"Starke Demokratie". Eine Analyse des Demokratiemodells Benjamin Barbers


Hausarbeit, 2018

18 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Gliederung

1. Einführung

2. Problemlagen und Bedrohungen für die Demokratie
2.1 Globale Bedrohungen der Demokratie
2.2 Kritik an liberaler Demokratie - „Magere Demokratie“

3. Starke Demokratie – Politik als Lebensform

4. Diskussion: Welche Vor- und Nachteile bietet die starke Demokratie und ist sie geeignet, zukünftige Probleme zu lösen?

5. Fazit

1. Einführung

Wird heutzutage über den Zustand der Demokratie in der westlichen Welt gesprochen, so ist häufig die Rede von einer Krise der liberalen Demokratie. Zu aktuellen Tendenzen wie dem Aufschwung populistischer und nationalistischer Parteien und Denkmuster, die eine Bedrohung für die westliche Demokratie darstellen, mischt sich allerdings immer wieder Kritik an der repräsentativen, liberalen Demokratie als solcher.

Die Kritik an dieser Form der westlichen Demokratie, deren archetypische Vertreterin in den Vereinigten Staaten zu finden ist, kommt aus vielen unterschiedlichen Richtungen. Gemein ist den meisten kritischen Theorien der Vorwurf einer zu großen Distanz zwischen Bevölkerung und politischer Entscheidungsebene, Elitenherrschaft und, teils daraus resultierend, Politikverdrossenheit sowie fehlendem politischem Engagement.

Vielfach sind in den letzten Jahrzehnten Modelle zur Reformierung der Demokratie aufgestellt worden. Eines der einflussreichsten Werke hierzu stammt von Benjamin R. Barber. Dieser setzt sich in seinem Buch „Starke Demokratie – Über die Teilhabe am Politischen“ von 1984 mit den grundlegenden Problemen der westlichen repräsentativen, liberalen Demokratien auseinander und stellt dieser eine „Starke Demokratie“ als Alternative entgegen, einer Form direkter Demokratie, die insbesondere Partizipation der Bürger in den Fokus des politischen Entscheidungsprozesses stellt.

Diese Seminararbeit wird sich mit den aktuellen Bedrohungen und Problemlagen der Demokratie auseinandersetzen, anschließend die theoretische Fundierung des Demokratiemodells Benjamin Barbers erläutern, und schließlich versuchen, die Frage zu beantworten, ob die starke Demokratie ein Zukunftsmodell ist.

Dabei werden die normativen Begründungen, Merkmale, Vorteile und Probleme des Modells genauer untersucht sowie auf Kritik anderer Autoren eingegangen.

Gleichwohl werden ähnliche direktdemokratische oder partizipatorische Konzepte kurz vorgestellt und in Relation zur starken Demokratie gestellt.

Allerdings wird sich diese Arbeit auf die Analyse von starker Demokratie beschränken. Als Vergleichsbild dient hierfür der Typus der repräsentativen, liberalen Demokratie, wie er in der westlichen Hemisphäre in den meisten Ländern auftritt.

2. Problemlagen und Bedrohungen für die Demokratie

Zuerst einmal sei hier erwähnt, dass die in diesem Kapitel erläuterten Bedrohungen und Problemlagen keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Um dem Rahmen dieser Arbeit gerecht zu werden, werden hier nur ausgewählte Probleme genannt, die die Demokratie westlichen Typus´ bedrohen.

Das Hauptaugenmerk liegt dabei einerseits auf den globalen, ökonomischen Bedrohungen, sowie anderseits auf den internen Problemlagen, die dem Wesen des liberal-demokratischen politischen Systems entspringen.

2.1 Globale Bedrohungen der Demokratie

Ausgehend von den Schwächen der gegenwärtigen westlichen Demokratieformen ergibt sich eine Reihe von Problemlagen für die Demokratie, die sich laut Benjamin Barber in einem Spannungsfeld zwischen ökonomischer Globalisierung („McWorld“) und religiösem Fundamentalismus („Dschihad“) manifestiert. Beide Ideologien seien jedoch letztlich unvereinbar mit einer Demokratie (vgl. Barber 1997: 231).

Für diese Seminararbeit ist vor allem die McWorld-Ideologie, also die ökonomische Globalisierung relevant, da diese bereits heute eine externe Bedrohung für die Demokratie darstellt, wie nachfolgend dokumentiert wird.

So sei das weltumspannende McWorld-Imperium im Kern lediglich auf Profitmaximierung aus (vgl. ebenda: 30). Bürger würden auf ihren Status als Konsumenten herabgestuft, die weltweit agierenden Telekommunikationsmedien sorgten für kulturelle Angleichung sowie intellektuellen Niedergang und private Interessen bestimmten das öffentliche Wohl (vgl.ebenda: 236).

