Erfassung und Beschreibung der Präkonzepte von Grundschulkindern zum Themenbereich "Der Gehörsinn"

Darstellung von möglichen Potenzialen der Präkonzepte zur Entwicklung von kompetenzorientierten Konfrontationsaufgaben


Studienarbeit, 2019

121 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Zielsetzung

I THEORETISCHER TEIL

2. Theoretische Grundlagen
2.1 Prakonzepte
2.1.1 Definition Prakonzepte
2.1.2 Fehlvorstellungen
2.1.3 Entstehung von Prakonzepten
2.1.4 Erhebung von Prakonzepten
2.2 Aktueller Forschungsstand
2.2 Die Sinne des Menschen
2.2.1 Der Gehorsinn
2.2.2 Das Ohr (Aufbau und Funktion)
2.2.3 Schallentstehung und Schallwellen
2.2.4 Der Gehorsinn als Thema im Sachunterricht in der Grundschule (sachsischer Lehrplan)
2.3 Definition Kompetenz
2.3.1 Kompetenzen im Sachunterricht in der Grundschule (Perspektivrahmen und sachsischer Lehrplan)
2.3.2 Kompetenzbereiche
2.4 Konfrontationsaufgaben
2.5 Kompetenzorientierte Konfrontationsaufgaben

II PRAKTISCHER TEIL

3. Methodik
3.1 Forschungsfragen
3.2 Qualitative Forschung
3.2.1 Datenerhebung mittels Kinderinterviews
3.2.2 Interviewleitfaden
3.2.3 Durchgefuhrte Datenerhebung
3.2.4 Interviewsetting
3.2.5 Datenauswertung mittels qualitativer Inhaltsanalyse

4. Ergebnisteil
4.1 Ergebnisdarstellung
4.1.1 Ergebnisse zu Unsere Sinne
4.1.2 Ergebnisse zu Der Gehorsinn (allgemein)
4.1.3 Ergebnisse zu Der Gehorsinn (spezifisch)
4.1.4 Ergebnisse zu Tonentstehung und Schallausbreitung
4.1.5 Ergebnisse zu Schallveranderung
4.2 Diskussion der Ergebnisse
4.3 Ergebnisse aus Kinderinterviews im Vergleich zum Forschungsstand
4.4 Reflexion der Ergebnisse

5. Relevanz fur den Sachunterricht

6. Fazit
6.1 Thematisches Fazit
6.2 Methodisches Fazit

7. Literaturverzeichnis

8. Anlagenverzeichnis

Anhang

1. Einleitung und Zielsetzung

„Wenn die Frau so im Fernseher leiser spricht, dann macht die das, weil ich da ja auf der Fernbedienung drucke und dann merkt die das und redet nicht so laut. Wenn man laut reden tun mir sonst die Ohren weh."

(Sofia, 7 Jahre alt)

Wenn man sich mit Kindern uber Alltagsfragen austauscht, ist man oft erstaunt, welche Denkmuster und Vorstellungen bereits vorhanden sind. Sie beziehen ihr Wissen aus personlichen Erfahrungen und aus der sie umgebenden Lebenswelt und konstruieren eine individuelle Gedankenwelt, die fur sie logisch erscheint. Der Drang des Menschen, sich Dinge aus seiner Umwelt erklaren zu wollen und die damit verbundene Neugier fuhren zu Denkmustern und zahlreichen Losungsvorstellungen. Diese individuellen gedanklichen Konstrukte werden hier unter dem Begriff der Prakonzepte beschrieben. Besonders im Bereich der Naturwissenschaften existieren meist zahlreiche Vorstellungen zu Phanomenen, welche durch die bis dahin fehlende fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema als durchaus plausibel fur das Kind erscheinen. Wie sich Kinder ihre Lebenswelt erschlieGen spielt fur Lehrkrafte eine zentrale Rolle, denn es hilft ihnen dabei, fachwissenschaftliche Inhalte im Ansatzpunkt auf das gedankliche Vorwissen der Kinder abzustimmen. Durch die Kenntnis des Wissensstandes haben LehrerInnen die Moglichkeit, Sachverhalte an die Schulervorstellungen anzupassen. Denn eine der Aufgaben von Schule ist die Vermittlung von Allgemeinwissen, welches mit einer Basis an das Grundwissen anknupfen soll. Dieses Grundwissen ist dabei nicht nur Mittel zum Zweck, sondern weist eine eigene Wertigkeit auf, in dem Dinge des Alltags und den Sachen der Welt einen direkten Bezug zum Dasein der Kinder schaffen (vgl. Thomas 2017, S.37). Lebensweltliche Vorstellungen von SchulerInnen, die sie bis Schuleintritt erworben haben, sind tief verwurzelt (vgl. Barke 2006, S.29). Neues Wissen hingegen braucht Zeit und Wiederholung, um eine feste gedankliche Verankerung zu erfahren. Besonders im Sachunterricht in der Grundschule ist es ein Ziel, auf- und ausbaufahiges Wissen anzulegen, um naturwissenschaftliche Zugange fur SchulerInnen zu ermoglichen (vgl. GDSU 2013, S.38). Die neuen Erfahrungen, welche die SchulerInnen im Unterricht machen, werden mithilfe der bereits vorhandenen Vorstellungen neu organisiert. Da Forschungen zu Prakonzepten von

Grundschulkindern im naturwissenschaftlichen Bereich bisher wenig Aufmerksamkeit erfahren haben, wird in dieser Arbeit eine Prakonzepterhebung zum Themenfeld Der Gehorsinn durchgefuhrt. Dazu werden Kinder der dritten Klassenstufe in einem geleiteten Interview befragt, welche konkreten Vorstellungen sie zu den Sinnen, dem menschlichen Gehor (Aufbau und Funktion) und der Entstehung und Veranderung von Schallwellen besitzen. Die erhobenen Prakonzepte werden mittels qualitativer Datenanalyse aufgearbeitet und als Grundlage fur die Entwicklung von kompetenzorientierten Konfrontationsaufgaben genutzt. Da sich die Bildungspolitik immer mehr mit der Vermittlung von Kompetenzen im schulischen Kontext beschaftigt, und eine reine Vermittlung von Fachwissen keine Hauptprioritat mehr ist, stellt diese Arbeit die Kompetenzforderung fur Grundschuler im Zusammenhang mit Konfrontationsaufgaben fur das Themenfeld Der Gehorsinn vor. Dabei sollen die erhobenen Prakonzepte der Kinder als Ausgangspunkt dienen, sodass Phanomenbegegnungen an die Lebenswelt der SchulerInnen angepasst werden konnen. Die erstellten Konfrontationsaufgaben sind dabei lediglich Beispiele, die fur einen Einsatz in der Grundschule mit kompetenzorientierter Unterrichtsfuhrung genutzt werden konnen.

Zu Beginn wird der theoretische Anteil abgedeckt, indem Prakonzepte und deren Besonderheiten naher erlautert werden. Dazu werden auch Prozesse zur Erhebung von Prakonzepten und der aktuelle Forschungsstand naher betrachtet. Der theoretische Teil setzt sich fort, indem Die Sinne als allgemeines Konstrukt und anschlieGend Der Gehorsinn im Speziellen erlautert werden. Da fur die Interviews mit den SchulerInnen ein Experiment durchgefuhrt wird, wird in Kapitel 2.2.3 die Entstehung von Schall, die Schallausbreitung und die Schallveranderung erlautert. Die Prakonzepterhebung wird an einer Grundschule im Bundesland Sachsen durchgefuhrt, weshalb relevante Unterrichtsanspruche an die Thematik Der Gehorsinn aufgezeigt werden. Der zweite Theorieteil umfasst die Beschreibung von Kompetenzen und deren Einbettung sowohl in den Perspektivrahmen der Gesellschaft fur Didaktik des Sachunterrichts, als auch in den sachsischen Lehrplan fur Sachunterricht in der Grundschule. Davon werden Kompetenzbereiche abgeleitet, die als Basis fur die Erstellung der kompetenzorientierten Konfrontationsaufgaben dienen (Anlage 6), welche ebenfalls theoretisch umrissen werden. Der methodisch-praktische Teil dieser Arbeit basiert auf den aufgefuhrten Forschungsfragen (Kapitel 3.1), umfasst aber vor allem die Beschreibung der angewandten Forschungsmethode und den

Ausarbeitungsprozess des Interviews. Dazu wird ein Leitfaden entwickelt, der fur die Erhebung der Daten als stutzender Rahmen gilt. Eine Ausfuhrung zur durchgefuhrten Prakonzepterhebung bildet gemeinsam mit der Datenauswertung mittels qualitativer Inhaltsanalyse den Abschluss der vorgestellten Methodik. AbschlieBend werden die erfassten Ergebnisse dargestellt, ausgewertet und interpretiert. Dabei soll neben dem Fazit zur Forschung auch die Relevanz fur den Sachunterricht angesprochen werden. Im Anhang sind neben Transkripten der Kinderinterviews (Anlage 4.2) auch praktische Anwendungsbeispiele zu kompetenzorientierten Konfrontationsaufgaben zu finden (Anlage 6), welche im Sachunterricht der Grundschule Einsatz finden konnten.

