Die Julimonarchie in Frankreich und die Hintergruende für die Februarrevolution von 1848


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die innenpolitischen Strukturen der Julimonarchie
2.1 Die Rolle Louis-Philippes I
2.2 Die Notabelngesellschaft
2.3 Die oppositionellen Bewegungen
2.3.1 Die Legitimisten
2.3.2 Die Bonapartisten
2.3.3 Die Linke
2.4 Die Konsolidierung der Julimonarchie und soziale Unruhen

3. Die Entstehung eines Konfliktfeldes im Kontext des sozialen und ökonomischen Wandels der Gesellschaft und seine Akteure
3.1 Die Herausbildung der Akteure der Revolution
3.2 Das Arbeiterproletariat und seine Rolle während der Revolution

4. Die Bankettbewegung und der Ausbruch der Revolution

5. Die Zweite Republik

6. Fazit

7. Literatur

1. Einleitung

Frankreich erfuhr im 19. Jahrhundert innerhalb zweier Jahrzehnte zwei Revolutionen: Die Julirevolution von 1830 und die Februarrevolution von 1848. Nur achtzehn Jahre trennen diese zwei Revolutionen von einander, die beide vom Volk ausgingen und die Einrichtung der Republik forderten. Auf diese achtzehn Jahre konzentriert sich die vorliegende Arbeit. Dabei bildet die Frage nach den Ursachen der Februarrevolution von 1848 und nach der Bedeutung der Julimonarchie den Rahmen der Untersuchung.

Die Revolution von 1830 wird immer wieder als verratene und gestohlene Revolution bezeichnet, da die Bourgeoisie den unteren Schichten den Sieg der Revolution genommen hatte. Daraus ergibt sich die Fragestellung nach den politischen Strukturen der Julimonarchie. Wer machte die Politik im Staat und was geschah mit den Akteuren der Julirevolution? Worin bestanden die verbliebenen Errungenschaften der Revolutionäre, die auf den Barrikaden 1830 für eine Republik kämpften? Im Hinblick auf die 1848er Revolution soll das System der Julimonarchie jedoch nicht allein auf ihre Umsetzung der revolutionären Ideen von 1830 untersucht werden, sondern ebenso in Bezug auf die Ursachen der Februar-Revolution.

Da nicht eine Republik eingerichtet wurde, die das Leitbild der mittleren und unteren Schichten während der 1830er Revolution gewesen war, wirft sich die Frage nach einer republikanischen Opposition auf. Wo versammelten sich und agierten die Revolutionäre von 1830, deren Forderungen nicht erfüllt worden waren? Oder wurde die sehr schnell proklamierte Julimonarchie auf bereiter Ebene als einzig mögliche Staatsform akzeptiert? Eingeschlossen werden muss in die Beantwortung der Frage nach den Gegnern der Julimonarchie auch der Verbleib der gestürzten Legitimisten. Besaßen sie noch politisches Mitspracherecht, und wie gestaltete es sich?

Bei der Betrachtung der politischen Entwicklung im 19. Jahrhundert kann und darf die Industrialisierung sowie der damit einhergehende soziale Wandel nicht unberücksichtigt bleiben. Auch wenn die Industrialisierung zur Zeit der Julimonarchie noch am Anfang stand, vollzog sich bereits ein erheblicher sozio-ökonomischer Wandel, der ein weites Konfliktfeld verursachte, das mit „Soziale Frage“ tituliert wurde. Dieses Phänomen soll in einem Teil der Arbeit hinsichtlich seiner Herkunft und hinsichtlich seiner Erscheinung in Form von Pauperismus, Landflucht und Überfüllung der Städten untersucht werden. Dabei soll aufgezeigt werden, in welchem Umfang in dem gesellschaftlichen Wandel die Ursachen der Revolution zu finden sind.

