Die politische Ökonomie des Wohlfahrtsstaates


Hausarbeit, 2004

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung:

1. Einführung

2. Die drei Welten des Wohlfahrtskapitalismus
- Die Politische Ökonomie des Wohlfahrtsstaates
- Was ist ein Wohlfahrtsstaat?
- Rechte und De- Kommodifizierung
- Wohlfahrtsstaatliche Regime
- Die Ursachen für die Ausbildung wohlfahrtsstaatlicher Regime

3. Kritik

4. Quellen

1. Einführung

“Am stärksten haben die Arbeiten von Gösta Esping- Andersen (1990; 1996; 1999) die Diskussion um die Typen des Wohlfahrtsstaates im internationalen Vergleich im vergangenen Jahrzehnt beeinflusst. Sein bahnbrechendes Buch “The Three Worlds of Welfare Capitalism“ hat in einem Ausmaß wie keine zweite Publikation in den vergangenen Jahren die international vergleichende Wohlfahrtsforschung geprägt.“[1]

Der Text von Esping- Andersen soll als Grundlage für die vorliegende Seminararbeit dienen. Die Grundzüge des Textes wurden im Vortrag bereits dargestellt und erläutert, sowie mit der Seminargruppe diskutiert. Die Ergebnisse daraus fließen in die Ausarbeitung mit ein.

2. Die drei Welten des Wohlfahrtskapitalismus

Zwei Fragen stellen sich für Esping- Andersen, die er für grundlegend in der zeitgenössischen Debatte hält: 1. „Verringern soziale Bürgerrechte die Bedeutung sozialer Klassen?/ Kann der Wohlfahrtsstaat die kapitalistische Gesellschaft in ihren Grundzügen umgestalten?“[2]

2. „Welcherart sind die treibenden Kräfte wohlfahrtsstaatlicher Entwicklung?“[3]

Diesen zwei Fragen versucht Esping- Andersen mit einer tiefgreifenden Analyse auf den Grund zu gehen.

Adam Smith behauptete seinerzeit, dass der Markt das beste Mittel sei, um Klassen, Ungleichheiten und Privilegien abzuschaffen. „Der Staat erhalte Klassenstrukturen aufrecht, der Markt hingegen könne die Klassengesellschaft auflösen.“[4]

Spätere Ökonomen, allen voran die Liberalen betonten das bei Smith enthaltene „laissez- faire- Moment“. Die Liberalen waren der Meinung, der Weg zu Gleichheit und Wohlstand führte über ein Höchstmaß an Marktfreiheit und höchstens einem Minimum an Staatseinmischung.

Im Marxismus lautete die zentrale Frage, „...ob und unter welchen Bedingungen die kapitalistisch produzierten sozialen Klassenspaltungen und Ungleichheiten mit den Mechanismen der parlamentarischen Demokratie behoben werden können.“[5]

Diese beiden Meinungen bildeten zugleich Pole. Auf der einen Seite standen die Liberalisten, die keine Einmischung in den Markt durch den Staat forderten, auf der anderen Seite standen die Marxisten/ Sozialisten, die einzig der Demokratie, also dem Staat die Befugnis erteilen wollten, über den Markt zu herrschen und damit die Klassen frei werden zu lassen.

Die Politische Ökonomie des Wohlfahrtsstaates

Für die sozialwissenschaftliche Forschung benutzten die Ökonomen zumeist Schlüsselvariablen. Zu diesen gehörten die Klassen, der Staat, der Markt und die Demokratie. Um allerdings den Wohlfahrtsstaat hinreichend analysieren zu können, reichen die Verfahrensweisen nicht aus. Daher wird eine Reformulierung der Methoden und Konzepte notwendig, mit denen die Politische Ökonomie arbeitet. Esping- Andersen gibt zwei Herangehensweisen an, die in der Vergangenheit vorherrschend waren. Zum einen ist das der systemisch- strukturale und zum anderen der institutionalistische Ansatz.

Im systemisch- strukturalen Ansatz soll versucht werden, „eine bestimmte Entwicklungslogik in holistischer Weise zu erfassen“.[6] Diese Ökonomen (Sozialwissenschaftler) gehen von einer historischen Auffassung aus, nach der die Entstehung der Wohlfahrtsstaaten nur durch die Entwicklung der Industriegesellschaft möglich gewesen ist. Für sie stellt der Markt keinen Ersatz für Institutionen dar. Die Notwendigkeit dHeranH

er „Wohlfahrtsfunktion“ durch den Staat wird durch das Wegbrechen der Institutionen wie Familie, Kirche oder Zünfte erklärt. Innerhalb des systemisch- strukturalen Ansatzes existieren allerdings weitere Argumentationslinien. Diese sind vor allem: „die Logik des Industrialismus“, „der strukturalistische Neo- Marxismus“ und „die Logik des Kapitalismus“.

