, welche über die drei relativ allgemein formulierten Erklärungsvariablen hinausgeht (vgl. Perlitz 2004, 112).

2.1.3 Betriebswirtschaftlich orientierte Erklärungsansätze

Während im Rahmen der volkswirtschaftlichen Konzepte überwiegend das „Warum“ der Internationalisierung im Vordergrund steht, wird innerhalb der betriebswirtschaftlichen Erklärungsansätze insbesondere die Frage des „Wie“ der Internationalisierung behandelt. Dazu werden zuerst zwei Konzepte PORTERs vorgestellt, die sich mit dem Motiv der Optimierung eines weltweiten Verbundsystems innerhalb einer global agierenden Branche sowie der Frage nach der Bildung von Branchenclustern und deren Standorten befassen.

Im Rahmen des Globalisierungskonzepts differenziert PORTER zwischen länderspezifischen und globalen Branchen. Diese Unterscheidung ist abhängig davon, ob die Wettbewerbsposition von Unternehmen in einem Land auch abhängig von der Stellung in weiteren Ländern ist (globale Branche). Ist dies nicht der Fall, kann diese Industrie als landesspezifisch erachtet werden (vgl. Porter 1989, 20).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Branchen-Globalisierungsniveau-Matrix Quelle: Rall 1986, S. 160

Jedoch erhöht sich durch eine zunehmende Globalisierung der Märkte der Druck für die Un- ternehmen, sich aktiv international auszurichten (vgl. Carl 1989, 46-47). In diesem Zuge ist es für die Unternehmen aus globalen Branchen unumgänglich, eine Internationalisierungsstrate- gie zu entwerfen, bei der die Wettbewerbsvorteile aus einem integrierten weltweiten Ver- bundsystem unternehmerischer Tätigkeitsfelder entstehen (vgl. Porter 1989, 21). Dafür unter- scheidet PORTER die betrieblichen Funktionsbereiche in Primäraktivitäten wie Logistik, Pro- duktion, Marketing sowie Verkauf und flankierende Maßnahmen, die Funktionen wie Be- schaffung, Technologieentwicklung, Personalwirtschaft sowie Unternehmensinfrastruktur umfassen (vgl. Porter 1985, 59-61). Im Rahmen einer Internationalisierungsstrategie ent- scheidet die Unternehmensleitung, inwieweit die verschiedenen Bereiche der Wertschöp- fungskette auf unterschiedliche Länder verteilt werden. Die nachgelagerten primären Aktivi- täten sollten grundsätzlich in dem Zielmarkt nahen Regionen angesiedelt sein, um die länder- spezifischen Anforderungen berücksichtigen zu können (vgl. Meckl/Rosenberg 1995, 215). Dagegen sind die flankierenden Maßnahmen sowie die vorgelagerten primären Aktivitäten nicht an den Standort der Abnehmer gebunden. Demzufolge sollte vor dem Hintergrund eines optimierten weltweiten Verbundsystems für diese Aktivitäten ein geeigneter Standort gefun- den werden (vgl. Porter 1989, 25). Zudem ist die Wertschöpfungskette einer Unternehmung nicht isoliert zu betrachten, sondern im Sinne einer Prozessorientierung mit denen vor- und nachgelagerter Unternehmen zu verknüpfen (vgl. Zentes 1995, 15).

Einen weiteren Ansatz, das Internationalisierungsverhalten von Unternehmen zu erklären, stellt der so genannte Diamant-Ansatz von PORTER dar (1999a, 96-154). Dabei wechselt PORTER im Vergleich zum zuvor dargestellten Modell die Perspektive und konzentriert sich nicht auf die Internationalisierungsstrategien an sich, sondern betrachtet vielmehr die Um- welteinflüsse, die auf diese einwirken (vgl. Zobel 1996, 64). Ausgangspunkt PORTERs Über- legungen sind folglich die Rahmenbedingungen und landesspezifischen Voraussetzungen von Nationen, die zu Wettbewerbsvorteilen für Unternehmen bzw. Branchen führen und damit die Strategie sowie die Voraussetzungen für eine Internationalisierung beeinflussen. Wettbe- werbsvorteile definiert PORTER in diesem Zusammenhang als Vorteile, die es einem Land ermöglichen, innerhalb einer bestimmten Branche weltweit wettbewerbsfähig zu sein (vgl. Porter 1999a, 93). So betont er, dass man nicht von der Wettbewerbsfähigkeit einer gesamten Volkswirtschaft sprechen könne, da diese lediglich das Ergebnis einzelner konkurrenzfähiger Unternehmen bzw. Branchen sei. Demnach setzt die Theorie auf einem niedrigeren Aggrega- tionsniveau an als die klassischen Theorien der Internationalisierung (vgl. Perlitz 2004, 135). Eine empirische Untersuchung PORTERs konzentrierte sich gemäß seiner Annahme nicht darauf, warum ausschließlich in einem Land operierende Unternehmen international erfolg- reich sind, sondern warum ein bestimmtes Land ein mehr oder weniger geeigneter Standort zu sein scheint. Die Untersuchungen ergaben, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Branche abhängig von insgesamt sechs Landesspezifika ist, die er in dem so genannten „Dia- manten“ zusammenfasst.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Bestimmungsfaktoren nationaler Wettbewerbsvorteile (Portersche Diamant-Ansatz) Quelle: Porter 1999a, S. 151

