Mobilisierung von Wissen im Bereich digitaler Innovationen. Eine qualitative Untersuchung der Absorptive Capacity in der Automobilindustrie


Masterarbeit, 2018

265 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkurzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 F orschungsstand
1.2 Forschungsziel und - fragen
1.3 Aufbau der Arb eit

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Absorptive Capacity als Wissenstransferprozess
2.1.1 Definitionen und theoretische Konstrukte der Absorptive Capacity
2.1.2 Determinanten der Absorptive Capacity
2.2 Digitale Innovationen
2.2.1 Definition und Begriffsabgrenzung
2.2.2 Innovationsansatze
2.2.3 Innovationstypen
2.2.4 Digitale Innovationen in der Automobilindustrie

3 F orschungsmethodik
3.1 Experteninterviews
3.1.1 Auswahl der Experten
3.1.2 Konzeption des Leitfadens
3.1.3 Vorbereitung und Durchfuhrung der Interviews
3.2 Methodik der Auswertung
3.3 Grounded Theory Ansatz

4 Ergebnisse
4.1 Modell 1: Absorptionsprozess in der Automobilindustrie
4.2 Modell 2: Barrieren und Best Practices im Wissenstransferprozess

5 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse
5.1 Limitationen
5.2 Implikationen fur weitere Forschung
5.3 Implikationen fur die Praxis

6 Fazit

7 Literaturverzeichnis

8 Anhangsverzeichnis

Kurzfassung

Im Zuge der standigen und ausgepragten Innovationsdynamik im Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologien ist aktuell eine nie dagewesene digitale Revolution im Automobilsektor zu beobachten. Die Automobilhersteller sind bei der Umsetzung neuer digitaler Innovationen auf Wissen aus ihrer Umwelt angewiesen, welches sie mithilfe der Absorptionsfahigkeit ins Unternehmen aufnehmen, verarbeiten, transformieren und letztlich nutzen konnen. Jener Prozess der Absorptive Capacity (ACAP) mit besonderem Augenmerk auf digitale Innovationen sowie eine systematische Analyse der Hindernisse des Absorptionsprozesses in der Automobilindustrie wurde in der bisherigen Forschung nur unzureichend untersucht bzw. durchgefuhrt. An dieser Forschungslucke setzt die vorliegende Masterarbeit an. Mit der Hilfe von 29 Experten aus der Automobilbranche sollen der bis dato kaum erforschte Absorptionsprozess und die ihn hervorbringenden Routinen und Prozesse sowie auftretende Barrieren und darauf aufbauende Best Practices auf der Basis der Grounded Theory umfassend dargelegt werden. In einem ersten Modell wird der genaue Ablauf des Absorptionsprozesses in der Automobilindustrie in Anbetracht digitaler Innovationen erlautert. In dem zweiten Modell werden Barrieren, welche die Absorptive Capacity limitieren sowie dazugehorige Gestaltungsempfehlungen aufgezeigt. Beide Modelle werden auf Grundlage einer sowohl deduktiven als auch induktiven Herangehensweise dargestellt. Zusammengefasst bilden die Ergebnisse eine essenzielle Grundlage fur das Verstandnis des Wissenstransferprozesses aus dem Bereich der digitalen Innovation in der Automobilindustrie im realen Kontext sowie eine qualitaive Erweiterung der bisherigen ACAP - Forschung.

Abstract

In the course of constant and distinct innovation dynamics in the caisson of information and communication technology, an unprecedented digital revolution in the automotive industry takes place. The original equipment manufacturers (OEMs) have to rely on the knowledge of their external environment when instantiating new digital innovations. They acquire, assimilate, transform and exploit this knowledge, a process which is called “Absorptive Capacity” (ACAP). The accurate process of this ACAP with special attention to digital innovations as well as a breakdown of barriers has only been investigated deficiently. This research gap is the issue of this master thesis. With the help of 29 experts working in the automotive industry, the thitherto scantily explored ACAP process and the routines as well as barriers and resultant best practices which it bears, should be stated based on the grounded theory approach. In a first model, the detailed course of the ACAP process in the automotive industry is clarified. With the help of a second model, barriers which limit the ACAP as well as corresponding recommendations are illustrated. Both models are explained based on deductive as well as inductive approaches. All in all, the results build an essential foundation for the appreciation of knowledge-transfer processes considering digital innovations in the automotive industry in a real context as well as a qualitative expansion of the previous ACAP research.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Konzept der Absorptive Capacity nach Cohen und Levinthal (1990)

Abbildung 2: Einteilung in PACAP und RACAP nach Zahra und George (2002)

Abbildung 3: Konzept der Absorptive Capacity nach Zahra und George (2002)

Abbildung 4: Prozess der Absorptive Capacity Dimensionen

Abbildung 5: Dimensionen der Absorptive Capacity nach Lane et al. (2006)

Abbildung 6: Konzept der Absorptive Capacity nach Todorova und Durisin (2007)

Abbildung 7: Faktoren fur den Umgang mit Wissen nach Volberda et al. (2010)

Abbildung 8: Prozesse der Absorptionsfahigkeit nach Sun und Anderson (2010)

Abbildung 10: Interne und externe Determinante des Absorptionsprozesses

Abbildung 11: Schichten der modularen geschichteten Architektur nach Yoo et al. (2017)...

Abbildung 12: Forschungsprozess

Abbildung 13: Screenshot des Transkriptionsprozesses mit f4

Abbildung 14: Screenshot des Codierprozesses mithilfe der Software NVivo

Abbildung 15: Modell 1: Absorptionsprozess in der Automobilindustrie

Abbildung 16: Modell 2: Barrieren und Best Practices beim Absorptionsprozess in der Automobilindustrie

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Modellkomponenten der einzelnen Theorien

Tabelle 2: Ubersicht der Interviewpartner

1 Einleitung

„Hypercompetitive business environments require enterprises to deliver offerings at a faster pace, gauge market trends in real-time, and be ready to reinvent their role in value creation networks. This requires enterprises to exchange and assimilate a broad range of information from external sources ” (Malhotra et al. 2005, p.147)

Innovativen technologischen Produkten kommt aufgrund der dynamischen Entwicklung internationaler Markte und des zunehmenden Druckes, Innovationen hervorzubringen, eine immer hohere Bedeutung zu (Kollmann et al. 2009, p.311). Die Digitalisierung fuhrt zur Zusammenarbeit von Firmen aus unterschiedlichsten Industrien, um gemeinsam ein neues Produkt auf den Markt zu bringen (Yoo et al. 2010, p.724). Die explosionsartige Verbreitung und Fragmentierung von Wissen sowie das zunehmend kurzere Bestehen von Produkten am Markt, zwingen Unternehmen dazu, auch auBerhalb ihrer Unternehmensgrenzen verfugbares Wissen aufzunehmen und fur die Entfaltung von Innovationen einzusetzen (Bahli et al. 2013, p.4635; Lucas et al. 2009, p.54). Gerade im Hinblick auf digitale Innovationen rucken die Integration von internen und externen Wissensressourcen und die Wissensbildung in Zusammenarbeit mit diversen Partnern zur Erzielung eines langfristigen Wettbewerbsvorteils mehr und mehr in den Fokus (Malhotra et al. 2005, p.146; Addorisio et al. 2014, p.2). Die sogenannte „Absorptive Capacity“ definiert sich als genau jene Fahigkeit, auch auBerhalb der Unternehmensgrenzen verfugbares Wissen in sich aufzunehmen und fur die Entwicklung von Innovationen zu nutzen (Cohen & Levinthal 1990, p.128).

