Die Anerkennungsbemühungen der DDR und der BRD in Finnland und Schweden

Konkurrenz im Kalten Krieg


Examensarbeit, 2018

74 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 These und Aufbau der Arbeit
1.2 Stand der Forschung
1.3 Quellen und Literatur

2 Schweden und Finnland im Zweiten Weltkrieg
2.1 Schwedische Neutralität
2.2 Finnland im Spannungsfeld deutscher und sowjetischer Interessen
2.2.1 Finnland im Krieg mit der Sowjetunion
2.2.2 Das Ende des Zweiten Weltkrieges

3 Die Besatzungszonen Deutschlands bis zum Eintritt in NATO und Warschauer Pakt
3.1 Die Deutsche Frage
3.2 Die Zuspitzung zum Kalten Krieg
3.3 Die Gründung der BRD und der DDR .
3.4 Der Eintritt der BRD in die NATO und die Gründung des Warschauer Paktes
3.5 Stellung Schwedens und die Beziehungen zu Deutschland .
3.5.1 Die Position Schwedens in der Nachkriegszeit
3.5.2 Aufbau wirtschaftlicher Beziehungen Schwedens zur BRD und DDR
3.6 Stellung Finnlands und die Beziehungen zu Deutschland
3.6.1 Die Position Finnlands in der Nachkriegszeit
3.6.2 Der Aufbau von Handelsvertretungen

4 Die Anerkennungsbemühungen beider deutscher Staaten in Finnland und Schweden zur Zeit der Hallstein-Doktrin von 1955 bis 1965
4.1 Die Bedeutung der Hallstein-Doktrin für Finnland und Schweden
4.2 Die Anfänge der kulturellen und wirtschaftlichen Aktivitäten der DDR
4.3 Die Reaktionen der BRD auf die verstärkte Außenpolitik der DDR
4.4 Konkurrenz um nationale Repräsentanz am Beispiel: Sport

5 Von der Erosion bis zum Ende der Hallstein-Doktrin 1965-
5.1 Die „Neue Ostpolitik“ Brandts
5.2 Verhärteter Konkurrenzkampf in den 60er Jahren um die Gunst der skandinavischen Länder

6 Die Anerkennungswelle 1972/
6.1 Vorboten der Anerkennung
6.2 Die Anerkennung der BRD und der DDR durch Finnland und Schweden

7 Weitere Entwicklungen - ein Ausblick

8 Fazit

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Internetquellen

1 Einleitung

1.1 These und Aufbau der Arbeit

Mit der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 wurde das Ende des Zweiten Weltkrieges eingeläutet, welches auch im pazifischen Raum mit der Kapitulation Japans am 2. September besiegelt war. Die weltpolitische Situation war nach dieser Zeit gänzlich zerrüttet und gespalten. Das Deutschland, welches vor dem Krieg existierte, gab es nicht mehr. Mit der Besatzung durch die vier Hauptsiegermächte zeichnete sich mit der Zeit, nicht nur eine Spaltung der Welt in bipolare Interessens- sphären, sondern auch eine Spaltung Deutschlands deutlich ab.

Mit dem Beginn des Kalten Krieges, der als Konflikt zwischen den westlichen Großmächten unter der Führung der USA, mit dem Ostblock unter der Führung der Sowjetunion, trat von 1947 bis 1989 eine Systemkonfrontation des Kapitalismus und des Kommunismus in Erscheinung.

Die Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949 und der Deutschen Demokratischen Republik am 7. Oktober 1949 bot dieser Konfrontation auch auf deutschem Gebiet einen Schauplatz. Die Entstehung zweier deutscher Staaten brachte sowohl auf innen- als auch auf außenpolitischer Ebene eine Vielzahl an Veränderungen. Besonders die neutralen Staaten, die nach dem Zweiten Weltkrieg weder eindeutig in die westliche noch in die östliche Interessensphäre einzugliedern waren, gerieten in Bezug auf den Umgang mit den beiden Staaten in ein Dilemma.

Der Status, den beide deutschen Staaten langfristig zu erreichen versuchten, war eine diplomatische Anerkennung, welche aus zwei Gründen besonders bedeutsam war. Zum einen wurde mit einer Anerkennung das Fundament zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen, sowohl auf wirtschaftlichem und militärischem als auch auf kulturellem Gebiet, gelegt, zum anderen ergab sich im Hinblick auf die besondere Lage Deutschlands die Frage nach dem „rechtmäßigen Nachfolger“ eines deutschen Staates. Der zweite Punkt zielte demnach auf das Ansehen und die Achtung des jeweiligen Staates ab.

An dieser Stelle muss zunächst der Begriff Anerkennung näher beleuchtet werden. Dieser wird in zwei Formen unterteilt: de jure und de facto.

De jure bezeichnet die rechtliche Anerkennung per Gesetz, welche im Gegensatz zu der de facto Anerkennung amtlich und offiziell ist. De facto ist die Bezeichnung für die inoffizielle Art der Anerkennung, sie umschreibt die Anerkennung nach dem tatsächlichen Stand der Dinge. Sie kann in Form von Kulturprogrammen, Institutionen und Verträgen erfolgen. Im Grunde unterscheiden sich die beiden Formen der Anerkennung in Hinblick auf ihre umfang- und zeitmäßige Begrenzung, die de facto Anerkennung ist provisorischer Natur. Die Unterscheidung der beiden Anerkennungsformen ist, aufgrund der schwierigen Einordnung, umstritten.1

Beide deutschen Staaten, aber insbesondere die DDR starteten umfassende Programme, um langfristig eine de jure Anerkennung zu erreichen.

Für diese Arbeit sind die Positionen der beiden nordeuropäischen Länder Schweden und Finnland interessant, welche jahrzehntelang zur Wahrung der Neutralität bemüht waren und seit 1949 mit den Anerkennungsbestrebungen beider deutscher Staaten zurecht- kommen und auf diese reagieren mussten.