Ziel dieser Arbeit soll vor allem ein Beitrag zur Prakonzeptforschung an Grundschulkindern sein, welche mit naturwissenschaftlichen Phanomenen im Sachunterricht konfrontiert werden. Daraus abgeleitet werden kompetenzorientierte Konfrontationsaufgaben, die als moglicher Einstieg zur Thematik Unsere Sinne/Der Gehorsinn eingesetzt werden konnen. Diese Aufgaben basieren auf den erhobenen Prakonzepten aus den Kinderinterviews und sollen Moglichkeiten erweitern, lebensnahe Bezuge in die Aufgabenerstellung einzubinden und dabei die Forderung und Weiterentwicklung von verschiedenen Kompetenzen zu gestalten.

I THEORETISCHER TEIL

2. Theoretische Grundlagen

2.1 Prakonzepte

Der nachfolgende Teil fuhrt in die Thematik der Prakonzepte ein. Nach einer Begriffsdefinition werden charakteristische Merkmale erlautert und die Entstehung von Prakonzepten naher betrachtet. AbschlieBend soll aufgezeigt werden, wie Prakonzepte erhoben werden, um sie als Forschungsgrundlage zu nutzen.

2.1.1 Definition Prakonzepte

Der Begriff Prakonzept bezeichnet eine Idee oder Vorstellung, die SchulerInnen zu bestimmten Themen, Fragen oder Phanomenen haben (vgl. Menzer 2010, S.10). Bei dieser Definition wird sich auf den Konzeptbegriff bezogen, nach welchem „Konzepte gedankliche Werkzeuge sind, mit deren Hilfe wir in der Welt sinnfahig handeln konnen" (Kron 1993, S.321). Prakonzepte entstehen selbststandig, ohne schulische Intervention oder spezifisches Vorwissen (vgl. Barke 2006, S.21) und beschreiben eine besondere Form der Alltagstheorien, wobei der Lernende noch keinerlei Kontakt zu einer fachwissenschaftlichen Erlauterung zur Thematik hatte. Die Kinder kommen nicht als „unbeschriebene Blatter" in die Schule, sondern besitzen geistige Entwurfe, die aus der sie umgebenden Welt stammen und durch verschiedene Sinne auf sie einwirken (vgl. Duit 1997, S.234). Diese Entwurfe bezeichnen Vorstellungen von der Lebenswelt und mentale Reprasentationen von Wissensgegenstanden, die Menschen in jeder Altersstufe durch ihre Sozialisation ausgepragt haben (vgl. Fridrich 2010, Online im Internet). Fur den Begriff der Prakonzepte gibt es eine Anzahl von synonymen Begriffen wie Schulervorstellungen, Alltagsvorstellungen, Vorerfahrungen (vgl. Moller 1999, S.140), welche im Grunde die gleichen Konzepte beschreiben, wenn auch mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung. Zudem sind die Begriffe Fehlvorstellungen, alternative Vorstellungen und Misskonzepte, fur die nicht mit dem gangigen Wissensstand kompatiblen Prakonzepte, gelaufig. Schulervorstellungen konnen weiterhin nach dem Grad ihrer inneren Verankerung differenziert werden. Die sogenannten Deep Structures bezeichnen dabei tiefsitzende, stabile Uberzeugungen, die gegen Veranderungen resistent sind. Die Current Structures hingegen beschreiben spontane Konstrukte, die teilweise auch aus Verlegenheit im Laufe einer Unterhaltung entstehen konnen (vgl. Moller 1999, S.140f).

2.1.2 Fehlvorstellungen

Die vorunterrichtlichen Vorstellungen der Kinder zu Phanomenen und Fragen des Alltags konnen eine Inkompatibilitat mit dem wissenschaftlichen Grundkonzept der Thematik bilden, oder sogar im starken Kontrast zu ihnen stehen (vgl. Duit 1997, S.234). Diese Konzepte nennt man Fehlvorstellungen, wobei konkreter nach unterschiedlichen Typen unterschieden wird (vgl. Barke 2006, S.21). Entstehen gedankliche Konzepte nach bereits fortgeschrittener schulischer Auseinandersetzung mit dem Thema, so spricht Barke von hausgemachten Fehlvorstellungen (vgl. Barke 2006, S.21). Werden gedankliche Konstrukte sowohl aus Alltagsvorstellungen, als auch aus wissenschaftlichen Konzepten gebildet, spricht man von Hybridvorstellungen oder Intermediate Constructions (vgl. Duit 1997, S.234). Doch Fehlvorstellungen konnen durch ihre Natur, dem fehlenden schulischen Einfluss bei ihrer Entstehung, nicht wirklich falsch sein. Kinder und Jugendliche beobachten und erleben ihre Umwelt und ziehen, ahnlich wie Wissenschaftler, fur sie logische Schlussfolgerungen. Diese Beobachtungwelt wird in sinnhafte Ruckschlusse aufgegliedert (vgl. Barke 2006, S.22) und basiert daher meist nur auf einer theoretischen Annahme ohne explizite Uberprufung der Theorie. Daher sind synonyme Begriffe wie alternative Vorstellungen, ursprungliche Vorstellungen oder Schulervorverstandnis ebenso gebrauchlich.

2.1.3 Entstehung von Prakonzepten

Durch die bewusste und unbewusste Auseinandersetzung mit der Umwelt entstehen Vorstellungen, welche der Erklarung von Alltagsphanomenen und der Orientierung in der Welt dienen. Antrieb ist dabei die ureigene menschliche Neugier, um Sachverhalte verstehen zu konnen (vgl. Schindler 2015, S.1, Online im Internet). Prakonzepte entstehen vor allem durch unterschiedliche lokale und soziale Umwelteinflusse, wie Wohn- und Lebensumfeld, religiose Uberzeugung und Weltanschauung der Eltern, welche meist auf das Kind ubertragen werden (vgl. Jirschitzka 2014, S.5, Online im Internet). Zudem spielt das Individuum Kind an sich eine zentrale Rolle. Die durch das Kind erlebten primaren Alltagserfahrungen, alltagssprachlichen Formulierungen, allgemeinen Denkschemata, Informationen und Meinungen werden verarbeitet und individuell gedanklich umstrukturiert. Neben den primaren Alltagserfahrungen sind auch umgangssprachliche Formulierungen (zum Beispiel „Der Strom wird verbraucht") relevant, die neben Elternhaus, Schule, Freunden und Medien die Denkmuster der Kinder pragen (vgl. Moller 1999, S.140). Die Entstehung der Prakonzepte ist demnach an verschiedene Bedingungen geknupft, wie die konkrete Wohn- und Lebenssituation, die Strukturmerkmale des lokalen Umfelds, den Entwicklungsstand und das Entwicklungsprofil des Kindes (vgl. Kaiser 2006, S.154). Ebenso sind angeborene und erworbene Wahrnehmungs- und Denkmuster Einflussfaktoren fur Prakonzepte (vgl. Kirchner 1998, S.146). Diese komplexen Konstrukte, welche durch viele unterschiedliche Faktoren beeinflusst werden, lassen sich demnach nur schwer von der Lehrkraft zuordnen. Da SchulerInnen mit vielen verschiedenen Prakonzepten in den Schulalltag eintreten, sollte dieser Heterogenitat im Sachunterricht in der Grundschule unbedingt Aufmerksamkeit geschenkt werden (vgl. Kaiser 2006, S. 154).