Ungeachtet ihrer bisherigen Erfolge, steht vor allem die Automobilbranche vor groBen Herausforderungen und erheblichen strukturellen Veranderungen, getrieben durch digitale Innovationen. War die Automobilindustrie fruher noch produktorientiert, so wandelt sie sich mehr und mehr zum Anbieter von benutzer- und ergebnisorientierten Mobilitatsservices (Mahut et al. 2015, p.845). Die Intelligenz wird im digitalen Zeitalter in einem riesigen digitalen Okosystem (Wade & Hulland 2004, p.109; Pagon 2013, p.617) verteilt sein und nicht mehr alleine im Fahrzeug liegen. Das Automobil bietet sich als strategischer Systembaustein an und wird Teil des Internets und nicht umgekehrt das Internet Teil des Autos (Ferras-Hernandes et al. 2017, p.1). Die Wettbewerbsordnung sowie die Wertschopfungsanteile verschieben sich hin zu neuen Akteuren, die den neu entstehenden digitalen Marktplatz beherrschen und die Verkehrsmittelnutzung zunehmend in ein individuelles Infotainment transformieren (Herterich 2016, p.1), sodass die Aura des Exklusiven mehr und mehr verloren geht. Viele verschiedene Anbieter erfassen samtliche Transportangebote digital und vermarkten diese im Wettbewerb (Huang et al. 2017, p.301). Das heutige Fahrzeug ist ein technologisch hochgerustetes Kunstwerk und die Zahl von Angeboten auf digitalen Plattformen wachst enorm (Mahut et al. 2015, p.846). Die Entwicklung von sogenannter „ cutting-edge “ Software und die Integration des Autos in das Smartphone Okosystem werden zu strategischen Differenzierungsfaktoren fur fuhrende Automobilhersteller (Ferras-Hernandes et al. 2017, p.2). AuBerdem verschieben sich die Praferenzen der Konsumenten vom reinen Fahrgefuhl hin zu Aspekten wie Konnektivitat, Information oder Entertainment. Die Automobilhersteller nutzen vermehrt digitale Technologien, um auf den zunehmenden Wandel des Lifestyles der Kunden zu reagieren und ihr Geschaftsmodell an die immer digitaler werdende Welt anzupassen (Hanelt et al. 2015, p.1324).

Deswegen bewegen sich die Original Equipment Manufacturers (OEMs) mehr und mehr von der Tradition der internen Wissensgenerierung und der Teilung von Wissen zwischen traditionellen Partnern hin zu der Generierung von neuem Wissen von Akteuren wie Softwarekonzernen und Internetriesen, um die Wissenslucken resultierend aus dem aufstrebenden digitalen Zeitalter zu schlieBen (Ciriello et al. 2017, p.5). Automobilhersteller mussen demnach auf der einen Seite auf Veranderungen ihrer Wettbewerbsumwelt reagieren und gleichzeitig die Fahigkeit entwickeln, den Markt durch eigene Innovationen aktiv mitzugestalten (Lee & Berente 2012, p.1429), um nicht von den neuen Anbietern der Intemetindustrie wie Tesla, Google oder Apple „uberrollt“ und vom Markt gedrangt zu werden (Amalfitano et al. 2014, p.9; Hylving 2015a, p.2).

1.1 Forschungsstand

Das Konzept der Absorptive Capacity wurde in der Forschung vor allem in Bezug auf digitale Innovationen qualitativ nur unzureichend, unreflektiert und oberflachlich beleuchtet, sodass konkrete Ablaufe und Funktionsweisen der Absorptive Capacity weitgehend unberucksichtigt bleiben (Lane et al. 2006, p.833). Zudem wurden mogliche Barrieren zumeist vollig auBer Acht gelassen (Cuervo-Cazurra & Rui 2017, p.727). In vorigen Studien erfolgte die Operationalisierung der ACAP zumeist quantitativ und eindimensional anhand spezieller input- und outputorientierter GroBen (Lewin et al. 2003, p.3). Diese Arbeit beruht allerdings auf der Annahme, dass es sich bei der Absorptive Capacity um einen mehrdimensionalen Prozess handelt. Fruhere Studien bestatigten zwar die These, dass effektiver Wissenstransfer sowohl zwischen einzelnen Abteilungen als auch der externen Umwelt, die ACAP und damit dir Performance eines Unternehmens steigert (Iyengar et al. 2015, p.623-624, Arnold et al. 2009, p.136), bei der Untersuchung des genauen Ablaufs des Wissenstransferprozesses bestehen allerdings noch erhebliche Lucken.

Die Konzeptualisierungen der Absorptive Capacity liegen zudem zum Teil bis zu zwei Jahrzehnte zuruck, sodass eine erneute Betrachtung des Konzeptes im Rahmen des aktuellen Marktes aufgrund der andauernden strategischen Neuausrichtung der Automobilindustrie sowie der zahlreichen Technologiesprunge und Neu- bzw. Weiterentwicklungen unabdingbar ist. Durch den vorherrschenden Mangel an qualitativem Forschungsmaterial mussen Forscher oft auf quantitative Uberlegungen zuruckgreifen. Zur Ermittlung von Einflussrichtungen und konkreten Ablaufen des Absorptionsprozesses sind qualitative Ergebnisse jedoch wesentlich sinnvoller, da diese quantitativ nicht erfasst werden konnen. Obwohl es das Ziel eines jeden Managers ist, eine nachhaltige, lang andauernde ACAP zu fordern, sind die bisherigen Konzepte viel zu allgemein gehalten, als dass daraus greifbare Handlungsempfehlungen abgeleitet werden konnten.

Zudem basiert die vorliegende Masterarbeit auf diversen Forschungsimplikationen aus anderen Studien. In fruheren Arbeiten wurde gefordert, dass das Grundverstandnis uber digitale Transformationen primar physischer Industrien wie der Automobilindustrie, in der Produkte nicht vollstandig digitalisiert werden konnen, erweitert werden muss (Hanelt et al. 2015, p.1313, Huang et al. 2017, p.312). Diverse Autoren verlangen zudem nach tiefergehenden Analysen und Expertenerfahrungen, wie Unternehmen externes Wissen im Hinblick auf digitale Technologien absorbieren und nutzen (Hildebrandt et al. 2015, p.16; Hanelt et al. 2015, p.1325). Piccinini (2015, p.17) suggeriert in ihrem Paper: „One avenue for future research would be to examine solution approaches for automotive organizations in overcoming or coping with these challenges through in-depth interviews with practioners”, was in dieser Forschungsarbeit umgesetzt werden soll. Zusatzlich sehen die Autoren mehr Einzelheiten uber den genauen Ablauf der ACAP in Unternehmen als wunschenswert an (Kohlbacher et al. 2013, p.200). Ferner ist das untersuchte Wissensmanagement in den meisten Fallen limitiert auf spezifische interne Wissensprozesse und lasst integrative Perspektiven, die sowohl die interne als auch externe Determinante des Wissenstransferprozesses beleuchten, auBer Acht (Lichtenthaler 2009a, pp.1315-1316). Herterich (2016, p.15) statiert, dass die zukunftige Forschung Methoden zur Implementierung von digitalisierten Artefakten aus organisationaler Perspektive bereitstellen soil. Lyytinen und Yoo (2010, p.387) beenden ihr Paper mit den folgenden Worten: ,,IS researchers should be actively involved in studies where technologies are being built and tried out - not after the fact when they enter the market” (Lyytinen & Yoo 2010, p.387). Die vorliegende Masterarbeit nimmt zudem diverse Forschungsimplikationen aus anderen Studien zum Anlass, die vorliegende Arbeit zu verfassen.

1.2 Forschungsziel und - fragen

An dem Mangel qualitativer Untersuchungen zum Absorptionsprozess setzt die vorliegende Masterarbeit an. Das SchlieBen dieser Lucke ist ein wesentliches Ziel dieser Arbeit. Mithilfe von Interviews mit Experten aus der Automobilindustrie sollen der bisher sparlich erforschte Absorptionsprozess und die ihn konstituierenden organisationalen Routinen detailliert beschrieben werden. Es soll tiefer in die Materie der ACAP vorgedrungen werden, indem explizit geschaut wird, wie externes und internes Wissen kombiniert, transferiert und integriert wird sowie welche Barrieren die ACAP eines Unternehmens limitieren. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es auBerdem, das tatsachliche Wirken der untersuchten Unternehmen mit der Beschreibung und Analyse organisationaler Handlungsvollzuge nachzubilden und zu schauen, was sich aufgrund digitaler Innovationen beim Wissenstransferprozess der Automobilhersteller gewandelt hat.

Mit den Ergebnissen der qualitativen Studie werden schlieBlich zwei integrative Modelle zur Abbildung der im vorigen Abschnitt erlauterten Ziele entwickelt, um die Komplexitat der ACAP fur die Praxis zu reduzieren und eine Anleitung zu geben, wie der Absorptionsprozess am effektivsten gestaltet werden kann. Ebenfalls zielt die Arbeit darauf ab, eine Grundlage fur weitere Theoriebildung zu schaffen.

Auf der Basis der identifizierten Forschungslucken wird die folgende Research Question (RQ) fur die Masterarbeit formuliert:

RQ: Wie verlauft die Absorption neuen, externen Wissens innerhalb der

Automobilindustrie im Hinblick auf die Etablierung digitaler Innovationen?