Wie in Abb. 3 zu erkennen ist, besteht der Diamant aus vier Haupt- und zwei Nebenelemen- ten, die sich wechselseitig verstärken und folglich nicht unabhängig von einander betrachtet werden können (vgl. Perlitz 2004, 141). Die Faktorbedingungen setzen sich aus klassischen, quantitativen Produktionsfaktoren wie Arbeit, Boden und Kapital zusammen. Außerdem hebt PORTER die Bedeutung einer qualitativen Ausstattung wie die Qualifikation der Arbeitskräf- te hervor. Jedoch weist er daraufhin, dass anstatt der Bereitstellung vielmehr die effiziente Nutzung von Produktionsfaktoren im Vordergrund der Betrachtung steht (vgl. Porter 1998, 78). Bei der Analyse der Nachfragebedingungen ist die Marktgröße sowie die Zusammen- setzung und Qualität der Inlandsnachfrage zu untersuchen. Insbesondere der Umfang und das Wachstum des Abnehmerverhaltens prägen Tempo und Art der Verbesserungen bzw. der In- novationen (vgl. Porter 1999a, 109). Laut PORTER ist die Wettbewerbsfähigkeit einer Unter- nehmung nie isoliert zu betrachten, so dass der Einfluss der verwandten und unterstützen- den Branchen Beachtung finden muss (vgl. Kutschker/Schmid 2005, 442). So spielen die „upstream“ (vorgelagerten) oder die „downstream“ (nachgelagerten) Branchen für die Beur- teilung der Wettbewerbsfähigkeit einer Industrie eine bedeutende Rolle. Gerade im „upstream“-Bereich ist bspw. die Zulieferbranche für eine erfolgreiche Zusammenarbeit von besonderer Bedeutung, da eine permanente Interaktion Produkt- oder Prozessverbesserung auslösen kann sowie durch ein übergreifendes Qualitätsmanagement spätere Mängel und Kos- ten vermieden werden können (vgl. Kutschker/Schmid 2005, 442). Durch das Zusammenspiel der verwandten und unterstützenden Branchen entstehen nach PORTER Unternehmensc- luster. Solche Anhäufungen können sich in Städten, Regionen oder Ländern bilden und wir- ken sich positiv auf die übrigen Elemente des Diamanten aus (vgl. Perlitz 2004, 139). MECKL/ROSENBERG bezeichnen auf Grund der umfassenderen Koordination mit vor- und nachgelagerten Stufen den Cluster als „eine erweiterte Wertkette“ (1995, 221). Als viertes Hauptelement bestimmen Unternehmensstrategie, Struktur und Wettbewerb die internati- onale Wettbewerbsfähigkeit einer Branche. Dies umfasst die Voraussetzungen, die bestim- men, wie Firmen gegründet, strukturiert und geleitet werden sowie die Zusammensetzung der inländischen Konkurrenten (vgl. Porter 1999a, 96). Demzufolge stellen die ersten drei Län- derspezifika eine Art Basis dar, jedoch erklärt sich die Wettbewerbsfähigkeit einer Branche erst im Zusammenspiel mit der Reaktion durch die Strategien konkurrierender und die Struk- tur privater oder staatlicher Unternehmen (vgl. Perlitz 2004, 135). Neben den Hauptelementen existieren zum einen die Rolle des Staates und zum anderen der Zufall als Nebenelement. Da der Staat die genannten Einflussfaktoren des Diamanten durch Gesetzgebung oder politisch motivierte Maßnahmen wie Subventionen sowohl positiv als auch negativ beeinflussen kann, kommt ihm eine zentrale Bedeutung bei der Förderung oder Behinderung nationaler Wettbe- werbsvorteile zu (vgl. Perlitz 2004, 140-141). Trotz aller Versuche die strategische Bedeutung einer Branche systematisch und objektiv zu untersuchen, nennt PORTER als weitere Variable den Zufall, der sich einem Einfluss nahezu gänzlich entzieht, jedoch entscheidende Veränderungen der Wettbewerbsposition hervorrufen kann. Dazu gehören z.B. der technologische Wandel, bedeutende Verschiebungen auf den Finanzmärkten der Welt sowie politische oder militärische Auseinandersetzungen (vgl. Porter 1999a, 148-150).

Im Rahmen der internationalen Geschäftstätigkeit zeigt der Diamant-Ansatz geeignete Stand- orte für bestimmte Branchen auf und unterstützt damit die Entscheidung bestimmte unter- nehmerische Aktivitäten in solche Länder zu verlegen (vgl. Perlitz 2004, 147). PORTER deu- tet allerdings an, dass Länder mit Wettbewerbsvorteilen, die lediglich auf ein oder zwei Ele- menten des Diamanten beruhen, weltweit nicht langfristig konkurrenzfähig sind (vgl. Perlitz 2004, 141). So sind Wettbewerbsvorteile, die bspw. auf Ressourcen wie günstigen Arbeits- kosten basieren, höchstens kurzfristig Erfolg versprechend und folglich aus strategischer Per- spektive für Unternehmen nur eingeschränkt geeignet. Obwohl einige Kritiker PORTER ent- gegnen, dass sein Diamant-Ansatz lediglich bestehende Theorien zusammenfügt, geht der Ansatz weiter als die bekannten Standortfragen der Internationalisierung, indem er die Bedeu- tung und das Zusammenspiel verschiedener Einflussfaktoren für den Erfolg eines Branchen- standortes darstellt und somit dessen internationale Konkurrenzfähigkeit in Zusammenhang mit den nationalen Wettbewerbsvorteilen setzt (vgl. Meckl/Rosenberg 1995, 221; Kutsch- ker/Schmid 2005, 444). PORTER räumt jedoch ein, dass seine Überlegung, Wettbewerbsvor- teile mittels lokaler und regionaler Cluster zu erklären, vor dem Hintergrund einer globalisier- enden Wirtschaft manchen Unternehmen geradezu paradox erscheinen müsse (1998, 77).

