Filmische Erzählinstanzen in BBC's Sherlock "Die Braut des Grauens"

Eine Untersuchung zur filmischen Erzählstrategie der Fokalisierung


Hausarbeit, 2017

12 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I.Einleitung

II.Vorbereitung auf die Filmanalyse

1) Theoretische Grundlagen
1.1 Narrative Vermittlung in Erzählliteratur und Film
1.2 Kategorien der Stimme
1.3 Modus: Fokalisierung

2) Gegenstand der Filmanalyse

I I I . A n a l y s e
1) Dr. John Watson als einführende Erzählinstanz
2) Wechsel zu Sherlock Holmes als Erzählinstanz
3) Raum- und Zeitgefüge in „Die Braut des Grauens“

I V . Fazit / Zusammenfassung

I.Einleitung

Die folgende Ausarbeitung wird sich mit der Analyse der Folge „Die Braut des Grauens“ (Folge 4, Staffel 3) aus der BBC-Serie „Sherlock“ befassen. Unter Berücksichtigung er- zähltheoretischer und filmnarratologischer Aspekte werden einzelne Szenen vor allem im Hinblick auf ihre Fokalisierung und die Frage nach der Erzählinstanz eruiert. Über die Ausarbeitung der Darstellung von Raum- und Zeitgefüge wird die Folge schließlich nicht nur auf Fragen hinsichtlich des discours untersucht, sondern auch die Geschichte (histoire) auf ihren unterschiedlichen narrativen Ebenen mit einbezogen.

Um einen Überblick über die Instrumente einer Filmanalyse zu erhalten, soll zuerst in As- pekte der Erzähltheorie Gérard Genettes eingeführt werden. Begrifflichkeiten, die von Markus Kuhn weiterentwickelt wurden, stellen dann die Grundlage für die folgende Analy- se einiger Szenen der Serien-Folge dar.

Ziel der Ausführung ist es, die Wirkung der Fokalisierung (und deren Erweiterungen Okularisierung und Aurikularisierung) für die Wahrnehmung filmischer Erzählinstanzen herauszuarbeiten und ihre Bedeutung im Hinblick auf discours und histoire zu entschlüs- seln.

II. Vorbereitung auf die Filmanalyse

1. Theoretische Grundlagen

1.1 Narrative Vermittlung in Erzählliteratur und Film

In der erzähltheoretischen Analyse unterscheiden wir nach Gérard Genette drei Klassen, die die narrative Vermittlung bewirken. Diese sind Zeit, Modus und Stimme.1 Während Zeit und Modus „beide auf der Ebene der Beziehungen zwischen Geschichte und Erzäh- lung“2 angesiedelt sind, impliziert die Klasse der Stimme nicht nur „die Beziehungen zwi- schen Narration und Erzählung“3, sondern auch diejenige „zwischen Narration und Ge- schichte“.4

Zeit, Modus und Stimme sind auf der Ebene des discours (der Erzählung) anzusiedeln und beschreiben somit die Art und Weise, wie eine Geschichte (histoire) inszeniert wird. Martínez/Scheffel bezeichnen hierbei Zeit als Verhältnis von erzählter Zeit und Erzählzeit.5 Dies wird jedoch neben den Aspekten von Stimme und Modus nur eine untergeordnete Rolle spielen. Wichtiger sind für die folgende Analyse die Aspekte der Stimme, die sich vor allem mit „Instanzen-, Ebenen- und Beziehungsfragen“6 beschäftigen. Unter dem Mo- dus fasst Kuhn alle „Perspektiv- und Informationsvermittlungsfragen“7 zusammen.

Der Unterschied zwischen einer narrativen Vermittlung in der Erzählliteratur und einer im Film macht sich in der doppelten Erzählinstanz im letzten Medium bemerkbar. Während es in der Literatur nur das Medium Sprache als Informationsvermittlung gibt, erzählen moderne Filme in der Regel auf zwei Kanälen: eine narrative Vermittlung findet sowohl auditiv (über das Hören), als auch visuell (über das Sehen) statt. Im engeren Sinne sind sogar drei Vermittlungsebenen zu nennen: „Der Film erzählt durch das Zusammenspiel verschiedener sprachlicher, visueller und auditiver Zeichensysteme.“8

Nach Kuhn ergeben sich für den Film zwei Erzählinstanzen. Die VEI (visuelle Erzählin- stanz, die die audiovisuellen Kanäle abdeckt) und die SEI (sprachliche Erzählinstanz, die alle sprachlichen Elemente eines Films umfasst).9

1.2 Kategorien der Stimme

Unter der Stimme werden von Martínez/Scheffel alle Fragen gefasst, die sich aus dem „Akt des Erzählen“10 ergeben. Ebenfalls fasst der Begriff „das Verhältnis von Erzähler und Erzähltem, sowie von Erzähler und Leser/Hörer [bzw. Zuschauer, Anmerkung J.W.]“11. Die verschiedenen Kategorien der Stimme sind mit den Fragen nach dem Zeitpunkt und dem Ort des Erzählens zu begreifen12. Während Zeit danach fragt, wann die Geschichte im Verhältnis zum Zeitpunkt des Erzählens stattfindet, befasst sich der Ort des Erzählens nicht etwa mit einer räumlichen Komponente, sondern mit den verschiedenen Ebenen einer Erzählung. Genette bezeichnet diese verschiedenen Ebenen als „diegetische Ebe- nen“, die sich aus der extradiegetischen Rahmenhandlung ergeben. In der Rahmenhand- lung/-erzählung kann dann eine weitere Handlung/Erzählung eröffnet werden: Die Bin- nenhandlung. Sie befindet sich nach Genette auf der intradiegetischen Ebene. Jede Ebe- ne kann wiederum eine weitere Erzählebene eröffnen, die dann als metadiegetische (bzw. metametadiegetische/metametametadiegetische, usw.) Ebenen bezeichnet werden.13

Dritte Kategorie der Stimme bildet das „Verhältnis der Erzählinstanz zur diegetischen Welt“14. Man unterscheidet zwischen heterodiegetischen Erzählern (die in der erzählten Welt nicht vorkommen) und homodiegetischen Erzählern (die selbst eine Figur der Er- zählwelt sind). Im besonderen Fall des autodiegetischen Erzählers handelt es sich um die Hauptfigur, die zusätzlich die Erzählfunktion übernimmt15.