Um eine logische Argumentationsstruktur zu gewahrleisten und die kausalen Zusammenhange schlussig aufzeigen zu konnen, ist es sinnvoll, die Forschungsfrage in Einzelbestandteile, namlich die unterschiedlichen Zielsetzungen, zu untergliedern:

RQ1: Wie wird externes Wissen zu digitalen Innovationen im Produktentwicklungsprozess im Vergleich zu fruher akquiriert, integriert, mit internem Wissen kombiniert sowie kommerzialisiert?

RQ2: Welche Hindernisse bestehen bei dem Wissenstransferprozess und wie kann ihnen begegnet werden?

1.3 Aufbau der Arbeit

Im folgenden Kapitel erfolgt eine definitorische Gliederung der fur die Arbeit relevanten Begriffe und Theorien. Zunachst werden konzeptuelle Fundierungen zum Thema Absorptive Capacity und anschlieBend zum Themenkomplex digitale Innovation geschaffen sowie ein kurzer Umriss zu digitalen Innovationen in der Automobilbranche gegeben. Im dritten Abschnitt wird die Forschungsmethodik vorgestellt, auf der die Masterarbeit basiert. Dabei wird zunachst auf die Durchfuhrung und den Aufbau des qualitativen Experteninterviews eingegangen und danach die der Datenauswertung zugrunde liegende Methodik der Grounded Theory naher erlautert. Kapitel vier stellt das Kernkapitel der Arbeit dar, da hier die interviewubergreifende Auswertung erfolgt und die zentralen Erkenntnisse zusammengefasst, bevor die Ergebnisse in Kapitel 5 diskutiert werden. Im Zuge der Diskussion werden die Limitationen der Arbeit aufgezeigt und darauf aufbauend Implikationen fur Forschung und Praxis abgeleitet. Im letzten Abschnitt werden die zentralen Erkenntnisse in einem Fazit resumiert.

2 Theoretische Grundlagen

Ziel des folgenden Kapitels ist es, notwendige theoretische Grundlagen zu erlautern, um einen konzeptionellen Bezugsrahmen fur die qualitative Analyse zu legen. Es soll eine terminologische Grundordnung hergestellt werden, welche das spatere Einordnen der als wichtig eingestuften Inhalte sowie die Kommunikation im Prozess der Forschung und der gewonnenen Ergebnisse erleichtert. Dazu wird im Folgenden ein Grundwissen zum Thema Absorptive Capacity aufgebaut. Im darauffolgenden Abschnitt werden digitale Innovationen thematisiert. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einem Uberblick uber die Automobilindustrie. Bei der Auswahl der Literatur fur den theoretischen Teil der Arbeit wurde in erster Linie die Qualitat vorangestellt, weshalb uberwiegend Artikel aus Journalen mit A Ranking sowie solchen mit einer hohen Anzahl an Zitierungen verwendet wurden, da jene Merkmale als Qualitatsindikatoren gelten.

2.1 Absorptive Capacity als Wissenstransferprozess

„Above all, innovation is work rather than genius. It requires knowledge ” (Drucker 1985, p.102).

Der Ressource Wissen wurde seit dem Beginn der 1980er Jahre mit der Etablierung des „knowledge-based view of the firm” eine zentrale Rolle fur den Unternehmenserfolg zugesprochen (Grant 1996, p.115; Nonaka & Takkeuchi 2000, pp.1-2; Schultze & Leidner 2002, p.214). Hatala und Lutta (2009, p.7) definieren Wissen als „the intersection of information, experience, and theory. ” Beim Wissen unterscheidet man zwischen explizitem und implizitem Wissen, wobei explizites Wissen ubertragbar ist und eindeutig kommuniziert werden kann. Implizites Wissen hingegen ist an ein Individuum gebunden und kann demnach nicht transferiert werden. Es manifestiert sich in Erfahrungen der Mitarbeiter und kann aus diesem Grund nur durch praktische Umsetzung von Handlungen, Beobachtung und Nachahmung erworben werden (Inkpen & Dinur 1998, p.456). Im Zuge des

Wissenstransferprozesses wird explizites Wissen durch ein Individuum aufgenommen und in implizites Wissen umgewandelt (Williams 2007, p.868). Das implizite Wissen ist das Hauptelement der organisatorischen Wissensbasis und von effektivem Wissensmanagement. So betonen van Krogh et al. (2002, p.7): „Recognizing the value of tacit knowledge and figuring out how to use it is the key challenge in a knowledge-creating company. ” Das Wissensmanagement besteht aus den Komponenten Generierung, Reprasentation, Lagerung, Transfer, Transformation, Anwendung, Einbettung und Schutz von organisationalem Wissen (Schultze & Leidner 2002, p.214).

Unternehmen verfugen heut zu Tage uber die Moglichkeit, viele Inputs aus einer hohen Anzahl von Playern, wie beispielsweise internen Mitarbeitern, externen Nutzern, anderen Firmen oder Forschungsinstituten in ihren Innovationsprozess zu implementieren (Bessant et al. 2017, p.1096; Rehm et al. 2017, p.577). Die externen Wissensressourcen variieren dabei uber Industrien hinweg, in dem AusmaB, in dem sie technisch relevantes und fortgeschrittenes Wissen fur den Innovationsprozess von Firmen bereitstellen (Trantopoulos et al. 2017, p.287). Mit der Nutzung von externem Wissen versuchen Firmen sich Zugang zu Fertigkeiten und Fahigkeiten zu verschaffen, um in vorher unbekannten Geschaftsbereichen Anderungen hervorzurufen (Hildebrandt et al. 2015, p.4). Viele Faktoren fuhren dazu, dass Unternehmen Wissen aus externen Quellen beziehen, wie beispielsweise die zunehmende Komplexitat und Geschwindigkeit des technologischen Wandels, fehlende interne Fahigkeiten, um mit vorherrschenden Problemen zurechtzukommen, die Fahigkeit, mit dem globalen Wettbewerb mithalten zu konnen, die Rekonfiguration von Wertschopfungsketten sowie die dichtere Integration von Firmen in industrieweite Netzwerke (Trantopoulos et al. 2017, p.295). Die Schwierigkeit besteht nicht allein darin, externes Wissen zu suchen und sich Zugang dazu zu verschaffen, sondern darin, interne innovative Outputs zu generieren, indem externe Erkenntnisse mit den internen Fahigkeiten der Unternehmen kombiniert werden (Flor et al. 2017, p.1). Es ist von essenzieller Bedeutung, dass die Mitarbeiter das Wissen, welches sie empfangen, verstehen und die Komplexitaten sowie die Feinheiten dieses Wissens erkennen und in gewisse Schemata bzw. mentale Modelle integrieren und inkorporieren (Sussman & Siegal 2003, p.47). Die Absorptive Capacity hat sich zu einem der wichtigsten Konzepte zur Erklarung von Prozessen entwickelt, mit denen Unternehmen Wissen identifizieren und nutzen, um letzten Endes ihre Leistungsfahigkeit steigern zu konnen (Iyengar et al. 2015, p.621).

2.1.1 Definitionen und theoretische Konstrukte der Absorptive Capacity

In der Vergangenheit wurden Konzepte zur optimalen Bearbeitung von Wissen aufgrund des hohen Stellenwertes des Faktors Wissen oftmals weiterentwickelt und diversifiziert betrachtet (Lane et al. 2006, p.833), was sich in einer Myriade an Interpretationen und Anwendungsmoglichkeiten zur Absorptive Capacity-Theorie widerspiegelt (Addorisio et al. 2014, p.2). Um einen Uberblick uber die Entwicklung der ACAP und ihre Bestandteile zu gewinnen, werden in diesem Kapitel die fur diese wissenschaftliche Arbeit relevanten Definitionen aufgezeigt.