André Brodocz, Marcus Llanque und Gary S. Schaal machen in ihrem Sammelband über Bedrohungen der Demokratie drei Merkmale für die Problemlage der liberalen, westlichen Demokratien nach Ende des Kalten Krieges aus, die alle im Kontext der Globalisierung zu finden seien. Diese Merkmale seien erstens die verstärkten Supranationalisierungen politischer Ordnung, zweitens die wachsende Abhängigkeit von globalen Finanzmärkten und schließlich der internationale Terrorismus, auch in Bezug auf die dadurch gerechtfertigte Beschneidung von Grundrechten (vgl. Brodocz/Llanque/Schaal 2008: 13f.).

Stephan Stetter sieht vor allem – mit Rückgriff auf Luhmanns Systemtheorie – die Entgrenzungsprozesse in der Weltgesellschaft kritisch und argumentiert, dass diese die nationalstaatliche Demokratie gefährdeten und zugleich die Basis für eine demokratische Weltgesellschaft fehle (vgl. Stetter 2008: 110).

In eine ähnliche Richtung argumentiert Gary S. Schaal. Auf der Basis sinkender Vertrauenswerte demokratisch gewählter Regierungen leitet er die These ab, dass diese ursächlich unter anderem auf eine Veränderung der ökonomischen Leitideen zurückzuführen seien (vgl. Schaal 2008: 354). Die Ideologie des Neo-Liberalismus mit dem Primat des freien Marktes sei heutzutage beinahe alternativlos (vgl. ebenda: 360). Dies habe zur Folge, dass sich einerseits subjektive politische Präferenzen vermehren würden und andererseits die Toleranz gegenüber Regierungshandeln abnehme. Diese Mischung bedrohe schließlich Akzeptanz und Stabilität der Demokratie (vgl. ebenda: 366).

Martin Nonhoff sieht die Einmischung der Ökonomie ins Feld des Politischen als Bedrohung der politischen Selbstbestimmung. Davon betroffen seien unter anderem öffentliche Güter wie Bildung oder Gesundheit, die zunehmend privatisiert würden, aber auch das ökonomische Kosten-Nutzen- und Profit-Denken, das sich zunehmend in sozialstaatlichen Institutionen ausbreite (vgl. Nonhoff 2008: 304f.).

2.2 Kritik an liberaler Demokratie - „Magere Demokratie“

Im ersten Teil seines Buches zur starken Demokratie wirft Barber ein kritisches Licht auf den gegenwärtigen1 Zustand repräsentativer Demokratien in der westlichen Welt. Er kritisiert vor allem den negativen Einfluss des Liberalismus auf die Demokratie. Die liberale Demokratie stellt für ihn eine „magere Theorie der Demokratie dar, da ihre Prämissen „jene demokratische Verfahren [untergraben], von denen sowohl die Individuen als auch ihre Interessen abhängen“ (Barber 1994:32).

Indem im Liberalismus nämlich das Individuum und dessen Rechte im Vordergrund stünden, würden wichtige demokratische Werte wie der Gemeinschaftsgedanke, Gerechtigkeit oder Bürgerbeteiligung nicht ausreichend durch die liberale Demokratie geschützt. Diese Schwäche der liberalen Demokratie unterminiere schließlich auch den Schutz des Individuums, „denn individuelle Freiheit ist keine Voraussetzung des politischen Handelns, sondern dessen Folge“ (ebenda: 33).

Ein weiterer Kritikpunkt an der liberalen Theorie ist die Vorstellung von Politik als einer Art Raubtierhaltung. Im Liberalismus werde ein falsches Bild des Menschen gezeichnet, welches ihn, gemäß dem Modell des homo oeconomicus, als rein rationales, einsamkeitsliebendes Wesen darstelle, verdammt dazu, in einer Gemeinschaft zu leben (vgl. ebenda: 56). Gemeinschaft, Bürgerschaft und andere partizipatorische Werte würden dabei vernachlässigt.

Trotz der teils harschen Kritik an der liberalen Demokratie solle die starke Demokratie die liberale Demokratie nicht im Sinne eines radikalen Systemwandels ablösen, sondern vielmehr deren Stärken ergänzen und Schwächen beheben (vgl. ebenda: 63).

3. Starke Demokratie – Politik als Lebensform

Starke Demokratie ist nach Barber eine sehr moderne Form partizipatorischer Demokratie, die viele Elemente der klassischen Demokratietheorie aus der Antike enthalte. So sei sie gekennzeichnet durch eine sich selbst regierende Gemeinschaft freier Bürger, staatsbürgerliche Erziehung und partizipatorische Institutionen. Des Weiteren solle Uneinigkeit auf politischer Ebene in einem offenen Diskurs ausgetragen werden (vgl. Barber 1994: 99).