2.1.4 Erhebung von Prakonzepten

Bereits Piaget, Wagenschein und Banholzer forschten im Feld der Prakonzepterhebung (vgl. Duck 2007, S.12, Online im Internet). Und auch Comenius, der eine Padagogik aus Kindersicht entwarf, forderte die Einbeziehung von Schulervorstellungen fur Lehr- und Lernmittel. Die Kenntnisse uber die vorhandenen Prakonzepte der Kinder ermoglichen der Lehrkraft eine differenziertere und

kinderorientierte Arbeitsweise (vgl. Kaiser 1997, S.198). Prakonzepte bestimmen sowohl die gedankliche Herangehensweise an eine Thematik, als auch den weiteren Lernprozess, da neue Informationen stets auf bereits existierende Denkstrukturen treffen (vgl. Duck 2007, S.8, Online im Internet). Dieser konstruktivistische Lernprozess leitet demnach schrittweise von den vorunterrichtlichen Vorstellungen der SchulerInnen zu wissenschaftlichen Konzepten (vgl. Duit 1997, S.238). So werden Prakonzepte nach und nach verandert, umstrukturiert, neu geordnet und unterliegen einer kontinuierlichen Reflexion durch das Kind. Diesen Prozess versteht man als Conceptual Change, wobei bei dieser Definition von einem Austausch des vorhandenen Denkkonzepts gegen ein neues Denkkonzept ausgegangen wird. Vielmehr ist heutzutage der Begriff des Conceptual Growth gebrauchlich, da hier ein Zuwachs an Wissen und damit eine Erweiterung des Ausgangsgedankens beschrieben wird. Die Erforschung und Erhebung der Prakonzepte ist also im Interesse von Bildungseinrichtungen und nicht zuletzt fur die allumfassende Entwicklung der SchulerInnen relevant. Wie bereits in Abschnitt 2.1.1 beschrieben, zeichnen sich Prakonzepte durch ihre Vielzahl von Einflussfaktoren aus, die eine einheitliche, komparierbare Erhebung erschweren. Die Vorstellungen zu einer geeigneten Erhebungsmethode sind vielseitig, wobei Kaiser die Meinung vertritt, dass generalisierte Aussagen keinen echten Erkenntnisgewinn schaffen. Sie wirbt fur komplexe Erhebungsmethoden, um vor allem die kulturelle Diversitat der Kinder mit in den Forschungsprozess einzubeziehen (vgl. Kaiser 2006, S.160ff). Als geeignete Erhebungsinstrumente sieht sie offene und philosophische Gesprache, asthetische Analysen und vor allem die Auswertung der Produkte, welche die Kinder selbst erstellt haben (vgl. Kaiser 2006, S.160ff). Andere Ansichten vertreten, dass Interviews oder Multiple-Choice-Tests geeignet sind, um das Vorwissen der SchulerInnen besser greifen zu konnen (vgl. Duit 1997, S.241). Fest steht, dass die Lehrkraft die Prakonzepte der Kinder ermitteln sollte um, darauf aufbauend, Lernangebote und Unterrichtsverlaufe zu gestalten. Besonders im naturwissenschaftlichen Sachunterricht bietet es sich an das Potenzial der Prakonzepte zu nutzen. „Biologische Phanomene werden von Kindern haufig als besonders relevant aufgefasst, weil sie eine groGere Alltagsbedeutung besitzen und deutlich funktions- und wertgebundener sind als Phanomene der unbelebten Natur" (SpAgele/Flintjer 2011, S.4, Online im Internet). Bei der fur diese Arbeit gewahlten Thematik Der Gehorsinn besteht ein direkter und personlicher Bezug, der fur die Ausgestaltung von Lernangeboten genutzt werden kann. Die Erfassung der Prakonzepte bedarf zudem keiner aufwendigen

Vorbereitung oder ausgeklugelter Vorgehensweise, es ist vielmehr die Feinfuhligkeit und das diagnostische Geschick der Lehrkraft gefragt. „Schriftliche und mundliche Aussagen und Erklarungen von Kindern, Sachzeichnungen, Begrundungen und Erklarungen in Diskussionen konnen die Prakonzepte von Kindern zur Sprache bringen, helfen, sie zu analysieren und Einblick in das Denken von Kindern zu erhalten" (Schonknecht/Maier 2012, S.8, Online im Internet).

2.1.5 Aktueller Forschungsstand

Bisher wurden nur wenige Untersuchungen zur Prakonzepterhebung fur Grundschulkinder im naturwissenschaftlichen Bereich durchgefuhrt. Zwar gibt es Untersuchungen der Prakonzepte zu verschiedenen Themen, diese sind jedoch nicht mehr aktuell, beschaftigen sich mit wesentlich jungeren Kindern (Kindergartenalter) oder alteren SchulerInnen aus der Sekundarstufe. Die bereits existierenden Studien werden fur diese Arbeit als Orientierung herangezogen, um einen Uberblick zu gewinnen, auch wenn Zielsetzung und Forschungsmethoden der Studien von der hier angewendeten Form teilweise abweichen. Es existieren demnach bislang „keine ausreichenden Erkenntnisse und Erfahrungen daruber, ob fur die [...] naturwissenschaftlichen Inhalte im Primarbereich die Lernvoraussetzungen gegeben sind und eine Anschlussfahigkeit an das vorschulisch erworbene Wissen gewahrleistet ist" (SpAgele/Flintjer 2011, S.2, Online im Internet). Fur die Prakonzeptforschung im Bereich Akustik sind Patrick Wulf und Manfred Euler zu nennen, die 1996 mit 22 SchulerInnen Interviews durchfuhrten, um Erkenntnisse zu existierenden Prakonzepten aus Kindersicht zu erhalten (vgl. Wulf/Euler 1996, S.255, Online im Internet). Dabei fanden sie heraus, dass Grundschulkinder „implizites und explizites Vorwissen uber akustische Phanomene" in den Unterricht mitbringen (Wulf/Euler 1996, S.256, Online im Internet). In der Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlichen Dingen konnen die Kinder ihr Vorstellungen „sehr prazise in Worte [...] fassen" (ebd). Auch wenn bereits prazise Prakonzepte zu Schallentstehung und Schallausbreitung vorliegen, konnen die SchulerInnen die Ursache von Schall, die Schwingungen, nicht selbststandig erkennen (vgl. ebd). Ihrer Ansicht nach, haben Tone eine eigene „interne Aktivitat" und werden demnach wie Objekte materialisiert (vgl. ebd). In einer Studie fur SchulerInnen aus der Sekundarstufe wurde ebenfalls festgestellt, dass das Ohr eine aktive Rolle beim Horprozess spielt, wobei das Gehirn als verarbeitendes Reizorgan eher vernachlassigt wurde (vgl. Gropengieber 2002/Sundermeier 2009, Online im Internet). Der Horvorgang als komplexer Ablauf, der durch das Zusammenspiel von verschiedenen Elementen im Ohr und der Umwandlung mechanischer Schwingungen passiert, ist fur Kinder der Primarstufe ein sehr abstrakter Vorgang, der in den Prakonzepten keine eindeutige fachliche Korrektheit findet. „Die Kenntniss uber das Wissen und das Verstandnis [...] uber naturwissenschaftliche Zusammenhange ist fur einen erfolgreichen und nachhaltigen Sachunterricht jedoch notwendige Voraussaetzung" (SpAgele/Flintjer 2011, S.2, Online im Internet). Demnach wird in dieser Arbeit durch das Fuhren von leitfadengestutzten Interviews mit Grundschulkindern ein Beitrag zum aktuellen Forschungsstand geleistet, der die bisherigen Erkenntnisse weiter ausbaut und eventuell neue Erfahrungen hinzufugt.

2.2 Die Sinne des Menschen

Unsere Sinne sind zustandig fur die physiologische Wahrnehmung von Umwelteinflussen, welche uber die Sinnesorgane aufgenommen werden.