„Der Wohlfahrtsstaat entsteht in dem Maße, wie die moderne, industrielle Ökonomie traditionelle Formen sozialer Sicherheit zerstört“[7], ist vor allem die Argumentation aus der Perspektive der „Logik des Industrialismus“. Außer Acht gelassen wird allerdings der Umstand, dass sich die staatliche Sozialgesetzgebung erst mehrere Jahrzehnte nach dem Auflösen bzw. dem Auseinanderbrechen der traditionellen Gemeinschaften entwickeln konnte. Einzelnen Akteuren oder Gruppen werden keine besonderen Rollen im Zuge der Entwicklung des Wohlfahrtsstaates beigemessen.

Eine ähnliche Analyse geben auch die Anhänger des strukturalistischen Neo- Marxismus, wobei hier mehr Gewicht auf sozialreformerische Maßnahmen gelegt wird, die durch die Kapitalakkumulation notwendig werden.

In der „Logik des Kapitalismus“- Perspektive wird die Auffassung vertreten, staatliches Handeln sei aus der Analyse der Produktionsweisen abzuleiten. Allerdings vertritt dieser Ansatz einige suspekte Punkte, weswegen er hier nicht weiter vertieft werden soll.

Als zweiten großen Ansatz gibt Esping- Andersen den „institutionalistischen Ansatz“ an. Der eher klassische Ansatz beschäftigt sich vor allem mit der Frage, „Warum die Existenz demokratische Institutionen die wohlfahrtsstaatliche Entwicklung beeinflusst.“[8] Die Liberalen hatten allerdings Zweifel an der Demokratie, weil sie nicht wussten, ob diese so in den Markt eingreifen würde, dass das Emporstreben des Sozialismus möglich wäre. Das Programm des „laissez- faire- Staates“, der nicht eingreift war ja dann auch das Programm der Liberalisten. Grundsätzlich geht man davon aus, dass demokratische Strukturen notwendig sind, um einen funktionierenden Wohlfahrtsstaat nicht nur errichten, sondern auch erhalten zu können. Klassisch formuliert lautete die zentrale These, „dass demokratische Mehrheiten Verteilungsmaßnahmen anstreben werden, die die Schwächen und Risiken des Marktes ausgleichen sollen.“[9] Die Demokratie stellt dabei das zentrale Entscheidungsinstrument für Mehrheiten dar. Eine der Varianten der Demokratie- These stellt verschiedene Stufen der Staatenbildung heraus. Die empirischen Probleme des institutionalistischen Ansatzes und im Besonderen die der Demokratie- These bleiben natürlich nicht verborgen. Vergeblich versucht man zu erklären, warum sich die ersten Schritte zu einem Wohlfahrtsstaat hin schon vor der Errichtung demokratischer Strukturen durchgesetzt haben. Und dort, wo sich frühzeitig demokratische Strukturen heraus bildeten, (z.B.: USA, Schweiz, Australien), setzten die wohlfahrtsstaatlichen Entwicklungen erst sehr spät ein. Der Widerspruch in der Demokratie- These lässt sich zwar aufklären, allerdings kommt man damit zu einem neuen Erklärungsansatz. Die Demokratisierung richtet sich nämlich immer nach bestimmten Klassen und Klassenstrukturen. Wenn also in einem Land die herrschende Klasse in der Lage ist, die Bevölkerung zu unterdrücken, so wird es in autoritären Staaten einfacher, der Bevölkerung hohe Steuerbelastungen aufzuzwingen.

Die Klassen können demnach als politische Akteure angesehen werden. Dies wiederum führte zur Aufstellung einer These der Klassenmobilisierung. Hier wird der sozialdemokratische Ansatz sehr stark vertreten, im Gegensatz zu den anderen Ansätzen (institutionalistisch/ strukturalistisch). Die Stärkung der Arbeiterklasse bedingt allerdings nicht zwingend revolutionäres „Umsturzgut“. Vielmehr geht es darum durch die Errichtung des Wohlfahrtsstaates den Lohnabhängigen ein Machtmittel an die Hand zu geben, da der sozialdemokratische Wohlfahrtsstaat nicht nur die „Schäden des Marktes“ lindert, sondern zusammen mit den Arbeitern dagegen vorgehen kann. Esping- Andersen geht davon aus, dass durch die Abhängigkeit vom sozialen System eine Art Zugehörigkeitsgefühl entwickelt wird. Für die Machtmobilisierung stellen damit die Sozialen Rechte, Einkommenssicherheit, Egalisierung und Armutsbekämpfung grundlegende Ressourcen, wonach ein universalistischer Wohlfahrtsstaat strebt.[10]

Die Gefahr bei der Klassenmobilisierungs- These besteht darin, dass man nicht weiß, wie genau sich diese Macht organisieren lässt, da weitere äußere Faktoren mit herein spielen, die essentiell wichtig sind, wie zum Beispiel gewerkschaftliche Organisationen und auch linke Parteien, bzw. Arbeiterparteien und deren Anteil an der Regierungsbildung. Sollte es gelingen, die demokratische Mehrheit zu gewinnen, droht allerdings der Effekt, welcher in Frankreich aufgetreten ist, und deswegen „Blum- Mitterand- Effekt“ genannt wird. Die linke Partei kann in ihrer kurzen Zeit der Machtausübung nichts erreichen, da sie vor dem erfolgreichen Handeln die Mehrheit schon wieder verloren hat.