Gerade in Bezug auf den Umgang mit Uneinigkeit sieht Barber die starke Demokratie der liberalen Demokratie überlegen. Möchte die liberale Demokratie Uneinigkeit abschaffen (anarchistische Disposition), unterdrücken (realistische Disposition) oder tolerieren (minimalistische Disposition), so antworte die starke Demokratie mit einer Politik der Transformation auf Uneinigkeit. Damit ist eine Form der Politik gemeint, die den Bürger dazu bringt, private Interessen mittels Sprache und Diskurs in öffentliche Interessen umzuwandeln (vgl. ebenda: 102). Der Glaube an das Individuum als Bürger, nicht als abstrakte Einzelperson sowie die Bedeutung der individuellen sowie gesellschaftlichen Transformation von Uneinigkeit seien zentral für das Politikverständnis von starker Demokratie (vgl. ebenda: 102).

Im Folgenden führt Barber seine theoretischen Vorstellungen zu seinem Demokratiekonzept näher aus, indem er zuerst fragt, was politisch sei. Das Feld des Politischen sei demgemäß gekennzeichnet durch Ausgangsbedingungen, „die öffentliches Handeln und infolgedessen vernünftige, öffentliche Entscheidungen notwendig machen, wenn Uneinigkeit vorliegt und persönliche oder unabhängige Urteilsgründe fehlen“ (ebenda: 104).

Anhand dieser Explikation leitet er sieben Schlüsselbegriffe ab, die er im Anschluss genauer ausführt: Handeln, Öffentlichkeit, Notwendigkeit, Entscheidung, Vernünftigkeit, Uneinigkeit und „Fehlen einer unabhängigen Begründung“ (ebenda: 106).

Der erste Schlüsselbegriff, Handeln, ist wesentlicher Bestandteil der Politik. „Wo nicht gehandelt wird (oder Nicht-Handeln folgenlos bleibt), gibt es keine Politik“ (ebenda: 106). Barber versteht unter Handeln im politischen Kontext immer menschliches Handeln, das auf die Beeinflussung und Veränderung von menschlichem Verhalten und der Umwelt gerichtet ist.

Die starke Demokratie betont die kooperative Eigenschaft des Handelns. Anlehnend an Hannah Arendts „vita activa“ ist für Barber besonders die aktive gemeinsame Beteiligung und Entscheidung der Bürger sowie der Prozess und die Transformation der Bürgerschaft an sich Merkmal und zugleich Gütezeichen einer starken Demokratie (vgl. ebenda: 121f.).

Der Begriff der Öffentlichkeit oder des „Öffentlichseins“ meint, dass politisches Handeln immer von öffentlichem Interesse sein muss. Das heißt, dass politisches Handeln – im Gegensatz zu privatem Handeln - der Öffentlichkeit entspringt oder öffentliche Folgen haben wird (vgl. ebenda: 107f.).

Auf die starke Demokratie bezogen möchte Barber die Schaffung einer Gemeinschaft, die öffentlich vernünftige Beratungen abhält und Entscheidungen trifft. Die Schaffung einer Gemeinschaft gehe zudem einher mit der Schaffung öffentlicher Güter und Zwecke (vgl. ebenda: 122f.).

Unter Notwendigkeit versteht Barber, dass es geboten sei, eine Entscheidung zu treffen und nicht Entscheidungen auszusitzen, da die Politik in Ereignisse verstrickt sei, die jederzeit öffentliche Folgen hätten (vgl. ebenda: 109f.). Somit appelliert er, in Abgrenzung zum Liberalismus, dass man sich in einer starken Demokratie jederzeit darüber bewusst sein müsse, dass Nicht-Entscheidungen Folgen für die Bürgerschaft haben werden und sich somit jeder der Konsequenz bzw. Notwendigkeit seiner Handlungen im Klaren sein müsse (vgl. ebenda: 124).

[...]


1 Das Buch erschien zwar bereits 1984. Trotzdem gilt dieses Werk auch heute noch als zeitgenössisch.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
"Starke Demokratie". Eine Analyse des Demokratiemodells Benjamin Barbers
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Note
1,3
Jahr
2018
Seiten
18
Katalognummer
V461377
ISBN (eBook)
9783668915824
ISBN (Buch)
9783668915831
Sprache
Deutsch
Schlagworte
starke, demokratie, eine, analyse, demokratiemodells, benjamin, barbers
Arbeit zitieren
Anonym, 2018, "Starke Demokratie". Eine Analyse des Demokratiemodells Benjamin Barbers, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/461377

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