2.1.4 Internationalisierung im Kontext der allgemeinen Unternehmensstrategie

2.1.4.1 Wachstumsstrategien nach Ansoff

In der wissenschaftlichen Literatur als auch in praxisnahen Arbeiten findet sich eine Vielzahl von Autoren, die sich mit der Entstehung von Unternehmensstrategien befassen. Je nach Aus- prägung von Wettbewerbsvorteilen und Unternehmenszielen, werden dabei strategische Grundmuster aufgezeigt, die aus „in sich konsistente(n) Kombinationen von Erklärungs- und Entscheidungsvariablen“ bestehen (vgl. Perlitz 2004, 35). Im Folgenden werden zwei der re- nommiertesten strategischen Denkmodelle vorgestellt. Diese befassen sich nicht explizit mit der Entwicklung von Internationalisierungsstrategien, jedoch werden die dort formulierten strategischen Zielsetzungen durch den Auf- bzw. Ausbau der internationalen Tätigkeit geför- dert. So kann die Internationalisierung als eine Maßnahme im Rahmen der Unternehmensstrategie identifiziert werden. WINKELMANN schreibt ihr aus diesem Grund einen eher „instrumentellen Charakter“ zu (vgl. Winkelmann 1997, 109). Nach ANSOFF legen die Strategie und Ziele das Feld der unternehmerischen Betätigung fest und bestimmen das jeweilige Ausmaß sowie die zukünftige Entwicklung. Dabei helfen sie dem Management bei der Formulierung von Entscheidungen und Planung von Maßnahmen (vgl. Ansoff 1966, 132-136). Ein von ANSOFF als Wachstumsvektor bezeichnetes Modell zeigt dabei Produkt-Markt-Strategien als Wachstumsalternativen auf (1957, 114). Diese grundsätzlichen Optionen sind in einer Matrix durch vier verschiedene Produkt-Markt- Kombinationen dargestellt, welche die absatzorientierte Stoßrichtung vorgeben. Die Festle- gung hinsichtlich der zu wählenden Marktfelder stellt eine Basis für alle weiter gehenden stra- tegischen Entscheidungen dar (vgl. Becker 2002, 148). Die ursprüngliche ANSOFF-Matrix wird von einigen Autoren dahingehend erweitert bzw. umgeformt, dass anstatt, bei den Märk- ten zwischen „gegenwärtig“ und „neu“ zu unterscheiden, zwischen In- und Ausland differen- ziert wird. Auf diese Weise wird im Hinblick auf die Bedeutung der Internationalisierung im Kontext der Unternehmensstrategie auch durch eine räumliche Abgrenzung (national/ interna- tional) konkret Bezug genommen (stellvertretend Jacobs 1992, 8).

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Abb. 4: Bestandteile des Wachstums-Vektors (Produkt-Markt-Matrix) Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Ansoff 1966, S. 132

Die Wachstumsstrategie der Marktdurchdringung (oder auch Marktpenetration) hat zum Ziel, den Geschäftserfolg durch eine Steigerung der Umsätze bei vorhandenen Kunden zu maximieren bzw. mit den gegebenen Produkten im selben Markt neue Kunden zu gewinnen. Die Möglichkeiten einer Marktdurchdringung liegen darin, entweder die Verwendungsrate bei vorhandenen Kunden zu erhöhen, Kunden von der Konkurrenz zu gewinnen oder neue Kunden zu erschließen (vgl. Kotler/Bliemel 2001, 127).

Bei der Marktentwicklung entscheidet sich ein Unternehmen, für vorhandene Produkte neue Märkte zu finden bzw. zu entwickeln. Damit wird versucht, bisherige Marktgrenzen für be- stehende Produkte aufzubrechen und neue Absatzpotentiale zu erschließen. Neben der Schlie- ßung bisheriger Lücken in den existierenden Absatzgebieten wie bspw. durch die Einführung neuer Distributionskanäle werden insbesondere durch geringfügige Anpassungen der Pro- dukteigenschaften neue Anwendungsbereiche sowie Einsatzfelder geschaffen und zusätzliche Märkte erschlossen (vgl. Becker 2002, 153). Ferner ermöglicht die Realisierung des Syner- giepotentials bei der Erschließung neuer Märkte mit existierenden Produkten bei steigenden „economies-of-scale“ eine Senkung der Kosten (vgl. Aaker 1995, 249). Die systematische Marktentwicklung stellt demnach vor allem für solche Unternehmen eine Wachstumsstrategie dar, die auf den traditionellen Märkten keine Möglichkeit haben, die eigenen Marktanteile weiter auszubauen bzw. die auf Grund des fortgeschrittenen Produktlebenszyklus mit Nach- fragerückgängen konfrontiert sind (vgl. Baker 1992, 117). Vor diesem Hintergrund stellt die Variante der Marktentwicklung mit der Erschließung ausländischer Märkte eine Form der strategischen Internationalisierung dar (vgl. Jacobs 1992, 8).