Eine klassische Einteilung der menschlichen Sinne:

- das Ohr (Gehorsinn) zur auditiven Wahrnehmung
- die Nase (Geruchssinn) zur olfaktorischen Wahrnehmung
- das Auge (Sehsinn) zur visuellen Wahrnehmung
- die Zunge (Geschmackssinn) zur gustatorischen Wahrnehmung
- die Haut (Tastsinn) zur taktilen Wahrnehmung

Diese Sinnesorgane leiten als Reizempfanger die Impulse an das zentrale Nervensystem weiter. Vor allem dienen uns die Sinne zur Orientierung in der Umwelt (vgl. Plattig 1995, S.1) und bestimmen so unser Wissen und unsere Erfahrungen (vgl. Frings/Muller 2014, S.2). Die Sinnesorgane des Menschen sind mit speziellen, jeweils fur den Sinnesreiz angepassten Einrichtungen, den Sensoren, ausgestattet (vgl. Plattig 1995, S.1). Wird nun ein Umweltreiz aufgenommen (beispielsweise ein Gerausch), so uberfuhren die Sensoren diesen in eine korpereigene Erregung. Durch die geringstmogliche Reizintensitat ist der dazugehorige Sensor des Sinnesorgans in der Lage, Umweltgeschehen wahrzunehmen. Diese Zuordnung wird auch als adaquater Reiz bezeichnet, wobei das Licht fur die Sensoren des Auges, Schall fur das Ohr, chemische Stoffe fur Geruch, Geschmack und Schmerzempfindung adaquat sind (vgl. Plattig 1995, S.1). Diese Einteilung in funf Sinnesorgane, welche bereits auf Demokrit zuruckzufuhren ist, wird heutzutage eher kritisch betrachtet. So steht der Vorwurf im Raum, dass diese Reduktion der menschlichen Sinnesleistungen ein alltagsfernes Konstrukt darstellt und auch Sinnesleistungen wie Gleichgewicht, Warme- und Kalteempfindungen und Rotationssinn eine maGgebliche Rolle spielen (vgl. Alberts/GlAser 2006, S.68). Weiterfuhrend wird auch der Gefuhlsinn als individuelle Wahrnehmungsleistung betrachtet, wobei diese Aussage aus eher spiritueller Sicht entsteht. Die allgemein herrschende Annahme, der Mensch habe funf Sinne, wird in den gangigen Lehrwerken fur Grundschulen im Sachunterricht vertreten und soll deshalb in dieser Arbeit als theoretische Grundlage dienen.

2.2.1 Der Gehorsinn

Der Gehorsinn des Menschen ist zustandig fur die Wahrnehmung, Aufnahme und Weiterleitung von Schallwellen. Diese auditive oder auch akustische Sinneswahrnehmung leitet Horereignisse, bei denen Schwingungen, zum Beispiel aus Luft, Wasser oder Vibrationen aus dem Untergrund aufgenommen werden, als Schallereignisse weiter. Horereignisse konnen zusammenfassend als Tone, Klange und Gerausche beschrieben werden. Innerhalb dieses Sinnesorgans sind sowohl das Hororgan (Verarbeitung der Schallwellen), als auch das Gleichgewichtsorgan (Lage und Bewegung des Kopfes und Korpers) vereint (vgl. Schiebler & Schmidt 2002, S. 703).

2.2.2 Das Ohr (Aufbau und Funktion)

Das Ohr ist ein Sinnesorgan, welches Tone, Klange und Gerausche (Schallwellen) aufnimmt. Es ist in drei anatomische Abschnitte aufgegliedert (Anlage 1, Bild 1.1), die alle miteinander verbunden sind.

Das AuRenohr (Auris Externa)

Das auRere Ohr besteht aus der Ohrmuschel (Auricula), dem auBeren Gehorgang (Meatus Acusticus Externus) und der auBeren Trommelfellmembran (Membrana Tympanica) (vgl. Schiebler/Schmidt 2002, S.703). Die Ohrmuschel ist eine trichterformige Hautfalte, welche den auBeren Gehorgang umschlieBt und, bis auf das Ohrlappchen, aus elastischen Knorpeln besteht (vgl. Schiebler /Schmidt 2002, S.703). AnschlieBend an die Ohrmuschel legt sich der etwa 36mm lange Gang des auBeren Gehorganges an, welcher durch eine verstarkte Knorpelrinne bis in das Knorpelskelett der Ohrmuschel ubergeht (vgl. ebd.). Am Ende des Gehorganges liegt das Trommelfell als eine nachgiebige Membran an. Dieses schlieBt an die Paukenhohle im Mittelohr an (vgl. Gunther/Hansen/Veit 2008, S.53). Bei der Aufnahme von Schallwellen uber den Gehorgang wird das Trommelfell in Schwingung versetzt und gibt diese an das Mittelohr weiter. Zudem dient das Trommelfell zum Schutz gegen Schmutzpartikel und Krankheitserreger, welche durch den Gehorgang in das Innenohr gelangen konnten. Das auBere Ohr ubernimmt, gemeinsam mit dem Mittelohr, vor allem das Auffangen des Schalls und die Weiterleitung der Schallwellen an das Innenohr (vgl. Deetjen,/Speckmann,/Hescheler 2005, S.138).

Das Mittelohr (Auris Media)

„Das Mittelohr ist ein luftgefullter Hohlraum, in dem die Kette der drei gegeneinander beweglichen Gehorknochelchen [...] aufgehangt ist." (Deetjen,/Speckmann/ Hescheler 2005, S.138). Zu den Gehorknochelchen (Ossicula Auditus) zahlen Hammer (Malleus), Amboss (Incus) und Steigbugel (Stapes). Der Hammer ist am Trommelfell des auBeren Ohrs befestigt und mit dem Amboss verbunden, welcher wiederum an den Steigbugel anschlieBt. Werden uber das auBere Ohr Schallwellen aufgenommen und diese Schwingungen an das Trommelfell ubertragen, so fungieren Hammer, Amboss und Steigbugel als eine Art Hebelsystem, welches die Vibrationen an das Innenohr weitergeben. Zugleich sitzen alle drei Knochelchen in der Paukenhohle (Cavitas Typanica) (vgl. Schiebler/Schmidt 2002, S.707), einem luftgefullten Raum, der uber die Eustachische Rohre (Tuba Eustachii) mit dem Nasen- Rachenraum und der Mundhohle in Verbindung steht (vgl. Gunther,/Hansen,/Veit 2008, S.53). Durch die Eustachische Rohre, die sich beim Schlucken offnet, findet zwischen Mittelohr und AuBenluft der notwendige Druckausgleich statt (vgl. Deetjen/ Speckmann,/Hescheler 2005, S.138), wobei sich das gewolbte Trommelfell entlastet. Findet kein Druckausgleich statt, kommt es zu einem Uber- bzw. Unterdruck, der die Wahrnehmung der Schallwellen und so das Horereignis massiv beeintrachtigt. Des Weiteren ist die Rohre zum Abtransport von Flussigkeit zustandig, die sich gelegentlich in der Paukenhohle bildet.

Das Innenohr (Auris Interna)

Dieser Teil des Ohrs befindet sich als Hohlraum im Felsenbein (Pars Petrosa), dem hartesten Knochen im menschlichen Schadel. Das Innenohr ist von einer knochernen Kapsel umgeben, welche auch als knochernes Labyrinth (Labyrinthus Osseus) beschrieben wird. Die zwei Hauptbestandteile des Innenohrs sind das Gleichgewichtsorgan und die Gehorschnecke (Cochlea) (vgl. Deetjen,/Speckmann/ Hescheler 2005, S.140), welche aus knochernem Material besteht und schneckenformig aufgebaut ist. Eingebettet in die Cochlea sind zwei mit Membranen verschlossene Offnungen, das ovale und das runde Fenster (Fenestra Cochleae). Innerhalb der Gehorschnecke verlaufen drei parallele Gange, welche mit Flussigkeit gefullt sind und durch Trennwande voneinander abgegrenzt werden (vgl. Deetjen/ Speckmann/Hescheler 2005, S.140). Diese drei Gange werden als Vorhofgang (Skala Vestibuli), Schneckengang (Skala Media) und Paukengang (Skala Tympani) bezeichnet. Die Verbindung zum Mittelohr besteht an der Basis der Gehorschnecke, wobei die FuGplatte des Steigbugels in das ovale Fenster eingepasst ist (vgl. ebd), hinter welchem sich der Vorhofgang befindet. So werden die Druckwellen, die uber das Hebelsystem im Mittelohr ubertragen werden, weitergeleitet. Da die verschiedenen Gange in der Gehorschnecke mit Flussigkeit gefullt sind, wandern die Druckwellen des Tons bis zum runden Fenster weiter, um den Druckausgleich zu gewahrleisten. Vorhofgang, Schneckengang und Paukengang sind von unterschiedlichen Membranen mechanisch voneinander getrennt: die ReiGner- Membran, das spiralige Knochenblatt (Lamina Spiralis Ossea) und die Basilarmembran (Lamina Basilaris) (vgl. ebd). Auf der Basilarmembran liegt das Corti- Organ (Organon Spirale), Trager der Sensorzellen (vgl. ebd), das mit vier Reihen von Haarzellen dafur verantwortlich ist, den Schall zu ubertragen. Die Haarzellen dienen zum einen zur Verstarkung der Schallwellen, zum anderen werden hier mechanische Schwingungen in Nervenimpulse umgewandelt (Transduktion), die schlussendlich an das Gehirn weitergeleitet werden.

