Hawthornes Sünderin: Hester Prynnes Selbstbehauptung in einer repressiven Gesellschaft


Seminararbeit, 2004

13 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1) Einleitung

2)Schuld und Sühne
2.1. Schuldverständnis des Puritanismus- Die Sünderin Hester Prynne
2.2. Die Last der Vergangenheit: Hester Prynnes Erlösung

3) Symbolik in “Scarlet Letter”: Der scharlachrote Buchstabe und Pearl

4) Darstellung und Deutung von Geschichte im Roman
4.1. Welthaftigkeit des Romans
4.2. Historische Grundlagen der Romanfiguren
4.3. Hawthorne und Geschichte
4.3.1. Die “Neue Nation” im Spiegel des Romans
4.3.2. Revision des etablierten Geschichtsmythos seiner Zeit

5) Schluss

6) Quellen
6.1. Primärliteratur
6.2. Sekundärliteratur

1) Einleitung

Das Zeitalter der “American Renaissance” war ideologisch zwiegespalten: Zum Einen war diese Zeit geprägt vom Fortschrittsglauben, den vor allem der prominenteste Vertreter, Ralph Waldo Emerson (1803-82), propagierte. Zu dem Kreis um Emerson gehörten auch Henry David Thoreau (1817-62), Herman Melville (1819-91) und Nathaniel Hawthorne (1804-64) zählten. Sie wurden vereint durch den Glauben an Amerika als eine neugeborene, freie Nation. Dennoch könnten sich die einzelnen Stellungnahmen kaum gravierender voneinander abheben: So kämpften Emerson und Melville ihren persönlichen Kampf mit Gott und der Moral der Gesellschaft; während sich Hawthorne mit dem Geschichtsverständnis beschäftigte. Er wandte sich, im Gegensatz zu den übrigen Transzendentalisten, auch den dunkleren Kapiteln der Vergangenheit zu. 1850 erschien der Roman “The Scarlet Letter” und sicherte Hawthorne den Ruhm, eins der bedeutendsten Romanwerke der amerikanischen Literatur geschaffen zu haben. Er stellte sich dem übertriebenen Optimismus seiner Zeit entgegen und zeigte deutlich die negativen Momente der puritanischen Gesellschaft. Ein Paradewerk hierfür ist Scarlet Letter(1850).

“Scarlet Letter” behandelt die Geschichte der Hester Prynne, die wegen Ehebruchs dazu verurteilt wurde, ein Leben lang einen roten Stoffbuchstaben auf der Brust zu tragen, um an das Verbrechen zu erinnern. Die in 24 Kapiteln erzählte Geschichte hat keinen direkten Handlungsablauf, es sind eher Szenen, die jeweils einzelne Charaktere in den Brennpunkt rücken. Genau datiert wird sie auch nicht: “not less than two centuries ago”1, dennoch gibt es Hinweise, dass die Zeitspanne 1642-49 beschrieben wird. Der Herausgeber der Geschichte um den scharlachroten Buchstaben wird uns bekannt, da er den Vorsketch “Custom House” verfasste; der Autor des “Scarlet Letter”-Manuskripts bleibt unbekannt. “Custom House” möchte ich hier außer Acht lassen und mich allein dem Roman Scarlet Letter widmen.

2) Schuld und Sühne

2.1. Das Schuldverständnis der Puritaner: Die Sünderin Hester Prynne

Das Schuldverständnis der Puritaner beruhte vor allem auf dem Gedanken, dass jeder Mensch von Natur aus sündig ist (dies ist auch durch den Glauben an die “Erb-“ oder Ursünde” durch Adam und Eva bedingt). Dies wird durch die Beschreibung des Gefängnisses verdeutlicht: Der Friedhof und das Gefängnis sind die ältesten Einrichtungen der Gemeinde, was darauf hinweist, dass das Böse Teil jeder noch so gut geplanten (“city of god”) Gesellschaft ist. Somit wird der übersteigerte Glaube an das Böse im Menschen dargestellt, welcher den größten Teil des geistlichen Lebens dieser Zeit prägte. Pearl mit ihrer ungezügelten, völlig freien Natur stellte für die Puritaner etwas Verhasstes und Gefürchtetes dar, sie musste unter Kontrolle gebracht, geordnet und ‘kultiviert’ werden. Dieser Konflikt wird durch die Ablehnung der Puritaner dargestellt und durch Hesters und Pearls ständige Einsamkeit vermittelt- niemand kam zu ihr. Hawthorne nutzt ein individuelles Schicksal, um sowohl die Verbohrtheit der Puritaner, als auch die Bereitschaft, zu vergeben, und den allmählichen Hang zum Aberglauben im Zeitraum 1642- 1649 darzustellen.