Im Folgenden wird der Verlauf der Beziehungen zwischen der BRD sowie der DDR mit den beiden nordeuropäischen Ländern Schweden und Finnland im Hinblick auf die vorliegende Konkurrenzsituation untersucht. Als Einstieg in das Thema erfolgt eine kurze Darstellung der Positionen Schwedens und Finnlands während des Zweiten Weltkrieges und deren Beziehungen zu Deutschland. Für das nachfolgende Verständnis ist dies von besonderer Wichtigkeit, da in diesem Kapitel ein Einblick über die weltpolitische Stellung der beiden Länder gegeben wird.

Der nächste Abschnitt über den Verlauf der Beziehungen zwischen den Ländern ist in drei sinnvolle chronologische Abschnitte unterteilt. Im ersten wird die Situation in der Zeit von den Besatzungszonen Deutschlands bis zum Eintritt in die NATO und zur Gründung des Warschauer Paktes 1955 dargestellt. Neben der Gründung von BRD und DDR wird in diesem Abschnitt auch die Entstehung des Kalten Krieges näher beleuchtet. Diese Periode stellt die Anfänge der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen den Ländern dar.

Der zweite Abschnitt wird 1955 mit der bundesdeutschen Zäsur im Bezug auf die außenpolitischen Beziehungen anderer Länder mit der DDR eingeleitet. Die Verkündung der Hallstein-Doktrin änderte maßgeblich den Verlauf der sich entwickelnden Beziehungen verschiedener Länder mit der DDR.

Dieser Abschnitt untersucht die Mittel und Wege, die der ostdeutsche Staat heranzog, um trotz der Doktrin Beziehungen zu den skandinavischen Ländern zu führen, die eine Anerkennung ihres Staates beschleunigen könnten. Diese besagten Beziehungen fanden zumeist auf kultureller Ebene statt.

Der dritte Abschnitt bezieht sich auf die Zeit der Erosion der Hallstein-Doktrin, in der eine Untergrabung der Doktrin auf lange Sicht absehbar wurde. Hierzu wird die neue Ostpolitik von Willy Brandt in eine nähere Betrachtung gezogen, da sie eine Veränderung im Umgang mit der DDR beabsichtigte.

In allen drei Phasen ist ein stetiger Konkurrenzkampf insbesondere seitens der DDR, aber auch seitens der BRD erkennbar. Auf die Aktion des einen Landes folgte zumeist die unmittelbare Reaktion des anderen. Keine Seite wollte der anderen Erfolge zugestehen und kämpfte insbesondere mit dem Mittel der Public Diplomacy,2 einem gern genutzten außen- politischen Instrument, um die rechtliche Anerkennung. Finnland nahm mit beiden deutschen Staaten zeitgleich 1972/73 diplomatische Beziehungen auf,3 Schweden hegte bereits diplomatische Beziehungen zur BRD, weigerte sich jedoch bis 1972/73 diese auch mit der DDR aufzunehmen.4

Die vorliegende Arbeit untersucht den Verlauf der Anerkennungsbemühungen und die Aktionen und Programme, die die beiden deutschen Staaten veranlassten, um die skandina- vischen Länder für sich zu gewinnen. Ebenfalls wird untersucht, warum die Bemühungen in dieser intensivierten Form ausgerechnet in Finnland und Schweden stattfanden und warum die Länder generell für das Kräftemessen beider Parteien so interessant waren.

Es soll die übergeordnete Frage analysiert werden, ob und inwiefern sich die kulturellen und wirtschaftlichen Bemühungen beider Länder auf die diplomatische Anerkennung auswirkten und, ob die Bemühungen der DDR dessen Anerkennung beschleunigten.

1.2 Stand der Forschung

Die außenpolitischen Beziehungen beider deutscher Länder zu Finnland und Schweden werden in einigen Werken kontrovers diskutiert. Insbesondere der (kulturelle) Konkurrenz- kampf um die Anerkennung findet dabei Beachtung. Es ist auffällig, dass sowohl Olivia Griese als auch Alexander Muschik in ihren Untersuchungen ein direktes Konkurrenz- verhalten von BRD und DDR in Finnland und Schweden feststellen. Der Ablauf der Rivalitäten zwischen den Ländern wird hierbei stets als Aktion-Reaktion-Abfolge dargestellt. Die DDR-Regierung startet eine Aktion, welche die BRD-Regierung beurteilt und auf diese mit einer entsprechenden Gegenmaßnahme antwortet.

Des Weiteren ist es von Bedeutung, dass stets die Bemühungen nach einer neutralen und ausgewogenen Behandlung bei Finnland und Schweden in Bezug auf beide Länder zu erkennen sind. Hierzu erforschen besonders Dörte Putensen und Andreas Linderoth die Konfliktsituation, der die skandinavischen Länder ausgesetzt sind.

Die geopolitische Lage Skandinaviens ist in diesem Fall höchst relevant, was die Länder für eine Anerkennung insbesondere im Fall der DDR sehr interessant machte. Besonders Finnland ist durch seine Grenze an Russland in seiner Entscheidungsfreiheit an die Interessen der Sowjetunion gebunden. Aus diesem Grund wurde Finnland auch als außenpolitisches Schwerpunktland der DDR markiert. Doch auch in Schweden wurde eine Vielzahl außenpolitischer Aktivitäten gestartet, da Schweden als mächtigstes nordeuropäisches Land eingestuft wurde und somit von der eigenen Ideologie zu überzeugen galt.

In der Forschung werden zwei deutliche Marker im Verlauf der Anerkennungsbemühungen gesetzt. Die erste stellt die Verkündung der Hallstein-Doktrin dar, die zweite eine Abwendung von dieser, die mit der Großen Koalition 1965 und der neuen Ostpolitik Willy Brandts eingeläutet wird. Die Forschungslage befasst sich in dieser Hinsicht mit den Veränderungen der deutsch-deutschen Beziehungen, sowie mit dem Einfluss auf die außenpolitischen Beziehungen von BRD und DDR.

