Simone de Beauvoir und die Rolle der Frau

"Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es"


Hausarbeit, 2017

12 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Simone de Beauvoir und „Das andere Geschlecht“

3. Das Frauenbild der französischen Gesellschaft um 1949

4. Die Ablehnung der Vorstellung von einer weiblichen Natur

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1 . Einleitung

„On ne naît pas femme, on le devient.“ Zu Deutsch „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.“ 1 Mit diesem kurzen, aber tiefgreifenden Satz löste Simone de Beauvoir (1908 -1986) Ende der 1940er Jahre eine Diskussion von grundlegender Be- deutung für Frauen aus. Eben jener Satz ist einer der Kerngedanken ihres Werkes „Das andere Geschlecht“, mit dem sie versuchte, das „Drama der Frau“ zu untersuchen und zu begreifen. Doch was genau bedeutet dieses so berühmte Zitat?

Recherchiert man den Feminismus des 20. Jahrhunderts, so kommt man um Beauvoir und ihr angesehenes Buch „Le Deuxième Sexe“(1949) nicht herum. Ihre Beobachtun- gen und Ansichten zum Thema der Frau beschreibt sie zwar neutral, jedoch empfindet man als Frau schon bei der Lektüre eine tiefe Verbundenheit mit der Autorin, obgleich das Buch bereits über 50 Jahre alt ist. Sie stellt elementare Fragen und versucht mit der Vergangenheit, sowie auch dem Stand der Gegenwart zu erklären, was es bedeutet, eine Frau zu sein. Dabei kritisiert sie das heutige Bild der Frau und appelliert an ihre Vor- stellung der Emanzipation.

Da ihre Aussage sehr große Wellen in der Geschichte der Frauenbewegung in Gang setzte, sollten die Hintergründe Beauvoirs verstanden und hinterfragt werden. Deswe- gen stelle ich im Folgenden die Frage nach der Auffassung Simone de Beauvoirs über ihre Aussage: „ Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“.

Damit dies möglich ist, sollten man erst einmal Simone de Beauvoir und ihr Werk „Das andere Geschlecht“ verstanden werden. Außerdem sollte die Frau zur Zeit der Verfas- sung eben jenes Werkes betrachtet werden, denn diese hat sich mit den Jahrzehnten wei- ter entwickelt und spielt heute eine völlig andere Rolle in der Gesellschaft, als sie es 1949 getan hat. Eine Verortung hierbei ist ebenfalls von großer Bedeutung, da Frank- reich sowie auch jedes weitere emanzipierte Land seine eigene Frauenbewegung zu verzeichnen hat, welche sich untereinander wieder unterscheiden. Erst nach diesen Ana- lysepunkten ist eine Erklärung des Zitates möglich, sowie auch eine kritische Auseinan- dersetzung mit der Aussage Beauvoirs.

2 . Simone de Beauvoir und „Das andere Geschlecht“

Simone de Beauvoir, geboren am 9. Januar 1908 in Paris, war eine französische Schrift- stellerin und Philosophin.2 Sie gilt als eine der Begründerinnen des Existentialismus zusammen, zusammen mit Jean-Paul Sartre (1905-1980), dem französischen Philoso- phen und Dramatiker.3 Sie studierte Philosophie an der Sorbonne in Paris und schloss dieses 1929 ab, als zu dieser Zeit jüngste Absolventin der Agrégation.4 Von 1931 bis 1943 unterrichtete sie an verschiedenen Gymnasien, sowohl in der Provinz als auch in der Hauptstadt Paris, bis sie schließlich als Lehrerin suspendiert wurde.5 Grund für ihre Entlassung war ihre Lebensweise und Unterrichtsform, welche nicht mit den vorrevolu- tionären Werten des Vichy-Staates übereinstimmten, in dem sie zu der Zeit lebte.6 Ab 1943 war sie als freie Schriftstellerin tätig und veröffentlichte zahlreiche Romane, Er- zählungen und Essays, sowie ein Theaterstück und ihre Memoiren.7 Sie erhielt mehrere Auszeichnungen für ihre Werke, wie 1954 den Prix Goncourt für "Les Mandarins".8 Des Weiteren war sie politisch aktiv, äußerte sich gegen den Algerien-Krieg, trat für deren Unabhängigkeit ein, und war außerdem Mitglied des Russell-Tribunals gegen die Kriegsverbrechen in Vietnam.9 Am 14. April 1986 starb Beauvoir in Paris und wurde ebenda neben Jean-Paul Sartre beigesetzt.10

Simone de Beauvoir zählte zu einer der wichtigsten Vertreterinnen des Feminismus sowie des Existentialismus.11 Sich selbst aber sah sie eher als Sozialistin und nicht als Feministin an.12 Sie „wurde nicht als Feministin geboren. Sie wurde auch nicht dazu gemacht, und dennoch wurde sie dazu“13. Ursprünglich wollte sie über sich selbst schreiben, und es war Jean-Paul Sartre, der sie daran erinnerte, zuerst einmal zu erklä- ren, was es für sie bedeutete, eine Frau zu sein.14 Sie führte diesen Gedanken weiter aus und veröffentlichte ein Werk, das starke Wellen in der Frauenbewegung auslöste. Jahre später änderte sie ihre Meinung und definierte für sich Feministen als „Frauen – oder auch sogar Männer -, die […] für die Frau kämpfen, ohne die erstrebte Veränderung unbedingt von der Gesamtgesellschaft abhängig zu machen. […] Wir müssen also für die konkrete Situation der Frau kämpfen, bevor der erträumte Sozialismus kommt“15.

1949 veröffentlichte Simone de Beauvoir in Frankreich die zwei Teile ihres Werkes „Le Deuxième Sexe“, auf Deutsch übersetzt „Das andere Geschlecht“. In diesen untersuchte sie die Rolle und das Bild der Frau im historischen Wandel unter den Aspekten Schick- sal, Geschichte und dem Mythos Frau, und beschrieb verschiedene weibliche Frauen- bilder unter dem Aspekt der gelebten Erfahrung.16 Im ersten Buch „Fakten und Mythen“ beschäftigte sie sich mit der Wahrheit der Frau, den biologischen Vorrausetzungen und Verhältnissen, die psychoanalytische Sichtweise, sowie die des historischen Materia- lismus.17 Des Weiteren betrachtet sie die Geschichte und Mythen der Frau, und stellt weibliche und männliche Rollen aneinander gegenüber und versucht, ihre Entwicklun- gen zu erklären.18 Im zweiten Buch „Gelebte Erfahrungen“ geht es um die Entwicklung der Frau als Individuum in verschiedenen Phasen des Lebens, sowie um Gesellschaften, welche sie anhand von Erfahrungsberichten aus ihrer eigenen Sicht als Frau be- schreibt.19 Anschließend fasst sie zusammen, dass „nur die Verwirklichung des Sozia- lismus der Unterdrückung von Frauen ein Ende bereiten würde“20.

Beauvoir stellt in „Das andere Geschlecht“ die Fragen, was Weiblichkeit bedeutet und beinhaltet und ob es sie überhaupt noch gibt; Ob es Frauen an sich gibt und demnach auch, was eine Frau eigentlich ist.21 Die Frau wurde schon immer zum Objekt des Man- nes herabgesetzt und hatte kein Recht auf Verantwortung für ihr eigenes Handeln.22

Beauvoir kommt zu dem Schluss, und auch so zum Titel ihres Werkes, dass, wenn man von Frauen spricht, man vom „anderen Geschlecht“ redet, da der Mann das Subjekt und das Absolute ist, und die Frau ohne ihn nicht sein kann und somit das Andere ist.23 Grund für diese Einstellung des Mannes ist, dass „das Subjekt [sich nur] setzt […], in- dem es sich entgegensetzt: es hat das Bedürfnis, sich als das Wesentliche zu bejahen und das Andere als das Unwesentliche, als Objekt zu setzen.“24 Dieses Bewusstsein erhält der Mann jedoch nicht durch sich selbst, sondern durch die Anerkennung des an- deren.25 Beauvoir erklärt, dass dies nur funktioniert, da das „Andere“ dem Subjekt die Möglichkeit gibt, sich als das „Eine“ zu definieren.26 Und die Frau bzw. das „Andere“ akzeptiert die Tatsache, nicht das Subjekt zu sein, „weil sie nicht die realen Mittel dazu besitzt und die Notwendigkeit ihrer Bindung an den Mann anerkennt, ohne auf Gegen- seitigkeit zu bestehen; [und] oft auch, weil sie sich in der Rolle des Anderen gefällt“27. Allein das Argument, dass der Mann ohne die Frau nicht existieren kann, hätte ihr das Selbstvertrauen geben müssen, sich selbst als das Subjekt zu sehen, und dennoch konnte sie dies nicht befreien.28 Simone de Beauvoir versuchte, die Frauen darauf hinzuweisen, dass sie selbst es sind, die sich gegen diesen Zustand wehren müssen. Für eine Emanzi- pation müssen sie die traditionelle weibliche Rolle ablegen und durch eigene Berufstä- tigkeit die individuelle Befreiung erlangen.29 Doch wie wurden Frauen in den späten 40er Jahren in Frankreich gesehen, und welche Hindernisse stellten sich ihnen bei der Emanzipation entgegen?

