Der Entfremdungsbegriff nach Marx. Der Einfluss der Entfremdung auf die Kunst


Hausarbeit, 2016

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Entfremdungsbegriff

3. Der Entfremdungsbegriff nach Marx
3.1. Vier Formen der Entfremdung
3.1.1. Entfremdung vom Produkt
3.1.2. Entfremdung von der Tätigkeit
3.1.3. Entfremdung vom Gattungswesen
3.1.4. Entfremdung des Menschen vom Menschen

4. Der Fetischcharakter der Ware

5. Der Einfluss der Entfremdung auf die Kunst in der kapitalistischen Gesellschaft

6. Fazit

Literatur

1 Einleitung

„Les femmes d’Alger“, ein Meisterwerk aus der Hand des spanischen Künstlers Pablo Picasso. Gemalt im Jahre 1955, 60 Jahre später versteigert für 179 Millionen Dollar. Dies stellt einen neuen Weltrekord in der Kunstszene dar, denn niemals zuvor wurde ein Gemälde für einen höheren Preis im Rahmen einer Auktion versteigert. Solche Ereignisse prägen selbstverständlich das zeitgenössische Kunstsystem. Künstler orientieren sich an dem Markt, um Kunst zu schaffen, die auf dem überfüllten Markt heraussticht und Aufsehen erregt. Dies gilt nicht nur für die Kunstszene, sondern für jeden weiteren wirtschaftsabhängigen Bereich. Der Druck, sich aus der Masse hervorzuheben, ist größer als je zuvor. Das reichste Prozent der Weltbevölkerung besitzt 99 Prozent allen Vermögens. Dieser Teil der Menschheit hat einen Großteil der Wirtschaftstendenzen in der Hand. Durch ihre Investitionen, beispielsweise durch den Kauf eines Picassos in neunstelliger Höhe wird der Wandel innerhalb der Kunstbranche in Gang gebracht. Der Unmut gegenüber der kapitalistischen Macht, die dieses Ungleichgewicht der Vermögen fördert, nimmt überall auf der Welt immer weiter zu. Wissenschaftler und Philosophen aus Europa, Amerika oder den Dritte-Welt-Ländern beteuern die Bedrohung, die von dem Kapitalismus ausgehe.1

In diesem Zusammenhang erlebt auch der Begriff der „Entfremdung“ aktuell einen Aufschwung. Theoretiker, die sich als gesellschaftskritisch verstehen, greifen auf‚ Entfremdung‘ zurück und nutzen ihn als Schlüsselbegriff. Die konkrete Entwicklung dieses Begriffs begann Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts. Schon damals kritisierte der deutsche Philosoph Karl Marx die Art und Weise der Produktion im Kapitalismus. Das kapitalistische System fordert die totale Abhängigkeit des Arbeiters, der außer seiner Arbeitskraft nichts besitzt, was er verkaufen kann. Demnach muss man sich der Aktualität von Marx Staatskritik bewusst werden. Seine Ökonomisch-philosophischen Manuskripte stammen zwar bereits aus dem Jahre 1844, dennoch spielen seine Überlegungen zum Entfremdungsbegriff in der heutigen Gesellschaft nach wie vor eine nicht unbedeutende Rolle.

Selbst heute konnten sich Politiker, Sozialforscher und Philosophen noch nicht auf eine klar definierte Bedeutung von „Entfremdung“ einigen. Die Theorie der Entfremdung hat in der Philosophie des 19. Jahrhunderts einige bedeutende Vertreter: Hegel, Feuerbach oder Kierkegaard. Jeder stellt die Problematik in seiner eigenen Sichtweise dar und entwickelt einen speziellen Typ der Theorie der Entfremdung . Neben diesen drei Philosophen nimmt Marx allerdings eine besondere Stellung ein, auch wenn inhaltliche Überschneidungen zwischen den verschiedenen Auffassungen von Entfremdung bestehen. Marx hat das Problem der Entfremdung neu aufgerollt und auf eine selbstständige Weise behandelt.

