"Über ein vermeintliches Recht aus Menschenliebe zu lügen". Kants These von der bedingungslos- und ausnahmslosen Geltung des Lügenverbots


Hausarbeit, 2018

22 Seiten, Note: 13

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

II. Über ein vermeintliches Recht aus Menschenliebe zu lügen - Ausgangssituation
1. Constants Lösung
2. Kants Lösung
3. Problematik

III. Kantische Begriffserklärungen
1. Wahrhaftigkeit
2. Lüge

IV. Kants Begründung für das absolute Lügenverbot
1. Unbrauchbarkeit der Rechtsquelle
2. Verletzung des Menschheitsrechts
3. Folgen der Lüge für den Lügner vor Gericht
4. Die gutmütige Lüge
5. Kritik an Constants Vorschlag des Bedingten Lügenverbots als mittlerer Grundsatz

VI. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

I. Einleitung

Dass mit dem Lügen stets negative Gedanken assoziiert werden, stellt kein neues Phänomen dar. Die Verachtung der Lüge ist tief in der Gesellschaft verankert und besonders in der Philosophie präsent. Die Philosophie beschäftigt sich mit der Wahrheitsfindung, sodass sich die Lüge diesem Ziel entgegensetzt. Es wird einem quasi in die Wiege gelegt, dass man nicht lügen sollte und jede Lüge irgendwann ans Licht kommt und einem das Leben schwer macht. Dies veranschaulicht sogar die Kinderbuchfigur „Pinocchio“, dessen Nase bei jeder Lüge unmaßstäblich wächst. Doch was ist die Lüge überhaupt?

Gilt ein bloßes Verschweigen einer Tatsache bereits als Lüge? Wie verhält es sich mit einer Höflichkeits- oder Notlüge?

Es wird kaum einen Menschen geben, der in seinem Leben noch nie auf eine Lüge zurückgegriffen hat. Sei es um einer unangenehmen Situation aus dem Weg zu gehen, sich besser darzustellen oder sogar um jemanden zu beschützen.

So wirft Ghandi die These in den Raum, dass : „Gutes niemals aus Lüge und Gewalt entstehen kann“. Entspricht dies der Wahrheit? Können mit einer Lüge lediglich negative Ziele verfolgt werden, die stets der Gesellschaft auf irgendeiner Weise Schaden zufügen?

James Joyce widerspricht dem, denn „Der Erfinder der Notlüge liebte den Frieden mehr als die Wahrheit“.

Ich werde mich im Folgenden anhand des Aufsatzes „Über ein vermeintliches Recht aus Menschenliebe zu lügen“ von Immanuel Kant damit beschäftigen, was eine Lüge darstellt und ob es in bestimmten Fällen sogar gerechtfertigt ist, sich einer Lüge zu bedienen oder ob stets und ausnahmslos das Lügenverbot gilt.

II. Über ein vermeintliches Recht aus Menschenliebe zu lügen Ausgangssituation

In dem Aufsatz „Über ein vermeintliches Recht aus Menschenliebe zu lügen“ von Immanuel Kant aus dem Jahre 1797 nimmt Immanuel Kant kritisch Stellung zu dem von Benjamin Constant verfassten Text „Von den politischen Gegenwirkungen“. Thematisch geht es in dem Aufsatz um den Status der Lüge sowie die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit von Ausnahmen in bestimmten Situationen.1

Constant vertritt die Hauptthese, dass die uneingeschränkte Einhaltung des „sittlichen Grundsatzes“ „unanwendbar“ sei und die „Gesellschaft zerstören würde“2. Der „sittliche Grundsatz“, also die tugendhafte Regel, besagt, dass jedem Menschen die Pflicht zukommt immer bei der Wahrheit zu bleiben und nicht zu lügen. Zum Zwecke der Konsolidierung seiner These bringt Constant das Argument des Grundsatzes eines deutschen Philosophen mit ein und bezieht sich dabei auf das Beispiel des Rechts auf eine Lüge gegenüber einem Mörder.3 Die Ausgangssituation wird wie folgt dargestellt: A bittet seinen Freund B Schutz in seinem Haus, weil er von einem Mörder verfolgt wird. B gewährt daraufhin seinem Freund A Obhut in seinem Haus und A versteckt sich dort. Diese Situation spitzt sich dann zu als der Mörder (M) an der Tür des B klingelt und diesen nach dem Aufenthaltsort des A fragt.4