Das Konzept der Absorptive Capacity wurde im Jahr 1990 erstmals von Cohen und Levinthal (1990) erwahnt und bildete die erste Grundlage fur weitere Konzeptualisierungen des Einflusses von externen Wissensquellen auf die Innovationsfahigkeit. Die ACAP definiert sich fur die Autoren als ,,the ability to recognize the value of new information, assimilate it, and apply it to commercial ends (Cohen & Levinthal 1990, p.131). Um externes Wissen erfolgreich in die eigene organisationale Wissensbasis integrieren zu konnen, ist beim Empfanger die Eignung zur Wissensintegration vonnoten. Ebendiese nennt sich Absorptive Capacity und hat zur Aufgabe, den Wert einer neuen Information zu erkennen, die Information in sich aufzunehmen und fur kommerzielle Zwecke zu nutzen. Sie basiert auf dem Vorwissen der unternehmerischen Wissensbasis (Cohen & Levinthal 1990, p.128). Erst vorhandenes Wissen befahigt ein Unternehmen dazu, externes Wissen zu beurteilen und zu verwenden: „ The premise of the notion absorptive capacity is that the organization needs prior related knowledge to assimilate and use new knowledge “ (Cohen & Levinthal 1990, p.129). Die Struktur des bestehenden Wissens entscheidet schlieBlich uber die Moglichkeit der Nutzung von externem Wissen. AuBerdem ist die ACAP von Unternehmen pfadabhangig und kontextspezifisch, sprich, je mehr ein Unternehmen in den Aufbau von internem Wissen investiert, desto eher kann es auch zukunftig an dem neu entwickelten Wissen in diesem Feld teilhaben (Cohen & Levinthal 1990, p.131, 132).

Der innovationsschaffende Prozess setzt sich aus der Wissensgrundlage sowie der Innovationsquelle als Input-Faktor und der Innovation und damit dem Wettbewerbsvorteil aus Output-Faktor zusammen (Cohen & Levinthal 1990, p.128). Die Akquisitionsfahigkeit wird laut Cohen und Levinthal (1990) im Vergleich zu den restlichen Dimensionen uberproportional beeinflusst, was durch die selbststarkende Wirkung nachgelagerter ACAP- Prozesse auf die Dimension der Akquisition, speziell die Komponente des vorherigen Wissens, erklart werden kann (Cohen & Levinthal 1990, pp.136f.). Sogenannte Gatekeeper unterstutzen die Identifikation und Einfuhrung der Innovation in das Unternehmen und machen dem Personal das zumeist ziemlich komplexe, aufgenommene Wissen gefugig, indem sie kodifiziertes Wissen ubersetzen (Cohen & Levinthal 1990, p.132; Tushman & Katz 1980, p.1071). AnschlieBend erfolgt die Verarbeitung der Innovationen, welches in Form von Verstehen und Gliedern der Innovation geschieht. Beim darauffolgenden Schritt der Umsetzung werden die Innovationen in die Arbeitsprozesse des Unternehmens implementiert (Cohen & Levinthal 1990, p.130). Der Output besteht vorranging aus dem

Wettbewerbsvorteil, welcher durch die Innovation entsteht und von anderen Unternehmen im Zuge weiterer ACAP-Prozesse genutzt werden kann. AuBerdem spielt der kontextuelle Faktor der Schutzrechte bei Cohen und Levinthal eine Rolle, welcher das AusmaB, in dem eine Firma den Outcome der Innovation fur sich behalten kann und wie viel veroffentlicht und an Wettbewerber herangetragen wird, meint (Cohen & Levinthal 1990, p.149).

Die Absorptive Capacity eines Unternehmens hangt laut den Autoren nicht nur von der direkten Schnittstelle des Unternehmens mit seiner externen Umwelt ab, sondern auch von dem Wissenstransfer uber und innerhalb von Untereinheiten des Konzerns (Cohen & Levinthal 1990, p.131). Die ACAP einer Organisation begrundet sich auf ihren individuellen

Mitarbeitern „who scan the environment, bring knowledge into the firm, and apply the knowledge in products and processes” (Roberts et al. 2012, p.639). Trotzdem ist die ACAP nicht als Summe der einzelnen absorptiven Kapazitaten, sondern vielmehr deren Interaktionen zu verstehen. Besonders in wettbewerbsintensiven Umfeldern, welche eine hohe Dynamik und Komplexitat aufweisen, ist die Zusammenarbeit von groBer Bedeutung, da es nahezu unmoglich ist, dass eine einzelne Person uber jedes Detail informiert ist (Boland & Tenkasi 1995, p.358). Um moglichst neue Informationen in Wissen zu transformieren, ist die Breite der Absorptionsfahigkeit laut den Autoren ebenfalls sehr wichtig: „A diverse background provides a more robust basis for learning because it increases the prospect that incoming information will relate to what is already known ” (Cohen & Levinthal 1990, p.131).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Konzept der Absorptive Capacity nach Cohen und Levinthal (1990) [Eigene Darstellung in Anlehnung an Cohen und Levinthal 1990, pp. 128-149]

Nach der Erlauterung des Konzepts der ACAP von Cohen und Levinthal (1990) wird nun auf die Weiterentwicklung der ACAP-Theorie in den letzten 20 Jahren eingegangen. Zahra und George (2002) beschreiben die Absorptive Capacity als ein „set of organizational routines and processes by which firms acquire, assimilate, transform, and exploit knowledge to produce a dynamic organizational capability” (Zahra & George 2002, p.186).

Im Gegensatz zu organisationalen Fahigkeiten, die dem Unternehmen eine Reihe von Handlungsalternativen verleihen, um konkrete Ergebnisse zu erzielen, beeinflusst bei Zahra und George die sogenannte Dynamic Capability1 (DC) der ACAP die langfristige Entwicklung des Unternehmens, indem diese fur nachhaltige Wettbewerbsvorteile sorgt. Unter einer organisationalen Fahigkeit versteht man ,,a high-level routine (or set of routines) that confers a set of decision options on an organization’s management for producing significant outputs of a particular type ” (Roberts et al. 2012, p.628). Das Konzept der „Dynamic Capabilities“ setzt sich aus der Idee, Flexibilitat und Veranderung in organisationale Fahigkeiten zu integrieren, zusammen.

Dynamische Fahigkeiten sind insofern wichtig, als dass sie die Rekonfiguration und Weiterentwicklung existierender Ressourcen gestatten und damit die Anpassungsfahigkeit der Organisation an die sich wandelnde Umwelt steigern (Zahra & George 2002, pp.186-187). Teece et al. (1997) definieren die dynamische Fahigkeit als „the firm’s ability to integrate, build, and reconfigure internal and external competences to address rapidly changing environments” (Teece et al. 1997, p.509). Es handelt sich bei dynamischen Fahigkeiten also um Handlungsmuster, mit denen eine Organisation existierende Routinen verandert und neue entwickelt, um die eigene Effektivitat zu erhohen (Zollo & Winter 2002, p.340; Eisenhardt & Martin 2000, p.1107; Zott 2003, p.97). Es geht somit um die Rekombination der Ressourcenbasis einer Organisation und die Anpassung an neue Marktgegebenheiten (Zhang 2017, p.813).

Die Autoren unterteilen die ACAP in die potenzielle Absorptive Capacity (PACAP), welche aus den Dimensionen Akquisition und Anpassung besteht sowie in die realisierte Absorptive Capacity (RACAP), zusammengesetzt aus der Umwandlung und Umsetzung (Zahra & George 2002, p.189). Bei der PACAP werden Informationen zunachst aus dem externen Umfeld identifiziert und aufgenommen und im Zuge der Anpassung analysiert und interpretiert. Es wird eine Grundlage fur die Einbettung in die Arbeitsprozesse des Unternehmens durch aufbereitete Informationen geschaffen. Das Unternehmen hat zwar Wissen aufgenommen, dieses jedoch vorerst nicht verwertet. Durch die potenzielle Absorptionsfahigkeit hat die Organisation noch keine Veranderung der internen Prozesse und Routinen erzielt (Zahra & George 2002, p.189). Firmen, die sich lediglich auf die Akquisition und Assimilation von Wissen beziehen, sind zwar in der Lage, ihren Wissensbestand stetig zu verbessern, leiden aber unter den Akquisitionskosten und den fehlenden Vorteilen der Exploitation (Bahli et al. 2013, p.4637). Die RACAP hingegen besteht aus der Umwandlung vorhandener Informationen, welche anschlieBend mit den neu gewonnen Informationen in Einklang gebracht sowie kombiniert und strukturiert werden. Firmen, die sich nur auf die Transformation und Exploitation fokussieren, erzielen kurzfristige Gewinne, landen aber in einer Kompetenzfalle (Bahli et al. 2013, p.4637). Der entstandene Output setzt sich aus dem gewonnenen Nutzen, namlich einer hoheren Profitrate, Vorteilen gegenuber dem Wettbewerb sowie neuen Produkten, Dienstleistungen, Patenten und/oder Wissensoutputs zusammen (Zahra & George 2002, p.195).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Einteilung in PACAP und RACAP nach Zahra und George (2002) [Eigene Darstellung in Anlehnung an Zahra und George 2002, pp. 189-195]

Die beiden Arten der ACAP sind zwar komplementar, existieren jedoch unabhangig voneinander (Zahra & George 2002, p.190) und ihr Verhaltnis zueinander titulieren die Autoren als Effizienzfaktor, welcher sich positiv auf die einzelnen Dimensionen der ACAP auswirkt (Kohlbacher et al. 2013, p.202). Die Akquisition und Assimilation konnen durch externe Technologiebeschaffung erzielt werden, wahrend Wissenstransformation- und exploitation von Produkten aus interner Technologiebeschaffung hervorgehen (Bahli et al. 2013, p.4637).