Die Komplexität des Untersuchungsgegenstands erfordert eine stoffliche Reduktion. Daher soll die Arbeit einen kursorischen Charakter besitzen, und nur die wesentlichen innenpolitischen Merkmale der Julimonarchie und die sich daraus ergebende Konfliktstruktur als Voraussetzung für die Revolution behandeln. Es wird nicht möglich sein, weitere Fragestellungen zu berücksichtigen, die sich insbesondere aus der Untersuchung des gesellschaftlichen Wandels im Kontext der Industrialisierung, das heißt die Entstehung des Arbeiterproletariats, oder der politischen Oppositionen als Vorläufer des modernen Parteiensystems ergeben könnten.

2. Die innenpolitischen Strukturen der Julimonarchie

Die Julirevolution 1830 hatte Karl X. gestürzt. Die neue Regierung konstituierte jedoch keine neue Staatsform, sondern behielt die konstitutionelle Monarchie bei. Aus einem Volksaufstand hervorgehend und sich auf die Volkssouveränität beziehend, besaß das Königtum folglich eine andere Legitimationsgrundlage: Die Kammern wählten nicht mehr den ‚König von Frankreich’, sondern den ‚König der Franzosen’, der sich nicht länger auf das Gottesgnadentum berief. Die Wahl fiel auf den liberalen Herzog Louis-Philippe (1773-1850) aus dem Hause Orléans. Der traditionelle Krönungsakt der Bourbonen in der Kathedrale von Reims wurde durch die Leistung eines Eides ersetzt, der gewissermaßen einem Gesellschaftsvertrag gleichkam und von Louis-Philippe am 8. August 1830 abgelegt wurde. Die Verbannung des königlichen Lilienbanners und die erneute Einführung der Trikolore als Nationalflagge unterstrichen die Abwendung von der sakrosankten Monarchie zum Bürgerkönigtum.[1]

Die Charte von 1814 erfuhr einige Veränderungen. Dem König verblieben die exekutiven Aufgaben, während die Gesetzesinitiative nun auf die zwei Kammern, der Pairskammer[2] und der Abgeordnetenkammer, erweitert wurde, so dass eine Demokratisierung innerhalb der konstitutionellen Monarchie[3] stattgefunden hat. Der Artikel 14, der dem König verfassungseinschränkende Ordonnanzen gestattet hatte, wurde gestrichen. Die Wiedereinführung der Pressezensur wurde in der neuen Verfassung ausdrücklich untersagt. Außerdem blieb die katholische Religion nicht länger Staatsreligion. Sie wurde aber weiterhin von der Mehrheit der Franzosen ausgeübt.[4]

2.1 Die Rolle Louis-Philippes I.

Louis-Philippe war sich seiner Rolle als Vertreter eines neuen Königtums sehr wohl bewusst und nannte sich folglich auch nicht, der bourbonischen Tradition entsprechend, Philippe VII., sondern Louis-Philippe I.. Er demonstrierte nach außen den volksnahen Bürgerkönig in unauffälliger Kleidung, stets ausgerüstet mit einem Regenschirm als Indiz seiner bürgerlicher Zugehörigkeit, wenn er in großbürgerlicher Manier mit seiner Frau und den Kindern in den Tuilerien spazieren ging.[5] Doch hinter dieser Fassade verbarg sich ein autoritärer Charakter, der als König regieren wollte. Das von dem Journalisten und Politiker Adolphe Thiers erklärte Prinzip „Le roi règne, mais ne gouverne pas“ beschrieb das Gegenteil seiner eigenen politischen Zielsetzung, nämlich seine Macht gegenüber den Kammern zu wahren. Er wusste seine verfassungsmäßigen Rechte vollständig auszuschöpfen und veranlasste in seiner weniger als 18 Jahre andauernden Amtszeit 17 Kabinettsumbildungen.[6] Zu einer Festigung seiner Position kam es unter der Amtzeit François Guizots. Der Politiker und liberale Doktrinär, der während der Regierungszeit Louis-Philippes mehrere unterschiedliche Ministerämter bekleiden sollte, verteidigte vehement die königlichen Rechte sowie die bestehende Verfassung und Gesellschaftsordnung, zu deren Profiteuren er als vermögender Großgrundbesitzer zählte.

