Menschenbild und Qualität: Welches Menschenbild leitet die Qualitätssicherung heilpädagogischer Arbeit der Behindertenhilfe? - Eine ethische Reflexion


Hausarbeit, 2004

36 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Inhalt

1. Einleitung

2. Qualitätssicherung - ein Instrument innerhalb eines Qualitätsmanagementsystems
2.1 Definition und Herkunft von Qualitätsmanagement
2.2 Zielstellung von Qualitätsmanagement (QM)
2.3 Der „Qualitätsbegriff“ von QM
2.4 Das Menschenbild von QM
2.5 Qualitätssicherungsinstrumente in der Behindertenhilfe und deren Einfluss auf die praktische Arbeit

3. Heilpädagogik und „Qualität“
3.1 Definition und Herkunft der Heilpädagogik
3.2 Ziel der Heilpädagogik
3.3 Der Qualitätsbegriff in der Heilpädagogik
3.4 Das Menschenbild in der Heilpädagogik
3.5 Erste Kriterien zur Sicherung heilpädagogischer Qualität

4. Ethische Reflexion zur Qualitätssicherung heilpädagogischer Arbeit
4.1 Begriffsklärung und zwei mögliche ethische Reflexionsebenen
4.1.1 Utilitaristische Ethik
4.1.2 Deontologische Ethik
4.1.2.1 Exkurs: christozentrische Ethik Bonhoeffers
4.2 Eine Gegenüberstellung der Menschenbilder von QM und Heilpädagogik
4.3 Welche Ansätze und Formen von Qualitätssicherung sind notwendig in der heilpädagogischen Arbeit und dabei hilfreich ?
4.4 Welche ethischen Qualitäts-und Wertemaßstäbe sind für die Sicherung der Qualität heilpädagogischer Arbeit gültig und sollte diese dabei leiten ?

5. Abschließende Reflexion und Ausblick

1. Einleitung

Qualitätssicherung wird in der konkreten Praxis immer mehr um ein „sich-im-Kreis- drehen“, oder gar als „Qualitätszirkus“ (SPECK 1999: 34) erlebt, einerseits wegen der dem Qualitätsmanagement immanenten Paradoxie der nie enden wollenden Flut von ständigen Überarbeitungen von Dokumentationsformen, bei gleichzeitig angestrebter Kostenreduzierung. Andererseits scheint dem Prinzip der Qualitätssicherung eine nie enden wollende Spirale der Perfektionierung und Optimierung, sowohl der Dokumentationsformen, als auch der Arbeit, um die es gehen soll, zu charakterisieren. Und drittens scheint mir dem System Qualitätsmanagement ein gerüttelt Maß von Selbstdarstellungstendenzen innezuwohnen, die vor allem dem Bedürfnis des, von den Leitungen für die Qualitätssicherung beauftragten und dafür spezialisierten Personals, sich nicht unübersehbar theatralisch darstellen zu können (vgl. GOFFMAN 1969), Rechnung trägt. Diese drei Aspekte tragen zu dem sich mir immer mehr verdichtendem Bild von einem Zirkus bei, im Sinne von Speck, nicht ohne einer Zirkusstimmung mit obligatorischer leistungsorientierter Artistik in der Manege. Die Personen bleiben in diesem Bild abstrakt, eine Leitfigur ist nicht erkennbar, die das Publikum durch das Programm führt. Kurz gesagt: in diesem „Zirkusbild“ von Qualitätsmanagement ist das Bild vom Menschen nicht deutlich sichtbar.

Im Rahmen dieser Hausarbeit wird der Frage nachgegangen, welches Menschenbild die Qualitätssicherungsbemühungen in der heilpädagogischen Arbeit innerhalb der Behindertenhilfe aktuell leitet. Worin sich das Menschenbild von Qualitätssicherungssystemen und das Menschenbild der Heilpädagogik unterscheiden, wird aufgrund einer ethischen Reflexion genauer fokussiert. Vor diesem Hintergrund frage ich weiter nach notwendigen, hilfreichen und gültigen Folgerungen für die heilpädagogische und qualitätssichernde Arbeit.