Einflussfaktoren auf die Absorptive Capacity sind laut den Autoren zum einen die Informationsaufnahme aus externen Quellen, begrundet durch externe Ereignisse, welche eine schnelle Reaktion erfordern und eine hohe Aktivierung nach sich ziehen (Zahra & George 2002, p.193). Zum anderen beeinflussen soziale Interaktionsmechanismen beim Ubergang von PACAP zu RACAP den Wissenstransferprozess, wobei strukturelle, kognitive, verhaltensabhangige und politische Barrieren zwischen den Mitarbeitern auftreten konnen (Zahra & George 2002, p.194). Auch Zahra und George (2002) erwahnen wie Cohen und Levinthal (1990) die Schutzrechte, die allerdings nicht wie bei den Autoren nach der Input- Phase von Relevanz sind, sondern unmittelbar vor der Output-Phase zum Einsatz kommen (Zahra & George 2002, p.196).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Konzept der Absorptive Capacity nach Zahra und George (2002) [Eigene Darstellung in Anlehnung an Zahra und George 2002, pp. 186-196]

Da bei dem Modell im Kapitel 4.2.1 die Stufen des Modells von Zahra und George (2002) als Grundlage genutzt werden, werden diese im Folgenden ausfuhrlich beleuchtet (Zahra & George 2002, p.189).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Prozess der Absorptive Capacity Dimensionen [Eigene Darstellung]

Die erste Dimension basiert auf der Formulierung von Cohen und Levinthals (1990) ,,Recognizing the value “ und bezieht sich auf die Fahigkeit von Unternehmen, extern generiertes Wissen als wertvoll zu identifizieren und akquirieren (Addorisio et al. 2014, p.3; Huber 1991, p.90). Da Zahra und George (2002) das Erkennen des Wertes von Wissen und die Akquise desselben als eine Stufe ansehen, ist hier nur von der Akquise die Rede. Die Aufnahme beinhaltet eine Analyse, mit dem Ziel der vollstandigen Durchdringung des neuen Wissens, was eine Informationsgrundlage fur die weitere Vorgehensweise liefert. Die erfolgreiche Akquise von Wissen hangt laut Zahra und George (2002) von der Intensitat, Geschwindigkeit und Richtung des vorherigen Wissens sowie den zuvor getatigten Investments ab. Bei der ersten Kategorie geht es demnach darum, wie es Organisationen gelingt, aus einer Vielzahl von extern verfugbarem Wissen, fur das Unternehmen relevantes neuartiges Wissen zu identifizieren und zu implementieren (Zahra & George 2002, p.189).

Bei der Assimilation stellt sich ein Unternehmen die Frage, ob sich die existierende Wissensstruktur des Unternehmens fur den Umgang mit dem neuen Wissen eignet. Wenn ja, sprechen die Autoren von Anpassung. Die Assimilation besteht aus organisationalen Routinen und Prozessen, die unter anderem das Verstehen und die Interpretation des Wissens als Basis fur dessen Integration in bestehende Unternehmensstrukturen beinhalten. Es wird also untersucht, wie Organisationen das akquirierte Wissen analysieren, interpretieren und verstehen. Dabei wird die Nutzlichkeit jenes Wissens im Hinblick auf neue Innovationen sowie denkbare Einsatzorte ausfindig gemacht (Zahra & George 2002, p.189).

Die Transformation alias Wissenskonvertierung beschreibt die organisationale Fahigkeit, Routinen weiterzuentwickeln, welche eine Kombination von altem mit neu aufgenommenem Wissen ermoglicht (Zahra & George 2002, p.190). Sollte das neue Wissen mit der existierenden Wissensstruktur inkompatibel sein, wird die Dimension der Umwandlung durchlaufen, wobei die Wissensstruktur zur Bearbeitung des neuen Wissens entsprechend verandert und erweitert wird, um letztlich die Bearbeitung durchfuhren zu konnen (Todorova & Durisin 2007, p.778).

Bei der vierten Dimension, der Umsetzung bzw. Exploitation, wird neues Wissen operativ in die Arbeitsprozesse des Unternehmens eingebettet, um einen Wettbewerbsvorteil schaffen zu konnen (Zahra & George 2002, p.190). Die Exploitationsfahigkeit eines Unternehmens ist die organisationale Fahigkeit, welche eine operative Einbindung des akquirierten und transformierten Wissens mittels bestehender Routinen ermoglicht. Sie wird von den Komponenten der Verwendung und Implementierung bestimmt, welche maBgeblich fur die Bildung von exploitativen Kompetenzen und die operative Einbindung sind. In dieser Dimension sind Kompetenzen gleich organisationale Routinen, die eine Exploitation von bereits aufgenommenem Wissen mithilfe von strukturellen, systemischen und prozessualen Mechanismen uber langere Zeitraume gewahrleisten (Zahra & George 2002, p.190). Diese Stufe resultiert in der kontinuierlichen Entwicklung neuer Produkte, Prozesse, Geschaftsmodelle oder organisationaler Strukturen (Ali et al. 2016, p.5318). Zuletzt stellt man sich also die Frage, wie das akquirierte, assimilierte und transformierte externe Wissen durch Routinen in die operativen Prozesse des Unternehmens einflieBt, sodass es zu einer Weiterentwicklung bestehender Kompetenzen kommt (Flatten et al. 2011, p.100).

Lane et al. (2006) beschreiben die Absorptionsfahigkeit als Prozess, der sich in drei sequenziellen Schritten abspielt. Sie benennen die einzelnen Schritte jedoch anders als Cohen und Levinthal (1990) oder Zahra und George (2002). Sie unterstreichen namlich die Prozessnatur der Fahigkeit und bezeichnen die Absorptionsfahigkeit als Abfolge von explorativem, transformativem und exploitativem Lernen. Zunachst geht es darum, potenziell wertvolles Wissen auBerhalb des Unternehmens durch exploratives Lernen zu erkennen, anschlieBend soll das neue Wissen durch transformatives Lernen angeglichen werden. Letzten Endes wird das assimilierte Wissen genutzt, um neues Wissen und kommerzielle Outputs durch exploitatives Lernen zu erzielen (Lane et al. 2006, p.856). Den Schritt der Assimilation ersetzen Lane et al. (2006) durch das transformative Lernen, was die Interpretation von Wissen und die Kombination von neuem Wissen mit bereits vorhandenem Wissen des Unternehmens meint. Demnach fassen sie die Kategorien Transformation und Assimilation zusammen (Lane et al. 2006, p.850). Sie verweisen darauf, dass diskontinuierliche Innovation am besten durch eine ACAP unterstutzt wird, die auf einer Vielzahl von lose gekoppelten Wissensdomanen basiert und dabei hilft, diesen Umfang immer weiter zu erhohen. Solch eine ACAP stattet den Erwerber des Wissens mit der erforderlichen Wissensvarietat und Erfahrung aus, um mit der Komplexitat des Importes und der Auswertung von externem Wissen, das nicht mit Akquisitionen verbunden ist, zurechtzukommen (Hildebrandt et al. 2015, p.7).