Die Entwicklung neuer Erzeugnisse für bestehende Märkte ist der Ausgangspunkt für die Strategie der Produktentwicklung. Dabei berücksichtigt die Produktentwicklungsstrategie den Lebenszyklus der jeweiligen Erzeugnisse auf dem entsprechenden Markt (vgl. Han- sen/Henning-Thurau/Schrader 2001, 110-112). Die betroffenen Unternehmen sind demzufol- ge bestrebt, Produkte in der Sättigungsphase durch neu- bzw. andersartige Produkte zu erset- zen und ein dementsprechend ausgeglichenes Produktportfolio anbieten zu können. In gesät- tigten Märkten mit zunehmendem Verdrängungswettbewerb sowie sich verkürzenden Pro- duktlebenszyklen ist eine innovative Produktpolitik unerlässlich, um den Ansprüchen der Kunden nach komplexer werdenden Problemlösungen zu entsprechen. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die im Rahmen ihrer Zielfestlegung eine Entscheidung zu Gunsten eines hohen Innovationsgrades und einer verstärkten Kundenorientierung getroffen haben (vgl. Be- cker 2002, 156-158).

Auf Grund zum Teil schwach wachsender oder stagnierender Märkte und des dadurch beding- ten intensiveren Wettbewerbs um Marktanteile sind Unternehmen häufig gezwungen, zu di- versifizieren (vgl. Becker 2002, 164). Wohingegen jedoch die drei zuvor behandelten Wachs- tumsstrategien eng miteinander verbunden sind, da sie auf ähnlichen technischen, finanziellen sowie distributiven Grundlagen beruhen, bedarf es bei der Strategie der Diversifikation neuer Fertigkeiten und Ansätze, damit sich die Unternehmen von den bereits existierenden Produk- ten und Märkten lösen können (vgl. Ansoff 1957, 114). Demzufolge ist es das Ziel der Unter- nehmen, die Geschäftstätigkeit auf eine breitere Basis zu stellen und damit das unternehmeri- sche Risiko weiter zu streuen (vgl. Jacobs 1992, 6). Innerhalb der Diversifikation wird zwi- schen drei Ausprägungen unterschieden. Im Rahmen der vertikalen Diversifikation treten Un- ternehmen in Märkte ein, die innerhalb der Wertschöpfungskette vor- oder nachgelagert sind. Die horizontale Diversifikation konzentriert sich dagegen auf Märkte der gleichen Wertschöp- fungsebene und zielt somit auf Produkte, bei denen es ähnlicher Voraussetzungen bedarf wie bei den bisherigen. In keinerlei Verbindung zur Wertschöpfungsstufe steht die laterale Diver- sifikation. In diesem Fall sind das bisherige Produkt- und Marktumfeld völlig losgelöst von dem neuen (vgl. Ansoff 1957, 118).

Jede der dargestellten Markt-Produktkombinationen zeigt eine Möglichkeit für Unternehmen, zukünftiges Wachstum zu generieren. Jedoch verfolgen Unternehmen in der Realität normalerweise mehrere dieser Optionen gleichzeitig. Demnach schließen sich die Alternativen nicht gegenseitig aus, sondern komplettieren in ihrer Zusammenstellung häufig das Markt-Produkt- Portfolio (vgl. Becker 2000, 12-20).

2.1.4.2 Wettbewerbsstrategien nach Porter

Die Positionierung in einer Industrie bestimmt die Profitabilität einer Unternehmung (vgl. Porter 1985, 11). Für eine langfristige positive Entwicklung ist eine nachhaltige und eindeuti- ge, strategische Positionierung notwendig. Die dazu von PORTER Anfang der 1980er Jahre vorgestellten so genannten „generic strategies“ unterscheiden zwischen zwei strategischen Vorteilen, die sich entweder aus der Kosten- oder der Leistungssituation ergeben. Demnach trifft eine Unternehmung die grundsätzliche Entscheidung, ob sie am Markt als Kosten- oder Qualitätsführer auftreten möchte (vgl. Porter 1980, 35). Mit der Konzentration auf lediglich einen Teilmarkt oder der Abdeckung des Gesamtmarktes ergibt sich die in Abb. 5 dargestellte Wettbewerbsmatrix.

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Abb. 5: Wettbewerbsstrategien nach Porter (generic strategies) Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Porter 1985, S. 12

Die Kernidee der Kostenführerschaft auf dem Gesamtmarkt besteht darin, dass durch die strikte Kostenorientierung einer Unternehmung ein Vorsprung gegenüber der Konkurrenz erreicht werden kann. Die Kostenführerschaft beruht auf Kostensenkungsmaßnahmen durch den Aufbau von Produktionsanlagen, die in ihrer Größe eine effiziente Fertigung erlauben, sowie durch die Realisierung von erfahrungsbedingten Kostensenkungspotentialen (vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002, 192). Zudem verzichtet eine solche Positionierung auf Bereiche wie Forschung und Entwicklung, eine ausgeprägte Serviceorientierung oder den Aufbau eines starken Markenimages bspw. durch intensive Werbung (vgl. Porter 1999b, 71). Die größten Risiken der Kostenführerschaft stellen Preissteigerungen bei Rohstoffen oder sich schnell verändernde Technologien dar, die erlangte Erfahrungskurveneffekte zunichte machen können (vgl. Porter 1999b, 83).

Der zweite Strategietyp der Qualitätsführerschaft (vgl. Meffert 2000, 270) zeichnet sich durch differenzierte Produkte oder Dienstleistungen aus, die in der gesamten Branche als ein- zigartig erachtet werden (vgl. Porter 1999b, 73). Diese Wahrnehmung ermöglicht es einer Unternehmung, höhere Preise durchsetzen zu können. Obwohl PORTER betont, die Kosten- seite dennoch berücksichtigen zu müssen, nimmt sie im Zuge der Qualitätsführerschaft keine beherrschende Stellung ein (1999b, 74). Vielmehr sind Erfolgsfaktoren wie Qualität, Marken- image, Service, Forschung und Entwicklung sowie hoch qualifizierte Arbeitskräfte entschei- dend. Die Strategie birgt jedoch die Gefahr, dass sich das Konsumentenverhalten ändert und bspw. der Bedarf nach differenzierten Leistungen abnimmt, oder dass Konkurrenten die Pro- dukte nachahmen und der Leistungsunterschied sinkt (vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002, 193).

Die dritte Strategie stellt die Konzentration auf Schwerpunkte dar (vgl. Porter 1999b, 75). Diese Ausrichtung unterscheidet sich von den zuvor genannten durch ihren Fokus auf einen Teilmarkt. Demnach besitzt eine Unternehmung einen strategischen Wettbewerbsvorteil, der sich lediglich auf ein Segment bzw. eine Nische beschränkt. Bei der Umsetzung der Strategie können die Kosten im Mittelpunkt stehen (3A) oder es kann eine Bearbeitung der Nische über eine gezielte Differenzierung erfolgen (3B) (vgl. Kotler/Bliemel 2001, 139). Die Kernidee ist, dass eine Unternehmung ein eng abgegrenztes Gebiet effektiver bearbeiten kann als Konkur- renten, die im Wettbewerb auf dem Gesamtmarkt agieren. Allerdings bedeutet genau diese Fokussierung der Strategie ein großes Risiko, da sich die unterschiedlichen Präferenzen zwi- schen Teil- und Gesamtmarkt angleichen können oder die Rentabilität bei der Bedienung ei- ner Nische langfristig nicht gesichert ist (vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002, 193).

Das Branchenumfeld und die grundsätzliche strategische Ausrichtung haben wie in Kapitel 2.1.3 dargestellt Auswirkungen auf das Internationalisierungsverhalten einer Unternehmung. Im Kontext der „generic strategies“ kann die Beschränkung auf einen Teilmarkt oder eine Nische bedeuten, dass es für eine Unternehmung nicht unbedingt zwingend ist, international tätig zu werden. Sobald jedoch die Unternehmensstrategie auf die Bedienung eines Gesamt- marktes zielt, ist es auf Grund globalisierter Märkte und damit internationaler Konkurrenz langfristig nicht möglich, sich auf nationale Aktivitäten zu beschränken (vgl. Kutsch- ker/Schmid 2005, 153-169; Porter 1989, 50-53). Die Internationalisierung gewinnt insbeson- dere bei der Strategie der Kostenführerschaft oder Differenzierung auf einem Gesamtmarkt an Bedeutung, so dass einzelne Bereiche der Wertkette einer Unternehmung zunehmend global ausgerichtet werden müssen.

2.2 Internationalisierungsstrategien

2.2.1 Begriff der Internationalisierungsstrategie

Ähnlich den Schwierigkeiten bei der begrifflichen Bestimmung der Internationalisierung exis- tieren auch bei der Definition des Begriffs der Internationalisierungsstrategie unterschiedliche Ansätze (vgl. Kutschker 1997, 49). Dabei beschäftigen sich die meisten Beiträge nicht umfas- send mit der Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit, sondern betrachten die Interna- tionalisierungsstrategien lediglich aus einem bestimmten Blickwinkel wie bspw. der Auswahl von Ländermärkten und den Formen des Markteintritts (vgl. z.B.Kulhavy 1989). Die vorlie- gende Arbeit orientiert sich an der Definition von PERLITZ, nach dem eine Internationalisie- rungsstrategie „die Entwicklung einer grundsätzlichen, länderübergreifenden Handlungskon- zeption, die auf Wettbewerbsvorteilen aufbaut, die für die Auslandsaktivitäten des Unternehmens notwendig oder nützlich sind“, ist (s. Perlitz 2004, 64). Hinsichtlich einer standardisierten Internationalisierungsstrategie stellt PERLITZ jedoch fest, dass die vielfältigen Theorien lediglich „Erklärungsmodelle“ darstellen und in der Unternehmenspraxis nur bedingt als „Entscheidungsmodelle“ herangezogen werden können, da sie nur vereinzelt konkrete Anhaltspunkte für Markteintritts- und -bearbeitungsstrategien im Ausland oder Strategien für betriebliche Teilbereiche beinhalten (vgl. dazu auch Carl 1989, 47).

Als Erklärungsmodell wird im Folgenden die in der Literatur weit verbreitete Typologisie- rung für international tätige Unternehmen von BARTLETT/GHOSHAL vorgestellt, da sie einerseits eine einheitliche Begriffsterminologie ermöglicht und andererseits ähnlich POR- TER (s. Kapitel 2.1.3) durch die Hervorhebung der Branchenbedeutung für die vorliegende Arbeit als inhaltlich geeignet erscheint. Die Typologisierung BARTLETT/GHOSHALs rich- tet den Fokus auf die strategische Ausrichtung einer Unternehmung (vgl. Kutschker/Schmid 2005, 293) und zielt nicht wie die Führungskonzeption PERLMUTTERs auf die Unterschiede in den (persönlichen) Einstellungen der Unternehmensführung (vgl. Heenan/Perlmutter 1979, 18-19). Die Autoren argumentieren, dass es internationale, multinationale, globale und trans- nationale Branchen gibt und demzufolge die strategische Ausrichtung nicht unabhängig von der jeweiligen Industrie gewählt werden kann, sondern genau diese über die Internationalisie- rungsstrategie der Unternehmen entscheidet (s. auch Abb. 2).

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Abb. 6: Globalisierungs/Lokalisierungs-Matrix und Strategieempfehlungen Quelle: Scherm/Süß 2001, S. 130

Abb. 6 zeigt die vier Internationalisierungsstrategien nach BARTLETT/GHOSHAL. Im Folgenden werden die verschiedenen Ausrichtungen kurz vorgestellt. Eine ausführliche Gegenüberstellung der Strategien findet sich bei KUTSCHKER/SCHMID (2005, 292).

Dabei sind internationale Unternehmungen dadurch gekennzeichnet, dass die Strategien der Muttergesellschaft auf die ausländischen Tochtergesellschaften übertragen und demzufolge die Entscheidungen zentral getroffen werden (vgl. Bamberger/Wrona 2003, 76). Diese Orien- tierung basiert auf den Annahmen des klassischen Produktlebenszyklusmodells (s. Kapitel 1.1.2), so dass die Erzeugnisse erst sukzessive auf ausländische Märkte übertragen werden (vgl. Kutschker/Schmid 2005, 290). Jedoch tritt der Typus der internationalen Unternehmung auf Grund der Vernachlässigung des Auslandspotentials im Zuge der Globalisierung der Branchen zunehmend in den Hintergrund (vgl. Welge/Holtbrügge 2003, 129). Diese Vorge- hensweise wird in der Literatur auch als Exportstrategie bezeichnet (vgl. Meffert/Bolz 1998, 61).

Die multinationale Unternehmung besteht aus einem Portfolio nationaler, überwiegend un- abhängiger Geschäftseinheiten. Die ausländischen Niederlassungen der Muttergesellschaft agieren dementsprechend als einheimische Akteure auf den jeweiligen Märkten und können durch eine starke Präsenz vor Ort auf die nationalen Unterschiede eingehen und eine spezifi- sche Wahrnehmung der Unternehmen ausbauen (vgl. Welge/Holtbrügge 2003, 129). Die Si- cherung des Unternehmenserfolges ist damit durch Aktivitäten auf einer Vielzahl von Märk- ten gestützt (vgl. Zentes/Swoboda/Morschett 2004, 7). Jedoch entsteht durch diese nationale oder sogar regionale Anpassung ein Verlust an Effizienz in der Produktions- und Distributi- onsinfrastruktur (vgl.Bartlett/Ghoshal/Birkinshaw 2004, 11). Diese Vorgehensweise wird in der Literatur auch als Strategie der nationalen Anpassung bezeichnet (vgl. Scholl 1989, Sp. 992).

Durch die Integration aller unternehmerischen Tätigkeitsfelder und einzelner nationaler Ge- sellschaften wird die globale Unternehmung als ein zusammenhängendes Gesamtsystem betrachtet (vgl. Zentes/Swoboda/Morschett 2004, 7). Zur Realisierung der Synergien zwi- schen den Geschäftseinheiten erfolgen eine Zentralisierung der unternehmerischen Beschlüsse sowie eine Ausrichtung der übergreifenden Firmenstrategie am Weltmarkt und damit eine „Standardisierung von Strukturen, Systemen, Prozessen und Ressourcen“ (vgl. Wel- ge/Holtbrügge 2003, 130). Dieser Orientierung liegt die Annahme zu Grunde, dass sich die jeweiligen nationalen Anforderungen eher ähneln, als dass sie unterschiedlich sind (vgl. Bart- lett/Ghoshal/Birkinshaw 2004, 11). Empirische Analysen zeigen jedoch, dass globale Unter- nehmen auf der Ebene der Tochtergesellschaften ein tendenziell relativ geringes Effizienzniveau erreichen (vgl. Welge 1982, 187).

Letztlich beschreibt der Begriff der transnationalen Unternehmung eine Art Idealzustand (vgl. Kutschker/Schmid 2005, 296). Dabei versucht diese strategische Ausrichtung die Effizienz der globalen Strategie mit der lokalen Anpassungsfähigkeit multinationaler Unternehmungen zu verknüpfen. Eine solche netzwerkartige Organisationsstruktur mit spezifisch verteilten Rollen und Aufgaben verleiht den ausländischen Niederlassungen eine gewisse Machtstellung und hat zum Ziel, dass die vorhandenen Ressourcen bei maximalem Absatz optimal genutzt werden (vgl. Scherm/Süß 2001, 83-85).

Die Darstellung der Typologie BARTLETT/GHOSHALs verdeutlicht, dass es einerseits grundsätzliche strategische Ausprägungen hinsichtlich der internationalen Geschäftstätigkeit gibt, andererseits die Autoren jedoch selbst betonen, dass sich die vorgestellte Typologie lau- fend fortentwickelt und kein Endpunkt abzusehen ist. Des Weiteren räumen sie ein, dass trotz der allgemeinen strategischen Ausrichtung, Unternehmen auch mehrere Attribute unterschied- licher Internationalisierungsstrategien aufweisen können (vgl. Bartlett/Ghoshal/Birkinshaw 2004, 13). Zudem haben unterschiedliche Internationalisierungsmotive Auswirkungen auf die Entscheidungen im Internationalisierungsprozess (vgl. Carl 1989, 47). Aus diesem Grund werden im nächsten Kapitel praktische Ansätze im Sinne eines Entscheidungsmodells aufge- zeigt (vgl. Perlitz 2004, 152-153), mit deren Hilfe konkrete betriebswirtschaftliche Gesichts- punkte bezüglich der Umsetzung einer Internationalisierung im Kontext der allgemeinen Un- ternehmensstrategie analysiert werden können.

2.2.2 Strategieaufbau und Planung

2.2.2.1 Voraussetzungen für Internationalisierung

Unabhängig von der Ausgangslage, also ob die Internationalisierung aktiv betrieben oder nur auf Grund des Branchenumfeldes akzeptiert wird (vgl. Ansoff 1966, 164), müssen die betrof- fenen Unternehmen die Voraussetzungen hinsichtlich potentieller Auslandsaktivitäten über- prüfen. Dabei ist es notwendig, dass eine Unternehmung über genügend Wettbewerbsvorteile verfügt, um diese auch auf ausländische Märkte übertragen zu können. Ist dies nicht der Fall, können nur solche Aktivitäten in anderen Ländern durchgeführt werden, die strategisch ledig- lich einen geringen Einfluss besitzen (vgl. Perlitz 2004, 162), oder die dazu dienen, fehlende Wettbewerbsvorteile wie etwa günstige Produktionsfaktoren zu ergänzen. Im Falle hinrei- chender Wettbewerbsvorteile im Inland gilt es des Weiteren zu überprüfen, ob sich diese auch auf andere Länder übertragen lassen (vgl. Perlitz 2004, 168).

Die folgende Darstellung der Teilbereiche einer Internationalisierungsstrategie erfolgt aus Sicht einer inländischen Unternehmung, die den Eintritt in einen Auslandsmarkt plant. Unter Berücksichtigung der Grundlagen der Systemtheorie wird in diesem Zuge davon ausgegan- gen, dass ein Auslandsengagement immer von unternehmensinternen sowie -externen Ein- flussfaktoren auf dem heimischen und den ausländischen Märkten bestimmt wird (vgl. Hilger 2001, 18).

2.2.2.2 Entscheidung über Markt- und Standortwahl

Die Marktselektion hat das Ziel, Ländermärkte zu identifizieren, die in Zukunft bearbeitet werden sollen. Einem überwiegenden Teil der Unternehmen sind dabei unter Rücksichtnahme auf die eigenen Ressourcen Grenzen gesetzt, weshalb sie aus der Vielzahl von potentiellen Märkten einzelne, für ihre Unternehmensstrategie entscheidende, auswählen müssen (vgl. Kutschker/Schmid 2005, 919). Als zentrale Einflussgrößen für die Attraktivität eines Auslandstandortes gelten hierbei die jeweiligen Marktchancen auf der einen und die entsprechenden Risiken auf der anderen Seite. Chance und Risiko bestimmen im Wesentlichen die zwei zentralen Kriterien der Ländermarktattraktivität sowie der möglichen Marktbarrieren, da die Attraktivität aus den Chancen eines Marktes resultiert und die Risiken eine Art Eintrittsbarriere darstellen (vgl. Backhaus/Büschken/Voeth 2000, 102).

Die folgende Abb. 7 stellt auszugsweise grundlegende Dimensionen der Marktattraktivität dar.

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Abb. 7: Dimensionen von Marktattraktivität

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Müschen 1998, S. 281

Die von MÜSCHEN stammende Dimensionierung von Marktattraktivität (1998, 281) bezieht sich auf eine empirische Studie hinsichtlich der Märkte Mittel- und Osteuropas, dennoch kann sie zur Veranschaulichung unterschiedlicher Parameter der Marktattraktivität herangezogen werden (vgl. Backhaus/Büschken/Voeth 2000, 103-104). Neben diesen Eintrittsbarrieren i- dentifiziert DÜLFER weiterhin

- einen Mangel an Interaktionspartnern,
- rechtliche Restriktionen wie Importverbote oder Local-Content Bestimmungen,
- politische Risiken wie Instabilität des Systems oder der Landeswährung und
- kulturelle Barrieren (vgl. Dülfer 2001, 137).

Des Weiteren nennen BACKHAUS/BÜSCHKEN/VOETH ökonomische Barrieren wie die Betriebskostenvorteile bereits im Markt etablierter Wettbewerber, die Kapitalerfordernisse eines Markteintritts und die Wechselkosten für Nachfrager (vgl. 2000, 105).

Aus dieser attraktivitätsorientierten Sichtweise erfolgt eine Ländermarkttypologie, welche die jeweiligen Länder in Kern-, Hoffnungs-, Gelegenheits- und Abstinenzmärkte einteilt (vgl. Welge/Holtbrügge 2003, 98; ähnlich auch Stahr 1993, 39-40).

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Abb. 8: Portfolio-Analyse zur Markt- bzw. Standortwahl Quelle: Welge 2003, S. 98

Die Länderspezifika stellen jedoch lediglich eine Erklärungsvariable dar. Zudem sind die Kenntnisse der Unternehmensführung über die betreffenden Märkte sowie das Verhalten der relevanten Wettbewerber für eine Entscheidung hinsichtlich der Auswahl von geeigneten Zielmärkten von Bedeutung (vgl. Welge/Holtbrügge 2003, 98-99). Darüber hinaus ist die Auswahl einzelner Zielmärkte im Hinblick auf ein langfristig entstehendes Auslandsportfolio zu bewerten, das die optimale Ressourcennutzung und Absatzentwicklung in den jeweiligen Märkten für das Gesamtsystem des Unternehmens gewährleistet (vgl. Dülfer 2001, 143).

2.2.2.3 Wahl einer geeigneten Markteintrittsform
2.2.2.3.1 Ausgestaltungsmöglichkeiten der Markteintrittsform

Im Anschluss an die Markt- und Standortwahl stellt sich die Frage nach der Form, mit der die Unternehmen in einen Markt eintreten. Diese Entscheidung stellt im Regelfall eine langfristige Bindung dar und ist Grundlage für die weitere Vorgehensweise im ausländischen Markt (vgl. Müller/Kornmeier 2002, 120). Demnach hat die Festlegung der Markteintrittsform einen deutlich strategischen Charakter und muss gemäß den Motiven der Internationalisierung respektive den Unternehmenszielen gewählt werden (vgl. Dülfer 2001, 129).

Zur Systematisierung der vielfältigen Formen werden in der Literatur diverse Kriterien heran- gezogen. Eine relativ umfassende Übersicht dazu findet sich bei KUTSCHKER/SCHMID (2005, 821-827). Jedoch versuchen einige Autoren, die Vielzahl dieser Kriterien auf wenige Dimensionen zu verdichten (s. z.B. Meissner/Gerber 1980, 224). Das Konzept von MEISS- NER konzentriert sich dabei auf das Ausmaß der transferierten Kapital- und Managementleis- tungen und stellt die Entscheidung bezüglich der Markteintrittsform als einen Internationali- sierungsprozess dar. Dieser Ansatz scheint jedoch an Bedeutung zu verlieren (vgl. Dülfer 2001, 129), da ein Auslandsengagement nicht mehr ausschließlich absatzpolitisch begründet, sondern zunehmend komplexer geworden ist (s. Kapitel 2.1). Im Hinblick auf den Umfang der vorliegenden Arbeit wird, ohne auf weitere Konzepte im Detail einzugehen, im Folgenden die häufig zitierte Darstellungsart von MÜLLER-STEWENS/LECHNER herangezogen. Da- bei fassen die Autoren die Kriterien zu zwei Dimensionen zusammen, die bei einem Aus- landsengagement im Vordergrund stehen. Zum einen betrachten sie die Kontroll- und Steue- rungsmöglichkeiten bei der Leistungserstellung und der Marktpräsenz im Ausland, die für eine Reaktion auf Veränderungen im jeweiligen Markt entscheidend sind. Zum anderen beto- nen sie die Beanspruchung der unternehmenseigenen Ressourcen, da sich je nach Markteintrittsform der Bedarf an bspw. Finanzmitteln oder Managementkapazität verändert (vgl. Müller-Stewens/Lechner 1997, 237).

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Abb. 9: Markteintrittsformen

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Müller-Stewens/Lechner 1997, S. 237

Abb. 9 gibt einen Überblick über die relevantesten Markteintrittsformen. An Hand der zuvor aufgezeigten zwei Dimensionen nach MÜLLER-STEWENS/LECHNER, lassen sich drei Typen von Eintrittsformen unterscheiden: die Vertretung durch Dritte, die Kooperationen und die Tochtergesellschaft.

[...]

Ende der Leseprobe aus 98 Seiten

Details

Titel
Internationalisierungsstrategien in der Automobilzulieferindustrie. Ein Vergleich zwischen europäischen und US-amerikanischen Unternehmen
Hochschule
Universität Bayreuth
Note
1.7
Autor
Jahr
2005
Seiten
98
Katalognummer
V46392
ISBN (eBook)
9783638435918
Dateigröße
1408 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Internationalisierungsstrategien, Automobilzulieferindustrie, Vergleich, US-amerikanischen, Unternehmen
Arbeit zitieren
Sebastian Hager (Autor:in), 2005, Internationalisierungsstrategien in der Automobilzulieferindustrie. Ein Vergleich zwischen europäischen und US-amerikanischen Unternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46392

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