Zunächst wird dargestellt, wie die Qualitätssicherung innerhalb eines allgemeinen Qualitätsmanagementsystems verortet ist: es wird beleuchtet, welche Herkunft und welches Ziel, welcher Qualitätsbegriff und welches Menschenbild hinter einem allgemeinen Qualitätsmanagementsystem stehen und dieses bestimmt. Schließlich wird aufgeführt, welche Instrumente der Qualitätssicherung aktuell in der Behindertenhilfe zum Einsatz kommen und welchen Einfluss sie in der heilpädagogischen Arbeit ausüben.

Demgegenüber wird die Herkunft und das Ziel der Heilpädagogik, sowie der Qualitätsbegriff und das Menschenbild der Heilpädagogik beleuchtet. Erste daraus zu folgernde Kriterien zur Sicherung heilpädagogischer Qualität werden kurz skizziert.

Anschließend sollen zwei mögliche ethische Reflexionsebenen vorgestellt werden, aufgrund derer die Gegenüberstellung der Hintergründe des Menschenbilds von Qualitätssicherungssystemen und der Heilpädagogik verdichtet reflektiert werden soll : die utilitaristische, nach dem Nutzen fragende Ethik und die deontologische, nach den Werten innerhalb und außerhalb unseres Menschseins fragende Ethik. Diese zweite

Ebene möchte ich, in der einer Hausarbeit gebotenen Kürze, mit einem kleinen Exkurs über die christozentrische Ethik Diedrich Bonhoeffers vertiefen.

Vor diesem Verständnis ethischer Reflexion soll quasi die Quintessenz des Unterschieds der gegenübergestellten Menschenbilder herausgearbeitet werden.

Abschließend möchte ich versuchen aufzuzeigen, welche Formen von Qualitätssicherung in der heilpädagogischen Arbeit der Behindertenhilfe notwendig und hilfreich sein können. Welche Qualitäts- bzw. Wertemaßstäbe für die Sicherung der Qualität heilpädagogischer Arbeit Gültigkeit haben und diese leiten sollten, möchte ich in Bezug zu den möglichen Formen und Kriterien hilfreicher heilpädagogischer Qualitätssicherung herausstellen.

Eine letzte Reflexion, verbunden mit einem Ausblick in die Zukunft, soll den Schlusspunkt der Arbeit bilden.

Welches Menschenbild leitet die Qualitätssicherung heilpädagogischer Arbeit der Behindertenhilfe ? - Eine ethische Reflexion.

2. Qualitätssicherung - ein Instrument innerhalb eines Qualitätsmanagementsystems

2.1 Definition und Herkunft von Qualitätsmanagement

Zunächst möchte ich ergründen, wie es zur Entstehung des Begriffs „Qualitätsmanagement“ kam. Dazu ein kurzer geschichtlicher Aufriss, der veranschaulichen soll, wie sich seit der Antike bis heute das Bewusstsein um, und der Umgang mit „Qualitätsbemühungen“ im weitesten Sinne entwickelte.

Schon in der Antike, bei den Ägyptern wurde kontrolliert und vermessen. Nur so war es möglich funktionierende Bauten und Geräte herzustellen. Man denke nur an die berühmten Bauwerke, wie die Cheops-Pyramiden, mit ihrer überwältigenden Präzision von ästhetischer dauerhafter Bauproportion.

Im Mittelalter, bei uns besonders bei den Handwerkszünften, musste gute Arbeit geleistet werden. Nur so konnten Kunden und Erfolg sicher gestellt werden. Sehr stark orientierte sich der Qualitätsbegriff an der Ehre des Handwerks. Wer nicht ausreichend gut arbeitete wurde ausgeschlossen.