1.3 Quellen und Literatur

Die außenpolitischen Beziehungen der beiden deutschen Staaten finden viel Beachtung in der Geschichtsschreibung. Insbesondere die außenpolitischen Aktivitäten der DDR werden unter den unterschiedlichsten Gesichtspunkten untersucht, da diese über viele Jahre hin bis zum Grundlagenvertrag 1972, von der BRD kritisch betrachtet wurden. Die Beziehungen zu Schweden werden von Alexander Muschik in seiner Dissertation „Die beiden deutschen Staaten und das neutrale Schweden. Eine Dreiecksbeziehung im Schatten der offenen Deutschlandfrage 1949-1972“ von 2005 ausführlich analysiert. In dem weiteren Aufsatz „Schweden als Objekt deutsch-deutscher Rivalität in den 50er und 60er Jahren“ in dem von Matthias Hannemann et al veröffentlichten Sammelband „Im Spannungsfeld. Affin- itäten, Abgrenzungen und Arrangements in den deutsch-schwedischen Beziehungen des 20. Jahrhunderts“ fasst Muschik die Rivalität der beiden deutschen Staaten in Schweden unter Betrachtung verschiedener Gesichtspunkte verständlich zusammen.

Ebenfalls von großer Wichtigkeit für die folgende Arbeit sind in Bezug auf Schweden der Aufsatz von Andreas Linderoth „Die Außenpolitik der DDR gegenüber Schweden 1954-1972: ein Kampf um Anerkennung“, ebenfalls im Sammelband Hecker-Stampehls veröffentlicht und der Beitrag von Michael Scholz „Östen Undén und die DDR. Schwe- dische Deutschlandpolitik in den 50er Jahren“, welcher 1993 in der 41. Ausgabe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte veröffentlicht wurde. Letzter konzentriert sich hauptsächlich auf die 50er Jahre, während die anderen Literaturangaben die Jahre bis 1972 bearbeiten.

Der außenpolitische Konkurrenzkampf in Finnland wird in Olivia Grieses Werken eingehend untersucht. Neben ihrer Monographie „Auswärtige Kulturpolitik und Kalter Krieg. Die Konkurrenz von Bundesrepublik und DDR in Finnland 1949-1973“ von 2006 gibt auch ihr Aufsatz „Ein Prüfstein für die Neutralität, Finnland und die beiden deutschen Staaten. Der schwierige Umgang mit einer Politik der Gleichbehandlung“ in Hecker- Stampehls Sammelband Aufschluss darüber, was die Beziehungen Finnlands zu den deutschen Staaten im Allgemeinen betrifft. Die Arbeit von Dörte Putensen „Im Konfliktfeld zwischen Ost und West: Finnland, der Kalte Krieg und die deutsche Frage (1947-1973)“ aus dem Jahr 2000 ist ebenfalls sehr bedeutend für das Verständnis über die finnische Position im Kalten Krieg. Die vorliegende Arbeit stützt sich im Wesentlichen auf die in diesem Abschnitt aufgeführte Literatur.

2 Schweden und Finnland im Zweiten Weltkrieg

2.1 Schwedische Neutralität

Die schwedische Regierung hatte in der Zeit des Zweiten Weltkrieges die übergreifende Zielsetzung, Schweden mit allen Mitteln aus dem Krieg herauszuhalten. Eine opportu- nistische Neutralitätspolitik und eine Anpassung an das wechselnde Kriegsglück der Alliierten waren Teil der Zugeständnisse, die die schwedische Regierung eingehen musste.5

Das wichtigste innenpolitische Ziel der Regierung war die innere Geschlossenheit von Regierung und Gesellschaft, um das Ausbleiben eines Angriffs garantieren zu können. Bei einem politisch geeinten Schweden hätten potentielle Gegner keinen Ansatzpunkt zur Kollaboration. Demnach standen die Aufrechterhaltung der Neutralität und eine Nichtteilnahme am Krieg im Zentrum der Außenpolitik.6

Schwedens Regierung verhielt sich außenpolitisch in erster Linie pragmatisch und nicht ideologisch. Bei einer ideologischen Betrachtungs- und Handlungsweise wäre der Widerstand und eine Stellungnahme gegen den Nationalsozialismus anstelle einer Anpassung notwendig gewesen. Diese Positionierung hätte jedoch eine kriegerische Auseinandersetzung mit Deutschland zur Folge gehabt, weshalb eine neutrale Stellung durch die Regierung eingenommen wurde, wenngleich teilweise unterschiedliche Grund- auffassungen bestanden.7 Trotz der Neutralitätserklärung, die unmittelbar nach Kriegs- ausbruch erlassen wurde, konnte Schweden in dem Sinne eine direkte „Neutralität“ während des Winterkrieges (November 1939 bis März 1940) zwischen der Sowjetunion und Finnland nicht zu hundert Prozent aufrechterhalten. In diesem Fall verhielt sich Schweden lediglich „nichtkriegführend“, was bedeutete, dass Schweden obgleich es nicht am Krieg teilnahm, Finnland eine umfassende Hilfe mit Waffen, Lebensmitteln und freiwilligen Truppen leistete. An dieser Stelle wurde der pragmatische und opportu- nistische Inhalt der schwedischen Neutralität deutlich.8

Eine weitere kritische Situation entstand im Rahmen der Weserübung, bei der Deutschland am 9. April 1940 Dänemark und Norwegen angriff. Durch die Operation Weserübung sollte englischen Übergriffen nach Skandinavien vorgebeugt werden, um somit Deutsch- land die Erzbasis in Schweden zu sichern und für die Kriegsmarine und die Luftwaffe die Ausgangsstellung gegen England zu erweitern.9

Außenminister Ribbentrop formulierte in Bezug auf die Besetzung Norwegens und Dänemarks am 11. April einige Forderungen, die eine Unterstützung von schwedischer Seite beinhalteten. Schweden willigte ein, den deutschen Soldaten in Form von Lebensmitteln und Krankentransporten Beistand zu leisten, verwehrte es jedoch, Truppen und Waffen nach Norwegen zu transportieren, da dies neutralitätswidrig sei.10

Nach der erfolgreichen Besetzung Norwegens trat Deutschland mit weiteren Forderungen an Schweden heran. Hierbei handelte es sich um weitere Personal- und Materialtransporte nach Norwegen, trotz dessen derzeitig kein Krieg geführt wurde. Angesichts der bevorstehenden französischen Kapitulation fühlte sich Schweden von der starken deutschen Dominanz in Europa bedroht, da es befürchtete die Aggressionen der Wehrmacht könnten sich auch im Laufe der Zeit gegen sie richten. Mit der Einwilligung der Forderungen wich Schweden dieses mal endgültig von seiner Neutralität ab, schaffte es jedoch trotz dessen nie konkret in den Zweiten Weltkrieg involviert zu werden.11

Die schwedische Neutralität war demnach nicht mit Passivität gleichzusetzen und schloss keine Annäherungen an die unterschiedlichen Großmachtinteressen aus. Es wird daher häufig zutreffend als „Nicht-Allianz“ im Krieg bezeichnet.12

2.2 Finnland im Spannungsfeld deutscher und sowjetischer Interessen

2.2.1 Finnland im Krieg mit der Sowjetunion

Die grundlegenden Veränderungen der machtpolitischen Lage in Europa führten letzten Endes auch zu einer Zuspitzung des Verhältnisses Finnlands zur Sowjetunion. Finnland wurde im Zweiten Weltkrieg seine geographische Lage zum Verhängnis, aufgrund dessen das nordeuropäische Land unweigerlich in den Krieg involviert wurde. Von russischer Seite wurde Finnland seit jeher als Gefahr für die Sicherheit betrachtet und selbst durch ihre Neutralitätsbekundungen konnte die finnische Regierung nicht mehr dem Sicher- heitsbedürfnis der Sowjetunion entgegenkommen.13

In dem geheimen Zusatzprotokoll des Ribbentrop-Molotovpaktes von August 1939, in dem Hitler und Stalin ihre Interessengebiete abstimmten, wurde festgehalten, dass Finnland zur Interessensphäre Russlands gehören sollte und kein Eingreifen von deutscher Seite zu befürchten wäre. Die Sowjetunion stellte einige Forderungen an Finnland, wie beispielsweise die Verpachtung der Halbinsel Hankö, um den Seeweg nach Leningrad sichern zu können.14 Als Finnland nicht auf die Forderungen einging, kündigte die Sowjetunion den Nichtangriffspakt, brach die diplomatischen Beziehungen ab und eröffnete mit der Bombardierung Helsinkis und der karelischen Gebiete die kriegerischen Handlungen.15

In der Weltöffentlichkeit erhielt Finnland abgesehen von schwedischer Seite keine militärische Hilfe. Auch die Hilfe von schwedischer Seite erfolgte nicht durch die Regierung, sondern in Form von Privatinitiativen. Circa 7500 schwedische Freiwillige kämpften am Bottnischen Meerbusen auf der finnischen Seite gegen den kommunistischen Gegner.16 Auf diese Art und Weise konnte der „Neutralitätsstatus“ Schwedens ungefährdet bleiben, da kein direkter Eingriff der Regierung vorgenommen wurde.

Als im Februar 1940 die sowjetischen Truppen die sogenannte „Mannerheim-Linie“ auf der karelischen Landenge durchbrachen, befürchtete Stalin ein Eingreifen der Westmächte zugunsten Finnlands und machte zu dessen Verhinderung ein Waffenstillstandsangebot. Finnland willigte dem Friedensvertrag am 13. März 1940 ein, musste jedoch einige Gebiete an die Sowjetunion abtreten.17

Als die deutsche Wehrmacht am 9. April 1940 Dänemark und Norwegen besetzte, wurde deutlich, dass auch die weitere Entwicklung Finnlands vom Wohlwollen des faschistischen Regimes abhinge. Die geographische Lage Finnlands war in diesem Fall von Vorteil für die Beziehungen zu Deutschland.18

Die Beziehungen, die Finnland im Zweiten Weltkrieg zu Deutschland pflegte, spiegelten zum einen den Gegensatz zwischen Finnland und der Sowjetunion wider, waren jedoch auch abhängig von den deutsch-sowjetischen Beziehungen. Obwohl in dem Ribbentrop- Molotovpakt von einem Interesse an Finnland von der deutschen Seite aus abgesehen wurde, wollte Deutschland die Beziehungen zu Finnland als nördlichen Eckpfeiler in der Front seit dem Sommer 1940 aufrechterhalten. Finnland hingegen profitierte von der deutschen Unterstützung gegen die Sowjetunion und vom Außenhandel, welcher die Ernährung der Bevölkerung sichern sollte.19

Oberste Priorität des Landes war es nach wie vor nicht in den Krieg der Großmächte einbezogen zu werden und so lange wie möglich neutral zu bleiben. Mit dem Einsatz der Bombardierung südfinnischer Städte durch die sowjetische Luftwaffe, befand sich Finnland jedoch unweigerlich erneut im Krieg mit der Sowjetunion.20

Finnland geriet zwar aus eigenem Willen, jedoch auch aufgrund der Verhältnisse zwischen den Großmächten von der sowjetischen Einflusssphäre unter eine deutsche Schirm- herrschaft. Trotz der vergeblichen Versuche zur Wahrung der Neutralität, blieb ein Kriegseintritt Finnlands nicht aus.21

Von der finnischen Seite wurde die Beteiligung am Aufmarsch der deutschen Truppen gegen die Sowjetunion nicht als Beteiligung am Krieg der Großmächte verstanden. Auch in der Weltöffentlichkeit wurde es eher als ein separater finnischer Krieg aufgefasst, der sprachlich als „Fortsetzungskrieg“ umgesetzt wurde.22 Der Fortsetzungskrieg fand demnach zeitgleich zum deutsch-sowjetischen Krieg statt, verfolgte jedoch andere Absichten. In erster Linie wollte Finnland die eigene Sicherheit und Unabhängigkeit verteidigen sowie die in dem Winterkrieg verlorenen Gebiete zurückerobern.23

Zunächst verlief der Krieg erfolgreich für die Finnen, am 1. September 1941 konnten alle von der Sowjetunion eroberten Gebiete befreit werden und die Front konnte die nächsten zweieinhalb Jahre gehalten werden.24

2.2.2 Das Ende des Zweiten Weltkrieges

Die Enttäuschung über den Verlauf des Krieges war auf Seiten der politischen und militärischen Führung Finnlands groß. Aufgrund der Tatsache, dass die deutsche Wehrmacht ihren kommunistischen Gegner nicht besiegen konnte, musste sich Finnland weiterhin mit der Bedrohung im Osten arrangieren.25

Ende 1943 und mit der deutschen Niederlage bei Stalingrad wurde die finnische Position stetig problematischer. Obwohl die finnische Führung einen Ausweg aus dem Krieg suchte, gelang es Deutschland bis zum Sommer 1944 Finnland an seiner Seite zu halten. Nach massiven Bombardements in Südfinnland durch die sowjetischen Truppen und angesichts der erwarteten deutschen Niederlage, beschloss die finnische Führung im Spätsommer 1944 den Krieg für Finnland zu beenden.26

Die Forderungen der Sowjetunion beinhalteten den sofortigen Abbruch der deutsch- finnischen Beziehungen und den Abzug der deutschen Truppen bis zum 15. September 1944. Darüber hinaus sollten die Grenzen vom März 1940 wieder hergestellt werden. Dies bedeutete unter anderem die Abtretung des Petsamogebietes mit den dortigen Nickelerz- vorkommen und die Verpachtung der Halbinsel Porkala. Eine weitere Voraussetzung für den Waffenstillstand zwischen der Sowjetunion und Finnland bedeutete die Wiederzu- lassung der finnischen kommunistischen Partei und einer sowjetischen Kontroll- kommission in Helsinki.27

Als größtes Problem sollte sich die Entwaffnung und schließlich der Abzug der deutschen Truppen aus Finnland erweisen. Die Zustände eskalierten aufgrund der Vorgehensweise der Wehrmachtsoldaten und endeten in einem Krieg der vermeintlichen Waffenbrüder. Die Truppen verfolgten eine Taktik der „verbrannten Erde“ und hinterließen bei ihrem Abzug ein gänzlich verwüstetes Lappland.28

3 Die Besatzungszonen Deutschlands bis zum Eintritt in NATO und Warschauer Pakt

3.1 Die Deutsche Frage

Die Frage nach der rechtlichen Situation Deutschlands nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs war umstritten und unklar. Mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 7./ 8. Mai 1945 und der Verhaftung der geschäftsführenden Reichs- regierung am 23. Mai fiel die Aufgabe der Verwaltung Deutschlands den Alliierten zu. Die Siegermächte übernahmen die oberste Regierungsgewalt in Deutschland und die Befugnisse der deutschen Regierung sowie des Oberkommandos der Wehrmacht und der Regierungen, Verwaltungen und Behörden der Länder, Städte und Gemeinden der Besatzungszonen.29

Die ersten Anzeichen zur Teilung Deutschlands brachte der britische Finanzminister Sir John Anderson bereits unmittelbar nach der Jalta Konferenz, vom 4. bis zum 11. Februar 1945, hervor. Sein Memorandum enthielt den Vorschlag einer Aufteilung Deutschlands in zwei Hälften, da er davon ausging, die sowjetische Zone könnte in eine zu große Abhängigkeit von der Sowjetunion geraten. In diesem Fall könnte jedoch zumindest dafür Sorge getragen werden, dass die drei westlichen Besatzungszonen in das Wirtschaftssystem Westeuropas eingegliedert würden. Die Sowjetische Besatzungszone könnte indes der Sowjetunion zur freien Verfügung stehen.30

In der Potsdamer Konferenz vom 17.7.- 2.8.1945, zu der sich die Regierungschefs der USA (Harry S. Truman), der UdSSR (Joseph Stalin) und von Großbritannien (Winston Churchill und ab dem 28.7. Clement Attlee)31 trafen, wurde über das weitere Vorgehen und die weitere Behandlung Deutschlands entschieden. Eine Beseitigung der wirtschaftlichen und politischen Differenzen, die im Zuge der vorangegangenen Jalta Konferenz entstanden sind, war notwendig um die Grundsätze der Politik gegenüber Deutschlands festzulegen.32

In der Konferenz konnte insofern der Konsens erreicht werden, Deutschland als wirtschaftliche Einheit zu behandeln. Eine zentrale deutsche Regierung war nicht vorgesehen, daher sollte der zuvor gegründete Kontrollrat den Verwalter und Garant der Einheit darstellen.33 Die wichtigsten Entscheidungen, die das Potsdamer Abkommen hervorbrachte, sind zusammengefasst folgende Punkte:

1. völlige Abrüstung, Demontage und Entmilitarisierung der Rüstungsindustrie;
2. Beseitigung des Nationalsozialismus;
3. Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen mit einem Sonderstatus für Berlin;
4. Demokratisierung des politischen Lebens;
5. Einsetzung örtlicher Verwaltungen und deutscher Zentralbehörden unter Aufsicht des
Kontrollrats;
6. Kontrolle der Industrie bei Erhaltung der wirtschaftlichen Einheit Deutschlands, Auflösung von Kartellen, Syndikaten, Trusts;
7. Reparationen und Demontage von Industrieanlagen.34

Das wohl größte Hindernis zur Realisierung der Punkte war die fehlende Einigkeit unter den Siegermächten, beispielsweise was die Vorstellungen von Demokratie oder die Verteilung und Höhe der Reparationszahlungen betraf. Die gegensätzlichen Großmacht- interessen erschwerten massiv die Umsetzung des Abkommens.35

Der amerikanische Botschafter in Moskau, George Kennan, äußerste sich diesbezüglich sehr skeptisch. Er kritisierte die „dehnbaren“ Begriffsverwendungen, insbesondere der Begriffe „demokratisch“, „friedlich“ und „gerecht“, da laut seiner Aussage die Sowjet- union unter alldem etwas gänzlich anderes als die westlichen Vertreter verstand.36

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Westzonen und der Ostzone verschlech- terten sich durchweg. Die Entwicklungen in den beiden Teilen Deutschlands verliefen unterschiedlich und es zeichnete sich bereits vor 1949 deutlich ab, dass eine Einheit Deutschlands vorerst nicht möglich war. Die UdSSR war im Begriff des Aufbaus eines sozialistischen Staatssystems, welchen die amerikanische Seite unter Kontrolle zu bringen versuchte. Ein politisch und wirtschaftlich funktionierendes und vereintes Deutschland hervorzubringen, um eine Wiederbelebung Westeuropas zu erreichen, erwies sich als nicht möglich.37

3.2 Die Zuspitzung zum Kalten Krieg

Das öffentliche Klima zwischen der Ost- und der Westseite beherrschte auch die poli- tischen und militärischen Planungsgremien auf beiden Seiten. Die unterschiedlichen Interessen der Großmächte spitzten sich immer weiter zu. US-Präsident Truman war nicht bereit Kompromisse mit der Sowjetunion einzugehen und verfolgte eine antikommu- nistische Strategie der Eindämmung. Großbritannien hingegen vertrat unter Premier- minister Chamberlain eine Beschwichtigungspolitik. Diese sollte im Gegensatz zu der amerikanischen Vorgehensweise entgegenkommend und kompromissbereit ausfallen, was wiederum auf Seiten Amerikas starke Kritik hervorbrachte.38

Am 12. März 1947 stellte Truman in einer Rede vor beiden Häusern des US-Kongresses seine Eindämmungsstrategie zum ersten Mal offiziell vor. Vordergründig bezog sich die Rede auf den derzeit eskalierenden Bürgerkrieg in Griechenland, stellte jedoch den bisherigen gemeinsamen Kampf gegen „totale Regierungsformen“ in den Mittelpunkt. Truman verwies auf die Gefahr, dass eine Duldung der kommunistischen Expansion die Freiheit zahlreicher Staaten, wie auch die der USA bedrohe.39

Die Ansprache Trumans galt als offizielle Kriegserklärung der USA an die Sowjets im Kalten Krieg. Es war ein globales Hilfeversprechen Amerikas an alle Länder, die von kommunistischer Machtübernahme bedroht waren. Die Öffentlichkeit hielt den Konflikt nun für offiziell eröffnet. Innerhalb kurzer Zeit stellten sich zahlreiche Freiwillige zur Unterstützung im Kampf gegen den Kommunismus zur Verfügung.40

Auch die UDSSR gab öffentliche Erklärungen ab, die den Übergang in den Kalten Krieg von ihrer Seite aus deutlich machten. Stalin bekräftigte in einer Rede vom 9. Februar 1946 die Unvermeidlichkeit von Kriegen mit dem Kapitalismus. Als zentrales Sprachrohr Stalins galt jedoch der Leningrader Parteisekretär Andrej Schdanow. Dieser gründete im September 1947 ein Kommunistisches Informationsbüro (Kominform) und lieferte in dessen Eröffnungsrede eine Antwort auf die sogenannte Truman Doktrin. Der Inhalt der Rede belief sich auf die zum Ende des Zweiten Weltkrieges entstandenen zwei Weltlager. Hierbei betonte Schdanow die Unvereinbarkeit der imperialistischen Anti-Demokratie des Westens mit der antiimperialistischen Demokratie der Sowjetunion.41

Mit der Zwei-Lager-Theorie war der Kalte Krieg 1947 somit offiziell eröffnet und bereits tendenziell ein totaler Konflikt, der auf politisch-ideologischer, ökonomischer, techno- logisch-wissenschaftlicher, kulturell-sozialer und militärischer Ebene ausgetragen wurde. Auch nicht-beteiligte Staaten waren gewissermaßen zu einer Positionierung gezwungen, da die Ablehnung der einen Seite die Aufnahme auf der anderen Seite bedeutete.42

Am 5. Juni 1947 kündigte US-Außenminister George C. Marshall in Harvard das „European Recovery Program“ (ERP, auch genannt Marshall-Plan) an, welches bereits Truman in seiner Doktrin vom 12. März initiierte. Der Marshall Plan wurde als Hilfeleis- tungsprogramm entwickelt, um die katastrophale Ernährungs- und Versorgungslage in Westeuropa aufzubessern. Da die bisherigen US-Hilfen nicht ausreichend waren, sollte ein neues Konzept unter Einbindung der europäischen Staaten neue Möglichkeiten eröffnen. Am 3. April 1948 wurde die Hilfe verabschiedet.43

Der Marshall-Plan basierte auf der freien Kapital- und Privatwirtschaft und wurde auch aufgrund dessen strikt von der UDSSR abgelehnt. Diese verweigerte auch ihren Bruderstaaten eine Teilnahme. Moskau interpretierte das ERP als eine Einmischung in die Angelegenheiten souveräner Staaten und reagierte mit dem „Molotov“ Plan.44

3.3 Die Gründung der BRD und der DDR

Unabhängig von dem Verhältnis unter den Besatzungszonen, entwickelten sich die politischen Aktivitäten innerhalb der jeweiligen im Laufe des Jahres verhältnismäßig schnell. In der SBZ wurden im Juni 1945 politische Parteien (KPD, SPD, CDU, LDP) und Gewerkschaften zugelassen. Gemeinsam vereinbarten sie unter der Aufsicht der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) eine „Einheitsfront der antifaschistisch- demokratischen Parteien“.45 In den westlichen Besatzungszonen erfolgte die Zulassung von politischen Parteien ebenfalls geraume Zeit später. Die amerikanische und die britische erteilten die Legitimation zur Parteigründung im August 1945, die französische erst im Januar/März 1946.46

Im Zuge der Lebensmittelknappheit im Winter 1945/46 beschlossen die Amerikaner und die Briten bereits am 1. Januar 1947 ihre Zonen zusammenzuführen, und eine Bi-Zone entstand. Dies geschah unter erheblichem französischen und sowjetischen Protest.47

Große Meinungsverschiedenheiten unter den Alliierten entstanden auch hinsichtlich der Reparationszahlungen und die damit verbundenen Demontagen von Industrieanlagen. Die USA und Großbritannien versuchten eine Verhinderung des Zugriffs der Sowjetunion auf das Ruhrgebiet und verfolgten hierbei unter Präsident Truman eine Politik der Eindämmung der Sowjetunion, die sogenannte „containment“-Politik.48

Auch der Marshall-Plan der USA, der den Wiederaufbau des zerstörten Europas betraf, erzielte keine Einigung. Während die Westzonen diesen befürworteten, verweigerten die SMAD und SED die Teilnahme für die Ostzone.49

Am 19. Juni 1948 wurde ein Währungsgesetz von den Westmächten verabschiedet, welches die Einführung der neuen Währung „Deutsche Mark" statt der bisherigen Reichsmark bedeutete. Die Neuregelung war eine amerikanische Vorbedingung für die Teilnahme der Westzonen am Marshall Plan. Das Ziel der Währungsreform war die Grundlage für den Aufbau einer funktionsfähigen Marktwirtschaft, die Verstärkung der Geldfunktion sowie den Rückgang des Schwarzmarktes.50

Seitens der Sowjetunion wurde die Einführung der Westzonenwährung als erneuter Angriff und Spaltungsversuch gedeutet. Daraufhin reagierte Moskau am 24. Juni mit der Anordnung einer totalen Blockade, was eine Sperrung der Schienen, Straßen und Wasserwege nach Berlin bedeutete. Die Westsektoren der Stadt waren von den Stromlieferungen aus dem Ostsektor sowie der Lebensmittelzufuhr gänzlich abgeschnitten. Die Westalliierten reagierten ihrerseits mit einer Luftbrücke und konnten die Versorgung der Westberliner sichern, indem Flugzeuge mit Lebensmitteln, Kohle und weiteren Gütern auf den Westberliner Flughäfen landeten.51

Das Ziel der Berlin Blockade war es von Stalins Seite aus, Druck auf die Westmächte auszuüben, um die Schaffung eines antisowjetischen Weststaates zu verhindern und zu einer Vier-Mächte-Verwaltung zurück zu gelangen. Es wurde jedoch das Gegenteil bewirkt und der Versuch scheiterte aufgrund der Luftbrücke und des Widerstands der Westberliner Bevölkerung. Die Berlin-Blockade forcierte regelrecht die westdeutsche Staatsgründung und machte aus den Westdeutschen und Westalliierten Verbündete. Die Blockade wurde nach 11 Monaten am 12. Mai 1949 aufgelöst.52

Trotz langem Zögern und einer ablehnenden Haltung begünstigten die gegensätzlichen Deutschlandstrategien und -vorstellungen auf lange Sicht die Erweiterung der Bi-Zone um die französische Zone zur Tri-Zone und führten zum Scheitern des Kontrollrats im März 1948.53 Die letzten französischen Widerstände waren mit der Sechsmächtekonferenz vom 20. April bis 1. Juni 1948 überwunden, als sich abzeichnete, dass ein westdeutscher Teilstaat mit regierungsartiger Verantwortung gegründet werde.54

Das Ergebnis der Sechsmächtekonferenz übergaben die drei Militärgouverneure der Westmächte am 1. Juli 1948 in Frankfurt den Ministerpräsidenten der Westdeutschen Länder. Die sogenannten „Frankfurter Dokumente“, die als die Geburtsurkunde des Deutschen Staates betrachtet werden, waren zur künftigen politischen Entwicklung Deutschlands konzipiert und beinhalteten die Autorisierung der Ministerpräsidenten zur Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung.55

In der Stellungnahme der Ministerpräsidenten zu den Frankfurter Dokumenten hieß es, dass es sich bei dem zu schaffenden Gebilde nicht um einen Staat in dem Sinne, sondern lediglich um ein Provisorium handele, welches bis zu dem Zeitpunkt begrenzt wäre, bis das gesamte deutsche Volk in der Lage wäre sich in freier Selbstbestimmung zu konstituieren.56 Auf dem Verfassungskonvent von Herrenchiemsee und der Sitzung des Parlamentarischen Rats wurde das Grundgesetz strukturiert und inhaltlich bestimmt. Mit der Verabschiedung und Verkündung des Grundgesetzes (8. und 23. Mai 1949) verkün- deten die drei Militärgouverneure das Besatzungsstatut, das mit der ersten Bundes- regierung in Kraft treten solle. Mit der Verkündung des Grundgesetzes entstand die Bundesrepublik Deutschland.57

Parallel zur Umwandlung der Bi-Zone in die westdeutsche Bundesrepublik vollzog sich in der SBZ ebenfalls schrittweise die Gründung eines ostdeutschen Staates. Bereits Ende 1946 hatte der SED-Parteivorstand den „Entwurf einer Verfassung für die Deutsche Demokratische Republik“ veröffentlicht. Ein essentieller Bestandteil des Entwurfs war die Einführung der Planwirtschaft und die Überführung der Bodenschätze in Volkseigentum.58

[...]


1 Frenzke, Dietrich: Die Anerkennung der DDR. Völkerrechtliche Möglichkeiten und Folgen, Köln 1970, S. 43-46.

2 Der Begriff „Public Diplomacy“ wird in Kapitel 4.2 genauer definiert.

3 Putensen, Dörte: Im Konfliktfeld zwischen Ost und West: Finnland, der Kalte Krieg und die deutsche Frage (1947-1973) (Schriftenreihe der Deutsch-Finnischen Gesellschaft e.V., Bd. 3), Berlin 2000, S. 266ff.

4 Muschik, Alexander: Die beiden deutschen Staaten und das neutrale Schweden. Eine Dreiecksbeziehung im Schatten der offenen Deutschlandfrage 1949-1972 (Nordische Geschichte, Bd. 1) Münster 2005, S. 11.

5 Ekman, Stig: Schweden, Deutschland und der Holocaust. Historiographische Anmerkungen zur Außenpolitik der schwedischen Regierung während des Zweiten Weltkriegs, in: Nordeuropaforum. Zeitschrift für Politik, Wirtschaft und Kultur, 11. Jahrgang (4. der N.F.) 2/2001, S. 5-26, hier: S. 7.

6 Radowitz, Sven: Schweden und das „Dritte Reich“ 1939-1945. Die deutsch-schwedischen Beziehungen im Schatten des Zweiten Weltkrieges. (Beiträge zur deutschen und europäischen Geschichte: BDEG. -Hamburg: Krämer, 1989-2008, Bd. 34), Hamburg 2005, S, 47.

7 Ekman 2001, S. 6.

8 Carlsson, Sten: Die schwedische Neutralität - eine historische Übersicht, in: Bindschedler, Rudolf; Kurz, Hans Rudolf; Calgren, Wilhelm; Carlsson, Sten (Hgg.): Schwedische und schweizerische Neutralität im Zweiten Weltkrieg, Basel, Frankfurt am Main 1985, S. 27.

9 Kärgel, Susanne: Eine Frage der Neutralität? Deutsch-schwedische Beziehungen im Zweiten Weltkrieg, Marburg 2008, S. 40.

10 Ebd., S. 44.

11 Wangel, Carl-Axel: Verteidigung gegen den Krieg, in: Bindschedler, Rudolf; Kurz, Hans Rudolf; Calgren, Wilhelm; Carlsson, Sten (Hgg.): Schwedische und schweizerische Neutralität im Zweiten Weltkrieg, Basel, Frankfurt am Main 1985, S. 37.

12 Carlsson 1985, S. 29.

13 Hösch, Edgar: Kleine Geschichte Finnlands (Beck’sche Reihe: BsR. - München: Beck, 1978-2013, Bd. 1889), München 2009, S. 129.

14 Bohn, Ingrid: Finnland. Von den Anfängen bis zur Gegenwart (Geschichte der Länder Skandinaviens, Bd. 4), Regensburg 2005, 218-219.

15 Hösch 2009, S. 131.

16 Bohn 2005, S. 219.

17 Ebd., S. 220.

18 Ebd., S. 221.

19 Vehviläinen, Olli: Die Beziehungen Finnlands zu Deutschland während des Zweiten Weltkrieges, In: Hösch, Edgar (Hg.): Finnland-Studien (Veröffentlichungen des Osteuropa-Institutes München: Reihe: Geschichte, Bd. 59), Wiesbaden 1990, S. 248.

20 Bohn 2005, S. 221.

21 Vehviläinen 1990, S. 248.

22 Hösch 2009, S. 133.

23 Bohn 2005, S. 221.

24 http://katharinakellmann-historikerin.de/2017/01/finnland-und-deutschland-im-zweiten-weltkrieg/; Kellmann, Katharina: Finnland und Deutschland im Zweiten Weltkrieg.

25 http://katharinakellmann-historikerin.de/2017/01/finnland-und-deutschland-im-zweiten-weltkrieg/; Kellmann, Katharina: Finnland und Deutschland im Zweiten Weltkrieg.

26 Bohn 2005, S. 223.

27 Ebd., S. 224.

28 Hösch 2009, S. 138.

29 Timmermann, Heiner (Hg): Die Entstehung der beiden deutschen Staaten. Ein Überblick, in: Deutschland und Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Entwicklungen, Verflechtungen, Konflikte (Forum: Politik. - Weimar: Bertuch, 1986, Bd. 9), Saarbrücken-Scheidt 1990, S. 49.

30 Eschenburg, Theodor: Deutschland in der Politik der Alliierten, in: Foschepoth, Joseph (Hg.): Kalter Krieg und Deutsche Frage. Deutschland im Widerstreit der Mächte 1945-1952 (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London, Bd. 16), Göttingen 1985, S. 45.

31 Frankreich war von der Potsdamer Konferenz ausgeschlossen.

32 Timmermann 1990, S. 50.

33 Eschenburg 1985, S. 46.

34 Timmermann 1990, S. 51.

35 Ebd., S. 51-52.

36 Eschenburg 1985, S. 48.

37 Timmermann 1990, S. 59.

38 Stöver, Bernd: Der Kalte Krieg 1947-1991. Geschichte eines radikalen Zeitalters (Bundeszentrale für Politische Bildung, Bd. 613), Bonn 2007, S. 67.

39 Ebd., S. 68-69.

40 Ebd., S. 71.

41 Ebd., S. 74.

42 Stöver 2007, S. 76.

43 Gehler, Michael: Deutschland. Von der Teilung zur Einigung. 1945 bis heute (Bundeszentrale für Politische Bildung, Bd. 1124), Bonn 2011, S. 60.

44 Ebd., S. 61.

45 Timmermann 1990, S. 57.

46 Ebd., S. 53-57.

47 Gehler 2011, S. 56.

48 Ebd., S. 60.

49 Timmermann 1990, S. 60.

50 Gehler 2011, S. 66.

51 Ebd., S. 68.

52 Gehler 2011, S. 68-69.

53 Timmermann 1990, S. 60.

54 Gehler 2011, S. 71.

55 Borowsky, Peter: Deutschland. 1945 bis 1969, Hannover 1993, S. 69.

56 Ebd., S. 70.

57 Ebd., S. 71-73.

58 Borowsky 1993, S. 80.

Ende der Leseprobe aus 74 Seiten

Details

Titel
Die Anerkennungsbemühungen der DDR und der BRD in Finnland und Schweden
Untertitel
Konkurrenz im Kalten Krieg
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Nordische Geschichte)
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
74
Katalognummer
V463130
ISBN (eBook)
9783668924192
ISBN (Buch)
9783668924208
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kalter Krieg, DDR, BRD, Anerkennung, Finnland, Schweden, Konkurrenzkampf, Neutralitätsbemühungen, Neutralität
Arbeit zitieren
Nora Awad (Autor:in), 2018, Die Anerkennungsbemühungen der DDR und der BRD in Finnland und Schweden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/463130

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