Kritik erfährt die Klassenmobilisierungs- These vor allem, weil sie als sehr „schwedenzentriert“ gilt, weil dort das einzige Beispiel gefunden werden konnte, in der die These zutrifft. Folgerichtig heißt es im Text weiter: „Wir können nicht davon ausgehen, dass der Sozialismus die natürliche Grundlage für die Mobilisierung der Lohnarbeiterschaft darstellt.“[11] Ein dritter Einwand gegen die These, dass mit dem Erreichen der magischen 50- Prozent- Hürde auch die Wohlfahrtsstaatlichkeit zunimmt, da die jeweilige sozialdemokratische Partei, oder Arbeiterpartei ja mehr Sitze inne hätte, als alle anderen Parteien zusammen. „Zum anderen liegt es auf der Hand, dass sozialdemokratische Parteien als Repräsentanten der Arbeiterklasse im traditionellen Sinne ihr politisches Projekt niemals verwirklichen werden.“[12] Es bedeutet für sämtliche Thesen, dass man die sozialen Beziehungen und Bedingungen in den einzelnen Ländern nicht außer Acht lassen kann und dass die bloße Annahme von sozialen Kategorien keinesfalls ausreichend sein kann.

Was ist ein Wohlfahrtsstaat?

Leider scheint sich die Literatur nicht für den Wohlfahrtsstaat zu interessieren. Statt dessen findet man fehlendes Interesse und Untersuchungen, beim Thema des Wohlfahrtsstaates an sich. Die Projekte beschäftigten sich mit Problemen um den Staat herum, aber nicht mit dem Wohlfahrtsstaat als solchem. „Eine gängige Lehrbuchdefinition bezieht sich auf die Verantwortung des Staates für die Sicherung eines Mindestmaßes an Wohlfahrt für seine Bürger.“[13] Dies bedingt lediglich eine Grundsicherung, welche dem Bürger zusteht. Aber, macht das allein einen Wohlfahrtsstaat aus? Die ersten Forschungen, die dazu durchgeführt wurden, maßen das Engagement in der Wohlfahrt damit, wie das Niveau der Sozialausgaben dies widerspiegelte. Allerdings konnte keine dieser frühen Theorien (die meist noch andere komplizierte Berechnungen und Vergleichbarkeiten aufstellten) überzeugen, bzw. relevante Befunde liefern. Ein Staat dessen Sozialausgaben geringer sind, kann auch durchaus damit beschäftigt sein, dem Ziel der Vollbeschäftigung nachzugehen. Ein Indikator können die Sozialausgaben also nicht sein.

Esping- Andersen verweist auf Therborn, der gesagt hat, dass man eine Konzeption von Staatstrukturen benötigt, und gleichzeitig die Frage stellt, nach welche Kriterien beurteilt werden kann, ob und wann es sich um einen Wohlfahrtsstaat handelt.[14]

Drei verschiedene Herangehensweisen an diese Frage werden angeführt. Die erste Antwort gibt Therborn selbst, in dem er sagt, „...dass ein wahrhaftiger Wohlfahrtsstaat die Mehrzahl seiner alltäglichen Routinehandlungen in den Dienst der Wohlfahrtsbedürfnisse der Haushalte stellt.“[15] Setzt man nun diese Routinehandlungen in Ausgaben und Personal um, so kann laut Esping- Andersen bis in die 70er Jahre kein Staat wirklich Wohlfahrtsstaat gewesen sein.

Einige dieser Staaten würden demnach immer noch keine Wohlfahrtsstaaten darstellen, da sie ihre Aktivitäten vermehrt der Verteidigung der Inneren Sicherheit und der Verwaltung widmen.

[...]


[1] Siegel, 2003, S.15

[2] Esping- Andersen, 1989, S.19

[3] ebd., S.19

[4] ebd., S.20

[5] ebd., S.21

[6] ebd., S.24

[7] ebd., S.25

[8] ebd., S.26

[9] ebd., S.27

[10] siehe: Esping- Andersen, S. 29

[11] ebd., S.30

[12] ebd., S.30

[13] ebd., S.32

[14] siehe auch: Esping- Andersen, S.34

[15] ebd.,S.34

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die politische Ökonomie des Wohlfahrtsstaates
Hochschule
Universität der Bundeswehr München, Neubiberg
Veranstaltung
International vergleichende Sozialpolitik
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V46165
ISBN (eBook)
9783638434164
Dateigröße
587 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit befasst sich vorrangig mit dem Text von Gösta Esping-Andersen "The three worlds of welfare capitalism". Es wird ein Vergleich der einzelnen Wohlfartsstaaatlichkeiten herausgearbeitet.
Schlagworte
Wohlfahrtsstaates, International, Sozialpolitik
Arbeit zitieren
Karsten Hertel (Autor:in), 2004, Die politische Ökonomie des Wohlfahrtsstaates, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46165

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