Wie diese schon damals bestehende handwerkliche Selbstkontrolle funktionierte, zeigt ein in diesem Sommer aufgef ü hrtes Drama der mittelalterlich gepr ä gten s ü ddeutschen Kleinstadt N ö rdlingen sehr anschaulich. Schon damals erlag mancher Handwerker, auch aus der Loden und Tuchmacherzunft der Versuchung, Massenware f ü r die enorm steigende Nachfrage f ü r verlockenden Mehrgewinn herzustellen. Daf ü r konnte nicht die Qualit ä t des Materials und der Verarbeitung gew ä hrleistet werden, wie die Zunft verlangte. Diese schon damals entwickelten „ Qualit ä tsstandards “ wurden in aller Ö ffentlichkeit von Zunftvertretern ü berpr ü ft und mit einem Bleisiegel, dem N ö rdlinger Reichsstadtadler ausgezeichnet, indem dieses „ Qualit ä tssymbol “ in das gepr ü fte Tuch eingewoben wurde.

Massenhersteller, die diese „ Qualit ä tspr ü fung “ zu f ü rchten hatten, weil sie dieser nicht standhalten konnten, f ä lschten das G ü tesiegel und woben es in ihren minderwertigen Tuchstoff ein. Im N ö rdlinger Stadtmuseum ist die schriftliche authentische Ü berlieferung des Urteils ü ber den N ö rdlinger Bleisiegelf ä lscher Georg Cratzer zu sehen. 1613 wurde er enthauptet (vgl. „ Rieser Nachrichten “ v. 24.06.04 S.28).

Um 1800, im Zeitalter der Industrialisierung handwerklicher Betriebe, wurde durch Taylor begonnen, die Produktion in kleine Einzelschritte zu zerlegen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurden „Qualitätskontrollen“ immer wichtiger. Zu viele schlecht geschulte Arbeiter mussten Massenware fertigen (Taylorismus). In den Fabriken, z.B. bei „Ford“ in den USA, mussten Kontrollen eingeführt werden, als Fremdkontrolle durch innerbetriebliche Systemkontrolle.

Von 1920 bis Ende der 50er Jahre dominierte die aus ersten Standards für die Herstellung von Militärmaterial entwickelte Qualitätskontrolle in Deutschland.

Erst Anfang der 60er Jahre wurde das Prinzip der „Qualitätssicherung“ eingeführt. Edward Deming entwickelte dazu das „Demingsche Rad.“ Er fand in Deutschland weniger Beachtung als in Japan. Dort wurde sein „Qualitätssicherungssystem“ übernommen und weiter ausgebaut.

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Joseph M. Juran folgte Deming nach Japan und verstärkte die Qualitätsphilosophie des kundenorientierten Qualitätsbegriffs.

Der japanische Wirtschaftsexperte Kaoru Ishikawa entwickelte diese Qualitätsphilosophie weiter zum unternehmensweiten „Qualitätskonzept“. Nicht nur die nachgelagerten Abteilungen, jeder Mitarbeiter, auch in der Produktion und Administration, hat zum Wohle der Firma seine beste Leistung zu geben. Die Selbstkontrolle wurde durch Schaffung von Produktions-Kleingruppen verstärkt. Zu Tagesbeginn wurde das Tages-Motto, bzw. das Tagesziel, ritualisiert und gegenseitig eingeschärft.

Bereits um 1970 wurden die Japaner dadurch weltweit führend, was Qualität und Fehlerlosigkeit ihrer Produkte betraf. Erst Mitte der 80er Jahre begann man in Europa über Qualitätssicherung verstärkt nachzudenken (vgl. VOLLMAR, Ingeborg 2004:htm 1).

Seit etwa 15 Jahren besteht der Begriff „Qualitätsmanagement“, abgekürzt „QM“ in der deutschen Industrie, seit 10 Jahren in Pflegeeinrichtungen, bedingt durch die Einführung der Pflegeversicherung nach § 80 SGB XI.

Seit der Novellierung des Bundessozialhilfegesetzes vor 5 Jahren ist QM auch Thema in der Behindertenhilfe (vgl. BAUR/HARTMANN-TEMPLER 1999: 258).

Dieser geschichtliche Aufriss macht deutlich, dass das Thema

„Qualitätsmanagement“ zunächst in den USA und in Japan eine markantere Rolle spielte, als in Deutschland selbst. Obwohl der kleine Einblick in das Mittelalter zeigt, dass die reine „Qualitätskontrolle“ in der handwerklichen Produktion auch in Deutschland eine traditionsreiche bis in Untiefen reichende Wurzel hatte.