2.2 Die Notabelngesellschaft

Die soziale und politische Reichweite der Neuerungen blieb begrenzt, da die Abschaffung des Zensuswahlrechts als wesentlicher Schritt zur Änderung der politischen Machtverteilung unterblieb. Es wurde in einer Wahlrechtsreform von April 1831 nur geringfügig geändert, so dass sich wiederum eine politische Führungselite herausbildete, die folgende Bedingungen des Zensus-Wahlrechts erfüllen konnte: Wer mindestens 25 Jahre alt war, statt wie vorher 30, und wer männlich war und 200 statt 300 Francs direkte Steuern jährlich zahlen konnte, war wahlberechtigt. Beim passiven Wahlrecht wurde das Alter von 40 auf 30 Jahre herabgesetzt und der Zensus von 1000 auf 500 Francs jährlich zu zahlende Steuern gesenkt. Von 30 Millionen Einwohnern waren nunmehr 167.000 Männer wahlberechtigt - vorher waren es 94.600 -, was nicht einmal einen Prozent der Bevölkerung ausmachte.[7]

Diese als Notabelngesellschaft[8] bezeichnete Führungselite rekrutierte ihre Anhänger sowohl aus der Bourgeoisie als auch aus der Aristokratie. Charakteristisch für sie war die Mischform, in der sie sich präsentierte. Einerseits hatte das klassengesellschaftliche Merkmal des Besitzes das ständische Merkmal der Herkunft in seiner Funktion als maßgebliche Voraussetzung für die politische Karriere abgelöst. Andererseits war es für das gesellschaftliche Vorankommen weiterhin wichtig, einflussgebende Beziehungen, meist aus der Familie, zu besitzen.[9]

Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts entstammten die Notabeln überwiegend dem Großgrundbesitz, da der Landbesitz derzeit die führende Kapitalanlage und damit soziales Prestige darstellte, im Gegensatz zu der sich erst allmählich herausbildenden Industrie und dem sich entwickelnden Bankenwesen, das einen kleineren Anteil an Notabeln stellte.[10] Hinzu kam die den Großgrundbesitzer bevorzugende Bemessung des Zensus nach der Grundsteuer. Somit lagen 80 Prozent der Wählerstimmern bei den Großgrundbesitzern und nur 15 Prozent bei Industrie und Handel.[11]

Die Notabelnschaft bildete die neue politische Mitte im Parlament, der die schwache Opposition von Legitimisten auf der Rechten und Republikanern auf der Linken unterlegen war. Trotz ihrer sozialen Homogenität spalteten sie sich in zwei divergierende Lager auf: Auf der einen Seite, dem centre droit, stand die parti de l’ordre, die Partei des Widerstands. Ihren ‚Parteigängern’ „erschien die Julimonarchie als unüberbietbare Perfektion der von 1789 ausgehenden Entwicklung“[12], die es unter Ablehnung jeglicher demokratischer Zugeständnisse zu konsolidieren galt. Sie setzten sich für einen starken König ein und verfolgten die Erhaltung des bestehenden Wahlzensus als wesentliches Ziel ihrer Politik. Ihre Anhängerschaft bildeten die führenden Besitzenden, das heißt Großgrundbesitzer und Mitglieder der Hochfinanz sowie Eigentümer von Kohle- und Eisenbergwerken, die oftmals Großgrundbesitzer waren, da sie die für die Gründung solcher Werke erforderlichen Voraussetzungen an Land, Holz und Bodenschätzen erfüllen konnten.[13]

Dem parti de l’ordre gegenüber stand mit dem parti du mouvement, der Partei der Bewegung, das centre gauche. Ihre Interessenvertreter (darunter Adolphe Thiers) hatten die Revolution noch nicht für beendet erklärt und strebten nach einer uneingeschränkten Parlamentarisierung der Monarchie. Da sich ihre Anhängerschaft überwiegend aus der aktiven Wählerschaft, ohne Zugang zum passiven Wahlrecht rekrutierte, verfolgten sie eine Senkung des Wahlzensus’. Zu ihnen zählten insbesondere Mitglieder der Manufaktur- und Industriebourgeoisie.[14]

[...]


