Wettbewerb der Kulturen nach S. Huntington: Konsequenzen für die wirtschaftliche Entwicklung


Seminararbeit, 2005

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1) Einleitung

2) Huntingtons Konzept des „Clash of Civilizations“
1. Kulturelle Konflikte als dominierende Konfliktursache
2. Kulturkreise und ihre Struktur
3. Konfliktstrukturen
4. Abstieg des Westens – Machtzuwachs der Herausfordererkulturen

3) Überblick über die Kritik an Huntingtons „Clash of Civlizations“

4) Was ist Kultur? Diskussion des Kulturverständnisses Huntingtons

5) Kultur und wirtschaftliche Entwicklung – das Beispiel Islam
1. Zwischen Unvereinbarkeit und Irrelevanz – Diskussionsüberblick
2. Ökonomisch relevante Kulturfaktoren im Islam

6) Fazit

7) Literaturverzeichnis

1) Einleitung

1993 publizierte der US-amerikanische Politikwissenschaftler Samuel P. Huntington in einem Aufsatz die These, dass nach Ende der Blockkonfrontation zwischen Ost und West nunmehr kulturelle Unterschiede die wichtigste Konfliktursache der Weltpolitik sei.[1] Damit löste er eine heftige Debatte über die Bedeutung kultureller Identitäten für die Weltordnung aus, die auch außerhalb akademischer Kreise in Politik und Medienöffentlichkeit auf große Resonanz stieß. 1996 erschien mit „The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order“ Huntingtons umfangreich ausgearbeitetes Konzept als Buch.

Diese Arbeit geht der Frage nach, ob Huntingtons Ansatz, Kultur als zentralen Bestimmungsfaktor der internationalen Beziehungen zu betrachten, auch für die Analyse ökonomischer Fragestellungen nutzbar gemacht werden kann. Wenn Kultur wichtige Unterschiede in Einstellung und Verhalten von Individuen und Staaten begründet, dann liegt es nahe, dass sie sich auch sowohl auf das wirtschaftliche Verhalten der Individuen als auch auf die jeweilige Wirtschaftsordnung auswirkt. Damit stellt sich auch die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Kultur und wirtschaftlicher Entwicklung. Im Spannungsverhältnis zwischen den kulturell geprägten Besonderheiten einzelner Ökonomien und ihrer Einbindung in die Weltwirtschaft schließlich zeigt sich eine besondere Dimension jenes von Huntington prognostizierten „Zusammenpralls“ der Kulturen, die zugleich die Möglichkeit eröffnet, die Beziehungen zwischen unterschiedlichen Kulturen unter dem Aspekt des Wettbewerbs zu deuten.

Die hier aufgeworfenen Fragen können im Rahmen dieser Seminararbeit natürlich nur grob gestreift werden. Um mich der Fragestellung anzunähern, werde ich zunächst Huntingtons Konzept des „Clash of Civilizations“ darstellen (Abschnitt 2) und es mit einigen zentralen Kritikpunkten kontrastieren (Abschnitt 3). Dann werde ich näher auf die zentrale Frage eingehen, was Kultur überhaupt ausmacht (Abschnitt 4). Abschließend wird die oben skizzierte Fragestellung am Beispiel des islamischen Kulturkreises wieder aufgegriffen (Abschnitt 5).

2) Huntingtons Konzept des „Clash of Civilizations“

Huntington Anspruch ist es, „eine Interpretation der Entwicklung der globalen Politik nach dem Kalten Krieg“[2] zu liefern, die als neues Paradigma anderen Modellen wie dem der universalen Weltordnung, der Ablösung des Ost-West-Konflikts durch den Nord-Süd-Konflikt oder der anarchischen Staatenwelt überlegen sei[3]. Damit möchte er einen Orientierungsrahmen gleichermaßen für wissenschaftliche Analysen wie für politisches Handeln bereitstellen.[4] Die wichtigsten Thesen seines Konzeptes werden im Folgenden skizziert.

1. Kulturelle Konflikte als dominierende Konfliktursache

Die zentrale These Huntingtons lautet, dass nach dem Kalten Krieg „Kultur und die Identität von Kulturen […] die Muster von Kohärenz, Desintegration und Konflikt“[5] in der Welt prägen und die internationale Politik primär durch die Interaktionen und Konflikte zwischen den großen Kulturkreisen mit ihren zugehörigen Gruppen und Staaten strukturiert werden. Kulturelle Auseinandersetzungen nähmen die Rolle als dominierende Konfliktursache in der heutigen Welt ein, die in den Jahrhunderten zuvor von anderen Faktoren (Fürsten, Nationen, Ideologien) besetzt gewesen sei.[6] Huntington stellt heraus, dass das internationale System dabei gänzlich am Westen ausgerichtet war, der spätestens seit dem 15. Jahrhundert den weltweit dominierenden Kulturkreis darstellte und seine territoriale Herrschaft bis nach Ende des Ersten Weltkrieges kontinuierlich über den Großteil der Welt ausbreitete.[7] Danach setzte Huntington zufolge der relative Machtverlust des Westens ein, der seinen Ausdruck nicht nur im territorialen Verlust fand, sondern im zunehmenden Aufbegehren anderer Kulturkreise gegen universale westliche Führungsansprüche. Nach Ende des Ost-West-Konfliktes werde nun die Funktion kultureller Identitäten als zentrales ordnungsstiftendes Element in der internationalen Politik deutlich: das internationale System von heute sei multipolar und multikulturell geprägt.[8]

2. Kulturkreise und ihre Struktur

Huntingtons Konzept stützt sich auf Kulturkreise (civilizations) als umfassendste Gruppierung von Menschen mit einer gemeinsamen kulturellen Identität. Diese sieht er „durch gemeinsame objektive Elemente wie Sprache, Geschichte, Religion, Sitten, Institutionen“[9] definiert, wobei er in der Religion die wichtigste Determinante erblickt.[10]