Die aktuelle Weiterentwicklung der Thematik, verbunden mit dem Transfer in die soziale Dienstleistung, und insbesondere in die Behindertenhilfe hinein, wird begleitet durch Bestrebungen der öffentlichen Hand, mit weniger finanziellen Mitteln mehr Qualitätsbewusstsein in dem Sektor sozialer Dienstleistungen zu bewirken.

Die Ökonomisierungsbestrebungen des Staates sind dabei inzwischen unübersehbar:

Fast täglich werden wir in unserer Tagespresse mit Artikel konfrontiert, die für Menschen mit Behinderung zum Teil gravierende Einschränkungen ankündigen, so z. B. dass :

- Nicht alle Menschen mit Behinderungen, die unter 65 Jahre alt sind, in einer Werkstatt für behinderte Menschen mehr aufgenommen und beschäftigt werden können (vgl. AZ 13.04.04).
- Die Regierungsbezirke als Kostenträger in Bayern nicht länger mehr in der Lage sind, für jeden Menschen mit Behinderung eine „pauschale Finanzierung einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung in Heimen auf Dauer zu schultern“ (vgl. NN 03./04. 2004).
- Die Befreiung von Fahrtkosten für Busse und Bahnen für Behinderte mit einem entsprechendem Schwerbehindertenausweis im Umkreis von 50 km Welches Menschenbild leitet die Qualitätssicherung heilpädagogischer Arbeit der Behindertenhilfe ? - Eine ethische Reflexion.

vom Heimatort entfallen und nur noch auf Strecken innerhalb des Heimatortes beschränkt bleiben sollen ( Radio Bayern 5 am 07.06.04).

In der Öffentlichkeit fast unbemerkt blieb andererseits eine Novellierung des § 93 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), das Leistungsvereinbarungen zwischen den Einrichtungen der Behindertenhilfe (Leistungserbringer) und den Kostenträgern in der Form fordert (§ 93a BSHG):

„ Die Leistungen m ü ssen ausreichend, zweckm äß ig und wirtschaftlich sein und d ü rfen das Ma ß des Notwendigen nicht ü berschreiten “ .

Dieser neuformulierte Gesetzestext wirft bereits ein ganzes Bündel von Fragen auf:

wer legt fest, welche Leistungen ausreichend sind ?

Wer definiert wie „Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit“?

Wer stellt wie fest, wann das Maß des Notwendigen erreicht oder überschritten ist ?

Diese Fragen beschäftigten schon seit Jahren Unternehmen, die unter zunehmendem Konkurrenzdruck innerhalb der freien Marktwirtschaft Produkte produzieren und absetzen wollen. Der neuformulierte Gesetzestext hat die Fragestellungen der

Produktgüterindustrie (Profit-Unternehmen) in die Einrichtungen sozialer Dienstleistungen (Non-Profit-Unternehmen) hineingetragen. Dadurch wurde Qualitätsmanagement zu einem Thema in der Hilfe für Menschen mit Behinderung.

Aus dem novellierten Gesetzestext sind weitreichende Konsequenzen für die Behindertenhilfe zu entnehmen: ab dem Jahr 1999 sind „Vereinbarungen über Inhalt, Umfang und Qualität“ zu schließen, und „Regelungen zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit und der Qualität“ zu treffen (vgl. BAUR/HARTMANN- TEMPLER 1999: 258). Dies bedeutete der „point of no return“ auf dem Weg der Suche nach einem Norm- und Regelwerk, das in der Industrie bereits geboren war: die „DIN EN ISO 9000 ff“. Die Abkürzungen bedeuten :

DIN Deutsches Institut für Normung e.V. EN Europäische Norm ISO Internationale Organisation für Normierung (International Organisation for Standardisation) 9000ff. unter diesem “Familiennamen” werden alle Normen zusammengefasst, die sich mit der Darlegung von Qualitätsmanagementsystemen befassen.