[1] Vgl. Sieburg, H.-O.: Geschichte Frankreichs, Stuttgart 1989, S. 274.

[2] 1831 wurde per Gesetz die erbliche Pairswürde abgeschafft, so dass der König nun auch bürgerliche Notabeln in die Pairskammer berufen konnte (vgl. Erbe, M.: Geschichte Frankreichs von der Großen Revolution bis zur 3. Republik, Stuttgart 1982, S. 127).

[3] Midell und Höpel sehen im Julikönigtum eine parlamentarische Monarchie, da die Verfassung zum bindenden Vertrag wird. Haupt dagegen sie definiert ausdrücklich als konstitutionelle Monarchie, da die vom König ernannten Minister den Kammern nicht verantwortlich waren. Ich schließe mich der Argumentation Hinrichs an und betrachte das Julikönigtum als konstitutionelle Monarchie. (Vgl. Midell; M, Höpel, T.: Einführung in die französische Geschichte 1500-1945, Leipzig 1999, S. 148 und vgl. Haupt, H.-G.: Von der Französischen Revolution bis zum Ende der Julimonarchie (1789-1848), in: Hinrichs, E. (Hg.): Geschichte Frankreichs, Stuttgart 2002, S. 243).

[4] Vgl. Brandt, H.: Europa 1815 – 1850, Stuttgart 2002, S. 157f.

[5] Vgl. Tulard, J.: Frankreich im Zeitalter der Revolutionen 1789-1851, Stuttgart 1989, S. 355.

[6] Vgl. Brandt, H.: Europa 1815 – 1850, Stuttgart 2002, S. 162f.

[7] Vgl. Midell; M, Höpel, T.: Einführung in die französische Geschichte 1500-1945, Leipzig 1999, S. 149.

[8] Der Begriff Notabeln stellte keine neue Wortschöpfung dar, sondern war bereits im Jahr 1691 im Wörterbuch von Furetière und 1762 im Lexikon der Académie Française mit der Definition die Wichtigsten und die Geachtetesten einer Stadt erschienen. (Vgl. Haupt, H.-G.: Französische Sozialgeschichte seit 1789, Frankfurt/Main 1989, S. 115).

[9] Haupt, H.-G.: Französische Sozialgeschichte seit 1789, Frankfurt/Main 1989, S.116.

[10] Vgl. ebenda, S.119.

[11] Vgl. Brandt, H.: Europa 1815-1850, Stuttgart 2002, S. 160.

[12] Sieburg, H.-O.: Geschichte Frankreichs, Stuttgart 1989, S. 276.

[13] Vgl. Midell, M; Höpel, T.: Einführung in die französische Geschichte 1500 – 1945, Leipzig 1999, S. 147 und vgl. Haupt, H.-G.: Französische Sozialgeschichte seit 1789, Frankfurt/Main 1989, S.119.

[14] Vgl. ebenda, S. 147.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die Julimonarchie in Frankreich und die Hintergruende für die Februarrevolution von 1848
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Friedrich Meinecke Institut)
Veranstaltung
Die europäischen Revolutionen 1848/49
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
25
Katalognummer
V46334
ISBN (eBook)
9783638435413
Dateigröße
582 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Julimonarchie, Frankreich, Hintergruende, Februarrevolution, Revolutionen
Arbeit zitieren
Katrin Lütge (Autor:in), 2005, Die Julimonarchie in Frankreich und die Hintergruende für die Februarrevolution von 1848, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46334

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