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Abbildung 5: Dimensionen der Absorptive Capacity nach Lane et al. (2006) [Eigene Darstellung in Anlehnung an Lane et al. 2006, pp.850-856]

Todorova und Durisin (2007) unterstutzen in ihrem Aufsatz „Valuing a reconceptualization“ die Argumentation von Lane et al. (2006) und uben Kritik an der Erweiterung des ACAP - Konzeptes von Zahra und George (2002). Todorova und Durisin (2007) vertreten die Ansicht, dass in Abhangigkeit von der Kompatibilitat des externen Wissens mit der organisationalen Wissensbasis entweder der Assimilations- oder der Transformationsprozess angewendet werden kann (Todorova & Durisin 2007, p.778). Die Absorptionsfahigkeit setzt sich nach den Autoren aus dem Erkennen von relevantem Wissen, der Aufnahme dieses Wissens, der Assimilation oder Transformation sowie der Nutzung beziehungsweise Verwertung dieses Wissens zusammen. Die Schritte Assimilation und Transformation befinden sich dabei in einem sequenziellen bzw. rekursiven Verhaltnis zueinander (Todorova & Durisin 2007, p.774). Die Autoren unterscheiden explizit zwischen dem Erkennen und der Aufnahme von Wissen, indem sie das Erkennen wieder als ersten Prozessschritt einfugen. Dieser erste Schritt wird maBgeblich durch die individuelle Wahrnehmung beeinflusst und von den Autoren das Konzept der dominanten Logik genannt, womit sie die pfadabhangige Entwicklung der Fahigkeit, relevantes Wissen aus der Umwelt zu erkennen, meinen. Durch eine subjektive Interpretation der Wirklichkeit bestimmt das Management die Ziele einer Organisationseinheit, wodurch die Interpretation von relevanten Informationen gelenkt wird (Todorova & Durisin 2007, p.774).

Die ersten beiden Einflussfaktoren sind identisch mit denen von Zahra und George (2002), jedoch wurde die Komponente personelle Krafteverhaltnisse hinzugefugt, welche von interner oder externer Natur sein kann. Der Prozess der operativen Umsetzung von aufbereitetem Wissen einzelner Personen kann entweder gestutzt oder gebremst werden. Wie die anderen Autoren, betonen auch Todorova und Durisin (2007, p.777), dass das bereits im Unternehmen vorhandene Wissen, die Erkenntnis von relevantem Wissen beeinflusst.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Konzept der Absorptive Capacity nach Todorova und Durisin (2007) [Eigene Darstellung in Anlehnung an Todorova & Durisin 2007, p.776]

In ihrer bibliografischen Aufarbeitung ,,Absorbing the concept of absorptive capacity: how to realize its potential in the organization field” verweisen Volberda et al. (2010) auf die Schwache vieler Unternehmen, sich nicht ausreichend mit der Absorptionsfahigkeit zu beschaftigen. Die Autoren sind der Meinung, dass hinsichtlich der Kernelemente der ACAP, vor allem in den fruhen Phasen der Absorption von externem Wissen in der Forschung noch enorme Lucken bestehen (Volberda et al. 2010, p.937). Die groBte Veranderung bei der Beschreibung der ACAP von Volberda et al. (2010) ist bei der Auswahl der Input-Faktoren zu erkennen. Die Autoren unterscheiden zwischen den Bereichen Fuhrungskompetenzen sowie unternehmensinternen- und externen Faktoren. Der Bereich Fuhrungskompetenzen beschreibt, welche Auswirkungen die Fahigkeiten einzelner Personen, die als Entscheidungstrager fungieren und deren Beziehungen zueinander auf den ACAP-Prozess haben. Die Fahigkeiten aller entscheidungsbefugten Personen, Wissen zu erschaffen und zu erweitern, nehmen besonderen Einfluss auf den Prozess der ACAP. Unternehmensinterne Gegebenheiten stellen den zweiten Input-Faktor dar, womit die Autoren zum Ausdruck bringen, dass die Organisationsstruktur die Rahmenbedingung fur die Bearbeitung von Wissen ist. Zu den unternehmensinternen Faktoren gehoren auBerdem soziale Interaktionsmechanismen sowie die unternehmensinterne Kommunikation als Grundlage der Unterstutzung des internen

Wissenstransfers durch soziale Netzwerke sowie das Management von Humankapital. Der dritte Input-Faktor besteht aus den unternehmensexternen Faktoren, welche die Aufnahme von Wissen aus der externen Umwelt beinhalten. Mogliche Verfahren sind beispielsweise Joint Ventures oder strategische Allianzen sowie die Bildung von Netzwerken (Volberda et al. 2010, pp.939-941). Unter strategischen Netzwerken versteht man „stable interorganizational ties which are strategically important to participating firms” (Gulati et al. 2000, p.203).

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Abbildung 7: Faktoren fur den Umgang mit Wissen nach Volberda et al. (2010) [Eigene Darstellung in Anlehnung an Volberda et al. 2010, p. 936-941]

Im Folgenden werden die einzelnen Komponenten der Hauptautoren tabellarisch aufgelistet und verglichen.

Tabelle 1: Modellkomponenten der einzelnen Theorien [Eigene Darstellung in Anlehnung an Addorisio et al. 2014, p.5]

Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten

Neben den „Hauptkonstrukten“, die sich intensiv mit dem Konzept der ACAP auseinandergesetzt haben und am Anfang des Kapitels ausfuhrlich beleuchtet wurden, existieren noch einige andere Nachtrage, welche im Folgenden chronologisch aufgezeigt werden.

Um die tragende Rolle des Vorwissens beim Wissenstransferprozesses zu veranschaulichen, wird zunachst ein Beispiel von Fiol (1996, p.1013) angefuhrt. Die Autorin erklart, dass sich Organisationen wie Schwamme vorstellen lassen. Unternehmen haben namlich - ahnlich wie Schwamme mit Wasser - entweder mehr oder weniger Kapazitaten, um neues Wissen aufzusaugen. Das Potenzial fur Innovationen hangt demnach davon ab, wie viel Wissen bereits zuvor angesammelt worden ist, was innovative Organisationen dazu befahigen wurde, neues Wissen aufzunehmen und auszunutzen. Die Menge an Wasser, sprich Wissen, die man aus einem Schwamm, sprich einer Organisation, ziehen kann, hangt vor allem davon ab, wie lange der Schwamm ausgetrocknet bzw. regelmaBig befeuchtet wurde.

Kim (1998, p.507) versteht unter der Absorptive Capacity die Fahigkeit eines Unternehmens, zu lernen und Losungsansatze entwickeln zu konnen. Van den Bosch et al. (1999, p.557) betonen, dass eine ausgepragte Sozialisationsfahigkeit den Organisationsmitgliedern zu einem kollektiv geteilten Interpretationsmuster verhilft. Die Fahigkeit der Sozialisation manifestiert sich auch in Mechanismen zur Festigung der sozialen Verbundenheit innerhalb eines Unternehmens. Durch die Interaktion mit anderen konnen Mitarbeiter neues Wissen akquirieren, welches schlieBlich ihre Lernfahigkeit steigert. Auch Malthora et al. (2005, p.153) betonen jene integrativen Mechanismen im Hinblick auf die Beeinflussung der Effizienz und Effektivitat des Wissenstransfers, indem sie strukturelle und kognitive Barrieren reduzieren. Im Modell von Narasimhan et al. (2006, p.521) stellt die Marketingkompetenz einen neuen Faktor dar. Das bedeutet, die Analyse des Marktes mithilfe von Marktforschung und darauffolgender Marktpositionierung wirkt sich auf den ACAP-Prozess aus, indem das Unternehmen Innovationsbedarf basierend auf der Marketingstrategie generiert. Die Autoren Massey et al. (2006, p.100) heben ebenfalls wie viele ihrer Vorganger die Wichtigkeit des Vorwissens hervor und definieren die Absorptive Capacity als „a function of existing cognitive structures or prior related knowledge that enables individuals to recognize the value of new knowledge, assimilate it, and apply it. ” Lichtenthaler (2009, p.824) fugt zu den vier Phasen von Zahra und George noch jene der Instandhaltung des kommerzialisierten Wissens sowie die Reaktivierung dieses Wissens zu einem spateren Zeitpunkt hinzu.

