Exegese Markus 10, 17-31. Die Frage eines Reichen nach dem ewigen Leben


Hausarbeit, 2017

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Assoziative Annäherung

2. Wissenschaftliche Annäherung
2.1 Beseitigung der Stolpersteine
2.2 Textkritik
2.3 Literarkritik
2.4 Synoptischer Vergleich
2.5 Traditionskritik
2.6 Gattungskritik
2.7 Religionsgeschichtliche Fragestellung
2.8 Redaktionskritik
2.9 Überlieferungskritik.
2.10 Die Theologie des Markus: Verfasser, Entstehungszeit und Ort

3. Hermeneutisches Verstehen

Literaturverzeichnis

1. Assoziative Annäherung

Erste Gedanken zum Text lassen eine Verbindung der Problematik im Bibeltext und der heuti- gen Zeit zu. So gibt es doch viele Menschen, die glauben, alles für ein besseres Leben oder gar eine bessere Welt zu machen, jedoch vergessen viele von ihnen, dass es oftmals die einfa- chen Dinge sind, die nicht auf den ersten Blick Sichtbaren, die den wahren Reichtum bewir - ken können. Ebenso verhält es sich mit der gewählten Bibelstelle. Es geht nicht nicht nur dar- um sich offensichtlich an die Vorgaben der Tora, die zehn Gebote zu halten, sondern allein darum, sich materiell zu trennen. An dieser signifikanten Stelle des Textes wurde mir klar, wie aktuell dieser Denkanstoß Jesus doch ist. So ist es auffällig, wie viele Menschen heutzutage nicht mehr an ein minimalistisches Leben denken, ein Leben in Verschwendung führen und trotzdem davon überzeugt sind, sie verhalten sich rechtens, und dass es schwer möglich ist, sich besser zu verhalten, als sie es tun. Der Hauptaspekt liegt für mich dabei in einem Versuch seinen Reichtum ein Stück weit zu verlassen, um das eigene Leben schätzen, den Armen hel- fen und somit ein Stück die Welt verändern zu können.

So verstanden doch unsere Großeltern diese Problematik um einiges besser da sie sich in Nachkriegszeiten auf das Glück zu leben besinnten, die wenigen Habseligkeiten mit Schick- salsgenossen teilten und nicht in einem Moment an Reichtum und Verschwendung dachten. Allein das zeigt, inwiefern ein reiches Leben nichts mit wirklichem Reichtum zu tun hat und welche Wirkung Jesus Worte noch heute haben.

In dieser exegetischen Betrachtung von Markus 10,17-31 soll neben den methodischen Schrit- ten der Exegese, welche in diesem Fall auf dem neutestamentlichen Arbeitsbuch für Religi- onspädagogen basieren, ein synoptischer Vergleich und ein Blick auf den heutigen Lebenszu- sammenhang der Bibelstelle erfolgen. Als Grundlage dieser Arbeit dient, neben dem Seminar „Das Markusevangelium“, jenes wurde von Friedrich Johannsen im Sommersemester 2017 an der Leibniz Universität durchgeführt, die Bibelübersetzung von Martin Luther.

2. Wissenschaftliche Annäherung

2.1 Beseitigung der Stolpersteine

In Bezug auf die Frage nach Sach- und Begriffserklärungen innerhalb dieses Textabschnitts, fallen auf den ersten Blick keine unbekannten Begriffe auf. Allerdings ist es gerade dann be - sonders wichtig, kritisch zu hinterfragen, was uns manche Aussagen wirklich sagen wollen und worauf sich Zuhörer und Protagonisten beziehen, oder vielmehr was gewisse Handlungen oder Aussagen in ihrer Lebenswelt bedeuten.1

So spielt das nahezu fehlerfreie Verhalten des reichen Mannes seit seiner Jugend eine wichtige Rolle für das Verständnis der Bibelstelle, da es zu fragen gilt, warum es dem Mann, der alle Gebote seit seiner Jugend befolgt, nicht möglich ist ewiges Leben zu erben. Für mich war es in diesem Kontext wichtig zu klären, was in der zeitgenössischen Betrachtung als die Jugend im Judentum gilt. Von Jugend an bedeutet in diesem Zusammenhang seit dem Eintritt der Ge- schlechtsreife, also der bar mizwa. Mit Eintritt dieses Zustandes wird der Mann als „eigenver- antwortlicher Sohn des Gottesgebotes“2 verstanden, wodurch der Zeitpunkt seit der bedin- gungslosen Gesetzestreue markiert ist und somit über das zeitgenössische Verständnis von Ju- gend und Geschlechtsreife Aufschluss gibt.3

Bei meinem ersten Eindruck bin ich außerdem auf den „hundertfältigen Ausgleich“ (Mk 10,30) gestoßen. Stolle erklärt in diesem Zusammenhang die christliche Gemeinde als Aus- gleich für den Verlust der natürlichen Familie. Wem dies widerfährt, wird durch die Aufnahme in die Gemeinde zu einer größeren, hundertfachen Familie kommen.4

2.2 Textkritik

Die Aufgabe der Textkritik ist es, „aus dem Vergleich von Textzeugen die ursprüngliche Text- fassung zu ermitteln“5. Diese soll in diesem Zusammenhang beispielhaft an drei Passagen er- folgen.

Für Mk 10,17-31 ist dabei vor allem die zentrale Stelle der Liebgewinnung des reichen Man- nes durch Jesus entscheidend (Mk 10,21). Eckey erwähnt in diesem Kontext zusätzlich die Möglichkeit der Übersetzung „liebkosen“, was als sinnliche Form des Aufrufs zur Nachfolge verstanden werden kann. Es kommt hierbei also zu einer Werbung um den reichen Mann, um ihn für die Nachfolge zu gewinnen.6

Außerdem von zentraler Bedeutung ist die Stelle des Bildwortes in Vers 25. Martin Luther übersetzt „ein Kamel durch ein Nadelöhr“ (MK 10,25), während Stolle ebenfalls die Leseart Schiffstau für möglich hält, um vor allem die Absurdität abzumildern.7

Ebenfalls kritisch zu hinterfragen ist der Vers 29, in dem es um das Verlassen der Kinder geht. Es ist zu fragen, ob es sich dabei um kleine oder erwachsene Kinder handelt, da die zuletzt ge- nannten als neue Gruppe in die Szene eintreten würden. Stolle bezieht sich dabei auf die Ver - folgungssituation in der Jesusgemeinde, wenn es zum Verrat unter Familienmitgliedern kommt. Somit sind die erwachsenen Kinder bereits in Mk 10,29 erwähnt worden, während sie in Mk 13,12 dann eindeutig zur Sprache kommen.8

2.3 Literarkritik

Im Hinblick auf eine Analyse der Literarkritik ist es notwendig, die Bibelstelle von ihrem Kontext abzugrenzen, um ihn eigenständig betrachten zu können. Für den betrachteten Text ergibt sich dabei eine Abgrenzung durch einen Ortswechsel, da das Haus (Mk 10,10), in wel - chem Jesus sich befand, verlassen wurde. Mitunter kommt es zu einem Personenwechsel, da Jesus innerhalb der betrachteten Szene im Kreis seiner Jünger von einem Reichen aufgesucht wird.9 Für mich außerdem zentral ist die semantische Abgrenzung zu Mk 10,13-16. Hierbei kommt es durch die Segnung der Kinder nämlich zu einem eindeutigen Abschluss dieser Peri- kope. Der Segen bedeutet das positive Ende der Bibelstelle und wirkt zusätzlich auf die Kin- der als besondere Hauptpersonen dieser Perikope ein. Da ein Segen und an dieser Stelle sogar der Segen der Kinder, welcher ein einmaliges Phänomen im Markusevangelium darstellt, für mich einen Abschluss einer Bibelstelle symbolisiert, ist dieser Aspekt zusätzlich erwähnens- wert. Neben dem Ortswechsel, welcher Mk 10,17-31 von dem nachfolgenden Kapitel ab- grenzt, ist somit auch der zentrale Spruch Jesus in Vers 31 entscheidend, indem er die Umkeh- rung der Verhältnisse thematisiert und sie auf das Richten Gottes im kommenden Äon bezieht, ist auch für diese Bibelstelle ein klares Ende gegeben. Festzuhalten ist allerdings auch die Be- obachtung, dass Mk 10,32-34 insofern stark mit Mk 10,17-31 verknüpft ist, als dass bereits in Vers 32 die Nachfolgenden, welche offensichtlich die in Mk 10,17 angesprochenen Bedingun- gen erfüllen, angesprochen werden und mit Jesus unterwegs sind. Dies zeigt eine semantische Sinnhaftigkeit von Mk 10,17-31 zu dessen angrenzenden Bibeltext, welche allerdings durch den Ortswechsel hinreichend abgegrenzt ist, sodass der semantische Sinn zweifelsfrei beste- hen bleibt, aber eine notwendige Abgrenzung vom Kontext gegeben ist.

Formal besteht die Einheit des Textes aus drei Hauptteilen, die durch das Thema der Besitz- und Jesusnachfolge bestimmt sind. Der erste Teil thematisiert die Frage eines Reichen zum ewigen Leben und umfasst die Verse 17-22. Die Szene wird von dem Auftreten des reichen Fragestellers sowie seinem betrübtem Abgang eingeschossen. Innerhalb des ersten Teil der Gliederung ist vor allem der Torabezug Jesus zu nennen, in welchem er die zehn Gebote zi - tiert und zuvor seine Anrede als gut (Mk 10,17) zurückweist. Ferner verweist der Fragesteller auf seine langjährige Gebotserfüllung.10 Anschließend ruft Jeus in Form von fünf Imperativen zur Weggabe des Besitzes und zur Nachfolge auf, die den vorjüdisch geprägten Schatz im Himmel verheißen.11

Der zweite Teil der Gliederung von Peter Dschulnigg umfasst die Verse 23-27. Er bezeichnet diesen Teil als die Jüngerbelehrung. Der Teil beginnt mit der direkten Rede Jesu, auf die seine Jünger mit Entsetzen reagieren. Das Bildwort vom Kamel, das durch ein Nadelöhr passen soll (Mk 10,25), steigert dieses Entsetzen zusätzlich. Abschließend erfolgt eine einmalig kurze Rede der Jünger darstellt.12

Als dritten Teil bezeichnet Dschulnigg die Verse 28-31, welche den Hinweis Petrus auf die Jüngernachfolge thematisieren. Jesus beendet den betrachteten Abschnitt mit einem langen Redeanteil, der die Verheißung an die Jünger für die kommende und die gegenwärtige Welt.13 Die zuvor dargestellte Gliederung umfasst somit vor allem Jesus als Hauptperson mit seinen Jüngern, die ihn umgeben und ebenso essenziell für die Szene sind, wie auch der Reiche. Als Spannungshöhepunkt ergibt sich für mich der Weggang des reichen Mannes (Mk 10,22), da der Leser an dieser Stelle mit vielen Fragen zurückgelassen wird, die der Text im Folgenden nun beantworten soll.

In diesem Kontext ist somit außerdem eine Textteilung erwähnenswert, die auf der Gegen- überstellung der historischen Erinnerung und der gegenwärtigen Auskunft basiert, welche für eine inhaltliche Unstimmigkeit spricht.14 Diese geht mit der Änderung des Protagonisten in- nerhalb dieser Szene einher. Somit wird Jesus zunächst als Gegenüber des reichen Mannes dargestellt, wechselt aber in Vers 23 in die Rolle des Protagonisten, der zu seinen Jüngern spricht. Zudem ist zu nennen, dass der reiche Mann und die Jünger Jesus sich in einer ähnli - chen Zuhörersituation befinden, da sie beide erschrecken (Mk 10,22 und Mk 10,24) und von Jesus eindrücklich angesehen werden (Mk 10,21 und Mk 10,27). Die Differenz der Zeitstufen geht mit der Berufung zur Nachfolge an den reichen Mann und dem Eingehen in die Got- testherrschaft für die Jünger einher. Diese Beobachtung verdeutlicht eindrucksvoll die „histo- rische Situation der Nachfolge des irdischen Jesus“15 gegenüber der Situation der Jesusge- meinde in der Zeit des Markus, die von großer Ordnung bestimmt war. Somit kommt es zur Konfrontation der Regeln der vorösterlichen Nachfolge Jesu vor dem Hintergrund der zehn Gebote und der nachösterlichen Lebensweise des Christseins.16

Dennoch ist von einer literarischen Einheit auszugehen, da Anfang und Abschluss der Periko - pe von der Einzigkeit, beziehungsweise der Allmacht Gottes bestimmt sind. Somit wird die Nachfolge Jesus in Verbindung mit der Gottesherrschaft, die die Jesuszeit und die Zeit der Ge- meinde Jesus als Einheit darstellt, gestellt.17 Außerdem rechtfertigen die zuvor gemachten Be- obachtungen die Annahme von einer literarischen Einheit auszugehen. So sprechen neben der klaren Abgrenzung von Anfang und Ende der Bibelstelle durch Personen und Ortsangabe vor allem auch die innertextlichen Auffälligkeiten, wie die Differenz der Zeitstufen für die litera- rische Einheit des Textes. Die angesprochene Textteilung, die eine Einheit in Frage stellen könnte, lässt sich für mich ebenfalls durch die semantische Verknüpfung der Themen ewiges Leben und Nachfolge begründen, sodass die Textstelle weiterhin als einheitlich betrachtet werden sollte und nicht als zwei unabhängige Texte.

2.4 Synoptischer Vergleich

Im synoptischen Vergleich zwischen Markus 10,17-31, Matthäus 19,16-30 und Lukas 18,18- 30 fallen sowohl Gemeinsamkeiten, als auch gewisse Unterschiede auf.

Mit einem Mann, der zu Jesus und den Jüngern stößt und nach ewigen Leben fragt, ist für je - den der Synoptiker die gleiche Ausgangssituation geschildert. Hinzu kommt bei Markus die ehrenvolle Geste des Kniefalls. Bei Matthäus ergibt sich die Abweichung, dass nicht Jesus als „gut“ angesprochen wird, sondern der Mann sich nach guten Taten erkundigt. Weiterhin stim- men Markus und Lukas im Wortlaut überein, während bei Matthäus der Mann bereits in Vers 17 darauf hingewiesen wird die Gebote zu halten. Als die Gebote zur Sprache kommen, schil- dert Jesus bei Markus und Lukas von sich aus drei Gebote, welche bei den Synoptikern über- einstimmen. Bei Matthäus fügt Jesus das Gebot „Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst“ (Mt 19,18) hinzu, nach dem der Mann explizit nach den einzuhaltenen Geboten ge - fragt hat. Der Mann beteuert bei allen Synoptikern diese Gebote eingehalten zu haben. Jesus wendet sich folgend an den Mann und antwortet bei Lukas und Markus im Wortlaut gleich, sodass in beiden Passagen der Schatz im Himmel und die Nachfolge zur Sprache kommen. Dies geschieht auch bei Matthäus, der allerdings noch den Aspekt der Vollkommenheit zufügt. Im Folgenden verlässt der Mann den Ort des Geschehens. Diese Stelle ist bei allen Synopti- kern gleich. Weiterhin wird das Wort Jesus bei Markus und Matthäus nun an die Jünger ge- wendet, bei Lukas spricht er zu dem reichen Mann. Ansonsten ist diese Passage bei den Syn - optikern gleich. Zu bemerken ist allerdings, dass Jesus diese Textstelle bei Markus und Lukas als Frage formuliert, während sie bei Matthäus einen Aussagecharakter hat. Es folgt das Sinn- bild vom Kamel und vom Nadelöhr, welches bei den Synoptikern gleichermaßen vorkommt und inhaltlich äquivalent ist. Es folgt das Entsetzen der Jünger bei Markus und Matthäus, bei Lukas wird nur die Frage der Zuhörerschaft erwähnt, die sich danach erkundigt, wer sonst se- lig werden könne (Lk 18,26). Diese Frage ist ebenfalls bei Markus und Matthäus zu finden, dort wird sie allerdings von den Jüngern gestellt. Diese Belehrung der Jünger endet bei den Synoptikern gleich, indem Jesus betont, dass bei Gott alle Dinge möglich sind.

[...]


1 Vgl. Becker/Jochum-Bortfeld/Johannsen/Noormann: Neutestamentliches Arbeitsbuch, 267.

2 Vgl. Eckey: Das Markusevangelium, 264.

3 Vgl. ebd.

4 Vgl. Stolle: Markusevangelium, 247.

5 Vgl. Becker/Jochum-Bortfeld/Johannsen/Noormann: Neutestamentliches Arbeitsbuch, 267.

6 Vgl. Eckey: Das Markusevangelium, 264.

7 Vgl. Stolle: Markusevangelium, 245.

8 Vgl. Stolle: Markusevangelium, 245.

9 Vgl. Dschulnigg: Markusevangelium, 274.

10 Vgl. Dschulnigg: Markusevangelium, 274.

11 Vgl. a.a.O. 277.

12 Vgl. Ebd.

13 Vgl. a.a.O. 275.

14 Vgl. Stolle: Markusevangelium, 241.

15 Ebd.

16 Vgl. Stolle: Markusevangelium, 242.

17 Vgl. ebd.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Exegese Markus 10, 17-31. Die Frage eines Reichen nach dem ewigen Leben
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Philosophische Fakultät)
Veranstaltung
Seminar: Das Markusevangelium
Note
1,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
16
Katalognummer
V462411
ISBN (eBook)
9783668920989
ISBN (Buch)
9783668920996
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Exegese, Markus, Ewige Leben, Theologie, Religion
Arbeit zitieren
Julia Guenter (Autor:in), 2017, Exegese Markus 10, 17-31. Die Frage eines Reichen nach dem ewigen Leben, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/462411

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