Kulturkreise bzw. Zivilisationen seien selbst keine politischen Einheiten, sondern ihnen gehörten je nach Raum und Zeit politische Einheiten in unterschiedlicher Zahl an. In einigen Kulturkreisen existiere dabei ein sogenannter Kernstaat (manchmal auch mehrere), der als kulturell zentraler und mächtigster Staat von den anderen zu diesem Kulturkreis zählenden Staaten als führende Macht akzeptiert werde.[11] Neben Kern- und Mitgliedsstaaten unterscheidet Huntington ferner einsame, gespaltene und zerrissene Länder. Während einsame Länder keinem umfassenderen Kulturkreis zugehören, existieren in gespaltenen Ländern große Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlicher Zivilisationsangehörigkeit. Zerrissene Länder nennt Huntington schließlich solche Länder, die zwar eindeutig einem Kulturkreis angehören, dessen Eliten aber einen Wandel der kulturellen Identität und demnach den Anschluss an eine andere Zivilisation anstreben.[12] Nationalstaaten blieben daher weiter die wichtigsten Akteure im internationalen System[13], wobei ihr Verhalten von der kulturellen Zugehörigkeit abhänge.

Huntington identifiziert sieben bis acht Kulturkreise, welche die heutige Welt strukturieren.[14] In Asien sieht er die sinische, die japanische und die hinduistische Kultur angesiedelt. Der sinische oder konfuzianische Kulturkreis werde vom Kernstaat China dominiert, ferner gehörten ihm andere chinesische Gemeinschaften und die Kulturen Vietnams und Koreas an. Geprägt sei er durch das konfuzianische Weltbild. Japan bilde einen eigenständigen Kulturkreis, zum hinduistischen Kulturkreis zählten viele Volksgruppen des indischen Subkontinents mit Indien als Kernstaat. Nordafrika, der Nahe und Mittlere Osten sowie Teile Asiens gehörten dem islamischen Kulturkreis an, der seit dem Ende des Osmanischen Reiches keinen Kernstaat mehr habe und der besonders viele Subkulturen aufweise. Auch die Türkei (Beispiel eines zerrissenen Staates) rechnet Huntington diesem Kulturkreis zu.

Die gemeinsame „euroamerikanische Kultur“[15] des Westens sieht Huntington durch die lateinisch-christliche Religion geprägt. Sie umfasse Europa mit der historischen Grenze[16] zwischen Orthodoxie und westlichem Christentum sowie Nordamerika und einige von Europäern besiedelte Staaten wie Australien und Neuseeland. Kernstaaten seien neben den USA in der Europäischen Union Frankreich und Deutschland.[17] Vom westlichen Kulturkreis unterscheidet er Lateinamerika als eigenen Kulturkreis, der sich aufgrund stark katholischer Prägung sowie die Absorption einheimischer Kulturen deutlich anders entwickelt habe, aber dennoch eng mit dem Westen verbunden sei. Einen Kernstaat kann er hier nicht ausmachen. Dem slawisch-orthodoxen Kulturkreis mit Russland als Kernstaat gehörten große Teil Osteuropas (auch Griechenland) an; prägend sei das orthodoxe Christentum. Ob Afrika (südlich der Sahara) schließlich einen eigenen Kulturkreis darstellt, ist sich Huntington nicht sicher.

[...]


[1] Vgl. Huntington 1993: 22.

[2] Huntington 2002: 12.

[3] Vgl. zur Diskussion alternativer Erklärungsmodelle Huntington 2002: 33-42.

[4] Vgl. ebd.: 12.

[5] Ebd.: 19.

[6] Vgl. ebd.: 68-70.

[7] Vgl. ebd.: 65-68.

[8] Vgl. ebd.: 70-72.

[9] Ebd.: 54.

[10] Vgl. ebd.: 52. Der Kulturbegriff wird ausführlicher unten in Abschnitt 4 behandelt.

[11] Vgl. zur Funktion der Kernstaaten als zentrale ordnungsstiftende Mächte ebd.: 247ff.

[12] Vgl. ausführlich ebd.: 211-218.

[13] Vgl. ebd.: 38.

[14] Vgl. zur folgenden Darstellung der Kulturkreise ebd.: 57-62.

[15] Ebd.: 60.

[16] Vgl. ebd.: 251.

[17] Vgl. ebd.: 250.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Wettbewerb der Kulturen nach S. Huntington: Konsequenzen für die wirtschaftliche Entwicklung
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Lehrstuhl für Ordnungstheorie und Wirtschaftspolitik)
Veranstaltung
Systemvergleich und Standortwettbewerb
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
17
Katalognummer
V46149
ISBN (eBook)
9783638434027
ISBN (Buch)
9783638933834
Dateigröße
544 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kann die berühmte These des "Clash of Civilizations" für den Systemvergleich nutzbar gemacht werden? Die Arbeit stellt Huntingtons Theoriekonzept vor, fasst die Kritik daran zusammen und beschäftigt sich besonders mit dem zugrunde liegenden Kulturbegriff. Anhand des islamsichen Kulturkreis wird versucht, Anhaltspunkte für die Relevanz der Kultur als Faktor wirtschaftlicher Entwicklung aufzuzeigen.
Schlagworte
Wettbewerb, Kulturen, Huntington, Konsequenzen, Entwicklung, Systemvergleich, Standortwettbewerb
Arbeit zitieren
Diplom-Politologe Florian Wanke (Autor:in), 2005, Wettbewerb der Kulturen nach S. Huntington: Konsequenzen für die wirtschaftliche Entwicklung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46149

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