Die Geschichte beginnt an dem Punkt, ab dem die Figur Hester Prynne erstmalig interessant zu werden scheint, nämlich an der “Prison Door”. Somit muss ein Verbrechen begangen worden sein. Im zweiten Kapitel wird erklärt, was genau geschehen ist: Hester Prynne, deren Mann zwei Jahre verschollen sein sollte, hatte Ehebruch begangen, sie trug eine Tochter auf dem Arm, als sie zur Befragung auf den Pranger gestellt wurde. Der Pranger wird hier mit “scaffold” bezeichnet, was auch “Gioultine” bedeuten kann und somit einen Hinweis auf die schreckliche Willkür- und Terrorherrschaft der Jakobiner während der französischen Revolution darstellt. Mit den Kommentaren der Matronen, die Hester verurteilten, verdeutlicht er die Härte und Gehässigkeit der puritanischen Gesellschaft: “At the very least, they should have put the brand hot iron on Hester Prynnes forehead. Madam Hester would have winced at that”2. Doch Hester wurde “nur” mit dem Tragen des roten Buchstabens bestraft. Zunächst versuchte sie beschämt, das Zeichen mit dem Baby auf ihrem Arm zu verbergen, doch sogleich erkannte sie, dass ein Zeichen der Schande wohl kaum geeignet ist, ein anderes zu verdecken. So nahm sie Pearl stolz auf den Arm “and never had Hester Prynne appeared more ladylike(...) than as she issued from the prison”. Den Namen des Vaters gab Hester nicht preis und konnte ihn somit vor der öffentlichen Schande bewahren und in den Hintergrund des öffentlichen Denkens drängen. Im Auge der puritanischen Gesellschaft hatte Hester eine schwere Sünde begangen, da sie gegen das siebte Gebot verstieß: ‘Du sollst nicht ehebrechen!’ Dies bedrückt beide, Hester und Dimmesdale, zusätzlich schwer.

2.2. Die Last der Vergangenheit

Bei der Befragung durch Dimmesdale, der sich im weiteren Verlauf des Romans als Pearls Vater herausstellt, in Kapitel 3 weigerte sich Hester standhaft, den Namen des Vaters preis zu geben. So kam es zum Wiedererkennen Hesters und Roger Chillingworths: Der bereits an der Stimme Erkannte stellte sich als ihr Ehemann heraus, der sich zwar weder an ihr, noch an ihrem Kinde rächen wollte, jedoch nach dem Namen des Vaters trachtete, um sich an diesem zu rächen:

“‘Thou wilt not reveal his name? Not the less he is mine,’ resumed he, with a lokk of confidence, as if destiny were at one with him. ‘He bears no letter of infamy wrought into his garment, as thou dost; but I shall read it on his heart. Yet fear not for him! Think not that I shall interfere with Heaven’s own method of retribution, or, to my own loss, betray him to the gripe of human law. Neither do thou imagine that I shall contrive aught against his life; or, nor against his fame, if, as I judge, he be a man of fair repute. Let him live! Let him hide himself in an outward honor, if he may! Not the less he shall be mine!’ (...) Thou and thine, Hester Prynne, belong to me. My home is where thou art, and where he is. But betray me not!’”3

Die Situation und ihre Problematik basieren nun also auf drei Hauptcharakteren, die sich aus derselben Situation heraus mit Schuld beladen und doch ganz unterschiedliche “Kreuze” tragen: Während Hester mit dem Buchstaben öffentlich gebranntmarkt ist und somit nur ihre Schuld büßen oder ewig ausgegrenzt bleiben kann, bleiben Dimmesdale, als Vater von Pearl und Mitschuldiger, und Chillingworth unerkannt und tragen so privat und im Stillen an ihrer Sünde. Dies zieht jedoch nach sich, dass sie nicht mehr in der Lage sind, sich selbst zu befreien.

Hester ist gekennzeichnet durch eine wahrhaft luxuriöse Schönheit, eine facettenreiche, leidenschaftliche Natur und ihr psychische und physische Stärke. In den Kapiteln 5 und 13 wird ein besonderes Augenmerk auf ihre Etablierung in der Gesellschaft, von der sie entschieden abgelehnt wird, gelegt, während Hawthorne in den Kapiteln 17-19 und in der “conclusion” den Blick auf die Lösung ihres Konflikts und dessen Abschluss hinlenkt. In allen Situationen ist der rote Buchstabe ein entscheidendes Instrument der Symbolik, um die Kontinuität der Vergangenheit zu verdeutlichen, doch ihm widmen wir uns später näher.

In Kapitel 5 wird erzählt, wie “Hester at her needle” arbeitet und wozu ihre Arbeiten genutzt werden: “She bore on her breast, in the curiously embroidered letter, a specimen of her delicate and imaginative skill of which the dames of a court might gladly have availed themselves, to add the richer and more spiritual adornment of human ingenuity to their fabrics of silk and gold.”4 Hester schmückte Babymützchen, die Halskrause des Gouverneurs, die Kleidung der

Geistlichen und Militärs und sogar die Totenhemden. Als Künstlerin mit einem außerordentlichen handarbeitlichen Geschick wurde sie allmählich wieder in der Gesellschaft anerkannt. Dennoch wurde ihr ständig klar gemacht, was ihre Sünde in den Augen der Öffentlichkeit war:

“But it is not recorded that, in a single instance, her skill was called in aid to embroider the white veil which was to cover the pure blushes of a bride. The exeption indicated the ever relentless vigor with which society frowned upon her sin.”5

Auch mit Hilfe Armen- und Obdachlosenarbeit gewann Hester allmählich wieder das Vertrauen der Bürger. Die gelegentlichen Angriffe auf ihre, nur zu offensichtliche Schwachstelle, konnten Hester nichts anhaben; nur fremde Blicke verletzten sie. Dennoch war Hesters Sünde nicht so schnell vergessen: Wenn Hester in die Kirche ging, war sie am Ende nicht selten selbst der Gegenstand der Predigt; Kinder hatten Angst vor ihr und betrachteten sie als eine Art Zauberin. Dennoch bleibt ihr ein Trost, die Blicke Dimmesdales geben Hester Kraft, um sie danach erneut wegen Ehebruchs in die Tiefe zu stoßen. Diese Gedanken mögen einer der Gründe für Hesters ‘fleckenfreies’ Leben sein:

“She never battled with the public, but submitted uncomplainingly to ist worst usage; she made no claim upon it in requital for what she suffered; she did not weigh upon ist sympathies. Then also, the blameless purity of her life during all these years in which she had been set apart to infamy was reckoned largely in her favor. with nothing now to lose in the sight of mankind, and with no to hope, and seemingly no wish, of gaining anything, it could only be a genuine regard for virtue that had brought back the poor wanderer to ist paths.”6

In Kapitel 13 wird das Augenmerk wieder auf Hester, insbesondere auf ihre gesellschaftliche Rehabilitation, gelegt: Hester pflegte und tröstete Kranke als freiwillige Schwester der Barmherzigkeit, niemand ward so häufig unter den Kranken gesehen, als die Pest wütete; und doch trachtete sie nie nach dem Dank der Bedürftigen, stets verließ sie das Haus vor Tagesanbruch und niemals grüßte sie die auf der Straße Getroffenen. So brachte sie nicht nur Hilfe und Heilung, sondern ersparte auch die öffentliche Schande, mit der gezeichneten Frau gesehen worden zu sein. Zudem mystifiziert dieser Umstand die Erscheinung der Frau mit dem scharlachroten Buchstaben ungemein.

Mit solcherlei Handlungen erwarb Hester die nahezu vollständige Vergebung der Bürger, dennoch ward es offiziell nicht vergeben, wie im 13. Kapitel erklärt wird. Hester selbst sah jedoch von Anfang an ihre Sünde vornehmlich im Verschweigen des Namens von Pearls Vater. Diese Schuld konnte sie weder jemandem beichten, noch anderweitig abtragen; sodass sie in ihrer Einsamkeit neu zu denken lernt:

“She assumed a freedom of speculation, then common enough on the other side of the Atlantic, but which our forefathers, had they known it, would have held to be a deadlier crime than that stigmatized by the scarlet letter.”7

Diese Freiheit zu denken äußert sich auch in dem Plan, mit Arthur Dimmesdale und Pearl, ihrem größten Schatz, in der “Alten Welt” ein neues Leben anzufangen. Dieser Plan wurde jedoch von Chillingworth vereitelt, der ebenfalls ein Ticket auf dem ausgewählten Schiff buchte. Damit wurde Hester klar, dass sie ihrer Vergangenheit nicht entfliehen kann, erst mit der Preisgabe seines Geheimnisses konnte Dimmesdale sie von der Schuld und Last des Schweigens befreien. Doch das Vergangene lässt sie auch mit Arthurs Tod und ihrem gemeinsamen Umzug mit Pearl nach Europa nicht ruhen:

[...]


1 PB, S.42

2 PB, S.44

3 3PB, S 64/ 65

4 PB, S. 69

5 PB, S. 71

6 PB, S. 137

7 PB, S. 139

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Hawthornes Sünderin: Hester Prynnes Selbstbehauptung in einer repressiven Gesellschaft
Hochschule
Universität Erfurt  (Philosophische Fakultät)
Veranstaltung
Seminar "The American Renaissance"
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
13
Katalognummer
V46196
ISBN (eBook)
9783638434362
Dateigröße
371 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit wurde in der vorgelegten Fassung vom Dozenten genehmigt und bewertet.
Schlagworte
Hawthornes, Sünderin, Hester, Prynnes, Selbstbehauptung, Gesellschaft, Seminar, American, Renaissance
Arbeit zitieren
Anja Nickel (Autor:in), 2004, Hawthornes Sünderin: Hester Prynnes Selbstbehauptung in einer repressiven Gesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46196

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