2.2.3 Schallentstehung und Schallwellen

Der Begriff Schall stammt aus der Akustik, welches ein Teilgebiet der Physik ist. Diese befasst sich mit der Ausbreitung von Tonen und Gerauschen. „Schall ist die Bezeichnung fur Druckwellen, die sich in einem elastischen Medium, z.B. Luft, ausbreiten" (Deetjen,/Speckmann,/Hescheler 2005, S.135). Werden mechanische Schwingungen ausgelost, wie bei dem Anschlagen einer Stimmgabel, so findet eine Verdrangung der Luftmolekule statt. Diese entstehenden Druckwellen breiten sich nun in alle Richtungen aus und erzeugen so Schallwellen. Dabei erfahrt jeder Ort einer Schallwelle abwechselnd Komprimierung und Verdunnung des Mediums (z.B. Luft, Wasser), welche in unterschiedlichen Tonen, Gerauschen oder Klangen horbar ist (vgl. Deetjen,/Speckmann,/Hescheler 2005, S.135). Wie in Abbildung 1.2 (Anlage 1) dargestellt, wird die Schallwelle ausgehend von der Schallquelle auf den Schallempfanger, das Ohr, ubertragen. Das Wort Schall bezeichnet Gerausche, Klange und Tone, wie sie von Menschen und Tieren mit ahnlichen Hororganen auditiv wahrgenommen werden. Es gibt auGerdem eine Einteilung in die Qualitat der Schallubertragung, wobei eine psychologische Bewertung der Gerausche und Tone vorgenommen wird. Geht es dabei um eine einzelne Stimme im Gesprach oder ein Musikstuck, so spricht man von Nutzschall. Storende Gerausche, wie Baularm oder auch Larm im Klassenraum, werden als Storschall bezeichnet (vgl. Rothland 2007, S.107). Die charakteristischen Merkmale einer Schallwelle unterscheiden sich in Dichte (Frequenz), sowie in der Intensitat des Ausschlags (Amplitude) (Anlage 1, Bild 1.4). Je dichter die einzelnen Wellenabschnitte aneinander liegen, also eine hohere Frequenz aufweisen, desto hoher ist der Ton. Bei niedriger Frequenz, also groGeren Abstanden der Wellenabschnitte, wird der Ton tiefer wahrgenommen (vgl. Eska 2013, S.27) (Anlage 1, Bild 1.4). Auch die Lautstarke (Amplitude) der Tone und Gerausche konnen durch die Verbildlichung der Schallwellen dargestellt werden. Werden Molekule im elastischen Medium schneller verdrangt, wird die ausgeloste Druckwelle starker und somit der Ton lauter. Bei langsamerer Verdrangung, also geringerer Auslenkung aus der Ruhelage des vibrierenden Korpers, losen die Molekule eine schwachere Welle aus. Der Ton wird leiser wahrgenommen (vgl. Eska 2013, S.27) (Anlage 1, Bild 1.5). Eine Verstarkung der Lautstarke kann aber auch durch einen Resonanzkorper zustande kommen. Ahnlich wie bei einer Gitarre, deren Resonanzkorper aus Holz besteht, versetzen die Saiten den Hohlkorper in Schwingung, die Schallwellen werden ubertragen und somit verstarkt. Auch bei einer Stimmgabel, die in Schwingung gebracht wird und deren FuG anschlieGend mit einer Tischplatte aus Holz in Verbindung gebracht wird, klingt der erzeugte Ton lauter, da die Tischplatte ebenfalls in Schwingung versetzt wird. Die steigende Lautstarke wird als Resonanzeffekt bezeichnet (vgl. Grevers/Iro/Probst 2008, S.145), da uber die Eigenfrequenz der Tischplatte viel mehr Luftmolekule in Schwingung versetzt werden, als nur von den Zinken der Stimmgabel.

Die fachtheoretischen Grundlagen dienen innerhalb dieser Arbeit als Grundlage fur die Bewertung und Kategorisierung der Prakonzepte, welche mittels leitfadengestutzten Interviews erhoben werden.

2.2.4 Der Gehorsinn als Thema im Sachunterricht in der Grundschule (sachsischer Lehrplan)

Der zweite Lernbereich, Mein Korper und meine Gesundheit, in der Klassenstufe 3 beschaftigt sich mit den Sinnesorganen des Menschen (vgl. SAchsisches Staatsministerium fur Kultus 2009, S.16). Als verbindliches Lernziel wird Kennen der Sinnesorgane genannt, wobei dies in weitere Einzelziele untergliedert wird. Dazu gehoren die Bedeutung der Sinnesorgane, deren Grundaufbau und Leistungsvermogen. Das erworbene Wissen soll dann auf die Verhaltensweisen der Kinder ubertragen werden, um eine Gesunderhaltung der Sinnesorgane anzustreben. Hierzu zahlen sowohl der Schutz der Sinnesorgane, aber auch die Gefahrdung durch Drogen (vgl. SAchsisches Staatsministerium fur Kultus 2009, S.16). Empfohlene Inhalte umfassen differenzierte Wahrnehmungsubungen, Sinnestauschungen erfahren und Schadigungs- und Kompensationsmoglichkeiten betrachten. Dies soll vor allem die Kommunikationsfahigkeit und Sozialkompetenz steigern, da hier Anlasse fur einen Austausch im Klassenverband gegeben werden. Auch die auGeren Einflusse (naturlich und unnaturlich) auf die Sinnesorgane sind Bestandteil des Lernbereichs. Aufgaben und Ubungen zur Starkung des Selbstwertgefuhls bei der Thematik Drogen ist ebenso zu empfehlen, wie die Sensibilisierung der Kinder fur die Empfindlichkeit ihrer Sinnesorgane (vgl. SAchsisches Staatsministerium fur Kultus 2009, S.16). Eine Aufteilung in die funf Sinnesorgane (Mund, Nase, Ohr, Auge, Haut) mit differenzierten Lernzielen und Empfehlungen fur Lehr- und Lerninhalte liegt nicht vor.

Doch meist geben Unterrichtsmaterialien eine richtungsweisende Grobgliederung vor, um eine Strukturierung im Unterricht und Planung von Methoden ubersichtlicher zu gestalten.

2.3 Definition Kompetenz

„Das Bildungswesen soll kompetente Personen hervorbringen, Menschen, die befahigt sind, in Beruf und Alltag die anstehenden Probleme zu losen."

(Hubig/Rindermann 2012, S.11)

Der Begriff Kompetenz beschreibt eine Vielzahl von Konstrukten, die im Kern eine Gemeinsamkeit besitzen - sie stellen Fahigkeiten und Fertigkeiten dar, die zur Bewaltigung komplexer Problemstellungen benotigt werden (vgl. Beer/Benischek 2011, S.9). Auch Bezeichnungen wie Konnen, Bildungsziele, Fahigkeiten, Bildungsstandards (vgl. Esslinger-Hinz/Hahn 2008, S.9-10) werden im Kontext der Erklarung zum Kompetenzbegriff genannt. Kompetenzen sollen Gelerntes mit Praktischem zusammenfuhren, demnach Wissen und Konnen miteinander kombinieren (vgl. Beer/Benischek 2011, S.9). Franz Weinert beschreibt in seiner Definition auGerdem, es musse zur Problemlosung eine motivationale, volitionale und soziale Bereitschaft vorliegen (vgl. Weinert 2003, S.27f). Diese Aspekte sollten berucksichtigt werden, da „sie Einfluss darauf haben, dass das einer Kompetenz entsprechende Verhalten in einer Anwendungssituation tatsachlich gezeigt wird" (Zeitler/Koller/Tesch 2010, S.4). Eine konkrete Aufspaltung in einzelne Kategorien von Kompetenzen gibt es in differenzierter Form im Bereich der Psychologie, Bildung- und Erziehungswissenschaft. Die Einteilung der Kompetenzen in sogenannte Hard Skills (Fachkompetenzen) und Soft Skills (Sozialkompetenzen) gibt lediglich eine alternative Herangehensweise vor (vgl. Rohlfs/Harring/Palentien 2014, S.14). Auch hier werden den Soft Skills hohere aktuelle Bedeutungen zugesprochen, da ein hohes MaG an Fachkompetenz fur die heutige Gesellschaft nicht mehr als ausreichend angesehen wird. Auch „Teamfahigkeit, Kompromissfahigkeit, Kooperationsfahigkeit, Flexibilitat, emotionale Belastbarkeit und (interkulturelle) Kommunikationsfahigkeit" (Rohlfs/Harring/Palentien 2014, S.14) sind Aspekte, die zu einer umfangreichen Personlichkeitsentwicklung beitragen. Es lasst sich klar definieren, dass Kompetenzen keine reinen Elemente von Wissen oder Konnen darstellen. Vielmehr geht es um eine

Koordination von Fahigkeiten und deren Anwendung zur Losung eines Problems, also dem Sich bewahren im Leben, was einen Bezug der Problematik an die Lebenswelt einschlieGt und abstrakte Situationen ausschlieGt.

2.3.1 Kompetenzen im Sachunterricht in der Grundschule (Perspektivrahmen/sachsischer Lehrplan)

Ein grundlegendes Ziel des Sachunterrichts in der Grundschule ist die Bildung der Schulerinnen, wobei der Perspektivrahmen eine Basis fur die Planung von kompetenzorientiertem Unterricht bietet. Kompetenzen werden daher „als Leistungsdispositionen zur Bewaltigung von Anforderungen [...]" beschrieben, die SchulerInnen befahigen sollen, kompetent und verantwortungsvoll in verschiedenen Situationen zu handeln (vgl. Gesellschaft fur Didaktik des Sachunterrichts 2013, S.12). Dies schlieGt sowohl kognitive und praktische Fahigkeiten, als auch motivational, volitionale und soziale Kompetenzen ein (vgl. Gesellschaft fur Didaktik des Sachunterrichts 2013, S.12). Anhand eines Kompetenzmodells sollen die verschiedenen Kompetenzen, Dimensionen und Perspektiven vernetzend dargestellt werden. Das Modell (Anhang 1, Bild 1.6) dient als Rahmen, um den vielperspektivischen Sachunterricht in der Grundschule zu strukturieren. Die Einteilung erfolgt in zwei Dimensionen, wobei die Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen mit der Dimension der Konzepte und Themenbereiche einen flieGenden Ubergang bilden und zu kompetentem Handeln beitragen sollen. Es konnen stets „Uberschneidungen entstehen sowohl aus der komplexen Natur der zu erschlieGenden „Sachen" als auch aus der Berucksichtigung der Lernausgangslagen, Erfahrungen, Bedurfnisse, Interessen und Fragestellungen der Schulerinnen und Schuler und nicht zuletzt aus der Definition von Kompetenzen mit deklarativen und prozeduralen Merkmalen" (Gesellschaft fur Didaktik des Sachunterrichts 2013, S.8). Im Mittelpunkt stehen die funf Perspektiven (Sozialwissenschaft, Naturwissenschaft, Geographie, Geschichte, Technik), die sowohl themenbezogen als auch perspektivubergreifend bearbeitet werden konnen. Daraus ergeben sich verschiedene Kompetenzen, die den jeweiligem Themenkomplex und der perspektivubergreifenden Fragestellung zugeordnet sind. Diese Kompetenzanforderungen sind nicht als Summe zu verstehen, sondern vielmehr als Grundlage zur Vermittlung und Erweiterung der Fahigkeiten und Fertigkeiten fur die Auseinandersetzung mit Themenbereichen des Sachunterrichts. Konkrete Beispiele und Aufgaben lassen sich zielorientiert entwickeln und fur die jeweilige Unterrichtseinheit klar definieren (vgl. Gesellschaft fur Didaktik des Sachunterrichts 2013, S.8). Die aufgefuhrten Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen fur die naturwissenschaftliche Perspektive, welche als Ausgangspunkt fur die in dieser Arbeit stattfindende Untersuchung bildet, ist die Untersuchung der belebten und unbelebten Natur und die experimentelle Auseinandersetzung mit dem Themenfeld. Weitergefasst erschlieGen sich daraus die perspektivubergreifenden Kompetenzen, die durch den Sachunterricht gefordert werden sollen. Diese sind: erkennen/verstehen, eigenstandig erarbeiten, evaluieren/reflektieren, kommunizieren/mit anderen zusammenarbeiten, Interessen entwickeln und umsetzen/handeln (Anhang 1, Bild 1.6). Diese sind als „grundlegende Zielhorizonte des (sachunterrichtlichen) Lernen und Lehrens" zu verstehen und beschreiben „zentrale Fahigkeiten zur bildungswirksamen ErschlieGung der Lebenswelt" (Gesellschaft fur Didaktik des Sachunterrichts 2013, S.6). Die Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen lassen sich als Kompetenzbeschreibungen verstehen, die im Laufe der Unterrichtsgestaltung noch konkretisiert werden konnen.

Die im sachsischen Lehrplan formulierten Lernziele fur den Sachunterricht in der Grundschule greifen diese Kompetenzbeschreibungen des Perspektivrahmens auf. Sie sollen als „grundlegende Anforderungen in den Bereichen Wissenserwerb, Kompetenzentwicklung und Werteorientierung“ dienen (vgl. SAchsisches Staatsministerium fur Kultus 2009, S.4). Die Einteilung lautet wie folgt: Einblick gewinnen, kennen, ubertragen, beherrschen, anwenden, beurteilen/sich positionieren, gestalten/Problem losen (vgl. SAchsisches Staatsministerium fur Kultus 2009, S.5). Jedes Lernziel wird zudem naher beschrieben und gilt, neben den Lerninhalten, als verbindlich (vgl. SAchsisches Staatsministerium fur Kultus 2009, S.4). Um auch die steigende Komplexitat von Lernaufgaben zu strukturieren, werden im Lehrplan diese einheitlichen Begriffe verwendet. Das sachsische Schulgesetz erklart unter §1 Erziehungs- und Bildungsauftrag, dass SchulerInnen lernen sollen „selbstandig, eigenverantwortlich und in sozialer Gemeinschaft zu handeln" (SAchsisches Schulgesetz 2018, S.4, Online im Internet).

2.3.2 Kompetenzbereiche

Werden nun die gelisteten Kompetenzen des Perspektivrahmens und des sachsischen Lehrplans fur den Sachunterricht gegenubergestellt, so zeigen sich parallele Formulierungen, die zusammengefasst werden konnen. Die sich daraus ergebenden Kompetenzbereiche sollen als Grundlage fur die Basis der Aufgabenformate dienen, welche in Anlage 6 naher erlautert werden. Kompetenzen, die in gleiche oder ahnliche Handlungs-, Arbeits- und Denkweisen eingeordnet werden konnen, sind in den Kompetenzbereichen 0 bis 5 zusammengefasst. Diese bauen allerdings nicht zwangslaufig aufeinander auf, sondern konnen auch unabhangig voneinander angesteuert und gefordert werden. Eine solche Einteilung in Bereiche soll vor allem der Ubersichtlichkeit dienen und die Verbindung zu den Konfrontationsaufgaben liefern.

Ubersicht: Erstellung der Kompetenzbereiche

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Kompetenzbereich 0

Dieser Kompetenzbereich wird fur die Ausganglage des Lernprozesses definiert, welche der motivationalen Bereitschaft gleicht. Der Zugang zum unterrichtlichen Themenfeld oder der Sache basiert auf der Lebenswelt der Kinder und knupft so an eine mogliche Neugier fur ein Thema an. Die Kompetenz Interesse entwickeln ist gleichzusetzen mit der Bereitschaft des Kindes, neuen Inhalten offen zu begegnen. Diese Neugier kann in situationales, stabiles situationales und stabiles personliches Interesse unterteilt werden (vgl. Schrems 2010, S.12, Online im Internet), wobei diese Stufen aufeinander aufbauen. Im Rahmen dieser Arbeit wird auf eine solch detaillierte Unterteilung in Interessenstufen verzichtet, da umfangreiche Einflussfaktoren auf das Interessenfeld des Kindes eine Rolle spielen. Der Kompetenzbereich 0 ist als Fahigkeit zu verstehen, Begeisterung zu zeigen, Nachfragen zu stellen und eine forschende Haltung zu entwickeln. Voraussetzzungen fur das Entwickeln von Interesse sind neben einer lernfreundlichen Umgebung auch die Presentation des Themenfeldes, sowie das Selbstkonzept des Kindes.

Kompetenzbereich 1

Einblicke gewinnen heiGt fur SchulerInnen das unbekannte Themenfeld ubersichtsartig zu erfassen. Dabei geht es nicht um konkrete Handlungsweisen, sondern vielmehr um den primaren Zugang zu einer Thematik. Dieser Kompetenzbereich ist fur die grundlegende Orientierung im Gegenstandsbereich oder der Lern- und Arbeitstechnik zu verstehen. Da der Bezug zu einer Thematik sich stets an der Lebenswelt der Kinder orientieren sollte, ist eine Ausbildung dieser Kompetenz besonders fur Unterrichtseinstiege relevant.

Kompetenzbereich 2

In diesem Rahmen sind ausschlieGlich intrapersonale Kompetenzen relevant, die das Kind als Hauptakteuer in den Fokus stellt. Dabei ist kein Klassenverband notwendig, da es ausschlieGlich um die Eigenleistung geht. Themenfelder oder Phanomene konnen in unterschiedlicher Tiefe verstanden werden, wobei alle Kompetenzen aus diesem Bereich dazu beitragen, die Thematik in seinen Grundzugen zu erschlieGen. Dazu zahlen erkennen, verstehen, eigenstandig erarbeiten, kennen, beherrschen.

Diese Kompetenzen konnen in ganz unterschiedlicher Form aufgegriffen und gefordert werden. Durch sammeln, ordnen, vergleichen, strukturieren, vernetzen, beobachten, recherchieren und in Bezug setzen von Informationen eigenen sich die SchulerInnen die Fahigkeit an, neue Inhalte in einen fur sie angemessenen Umfang aufzugliedern und ein Gefuhl fur relevante und irrrelevante Informationen zu bekommen. Besonders komplexe Sachverhalte bedurfen einem Grundverstandnis fur die Zusammenhange bevor das Verstandnis auf andere Themen und Aufgaben ubertragen werden kann.

Kompetenzbereich 3

Bereits bekannte und gefestigte Inhalte konnen durch das Obertragen auf ahnliche oder neue Zusammenhange weiter ausgebaut werden. Dabei geht es vor allem um die Anwendung des Gelernten und dessen Umsetzung in einem unbekannten Zusammenhang. Dieser Kompetenzbereich zeichnet sich vor allem durch das Handeln aus, wobei Kenntnisse und Erfahrungen auf vergleichbare oder neue Kontexte ubertragen werden sollen. Die Eigenleistung des Kindes zur Planung, Kontrolle und Schlussfolgerung steht dabei im Mittelpunkt. Dies erfordert komplexe Denkleistungen durch das Kind, bedeutet aber auch die Forderung der Selbststandigkeit und damit das Bedurfnis nach Autonomie. Mit Autonomie ist gemeint, dass die eigene Person in den Mittelpunkt der Handlungen tritt und somit seine Ziele und Handlungsweisen selbst bestimmt (vgl. Muller 2008, S.230). So ist die Anwendung der eigens erworbenen Kenntnisse, Fahigkeiten und Fertigkeiten das Ziel, um bestehenden und zukunftigen Aufgaben kompetent zu begegnen.

Kompetenzbereich 4

Hier findet die Einbettung der Kompetenzen in einen sozialen Kontext statt, da nicht mehr das Kind einzeln als separates Wesen, sondern als Empfanger und Sender von den ihn umgebenden Einflussen gesehen wird. Inhalte und Zusammenhange evaluieren und reflektieren zu konnen heiGt, sich selbst als Individuum zu verstehen und in der Lage zu sein, die eigenen Denkmuster und Erkenntnisse kritisch zu betrachten. So sollen SchulerInnen Inhalte bewerten, beurteilen und einschatzen, sowohl auf personlicher Ebene als auch in einem gesellschaftlichen Kontext. Da die Entwicklung mit Wertvorstellungen durch die eigene Positionierung zur Thematik ausgebildet wird, findet im Austausch mit anderen SchulerInnen eine Bildung fur Toleranz statt. Denn die Kompetenz sich zu positionieren bedeutet zwar seinen Standpunkt zu vertreten, aber auch kritisch reflektiert mit der eigenen Einstellung umzugehen, andere Meinungen zuzulassen und kontinuierlich die personliche Haltung und den Lernprozess zu reflektieren.

Kompetenzbereich 5

Die Fahigkeit, mit anderen ins Gesprach zu treten oder gemeinsam Aufgaben zu losen erfordert ein hohes MaR> an sozialer Kompetenz. Das Kommunizieren beschreibt demnach die Kompetenz sich mitteilen zu konnen, aber auch andere Standpunkte zu verstehen und damit umzugehen (vgl. Wuttke 2013, S.6). Durch den interaktiven und zielgerichteten Charakter ist dieser Kompetenzbereich besonders herausfordernd, da mehrere Individuen aufeinandertreffen. Mit anderen zusammenarbeiten verlangt allen Beteiligten viele kognitive und emotionale Prozesse ab. „Dabei geht es um die Ausbildung von Erwartungen und Eindrucken gegenuber Kommunikationspartnern, um Kodierungs- und Dekodierungsprozesse" (Wuttke 2013, S.5), was gerade bei Kindern in der Primarstufe eine komplexe Aktivitat darstellt. Durch die Uberwindung des Egozentrismus, also dem Hineinversetzen in andere Personen (vgl. Kesselring 1999, S.96), ist ein fundierter kommunikativer Austausch mit anderen moglich.

2.4 Konfrontationsaufgaben

Aufgaben sind eine Prazisierung von Bildungsplanen und Bildungsstandards, die Inhalte, welche in der Gesellschaft als bedeutend angesehen werden, in den Unterricht transportieren (vgl. StAudel/Bohl/Merk/Rehm 2012, S.26). So konnen Aufgaben als geeignetes Gestaltungs- und Steuerungselement dienen (vgl. StAudel/Bohl/Merk/Rehm 2012, S.26) und durch ausgewahlte Formate eine zielorientierte Lernstrategie begunstigen. Es gibt vielfaltige Arten von Aufgaben, die je nach Einsatz und Struktur bestimmte Funktionen ausuben und entsprechende Sachverhalte aufschlusseln. In dieser Arbeit werden die Konfrontationsaufgaben, als eine Art des didaktischen Lernkonzeptes, genutzt. Eine Konfrontation bedeutet, sich einem bisher unbekannten oder unklaren Sachverhalt zu stellen, der ohne weitere