Diese Normenreihe ist ein Instrument zur Regelung der Abläufe und zur Gewährleistung einer immer gleich bleibenden Qualität eines beschriebenen Produktes oder einer vereinbarten Dienstleistung. Sie macht keine Aussagen zum Produkt und dessen Qualität selbst.

Die Beschreibung der Qualität ist nicht Bestandteil der Norm, sondern die Norm setzt die Qualitätsbeschreibung als Grundlage eines Qualitätsmanagements voraus. Nach dieser Normenreihe werden keine Produkte oder Dienstleistungen zertifiziert,

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sondern es geht vielmehr darum, sicherzustellen, dass im Unternehmen geregelte Abläufe vorhanden sind, das heißt es wird das Vorhandensein eines Systems, in Form eines Qualitätsmanagement-Systems, abgefragt (vgl. FRESE 2000 : 119). Dieser Sachverhalt, in dem es nicht um den Inhalt, also um die Dienstleistung selbst, sondern vielmehr um Form und Abläufe zu gehen scheint, wird uns weiter beschäftigen müssen, ganz besonders wenn es um die Fragen nach „Qualität“ und „Menschenbild“ geht.

Doch zuvor möchte ich den Sinnzusammenhang der Begriffe: Qualitätssicherung, QM und deren Einbettung in noch größere Systeme kurz skizzieren.

SPECK versucht innerhalb eines bunten Wirbels von Begriffen und Neuerungen (auch als Qualitätszirkus apostrophiert) folgende Konkretationen aufzuzeigen:

„ Qualit ä tssicherung “ im engeren Sinne stellt ein Methodensystem dar, mit dem Qualität nach bestimmten Kriterien erzeugt, dokumentiert, geprüft und garantiert werden soll,

„ Qualit ä tsentwicklung “ bezieht sich auf alle innerinstitutionelle Aktivitäten, die für eine Verbesserung der Dienstleistungsqualität wichtig sind und

„ Qualit ä tsmanagement “ bezeichnet das vornehmlich unternehmerisch angelegte

Personal-Steuerungssystem, das organisatorisch für das gesamte

Dienstleistungssystem bestimmend, und vor allem auf dessen wirtschaftliche Effizienz ausgerichtet ist (vgl. SPECK 1999 :145).

Diese von Speck aufgezeigten Ebenen, sehe ich als drei „Kernschalen“, ohne dass klar wäre, wie der „Kern“, nämlich der Inhalt und deren Qualität der Dienstleistung selbst, definiert wäre. Um diese inneren 3 Schalen haben sich weitere 3 Systeme gebildet, wie eine Haut mit diversen Schichten: das „ Totalqualit ä tsmanagement “ das die totale Durchdringung einer Institution mit Qualität meint, das heißt, es steht der Qualitätsgedanke als erste Priorität im Mittelpunkt eines Unternehmens und nicht die Dienstleistung selbst (vgl. FRESE 2000 : 107).

Eine noch umfassendere Schale bildet der Begriff „ Organisationsentwicklung “ , der den Prozess der Entwicklung eines Unternehmens hin zu strategischen Zielen, getragen von allen Beteiligten des Unternehmens, umschreibt. Für mich sehr bemerkenswert ist die zunächst letzte Determinierung der äußersten „Schale“: „ Total-Value-Management “, welches auf der Grundlage eines wertebasierten Zielsystems den Weg von der „Zweckgemeinschaft zur Sinngemeinschaft“ mit der Zukunftsperspektive gesellschafts- und sozialverträglicher Wirtschaftlichkeit umreißt (vgl. LACHHAMMER 2001:179).

Mit diesem Begriff wird erkennbar, dass über die Frage nach vordergründiger (utilitaristischer, weil dem Gesetz der Wirtschaftlichkeit genügender) Qualität hinaus die Frage nach Werte, Sinngebung und der Spannung zwischen den Bedürfnissen der Gesellschaft und den Maximen der Wirtschaft aufgeworfen wird. Diese Meta- Ebene wird uns noch stärker im 3. und 4. Kapitel innerhalb einer ethischen Reflexion beschäftigen.

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Nach der kurzen Skizzierung der drei „Kernschalen“ und der drei „äußeren Hautschichten“, könnte man folgendes Zitat als das verbindende Fruchtfleisch bezeichnen, um das Bild einer Frucht, etwa eines Apfels, noch zu vervollständigen: „Qualitätsentwicklung ist etwas Anspruchvolles. Sie berührt die in der Organisation arbeitenden Menschen zentral in ihrem Können und ihrem Wollen, und sie berührt die Organisation in ihrem Aufbau und in ihrem Ablauf. Qualitätsentwicklung einzuleiten, ist daher stets zugleich Personal- und Organisationsentwicklung“ (ROSENSTIEL, Lutz v. 1999: 59).

Mit diesem Zitat wird außerdem die Thematik „Motivation“ und „Bildung“ angesprochen, auf die ich im Abschnitt 4.3 noch eingehen werde.

Es ist meines Erachtens für QM kennzeichnend, dass offen bleibt, nach welchen Werten, Inhalten und Leitideen Orientierung stattfinden soll. Auch wenn inzwischen durch die Entwicklung eines Totalen Werte Managements (TVM), ein Aufbrechen von Fragen nach Werten und Sinnhaftigkeit im Themenkomplex von QM beobachtbar ist, bleibt für mich die Frage: welches Menschenbild - welches Bild vom Menschen leitet die Bemühungen der Qualitätssicherung von seiner Herkunft her ? Um dies genauer ergründen zu können, interessiert mich zunächst aber die Antwort auf die Frage: welches Ziel verfolgt ein Qualitätsmanagementsystem eigentlich ?

2.2 Zielstellung von Qualitätsmanagement (QM)

„Qualitätsmanagement systematisiert und dokumentiert alle Prozesse, die bei der Produktion von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen ablaufen und macht sie dadurch transparent und steuerbar“ (SPECK 1996, zitiert in FRESE 2000:107).

Nach dieser allgemeinen Zielrichtung sind noch zwei konkretere Ziele auszumachen. Das erste Ziel, bezogen auf die bereits benannten 3 „Kernschalen“ (Qualitätssicherung, Qualitätsentwicklung, Qualitätsmanagement) ist:

- Fehler vermeiden statt aussortieren: Prozesse kontrollieren auf der Basis der Zertifizierung nach der oben benannten Norm DIN EN ISO 9000 ff.

Das zweite Ziel bezogen auf die 3 äußeren „Hautschichten“ (Totalqualiäts- management, Organisationsentwicklung, Total Value Management) ist:

- Kundennutzen statt formaler Prozesse: Qualität als Managementaufgabe und Lernprozess.

Anschaulich werden die beiden unterschiedlichen Ziele mit folgendem Bild:

„Es ist wie Fußball. Sind Sie ISO-zertifiziert, dann haben Sie eine saubere Verteidigung. Bei ISO stehen Prozesse im Mittelpunkt. Sind diese in Ihrem Unternehmen eingearbeitet, dann ist ihr Tor dicht...“.

„Bei TQM jedoch geht es nicht mehr um Prozesse. Da ist alles nach vorne gerichtet.

[...]

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Menschenbild und Qualität: Welches Menschenbild leitet die Qualitätssicherung heilpädagogischer Arbeit der Behindertenhilfe? - Eine ethische Reflexion
Hochschule
Hochschule Hannover  (Fachbereich Sozialwesen)
Veranstaltung
Lernbereich I: Medizin- und sozialethische Fragestellungen in der Heilpädagogik
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2004
Seiten
36
Katalognummer
V46176
ISBN (eBook)
9783638434256
ISBN (Buch)
9783638707749
Dateigröße
665 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Menschenbild, Qualität, Welches, Menschenbild, Qualitätssicherung, Arbeit, Behindertenhilfe, Eine, Reflexion, Lernbereich, Medizin-, Fragestellungen, Heilpädagogik
Arbeit zitieren
Johannes Keller (Autor:in), 2004, Menschenbild und Qualität: Welches Menschenbild leitet die Qualitätssicherung heilpädagogischer Arbeit der Behindertenhilfe? - Eine ethische Reflexion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46176

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