3 . Das Frauenbild der französischen Gesellschaft um 1949

Zur Zeit der Veröffentlichung von Beauvoirs „Das andere Geschlecht“ 1949 war die Rolle der Frau noch eine andere als heutzutage. Allein was die Rechte der Frau betrifft, so gibt es einige Unterschiede. Beauvoir erklärt, dass sich Mann und Frau in der Ge- schichte nie gleichberechtigt gegenüber standen, und es auch in der Gegenwart des Buches (1949) nicht waren.30 „In fast keinem Lande ist sie rechtlich dem Manne gleichge- stellt, oft sogar erheblich im Nachteil.“31 Und auch wenn die Gesetze und Sitten für die Frau im Grunde von Vorteil sind, so kann sie diese nicht ausleben aufgrund der Jahr- zehnte langen Gewöhnung der Gesellschaft an die alten Werte.32 Frauen waren den Männern in Sachen Lohn, Stellung und Erfolg dennoch unterlegen und mussten bei ih- rem Streben nach Emanzipation mit der Erziehung der Männer zurechtkommen, welche diese darin bestärkte, dass Männer alles erschufen und somit an erster Stelle stehen.33

Daraus folgt, dass sobald die Frau versucht, eigenständig zu handeln, sie alle Vorteile verliert, die ein Mann ihr geben kann.34 Jedoch gab es Frauen, für die eben jene Punkte die eigene Verwirklichung bedeuteten und die versuchten, „die Transzendenz in der Immanenz zu verwirklichen“35. Beauvoir veröffentlichte ihr Werk „Das andere Ge- schlecht“ also in einer Zeit, in der die traditionelle weibliche Rolle der Frau in der Ge- sellschaft sowie auch in der Familie vertreten wurde.36 In den 1930er und 1940er Jahren werden Maßnahmen getroffen, um eben jenes Bild der Frau beizubehalten. Diese bein- halteten beispielsweise das Verbot der Scheidung in den ersten drei Jahren einer Ehe, die Erhöhung des Kindergeldes, die Unterstützung von verheirateten Paaren durch Kre- dite oder auch die Auszeichnung von kinderreichen Frauen an Muttertagen.37 Des Wei- teren wird der Mann als das Oberhaupt der Familie betrachtet und kann Entscheidungen für seine Ehefrau treffen, ob sie es will oder nicht.38 „Die Frau ist somit dem Mann in vielen Bereichen offiziell untergeordnet und nicht gleichberechtigt.“39 Vor allem im alltäglichen Leben herrscht ein starkes Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern. Nichts desto trotz hatten Frauen in Frankreich in der Politik mehr Rechte und besaßen seit dem 21. April 1944 das Wahlrecht.40 Dadurch ist auch gegeben, dass sie die politische Zukunft Frankreichs, sowie auch die gesellschaftliche Zukunft, mitbestimmen durften, und somit auf eine Verbesserung der Situation der Frau hoffen konnten, solan-ge dies von den Frauen selbst auch wünschenswert war.

[...]


1 Beauvoir 1968: 265

2 Galster 2015: 23

3 Beauvoir 1968: 2

4 Galster 2015: 24

5 Galster 2015: 24

6 Galster 2015: 25

7 Beauvoir 1968: 2

8 Beauvoir 1968: 2

9 Blume 2016

10 Blume 2016

11 Rinnert 2001: 23

12 Moi 1989: 108

13 Galster 2015: 17

14 Simons 1989: 29

15 Moi 1989: 108-109

16 Beauvoir 1968: 5-6

17 Beauvoir 1968: 5

18 Beauvoir 1968: 8-261

19 Beauvoir 1968: 264-667

20 Moi 1989: 108

21 Beauvoir 1968: 8-9

22 Moi 1989: 109

23 Beauvoir 1968: 11

24 Beauvoir 1968: 11

25 Beauvoir 1968: 152

26 Beauvoir 1968: 12

27 Beauvoir 1968: 15

28 Beauvoir 1968: 14

29 Gieffers 2012: 11

30 Beauvoir 1968: 14

31 Beauvoir 1968: 14

32 Beauvoir 1968: 14

33 Beauvoir 1968: 14

34 Beauvoir 1968: 14

35 Beauvoir 1968: 592-593

36 Gieffers 2012: 7

37 Gieffers 2012: 8

38 Gieffers 2012: 9

39 Gieffers 2012: 9

40 Gieffers 2012: 9

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Simone de Beauvoir und die Rolle der Frau
Untertitel
"Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es"
Hochschule
Universität Bremen
Veranstaltung
Einführung in die Politische Theorie
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
12
Katalognummer
V463193
ISBN (eBook)
9783668924802
ISBN (Buch)
9783668924819
Sprache
Deutsch
Schlagworte
simone, beauvoir, rolle, frau, welt
Arbeit zitieren
Jean Paulus (Autor:in), 2017, Simone de Beauvoir und die Rolle der Frau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/463193

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