Die Autoren Sun und Anderson (2010, p.141) ubernehmen exakt die Prozessschritte von Zahra und George (2002) und bringen das Konzept der ACAP in Verbindung mit Lernprozessen, wie schon Cohen und Levinthal (1990): „ We view each dimension of ACAP as a learning capability generated by specific socio-psychological learning processes that are influenced by firm-based factors” (Sun & Anderson 2010, p.141). Das Erkennen und die Aufnahme von Wissen liegen nach Meinung der Autoren auf individueller- (Intuition) und Teamebene (Interpretation neuer Wissensinhalte). AnschlieBend werden die Inhalte im Unternehmen assimiliert und interpretiert, was auf Gruppenebene geschieht. Bei der Transformation von Wissen wird dieses in die Wissensbasis der Organisation eingegliedert. Im letzten Schritt kommt es zur Verwertung des Wissens, wobei die verarbeiteten Wissensinhalte mit der organisationalen Wissensbasis verbunden und so eingesetzt werden, dass sie den Zieldefinitionen auf der Ebene der Organisation entsprechen. Hierbei ist das eingebundene und verarbeitete Wissen eindeutig von einzelnen Individuen abzugrenzen (Sun & Anderson 2010, pp.144-145).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Prozesse der Absorptionsfahigkeit nach Sun und Anderson (2010) [Sun & Anderson 2010, pp .141-145]

Ein GroBteil der in der ACAP-Literatur vertretenen Theoretiker ist der Ansicht, dass es sich bei der ACAP um eine organisationale Fahigkeit handelt (Roberts et al. 2012, p.628), weshalb in der vorliegenden Masterarbeit ebenso davon ausgegangen wird. Nach Roberts et al. (2012, p.635) kann der Wissenstransfer ebenfalls auf multiplen Levels auftreten, und zwar zwischen Individuen, Gruppen und Unternehmen. Die Autoren treffen folgende Annahmen in Bezug auf die ACAP: Die ACAP eines Unternehmens hangt vom vorherigen Wissen ab, da eine Firma ohne dieses Wissen uberhaupt nicht in der Lage ware, den potenziellen Wert des externen Wissens zu determinieren, was gleichzeitig impliziert, dass die ACAP domanen- spezifisch ist. Zudem hangt die ACAP eines Unternehmens von der ACAP ihrer individuellen Mitglieder ab, was bedeutet, dass die Absorptive Capacity firmenspezifisch ist und nicht einfach gekauft und in das Unternehmen integriert werden kann (Roberts et al. 2012, p.627). Luo Carlo et al. (2012, p.865) teilen die ACAP eines Unternehmens ahnlich wie Roberts et al. (2011) und Lane et al. (2006) in eine epistemische und eine verhaltensorientierte Dimension ein. Erstere zeigt an, was ein Unternehmen weiB (Wissensbasis). Sie besteht sowohl aus impliziten als auch expliziten Meinungen, Ideen, konzeptionellen Strukturen und Rahmenwerken. Die verhaltensorientierte Dimension definiert, was ein Unternehmen tut (sprich Routinen) in Bezug auf dessen Wissen. Diese beiden Dimensionen sind miteinander verknupft, bilden zusammen ,,an emergent property” und bauen aufeinander auf, um gemeinsam die Innovationsfahigkeit eines Unternehmens zu entwickeln (Luo Carlo et al. 2012, p.871). Liu et al. (2013, p.1454) verstehen unter der ACAP eine Sammlung an Routinen, um Wissen und kumulative Einflusse kontinuierlichen Lernens zu managen. Die erneuerte Wissensbasis hilft der Organisation dabei, den Markt sowie die Ansichten und Werte ihrer Partner besser zu verstehen. Hildebrandt et al. (2015, p.15) fugen hinzu, dass Firmen mit einer diversifizierten Wissensbasis, Vorteile gegenuber jenen mit fokussierten Wissensbestanden aufweisen. AuBerdem sind sie weniger anfallig fur organisationale Trage und Kernrigiditaten, welche ihre Fahigkeit, passende Akquisitionsziele zu setzen und die akquirierte Wissensbasis zu verwerten, behindern wurden. Die ACAP, welche sich auf der Wissensakquise von unterschiedlichen Quellen begrundet, ist eine Kernkompetenz fur digitale Innovatoren „ as it fits digital innovation properties that have been described multiple times as building upon diverse knowledge from distant areas” (Hildebrandt et al. 2015, p.15). Die Fahigkeit externes, speziell unterschiedliches und neues Wissen zu identifizieren, zu integrieren und zu nutzen, ist nach den Autoren eine der Hauptdeterminanten fur zukunftige Erfolge in digitalen Okosystemen (Hildebrandt et al. 2015, p.15; Parker et al. 2017, p.256). Kranz et al. (2016, p.488) beschreiben die Absorptive Capacity als „a capability encompassing organisational routines and processes regarding the absorption of knowledge and the ability to adjust those dynamically” und sind ebenfalls wie Zahra und George (2002) der Meinung, dass es sich bei der ACAP um eine dynamische Fahigkeit handelt. Laut Ali et al. (2016, p.5318) ist die ACAP eines Unternehmens eine der wichtigsten Determinanten, fur die Akquise, Assimilation und effektive Nutzung von Wissen, um Innovationen generieren beziehungsweise erhohen zu konnen.

Cuervo-Cazurra et al. (2017, p.728) statieren, dass das Konzept der Absorptive Capacity deswegen wichtig ist, weil es die Unterschiede zwischen Firmen, wie sie jeweils mit externem Wissen umgehen, beleuchtet „thus even if competitors are exposed to the same external technology, they will show differences in their comprehension and use of the technology in their own innovation efforts. “ Zu guter Letzt fuhren Bessant et al. (2017, p.1098) an, dass es zwar einfach ist, die Annahme zu treffen, dass die Unternehmensumwelt voll von potenziellen Wissensquellen ist, welche bedenkenlos auffindbar und anzuwenden sind. In der Realitat sei es jedoch so, dass nicht alle Unternehmen, die Fahigkeit besitzen, jenes Wissen zu finden. Die Messung eben jener Fahigkeit, neues Wissen zu finden und zu nutzen, bezeichnen Bessant et al. (2017) Absorptive Capacity.

2.1.2 Determinanten der Absorptive Capacity

Wie im Kapitel 2.1.1 schon angesprochen, hangt die organisationale ACAP von dem im Unternehmen bereits etablierten Wissen und den Strukturen sowie vielen internen und externen Determinanten ab, die in den folgenden zwei Unterkapiteln naher beleuchtet werden.

2.1.2.1 Interne Determinante

Die interne Determinante ist fur diese Masterarbeit von besonderem Interesse, da sie durch das Unternehmen selbst beeinflussbar ist und bessere Anhaltspunkte fur potenzielle Handlungsempfehlungen bietet. Die interne Determinante der ACAP besteht aus formellen Regeln, die beeinflussen, wie externes Wissen von Organisationen akquiriert und verarbeitet wird (Van den Bosch et al. 1999, p.557).

AuBerdem sind interne Weiterbildungsmechanismen, die Koordinierung zwischen Mitarbeitern und Abteilungen sowie funktionsubergreifende Meetings Teil der internen Determinante (Zahra & George 2002, p.194). Die interne Unternehmensstrategie beeinflusst letztlich, welches Wissen als wichtig angesehen wird: „ A firm’s strategy plays a role in determining which areas of knowledge are valuable, which areas should be assimilated, and which areas should be applied” (Lane et al. 2006, p.857). Zusatzlich spielt die Organisationskultur eine nicht unerhebliche Rolle, denn die Wertvorstellungen und Verhaltensstandards innerhalb eines Unternehmens wirken sich erheblich auf das Verhalten der Mitarbeiter sowie die firmeninterne Wissensverteilung aus (Lane et al. 2006, p.857). Ein weiterer wichtiger Aspekt der internen Determinante sind interne Stimuli wie etwa wichtige interne Ereignisse oder Krisensituationen, die dazu fuhren, dass Organisationen externes Wissen erschlieBen (Zahra & George 2002, p.193).

2.1.2.2 Externe Determinante

Externe Einflusse wie schneller technologischer Wandel (Cohen & Levinthal 1990, p.131) oder Turbulenzen in der Unternehmensumwelt sorgen fur eine Stimulation der Entwicklung von Absorptionsfahigkeit durch gewisse Anreize fur Investitionen (Danneels & Sethi 2003, p.3). Uberdies spielt die Dynamik der externen Wissensumwelt bei der ACAP eines Unternehmens eine erhebliche Rolle (Van den Bosch et al. 1999, p.557). Dynamik definiert sich als: ,,The degree of environmental change and instability, although uncertainty plays a role in this context as well” (Kohlbacher et al. 2013, p.203). Ein weiterer wegweisender Bestandteil der externen Determinante ist das Wettbewerbsumfeld eines Unternehmens (Cohen & Levinthal 1990, p.131). Charakteristiken der Branche, in welcher das Unternehmen tatig ist, sind ebenfalls von Bedeutung, denn je nach Branche lohnt es sich mehr oder weniger, in den Aufbau von ACAP zu investieren. Auch externe Stimuli wie beispielsweise radikale Innovationen oder plotzlicher Wandel der rechtlichen Rahmenbedingungen, welche Auswirkungen auf die Industrie eines Unternehmens haben, uben Einfluss auf den AnstoB des Wissenstransferprozesses aus (Danneels & Sethi 2003, p.3).

Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Interne und externe Determinante des Absorptionsprozesses [Eigene Darstellung]

2.2 Digitale Innovationen

Da sich die Untersuchung der Absorptive Capacity im Rahmen dieser Arbeit auf digitale Innovationen bezieht, werden im folgenden Kapitel zunachst Definitionen und Begriffsabgrenzungen vorgenommen. AnschlieBend werden die verschiedenen Innovationsansatze und Innovationstypen aufgezeigt. Final wird auf digitale Innovationen in der Automobilindustrie eingegangen.

2.2.1 Definition und Begriffsabgrenzung

Der Nationalokonom Joseph Schumpeter bezeichnete groBe radikale Veranderungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts als „schopferische Zerstorung”. Diese drangt alte Strukturen in den Hintergrund und rottet sie danach komplett aus, was schlieBlich eine drastische Umgestaltung von Branchen mit sich bringt (Mendonca et al. 2013, p.117). Schumpeter titulierte den technologischen als diskontinuierlichen und ungleichgewichtigen Wandel, der aus Innovationen resultiert. Ursprunge der Innovation waren seines Erachtens die Einfuhrung neuer Guter- und Produktionsmethoden, die Entdeckung neuer Bezugsquellen sowie die Reorganisation ganzer Industrien (Amit & Zott 2001, p.496).

Die Begrifflichkeit „Innovation“ ist von dem lateinischen von „innovare“ abgeleitet, was so viel heiBt wie „etwas Neues kreieren“ (Paton & Karunaratne 2009, p.281). Innovation meint den Mechanismus der Wissensgenerierung: Wo erfolgreiche Interaktionen den Wissenstransfer erhohen und den Lernprozess stimulieren, um ein hoheres Level an neuem Wissen zu erreichen (Paton & Karunaratne 2009, p.283). Paton und Karunaratne (2009) definieren Innovationen wie folgt: „ The process of encouraging, nurturing, evaluating and implementing the organisations creative output” (Paton & Karunaratne 2009, p.282). Innovationen sind nach den Autoren wissensgetrieben und hangen von dem Erfolgsgrad des Transfers von Ideen und dem Lernen an sich ab. Das erfolgreiche Management des Wissenstransfers leistet einen signifikanten Beitrag zur Innovationsfahigkeit eines Konzerns (Paton & Karunaratne 2009, p.282). Im Zuge des Innovationsprozesses werden wesentliche Ideen in neue Wertformen fur das Unternehmen und seine Stakeholder transformiert (Paton & Karunaratne 2009, p.291). Bei der Innovation wird demnach Wert aus Wissen geschaffen (Bessant et al. 2017, p.1094), um organisationalen Wandel und eine Neuausrichtung herbeizufuhren (Ravichandran 2017, p.1). Innovationen sind zudem von hoher Relevanz fur Firmen als Quelle zusatzlicher Umsatze durch neue Produkte oder Dienstleistungen und konnen dabei helfen, Kosten einzusparen sowie die Qualitat bereits vorhandener Produkte zu verbessern und somit einen Wettbewerbsvorteil zu generieren (Bahli et al. 2013, p.4635). Innovationen in Unternehmen beziehen sich sowohl auf das Erfinden einer Neuheit kombiniert mit anschlieBender Exploitation als auch die kognitive und affektive Initialisierung der erstmaligen Einfuhrung einer Neuheit innerhalb des Konzerns kombiniert mit ihrer darauffolgenden Implementierung (Bahli et al. 2013, p.4635).

Fichman et al. (2014, p.334) beschreiben Innovationen als die Rekombination existierender Elemente, welche selbst einmal Innovationen gewesen sind. Reis et al. (2016, p.197) sehen Innovationen als Ergebnis eines komplexen Aggregates aus Interaktionen, Kollaborationen und dem Wissensaustausch zwischen Unternehmen, Universitaten und Forschungszentren auf nationaler Ebene. Ferras-Hernandes et al. (2017, p.2) statieren, dass man dann von einer Innovation spricht, „when new technologies make existing firms’ competencies obsolete and create new market linkages, showing that competence-destroying technological waves are driven by new firms.”

Fichman et al. (2014, p.336) gliedern den Innovationsprozess in vier Stufen. In der ersten Stufe, der Entdeckung, werden neue Ideen aufgefunden, die dann in eine Prozess-, Produkt-, oder Geschaftsmodellinnovationen munden. Kernaktivitaten in dieser Stufe sind das Erfinden von etwas Neuem oder Finden bzw. Bewerten einer innovativen Technologie in der externen Umwelt. AnschlieBend wird die Entwicklungsphase angefuhrt, in der eine Idee fur eine Kerntechnologie zu einer nutzbaren Innovation entwickelt wird, was den Aufbau und die Vervollkommnung der Kerntechnologie und das sogenannte „packaging“, sprich das Umgeben einer Kerntechnologie mit komplementaren Produkten, meint. In der dritten Phase, der Diffusion, verbreitet sich eine Innovation in der Menge potenzieller Nutzer. Wenn die Entfaltung erfolgreich war, kommt es zur Assimilation. Die letzte Stufe nennen die Autoren Einfluss, wobei hier der Fokus auf den Effekten, sowohl absichtlich oder unabsichtlich, welche digitale Innovationen, wenn sie diffundiert sind, auf Individuen, Markte, Unternehmen oder die Gesellschaft haben, liegt (Fichman et al. 2014, p.336).

Eine besondere Form der Innovation ist die sogenannte „Open Innovation” (OI). Firmen beziehen zunehmend OI in ihren Forschungsprozess ein, um Ideen, Wissen und Technologien mit einer Vielzahl von externen Akteuren im Innovationsprozess auszutauschen (Trantopoulos et al. 2017, p.288). Open Innovation definiert die Grenzen eines Unternehmens und seiner es umgebenden Umwelt neu, fuhrt zu mehr Durchlassigkeit und bettet das Unternehmen in lose gekoppelte Netzwerke, bestehend aus verschiedenen Akteuren ein. Diese arbeiten sowohl im Kollektiv als auch individuell an der Kommerzialisierung von neuem Wissen in Produkten oder Prozessen (Dodgson 2006, p.335; Agostini & Caviggioli 2015, p.1226; Lichtenthaler 2008, p.148, Gomez et al. 2017, p.661). Dodgson (1993, p.377) betont, dass nur Unternehmen von jenen Einblicken lernen und sie erfolgreich einsetzen konnen, die sich gegenuber der externen Umwelt offnen. Ein aktuelles Beispiel der Open Innovation in der Automobilindustrie ist beispielsweise die Offnung aller Patente von Tesla, die sich auf die Elektrofahrzeug-Technologie beziehen (Hylving 2015, p.10).

Neue digitale Infrastrukturen beschleunigen das Aufstreben neuartiger Technologien, welche Transformationen in unserem Alltag, in einzelnen Unternehmen und in der Struktur ganzer Industrien herbeifuhren (Fichman et al. 2014, p.329; Tilson et al. 2010, p.752; Davison & Ou 2017, p.136). Digitale Technologien definieren sich als Kombinationen aus Informations-, Computing-, Kommunikations- und Konnektivitatstechnologien (Bharadjwaj et al. 2013, p.471). Die einzigartigen Eigenschaften von digitalen Technologien fordern Firmen dazu auf, etablierte Sichtweisen und Annahmen uber ihr Produkt- und Dienstleistungsportfolio, ihre Beziehungen zur digitalen Umwelt sowie die Konfiguration organisatorischer Eigenschaften zur Unterstutzung innovativer Arbeit infrage zu stellen (Nylen & Holmstrom 2015, p.58). Sie befahigen zur Trennung von Inhalten und Medium, was bedeutet, dass sie sich auf verschiedenen Endgeraten befinden konnen (Huang et al. 2017, p.302).

Die Dynamik und Komplexitat der Geschafts- und Technologieumwelt suggeriert, dass digitale Strategien aufstrebend und iterativ sind sowie durch entstehende organisationale Fahigkeiten beeinflusst werden (Yeow et al. 2017, p.2). Sie ermoglichen eine hohe Geschwindigkeit von Produkt- und Serviceinnovationen sowie kurzere Produktlebenszyklen. