Wahrheit und Öffentlichkeit. Zwischen Manifest und Manipulation

Eine Analyse der Realitätstauglichkeit der normativen Konzeption von Öffentlichkeit mit Bezug auf Wahrheit im Informationszeitalter


Hausarbeit, 2018

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Philosophische Wahrheitstheorien
2.1 Die Korrespondenztheorie
2.2 Die Kohärenztheorie
2.3 Die Konsenstheorie

3. Wahrheit und Öffentlichkeit im inne der Aufklärung

4. Bürgerliche Öffentlichkeit
4.1 Entstehung der bürgerlichen Öffentlichkeit
4.2 Eigenschaften und Funktionen von Öffentlichkeit

5. Kritik am Habermaschen Wahrheitsbegriff und Öffentlichkeitsmodell

6. Fazit, Ausblick und Reflexion

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Übergang vom Industriezeitalter zum Informationszeitalter wird im Allgemeinen als Digitale Revolution bezeichnet. Der historischen Wortherkunft zufolge bedeutet Information, lat. informatio, ich bilden, belehren, unterrichten oder darstellen1. Der gegenwärtigen Wortbedeutung zufolge ist damit eine bestimmte Teilmenge an Wissen gemeint, die ein Absender über ein bestimmtes Medium in einer bestimmten Form und einem bestimmte Kontext an einen Empfänger adressiert2. Ziel ist es in der Regel beim Empfänger einen Wissenszuwachs zu erzeugen3. Mit zunehmenden Informationsangebot teigt aber auch die Wahrscheinlichkeit Desinformationen zu erhalten. Desinformation wird chon eit jeher für das Verschweigen oder ablenken der Wahrheit durch direkte (z.B. Lügen, Betrug) oder indirekte (subtile Unterdrückung objektiver oder überprüfbarer Fakten) Maßnahmen eingesetzt. Ziel ist es die öffentliche Meinung, bzw. die Meinung von Gruppen oder Einzelpersonen zu beeinflussen um ein politisches oder wirtschaftliches Anliegen zu unterstützen4. Als Beispiele wären hier die Brutkastenlüge, die gefälschten Dokumente über Massenvernichtungswaffen und in der heutigen Zeit die massenhafte Verbreitung von Fake News zu nennen. Gerade das Aufkommen der Gerüchte über die Manipulation von Wahlen kann tiefgreifende Folgen haben. Moralische und ethische Grundsätze cheinen dem Missbrauch mit Desinformation keine Grenzen zu etzen. Doch wie ist es möglich als Bürger an wahrheitsfähige Information zu gelangen? Und was bedeutet das für das Individuum als Empfänger von Information / Desinformation und besonders für das gesamtgesellschaftliche Zusammenleben?

Gerade bei dem absichtlichen piel mit der Manipulation von Information ist das Individuum daher mehr gefragt denn je. Es muss eine Quellen orgfältig auswählen, tändig hinterfragen und bestmöglich eriöse Vergleiche anstellen, um Wahrheit von Fiktion unterscheiden zu können. Nur o kann einer epidemischen Ausbreitung tiefgreifender Fehl- und Desinformation in der Öffentlichkeit entgegengewirkt werden. Doch wie konstituiert ich Wahrheit im öffentlichen Raum? Und was ist mit dem weitläufigen Begriff der Öffentlichkeit eigentlich gemeint? Die Begriffe Öffentlichkeit und Wahrheit tehen eit jeher in der oziologie in einer engen Relation zueinander und daher existieren ehr viele verschiedene Interpretationen und inndeutungen über diese Begriffe. Der Frage, der ich in dieser Arbeit deswegen nachgehen werde lautet:

Inwiefern kann die normative Konzeption des Öffentlichkeitsbegriffs nach Habermas in Bezug auf Wahrheit in modernen Gesellschaften als realisierbar betrachtet werden?

Der Frage nach dem Wie aus oziologischer icht, möchte ich daher mit der Rekonstruktion eines Idealtypus von Öffentlichkeit nachgehen. Ich werde die Begriffe Wahrheit und Öffentlichkeit historisch aufarbeiten, miteinander in Beziehung etzen und Kritikpunkte bezüglich dieses Idealtypus aufzeigen. Daher werden philosophische Wahrheitstheorien kurz erklärt, die für diese Arbeit relevant ind. Darauf folgt eine Auseinandersetzung mit dem Wahrheitsbegriff der Aufklärung im inne Immanuel Kants´. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird der Begriff der Öffentlichkeit mit Blick auf Wahrheit tärker fokussiert und chließlich die Konzeption von Öffentlichkeit nach Jürgen Habermas eingehend erläutert. Die Rekonstruktion dieses normativen Modells der Öffentlichkeit erfolgt unter Hinzunahme der chriften von Bernhard Peters. Anschließend folgt eine kritische Auseinandersetzung mit dem Wahrheits- und Öffentlichkeitbegriff von Habermas. Abschließend wird die Forschungsfrage nochmal aufgegriffen und mit den gewonnenen Erkenntnissen Best möglichst beantwortet. Darüber hinaus beziehe ich elbst tellung, reflektiere diesen Aufsatz und gebe einen Ausblick, auf ich eventuell auftretende weiterführende Fragen.

2. Philosophische Wahrheitstheorien

Seit Aristoteles geriet der Begriff der Wahrheit immer wieder in den Fokus einflussreicher gelehrter und Autoren. Engt man den Umkreis der Aktualität jedoch auf die letzten 100 Jahre ein, o ist festzustellen, dass gerade in dieser Zeitspanne eine Vielzahl von Wahrheitstheorien verschiedenster Prägung5 entwickelt worden ind. Insbesondere eit Anfang der 70er Jahre haben diese kontroverse Diskussionen hervorgebracht. Den wohl größten Einfluss auf diesen Diskurs nahm Jürgen Habermas mit der Veröffentlichung eines Aufsatzes Wahrheitstheorien im Jahre 19736. Um einen kleinen Überblick zu gewährleisten, werden nachfolgend die wohl geläufigsten Wahrheitstheorien kurz erklärt. Der Fokus oll dabei aber auf der Konsenstheorie (Diskurstheorie) liegen, die von Jürgen Habermas maßgeblich mit beeinflusst wurde.

2.1 Die Korrespondenztheorie

Unter der Korrespondenztheorie, welche auf Aristoteles zurückzuführen ist, versteht man im Allgemeinen ein Wahrheitsverständnis, das Wahrheit als Übereinstimmung der Erkenntnis mit den Gegenständen interpretiert. ie ist die historisch älteste Wahrheitstheorie und gewissermaßen die Wahrheitstheorie des Alltagsverstandes. Die wohl gebräuchlichste Formulierung ist diejenige, „die, von der ubjektiven eite gesagt, Wahrheit als Übereinstimmung oder Angleichung des ubjektiven Erkenntnisvermögens, peziell des Intellekts, an den objektiven achverhalt beschreibt“7. ubjektive Aussagen ind also genau dann ‚wahr‘, wenn ie mit den Tatsachen in der objektiven Welt übereinstimmen (korrespondieren)8.

2.2 Die Kohärenztheorie

Kohärenztheorien der Wahrheit ehen in der Kohärenz einer Aussage mit anderen Aussagen die Wahrheit einer Aussage, das entscheidende Kriterium oder ein Indiz für die Wahrheit einer Aussage. Kohärenz als Definition von Wahrheit bedeutet im allgemeinsten inne „die Einordnung einer Aussage in ein Aussagensystem, die Verträglichkeit einer Aussage mit allen anderen.“9 Kohärenz ist in diesem Kontext die Fähigkeit einer Aussage, ich in ein ystem von Aussagen integrieren zu lassen und mit den übrigen Aussagen kompatibel zu ein. Im inne der Kohärenztheorie besteht die Wahrheit einer Aussage darin, dass ie ich wiederspruchlos mit den übrigen Aussagen des ystems verbindet.10

2.3 Die Konsenstheorie

Die Konsenstheorie zählt zu den übergeordneten sprachpragmatischen Wahrheitstheorien. Unter einer sprachpragmatischen Theorie im ursprünglichen inne wird eine olche verstanden, nach der das ‚wahr‘ ist, was nützt. Bei ihr liegt die Betonung des intersubjektiven Charakters im dialogischen konsensbasierten Geschehen. Das Kerncharakteristikum dieser Theorie ieht den idealisierten Konsens als Wahrheitskriterium. Das Wort ‚wahr‘ kann hierbei zwei Bedeutungen annehmen. Zum einen kann es attributiv verwendet werden (z.B. ‚wahre Liebe‘; ‚wahrer Freund‘), zum anderen prädikativ mit Zuschreibung zum Urteil (z.B. irgendetwas ist wahr). Wird einer Aussage bzw. einem Urteil Wahrheit zugeschrieben, o ist damit ein Geltungsanspruch verbunden. Diese Aussage erhebt dann den Anspruch ‚wahr‘ zu ein. Er beinhaltet aber auch die Abhebung der Aussage von ubjektiven Meinungen, Äußerungen und Ausdrücken11. Als zusammenfassende Definition der Theorie möchte ich hier Gloy zitieren:

„[…] Konsensustheorien der Wahrheit erheben den Anspruch, die Geltung einer als ‚wahr‘ behaupteten Aussage und damit die Wahrheit einer Aussage durch einen Argumentationsgang einzulösen, in dem alle Gesprächsteilnehmer hinsichtlich der Gründe konsentieren, und zwar nicht zufällig, ondern notwendig in einem potentiell universellen Konsens.“ (Gloy 2004: .195)

Eine der meistdiskutierten, aber auch meistumstrittenen Wahrheitstheorien, ist die von Habermas 1973 veröffentlichte Konsensus- oder Diskurstheorie (Dialogtheorie), die „auch unter dem Namen ‚intersubjektive Wahrheitstheorie‘ figuriert“12. Für Habermas tellt ein Diskurs den „Schauplatz kommunikativer Rationalität“ dar. Dabei meint der Diskurs einen argumentativen Dialog, in dem über die Wahrheit von Behauptungen und die Legitimität von Normen gesprochen wird. Als vernünftig gilt die intersubjektive, von allen Teilnehmern einer Gemeinschaft anerkannte Wahrheit13. Präzisiert formuliert er wie folgt:

„Rationaler Diskurs oll jeder Versuch der Verständigung überproblematischer Geltungsansprüche heißen, ofern er unter Kommunikationsbedingungen tattfindet, die innerhalb eines durch illokutionäre Verpflichtungen konstituierten öffentlichen Raums das freie Prozessieren von Themen und Beiträgen, Informationen und Gründen ermöglichen. Indirekt bezieht ich der Ausdruck auf Verhandlungen, oweit diese durch diskursiv begründete Verfahren reguliert ind.“ (Habermas 1992: . 138 f.)

Im weiteren Verlauf dieses Aufsatzes konfrontieren wir nochmal genau mit diesem Topos. Im folgenden Kapitel rekonstruiere ich die Begriffe Wahrheit und Öffentlichkeit aus der Perspektive Immanuel Kants.

3. Wahrheit und Öffentlichkeit im inne der Aufklärung

Die „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ Unter diesem Titel erschien der Essay von Immanuel Kant in der Berlinischen Monatsschrift im eptember 1784, der eine ganze Epoche prägte. Das Ziel der Aufklärung formuliert Kant als „Ausgang des Menschen aus einer elbstverschuldeten Unmündigkeit“.14 Um dies näher zu ergründen, ist eine Auseinandersetzung mit den prägnantesten Begriffen des Essays zwangsweise notwendig. Unmündigkeit tellt für Ihn das Unvermögen dar, ich eines eigenen Verstandes zu bedienen, ohne fremdbestimmter Leitung. Des Weiteren könnte man interpretieren, dass die Menschen einfach nicht mehr in der Lage ind, eigenständig zu denken, weil ie darauf fokussiert ind, ihr Leben und ihr Denken von anderen vorbestimmt zu bekommen und dabei alles chon als Wahrheit präsentiert wird. Als Wahrheit werden dann die Information / achverhalte angenommen, die ohne Benutzung des eigenen Verstands akzeptiert werden. Zudem ei diese Unmündigkeit noch elbstverschuldet. Und ie ist es genau dann, wenn es an Mut oder Willenskraft fehlt, ich eines eigenen Verstandes zu bedienen bzw. diesen zu benutzen. Als Hauptursachen nennt er dafür Faulheit und Feigheit, welche letztendlich dafür orgen, dass ich andere Menschen zu Vormündern aufwerfen, die er „Oberaufsicht“ nennt. Diese ind eben auch jene, die versuchen andere von der Benutzung des eigenen Verstandes abzuhalten, um ihre Vormundstellung beizubehalten.15

Ein weiterer zentraler Begriff tellt die ‚Freiheit‘ dar. Freiheit ei das einzig erforderliche zur Aufklärung; und zwar die „unschädlichste unter allem, was nur Freiheit heißen mag, nämlich die: von einer Vernunft in allen tücken öffentlichen Gebrauch zu machen.“16 Diese Freiheit könnte heute unter den Terminus (und omit des Grundrechts) der freien Meinungsäußerung fallen. Er unterscheidet dabei öffentlichen Gebrauch und Privatgebrauch. Der öffentliche Gebrauch einer Vernunft muss daher jederzeit frei ein. Wenn von öffentlichen Gebrauch die Rede ist, ist dieser tets an ein Publikum gerichtet. Das Publikum bei Kant ist gleichzusetzen mit der heutigen Alltagssprachlichen Auffassung von Öffentlichkeit bzw. der öffentlichen phäre. Der öffentliche Gebrauch einer Vernunft adressiert an das Publikum, führe letztendlich dazu, dass ich das Publikum elbst aufkläre. Der Gedanke der Aufklärung verbreitet ich omit elbst und geschehe unausbleiblich.17

Bemerkenswert dabei ist, dass ich viele Gedanken der Kant´schen Auslegung der Aufklärung in den chriften von Habermas wiederfinden lassen. In den folgenden Kapiteln wird daher Öffentlichkeit als normatives Modell im inne Habermas‘ eingehend rekonstruiert, dabei werden chriften von Bernhard Peters mit hinzugezogen.

[...]


1 Vgl. Duden

2 Vgl. Lexikon zur oziologie: . 302 f.

3 Vgl. Duden

4 Vgl. Educalingo

5 Unter verschiedener Prägung ind hier realistische (mit der Dominanz des objektiven Bereichs), idealistische (mit der Dominanz des ubjektiven Bereichs) und interaktionistische Positionen (Gleichbehandlung der objektiven und ubjektiven) gemeint. (vgl. Gloy 2004: . 67)

6 Vgl. Gloy 2004: .1

7 Gloy 2004: . 92

8 Vgl. ebd.

9 Gloy 2004: . 168

10 Vgl. ebd.: . 169

11 Vgl. Gloy 2004: . 193

12 Gloy 2004: . 1

13 Vgl. Habermas 1992: . 187 f.

14 Kant 1784: . 5

15 Vgl. Kant 1784: .6

16 Kant 1784: . 6

17 Vgl. Kant 1784: . 9

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Wahrheit und Öffentlichkeit. Zwischen Manifest und Manipulation
Untertitel
Eine Analyse der Realitätstauglichkeit der normativen Konzeption von Öffentlichkeit mit Bezug auf Wahrheit im Informationszeitalter
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Gesellschaftswissenschaften und Philosophie)
Veranstaltung
Soziologie der Öffentlichkeit
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
18
Katalognummer
V462094
ISBN (eBook)
9783668900486
ISBN (Buch)
9783668900493
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Öffentlichkeit, Wahrheit, Information, Kritik
Arbeit zitieren
Fabian Helgert (Autor:in), 2018, Wahrheit und Öffentlichkeit. Zwischen Manifest und Manipulation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/462094

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