In der folgenden Arbeit soll der Begriff der entfremdeten Arbeit, wie Marx ihn in den Ökonomisch-philosophischen Manuskripten aus dem Jahr 1844 verwendet, erläutert werden, um im Anschluss zu untersuchen, ob und wie wahre Kunst innerhalb eines kapitalistischen Systems entstehen kann. Im ersten Schritt wird zunächst versucht, eine allgemeine Begriffserklärung herzuleiten, um im Anschluss daran Hegels sowie Feuerbachs Entfremdungsbegriff in groben Zügen darzustellen. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird zunächst der marxistische Entfremdungsbegriff geklärt, um sich dann dem Kern der Arbeit zu nähern. Dazu werden in Kapitel 3.1 die von Marx aufgestellten vier Formen der Entfremdung aufgeschlüsselt. Kapitel 4 klärt, inwiefern der Ware ein Fetischcharakter anhaftet, um schließlich der Ausgangsfrage dieser Arbeit nachzugehen, welchen Einfluss die entfremdete Arbeit auf das Kunstsystem einer kapitalistischen Gesellschaft besitzt. Schließlich fasst ein abschließendes Fazit die gewonnen Erkenntnisse noch einmal zusammen.

2 Der Entfremdungsbegriff

Der auch heute noch gebräuchliche Begriff der „Entfremdung“ stammt ursprünglich aus dem Lateinischen „alienatio“ (Entäußerung, Veräußerung) und erklärt „Entfremdung“ als eine Übertragung von Recht oder Eigentum. Demnach findet sich auch bereits außerhalb seines philosophischen Diskurses eine „juristische bzw. ökonomische Bedeutung“2.

Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel koppelt den Entfremdungsbegriff fest mit seinem dialektischen Denken. Nach seiner Theorie lässt sich der Begriff durch „Entäußerung“ ersetzen und bedeutet das Anderssein des Geistes. Dies stellt ein „wesentliches Element und [die] zentrale Kategorie des dialektischen Prozesses der Selbstentwicklung des Geistes über die Entäußerung zurück zu sich selbst“3 dar. Der Geist arbeite sich in einem immer wiederholenden Prozess der Entäußerung, Rücknahme und neuer Entäußerung in der Natur, Geschichte oder Kultur, bis der Mensch schließlich sich und den gesamten Weltprozess selbst begreift und damit zum sich wissenden Geist wird.

Ein neuer Existenzgrad wird erreicht. Bei Hegel bedeutet Entfremdung die Vergegenständlichung als Folge menschlicher Arbeit. So kann sich der Mensch nur zur Ganzheit weiterentwickeln, wenn er sich den geschaffenen Gegenständen unterwirft und die Entfremdung zulässt. Sie ist unabdingbar mit produktiver menschlicher Arbeit verbunden. Demnach spricht Hegel der Entfremdung einen positiven und sogar notwendigen Wert zu.

Dem entgegen steht die Position des deutschen Philosophen Ludwig Feuerbach, der kritisiert, dass sich nicht der Geist der Natur entfremde, sondern die Natur sich in der Form des denkenden Menschen entäußere oder entfremde. Der Mensch bringe „aus sich selbst das sinnlich-geistige Wesen, Gott, hervor“4. Feuerbach betrachtet Entfremdung demnach auf eine religiöse Weise: „Die Religion zieht die Kräfte, Eigenschaften, Wesensbestimmungen des Menschen ab und vergöttert sie als selbstständige Wesen.“ 5 Der Glaube selbst basiert im Grunde auf einer Entfremdung des Menschen von seiner eigenen Person und der Entfremdung von Gott. Der Mensch sieht sich in der bürgerlichen Gesellschaft außerstande, all seine Potenziale auszuleben. Diese Möglichkeiten und die Hoffnungen werden auf ein göttliches Wesen projiziert. Er betet seine eigenen Möglichkeiten in der Gestalt eines entfremdeten Wesens an. Der Schöpfungsprozess durch Gott, welcher sich im Menschen ausdrückt, ist ein Akt der Entfremdung.

Karl Marx geht davon aus, dass die Religion ein Produkt des Menschen ist und nicht umgekehrt. Er führt die Entfremdung in der Religion auf die Widersprüchlichkeit des politischen Staates zurück. Religion dient dem Menschen nur noch als Trost- und Rechfertigungsfunktion.6

3 Der Entfremdungsbegriff nach Marx

„ Je der, der sich auf dem kapitalistischen Markt bewegt, fühlt sich für sein Überleben zu etwas gezwungen, das er jenseits des Marktes niemals anstreben würde.“ 7

Dieser Versuch des Sozialphilosophen Hartmut Rosa, die Kernaussage des marxistischen Entfremdungsbegriffs zu definieren, fasst sehr gut zusammen, wie Karl Marx die

Entfremdung in seinen „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten“ erklärt. Laut Marx ist Arbeit als sinnlicher Umgang mit der Natur die Bedingung jeglicher geistiger Tätigkeit. Erst in der Arbeit erzeugt der Mensch sich selbst, entdeckt sein eigenes Wesen und verwirklicht es im Zuge einer schöpferischen Wiederaneignung von Gegenständen, die von ihm abhängig sind. Arbeit stellt die primäre Kategorie der Charakterisierung des Menschen dar und dient als aktiver Kontakt mit der Natur.