B kann auf die Frage des M „einer Beantwortung mit Ja oder Nein nicht ausweichen“5, sodass sich nun die Frage stellt, ob er ein Recht auf die Lüge hat oder den „sittlichen Grundsatz“ einhalten und dem Mörder die Wahrheit sagen muss. Gibt es vielleicht ein Recht aus Menschenliebe zu lügen?

1. Constants Lösung

Constant vertritt die Ansicht, dass die Wahrheitsaussage zwar eine Pflicht sei, diese jedoch nur „denjenigen gegenüber, die ein Recht auf die Wahrheit haben“ gilt. Er setzt die Pflicht zur Wahrheit in ein Abhängigkeitsverhältnis zu einem Recht auf die Wahrheit. Die Pflicht zur Wahrheit gilt dabei nur demjenigen gegenüber, der die Rechte einer anderen Person nicht verletzt und diese achtet. Demnach stünde das Recht auf die Wahrheitsaussage des B dem M nicht zu, weil dieser den A ermorden und damit schaden möchte. Durch das Vorhaben des M sei ihm das Recht auf die Wahrheit verwehrt und B hätte nach Constant gegenüber dem M keine Pflicht zur Wahrheit.6

2. Kants Lösung

Kant hingegen vertritt eine andere Auffassung. „Die Wahrhaftigkeit in Aussagen“ sei formale Pflicht eines Menschen, die unabhängig von den Folgen der Aussagen bestehe.7 Kant macht unmissverständlich klar, dass es für ihn unter keinen Umständen ein Recht zur Unwahrhaftigkeit, also ein Recht auf die Lüge, gebe. Nach Kant dürfe der B auch nicht angesichts des drohenden Mordes an A nicht lügen und somit den Aufenthaltsort des A preisgeben.

3. Problematik

Wie bereits dargestellt, vertritt Kant den Standpunkt, dass B gegenüber dem M sich nicht einer Lüge bedienen und streng bei der Wahrheit bleiben solle. Für viele Menschen ist eine solche Ansicht schockierend und kann nicht gerechtfertigt werden. Die meisten Menschen würden wahrscheinlich eine Notlüge erzählen, um so gegenüber dem Freund loyal zu bleiben und diesen zu schützen. Es würde gar nicht zur Debatte stehen, ob man bei der Wahrheit bleibt, weil man die Lüge in Kauf nehmen würde, wenn man dadurch den Freund beschützt und vor dem Tod bewahrt. Wie kann es also sein, dass ein solch berühmter und geschätzter Philosoph eine solche Ansicht vertritt? Und wie rechtfertigt er diese?

III. Kantische Begriffserklärungen

Bevor die Begründung für die Ansicht Kants dargelegt werden kann, werden die folgenden Begriffe im Zusammenhang mit der vorgestellten Problematik nach kantischem Verständnis erläutert.

1. Wahrhaftigkeit

Kant definiert die Wahrhaftigkeit als „subjektive Wahrheit in seiner eigenen Person“. Damit meint Kant, die von einer Person selbst zu verantwortende Wahrheit, denn für die Wahrheit komme es nicht auf den Willen der Person an, ob „ein gegebener Satz wahr oder falsch sein solle“.8 Die Wahrhaftigkeit meint also das subjektive „Für Wahr-Halten“ der eigenen abgegebenen Aussage.

2. Lüge

Nach der kantischen Philosophie ist die Lüge „das Widerspiel der Wahrhaftigkeit“ und wird als jede bewusste und gewollt getätigte Unwahrheitsaussage in Äußerung der Gedanken definiert. Die Lüge sei besonders verwerflich und verletze die Menschenwürde in erheblichen Maße.9 Man unterscheidet zwischen einer äußeren und einer inneren Lüge. Die äußere Lüge eine sog. direkte Lüge ist nach Kant jede bewusste Äußerung einer Falschaussage gegenüber einer zweiten Person. Die innere Lügner ein Betrug des Lügners gegen sich selber. Der Lügner habe einen geringeren Wert als eine Sache und wird als regelrecht nutzlos und besonders schädigend für die Würde der Menschheit allgemein sowie für sich selber beschrieben. Es bedürfe keiner Schädigung durch die Lüge, die Verächtlichkeit der Lüge an sich genüge für die besondere Verwerflichkeit und den negativen Status der Lüge.10

IV. Kants Begründung für das absolute Lügenverbot

Bei der Begründung seiner These wirft Kant zunächst zwei Fragen auf. Die erste Frage bezieht sich auf solche Fragen, bei derer Rückäußerung man sich lediglich eines Ja oder Nein bedienen könne, der Person ein Recht zur Unwahrhaftigkeit zukomme. Die zweite Frage beschäftigt sich damit, ob eine Person nicht sogar die Pflicht habe, sich einer Lüge zum Zwecke der Schadensabwendung von sich oder einem Anderen zu bedienen, wenn ihn eine besonders wichtige Notwendigkeit dazu zwinge.11 Um die Position von Kant nachvollziehen zu können, ist es von Bedeutung, dass Kant einen Unterschied zwischen der Wahrheitspflicht in der Ethik sowie der Wahrheitspflicht gegenüber dem Gesetz bzw. dem Recht macht.12 So unterscheide sich die rechtliche und ethische Erlaubnis zur Lüge in ihren Sachbereichen. Während die Tugendlehre sich mit der Übertretung der Wahrhaftigkeitspflicht beschäftige, widme sich die Rechtslehre der Thematik des für jeden geltenden Rechts in bestimmten Situationen zu lügen.13

Bevor Kant zur Beantwortung dieser Fragen über geht, wendet er zunächst gegen die Bezeichnung Constants „ein Recht auf die Wahrheit haben“ ein und stellt klar, dass diese absurd sei, denn der Mensch habe vielmehr ein Recht auf „die subjektive Wahrheit in seiner Person“.14 Kant nimmt also eine Unterscheidung zwischen Wahrheit und Wahrhaftigkeit vor. Die Wahrheit stelle kein Besitztum dar, auf das jemand ein Recht haben oder nicht haben könne. Denn es sei unlogisch, dass die Wahrheit einer abgegebenen Erklärung oder Satzes von der subjektiven Willensrichtung der Person abhänge.15 Es liege also nicht in der Hand des Menschen, ob eine Aussage wahr oder falsch sei, da sich der Mensch irren kann oder ihm Tatsachen nicht bekannt sein können. Es komme daher auf das Für-Wahr-Halten der eigenen Aussage, die Wahrhaftigkeit an.16

Unabhängig von dem Schadenseintritt infolge der Lüge verneint Kant die beiden Fragen eindeutig, weil die Lüge und die mit ihr verbundenen Folgen für die Gesellschaft besonders gravierend seien.17 Für die Begründung seiner Ansicht führt er die folgenden Argumente an:

[...]


1 AA8, S.425.

2 Ebd.

3 Ebd.

4 Ebd.

5 AA8, S.426.

6 AA8, S.425.

7 AA8,S.426.

8 AA8, S.426.

9 AA6, S.312.

10 AA6, S.312.

11 AA8, S.426.

12 Ebd

13 Annen, S.108.

14 AA8, S.426.

15 AA8, S.426.

16 AA8, S.425

17 AA8, S.426 f.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
"Über ein vermeintliches Recht aus Menschenliebe zu lügen". Kants These von der bedingungslos- und ausnahmslosen Geltung des Lügenverbots
Hochschule
Universität Bremen
Note
13
Jahr
2018
Seiten
22
Katalognummer
V463555
ISBN (eBook)
9783668911192
ISBN (Buch)
9783668911208
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kant, Lügenverbot, Metaphysik der Sitten Auffassung von Kant
Arbeit zitieren
Anonym, 2018, "Über ein vermeintliches Recht aus Menschenliebe zu lügen". Kants These von der bedingungslos- und ausnahmslosen Geltung des Lügenverbots, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/463555

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