Schleich und Nesselhauf beschreiben die Stimme zwar ebenfalls als „narrative Instanz des Textes“16, weisen aber auch daraufhin, dass diese im Film überwiegend über Dialoge entsteht und „keine Aussagen über generelle Erzählsituationen (mache)“17. Nur im beson- deren Fall des Voice-over käme sie einer allwissenden Erzählinstanz, wie sie in literari- schen Texten zu finden ist, nahe.18

1.3 Modus: Fokalisierung

„Unter der Kategorie des Modus behandeln wir diejenigen Momente des Erzählens, die den Grad an Mittelbarkeit und die Perspektivierung des Erzählten betreffen.“19 Obwohl typischerweise unter Modus sowohl Fokalisierung, als auch das Distanz-Moment gefasst werden, wird es hier in erster Linie um die Vermittlung von Erzählinstanzen unter dem Aspekt der Fokalisierung gehen. Zur Vollständigkeit sei jedoch erwähnt, dass es sich bei dem Distanz-Begriff vor allem darum handelt, welche Nähe ein Erzähler zum Geschehen der Handlung vermittelt20. Bei der Fernsehanalyse wird diese Distanz, bzw. Nähe zumeist über die Kameraeinstellungsgrößen vermittelt, zum Beispiel durch Weit- oder Nahaufnamen.

Im Hinblick auf die Fokalisierung und deren Klassifizierungen sind die Kameraeinstellun- gen ebenfalls besonders wichtig. Hickethier schreibt dazu: „Der Zuschauer sieht, so legt es die Anordnungsstruktur der audiovisuellen Medien nahe, was die Kamera sieht, und was die Kamera zeigt, erscheint nur als Produkt des Zuschauerblicks.“21 Da Fokalisierung als ein Konzept gesehen werden kann, dass sich auf Wissen, beziehungsweise auf „die Relation von Wissen zwischen Erzählinstanz und Figur“22 bezieht, ist die Kameraperspek- tivierung das wichtigste, denn sie verhilft der VEI dazu, dem Zuschauer den Eindruck zu vermitteln, die erzählte Umwelt aus der Perspektive bestimmter Figuren wahrzunehmen und dementsprechend mehr oder weniger als diese Figur zu wissen.

Typen der Fokalisierung werden durch Autoren wie Kuhn wie folgt unterschieden23:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Über dieses von Genette begründete Konzept der Fokalisierung geht Markus Kuhn hinaus und übernimmt zwei, für die Analyse von Filmen von Francois Jost entwickelte, weitere Momente, die sich expliziter auf den audiovisuellen Kanal des Mediums beziehen: Die Okularisierung (auf visuelle Aspekte der Wahrnehmung bezogen) und die Aurikularisierung (auf auditive Aspekte der Wahrnehmung bezogen)24.

Dennoch teilt Kuhn auch diese beiden Begriffe in jeweils drei Unterkategorien ein, die denen der Fokalisierung ähnlich sind25:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


1 vgl. Kuhn 2011, S. 71

2 ebd.

3 ebd.

4 ebd.

5 Martínez, M./Scheffel, M. (2012): Einführung in die Erzähltheorie. 9. Auflage. München: C.H. Beck, S. 32

6 Kuhn 2011, S. 72

7 Kuhn 2011, S. 72

8 Kuhn 2011, S. 73

9 vgl. Kuhn 2011, S. 84

10 Martínez/Scheffel 2012, S. 71

11 Martínez/Scheffel 2012, S. 71

12 vgl. Kuhn 2011, S. 96

13 vgl. Martínez/Scheffel 2012, S. 78f

14 Martínez/Scheffel 2012, S. 78f

15 vgl. Martínez/Scheffel 2012, S. 85

16 Schleich/Nesselhauf 2016, S. 100f

17 Schleich/Nesselhauf 2016, S. 101f

18 vgl. Schleich/Nesselhauf 2016, S. 101f

19 Martínez/Scheffel 2012, S. 49

20 vgl. Martínez/Scheffel 2012, S. 50

21 Hickethier 2012, S. 55

22 Kuhn 2011, S. 122

23 Kuhn 2011, S. 123

24 vgl. Kuhn 2011, S. 126f

25 (vgl.) Kuhn 2011, S. 128f

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Filmische Erzählinstanzen in BBC's Sherlock "Die Braut des Grauens"
Untertitel
Eine Untersuchung zur filmischen Erzählstrategie der Fokalisierung
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Institut für Deutsche Philologie)
Veranstaltung
Seminar "Wie erzählen Fernsehserien?"
Note
1,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
12
Katalognummer
V461899
ISBN (eBook)
9783668913585
ISBN (Buch)
9783668913592
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fokalisierung, Aurikularisierung, Okularisierung, Filmische Erzählinstanzen, BBC Sherlock, Filmnarratologie, Narratologie, Fernsehserie, Filmische Erzählverfahren, Hickethier, Gerard Genette
Arbeit zitieren
Jana Wischmann (Autor:in), 2017, Filmische Erzählinstanzen in BBC's Sherlock "Die Braut des Grauens", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/461899

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