In seinen Manuskripten untersucht Marx die kapitalistischen Verhältnisse „hinsichtlich ihrer moralischen und sozialpsychologischen Konsequenzen“8. Die drei Manuskripte werden „in Gestalt einer Kritik der Nationalökonomie präsentiert“9, sind allerdings nicht als eine in sich geschlossene Abhandlung zu betrachten. Es handelt sich um unfertige Dokumente, die kein ganzheitlich geschlossenes Werk darstellen.10 Der Ausgangspunkt ist, dass die „Arbeit als Quelle des Reichtums“11 gilt, der Arbeiter seine Produkte allerdings nicht zurückkaufen kann. Im kapitalistischen System ist der Arbeiter von den Produktionsmitteln, also von seinem selbst hergestellten Produkt ausgeschlossen. „Er hat nicht die Geldmittel, sich diese zu leisten“ und hat auch nicht die Option, sich diese durch andauernde Arbeit anzueignen.12 Kern der Theorie ist, dass der Arbeiter sich selbst an den Kapitalismus „verkaufen“ muss, um zu überleben. Nur durch Arbeit wird der „Wert der Naturprodukte vergrößert“. Der Arbeiter produziert und schafft durch seine Arbeit einen Mehrwert, der dem Kapitalismus zugute kommt. Dadurch verstärkt sich gleichzeitig das Ungleichgewicht zwischen Arbeit und Kapital. „Der „proletarische Arbeiter eignet sich das Produkt seiner Arbeit nicht selbst an, sondern überlässt es dem Kapitalisten.“13 Dieser steht über dem Arbeiter als „müßiger Privilegierter“ und ist „überall dem Arbeiter überlegen“. Mit diesem Akt der Entfremdung schadet der Arbeiter seiner eigenen Substanz und schafft damit die Mittel, mit welchen er beherrscht wird.14

Die „Entwertung der Menschenwelt“ kann als Resultat der „Verwertung der Sachwelt“ betrachtet werden. Die Verwirklichung und Vergegenständlichung der Arbeit führt letztlich zur Entfremdung und Entwirklichung des Arbeiters.

[...]


1 Vgl. Jessen, Jens: Fegefeuer des Marktes, in: Die Zeit – Kapitalismusserie (2005) Nr. 30.

2 Weber 2005. S. 2.

3 Mugerauer, Roland: Versöhnung als Überwindung der Entfremdung: die Konzeption der Entfremdung. S.38.

4 Ludz, Peter Christian: Parteielite im Wandel. S. 262.

5 Oppolzer, Alfred: Entfremdung und Industriearbeiter, Köln 1974, S. 29.

6 Vgl. ebd., S. 32.

7 Jessen, Jens: Fegefeuer des Marktes.

8 Elbe, Ingo: Entfremdete Arbeit, S. 2.

9 Ebd.

10 Ebd.

11 Ebd.

12 Vgl. Weber, Patrick: Der Entfremdungsbegriff. Bei Karl Marx., S. 6.

13 Ebd.

14 Vgl. Cornu, Auguste: Idee der Entfremdung bei Hegel, Feuerbach und Marx, in: Schrey, Heinz-Horst: Entfremdung (S.42-59), Darmstadt 1975, S. 55.

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Details

Titel
Der Entfremdungsbegriff nach Marx. Der Einfluss der Entfremdung auf die Kunst
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Kunst und Kunstwissenschaft)
Veranstaltung
Kunstsoziologie
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
15
Katalognummer
V461941
ISBN (eBook)
9783668917873
ISBN (Buch)
9783668917880
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Karl Marx, Entfremdungsbegriff, Entfremdung, Fetischcharakter, Ware, Kapitalismus, kapitalistische Gesellschaft, Picasso, Philosophie, Hegel
Arbeit zitieren
Sophie Hohmann (Autor:in), 2016, Der Entfremdungsbegriff nach Marx. Der Einfluss der Entfremdung auf die Kunst, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/461941

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