Vorbereitung oder explizites Wissen bearbeitet werden kann. Eine Konfrontationsaufgabe ergibt sich im Erstkontakt mit einem unbekannten Phanomen oder Problem aus der Lebenswelt der SchulerInnen. Vor allem fur GrundschulerInnen spielt dieser Lebensweltbezug eine entscheidende Rolle, da Kinder eine reale Verbindung zur eigenen Welt benotigen, um Sinnhaftigkeit und Motivation zu erreichen. Diese Maxime ist zentraler Bestandteil vieler Lehrplane und Bildungskonzepte (vgl. Eckermann/Meier 2018, S.121) und hangt unmittelbar mit der Umstrukturierung von Prakonzepten zusammen. Da auf kognitiver Ebene Aufgaben dazu dienen Vorwissen aktiv zu revidieren, um- oder auszubauen (vgl. Luthiger 2015, S.25, Online im Internet), ist die Nutzung einer Konfrontationsaufgabe sinnvoll. Als Ausgangspunkt gilt die Gegenuberstellung von SchulerInnen und der Problemstellung. Dabei dient die Konfrontationsaufgabe dem didaktischen Zweck der Bewusstmachung von vorhandenen Prakonzepten, der Aktivierung dieses Vorwissens und dem Wecken von Neugierde, um den Kompetenzerwerb in Gang zu setzen (vgl. Luthiger/Wilhelm/Wespi 2014, S.57, Online im Internet). Ursprung dieser Aufgaben liegen in der Theorie des Conceptual Change (Konzeptwechsel), wobei „der Lernprozess als Umwandlung eines Vorwissens zum Anders-Wissen begriffen" wird (Meyer-Drawe 2008, S.19). Meist existieren beide Vorstellungen, sowohl das Alltagskonzept als auch das fachwissenschaftliche Konzept, nebeneinander, sodass nicht von einem Wechsel der Denkmuster gesprochen werden kann. Erst bei vollstandiger Ablosung des vorunterrichtlichen Prakonzepts greift die Theorie des Conceptual Change (vgl. Franz 2008, S.34). Die grundlegende Umgestaltung der kognitiven Strukturen steht dabei im Fokus. Der Begriff ist allerdings kritisch zu betrachten, da ein Auswechseln von Wissen nur der Ubernahme von wissenschaftlichen Theorien gleicht und eigene Denkmuster ausgeschaltet werden. Vielmehr geht es um die Entwicklung oder Veranderung von Vorwissen und dem Knupfen neuer Zusammenhange (vgl. Franz 2008, S.34). Bei der Nutzung von Konfrontationsaufgaben geht es um diesen Ansatz der Konzeptveranderung, dem allmahlichen Ab- und Umbau von Alltagsvorstellungen, der auch als Conceptual Growth (Konzeptzuwachs) bezeichnet wird. Dies beschreibt eine schrittweise Hinfuhrung zur wissenschaftlichen Sichtweise (vgl. Duit 1997, S.238). Die Konfrontationsaufgabe und damit die direkte Auseinandersetzung mit einem Phanomen oder einer Sache aus der Lebenswelt der Kinder wird als Anregung zur Konzepterweiterung gewahlt. Neben Erarbeitungsaufgaben, Vertiefungs-und Ubungsaufgaben, Synthese- und Transferaufgaben zahlen die Konfrontationsaufgaben zum Bereich Lernen und werden nicht als Leistung abgerufen oder bewertet. Mit der Orientierung an dem Prozessmodell fur die Entwicklung kompetenzorientierter Aufgabensets besitzen Konfrontationsaufgaben verschiedene lernrelevante Merkmale (vgl. Luthiger/Wilhelm/Wespi 2014, S.59, Online im Internet), die unter Berucksichtigung der Alltagskonzepte und -kompetenzen auf das Denken und Handeln der SchulerInnen innerhalb ihrer Lebenswelt treffen (Anlage 1, Bild 1.7). Im Bereich der Authentizitat wird das Kompetenzabbild bei Konfrontationsaufgaben (KA) als integral beschrieben, was eine Zusammenfuhrung von moglichst vielen Teilaspekten einer Kompetenz in Bezug auf die Realsituation und das damit verbundene Erlernen, Uben und Nutzen bedeutet (vgl. Luthiger/Wilhelm/Wespi 2014, S.59, Online im Internet). Relevant ist auch die Anlehnung der KA zur Lebenswelt der SchulerInnen. Dieser im Unterricht geschaffene Bezug ist zwar konstruiert, wirkt aber durch seinen Alltagsbezug authentisch (vgl. Luthiger/Wilhelm/Wespi 2014, S.59, Online im Internet). So wird durch impliziertes Lernen an den Vorstellungen und damit an den Prakonzepten der Lernenden angeknupft. Erst dann folgt die allmahliche Hinfuhrung zum Sachkonzept. Dies hat den Vorteil der langeren Haltbarkeit, denn implizites Wissen ist „nur schwer loschbar [...], stark mit den Sinnesmodalitaten verknupft [...] und erfolgt beilaufig ohne gezielte Lernabsicht" (Petermann/Petermann 2018, S.170f). Meist sind KA vorkonstruiert und enthalten kaum oder wenig Text, Fragen und Satze entsprechen der Reihenfolge zur Bearbeitung der Aufgabe, sodass eine Ubersichtlichkeit fur die Kinder gegeben ist (vgl. ebd). Im Rahmen diese Arbeit werden Konfrontationsaufgaben mit Kompetenzorientierungen erstellt, die auf das Themenfeld Der Gehorsinn zugeschnitten sind. Die hier genannten Merkmale werden dabei in die Erstellung der Aufgaben eingegliedert.

2.5 Kompetenzorientierte Konfrontationsaufgaben

Die Begegnung mit einem neuen Phanomen im Unterricht weckt in SchulerInnen meist Neugier, wirft aber gleichzeitig Fragen auf und regt dadurch im Austausch an. Konfrontationsaufgaben beruhen auf Problemen aus der Lebenswelt der Kinder und knupft damit an ihre Erfahrungen an, demnach haben sie einen direkten Bezug zu den vorhandenen Prakonzepten. Dabei ist das Suchen individueller Losungswege besonders wichtig zur Ausbildung und Forderung verschiedener Kompetenzen. Denn durch den Selbststeuerungsprozess lernen Kinder eigenstandig zu Erkenntnissen zu gelangen und eigene Fahigkeiten im kumulativen Lernprozess auszutesten. In dieser Arbeit werden die aufgestellten Kompetenzbereiche (Kapitel 2.3.2) mit Prakonzepten in Bezug gesetzt, so dass daraus individuelle Konfrontationsaufgaben entstehen konnen. Anhand der Grafik soll deutlich werden, wie die genannten Bereiche miteinander verknupft sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1.8 - Model! Kompetenzorientierte Konfrontationsaufgaben

Dabei steht die Lebenswelt der Kinder mit den vorhandenen Prakonzepten als auGerer Rahmen, wobei die Anzahl der Prakonzepte zu einem Thema individuell variieren kann. Dieses Vorwissen trifft im Unterricht auf konkrete fachwissenschaftliche Konzepte, welche uber die Einbindung der Kompetenzbereiche (KB) zur Entwicklung kompetenzorientierter Konfrontationsaufgaben dienen sollen. Es besteht eine wechselseitige Beziehung zwischen Kompetenzbereich (KB) und Konfrontationsaufgabe (KA), da die Aufgaben sowohl Kompetenzen auspragen, diese aber wiederum ruckwirkend eine neue Erkenntnis uber die eigenen Fahigkeiten bedeuten. Demnach werden Kompetenzen weiterentwickelt und fuhren letztendlich zu einer Steigerung der Kompetenzqualitat, da die Kinder lernen, eigenstandig zu agieren und neuen Phanomenen gegenuber sowohl offen als auch kritisch zu begegnen.

Die erstellten kompetenzorientierten Konfrontationsaufgaben fur das Themenfeld Unsere Sinne/Der Gehorsinn sind im Anlage 6 aufgelistet. Diese sollen lediglich als Beispiele dienen, um einen Einblick in das Potenzial fur derartige Aufgaben zu erhalten. Bei der Entwicklung der Konfrontationsaufgaben werden die erhobenen Prakonzepte aus den Kinderinterviews (Anlage 4.2) einbezogen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 121 Seiten

Details

Titel
Erfassung und Beschreibung der Präkonzepte von Grundschulkindern zum Themenbereich "Der Gehörsinn"
Untertitel
Darstellung von möglichen Potenzialen der Präkonzepte zur Entwicklung von kompetenzorientierten Konfrontationsaufgaben
Hochschule
Universität Leipzig
Autor
Jahr
2019
Seiten
121
Katalognummer
V461980
ISBN (eBook)
9783668926523
ISBN (Buch)
9783668926530
Sprache
Deutsch
Schlagworte
erfassung, beschreibung, präkonzepte, grundschulkindern, themenbereich, gehörsinn, darstellung, potenzialen, entwicklung, konfrontationsaufgaben
Arbeit zitieren
Juliane Jahn (Autor:in), 2019, Erfassung und Beschreibung der Präkonzepte von Grundschulkindern zum Themenbereich "Der Gehörsinn", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/461980

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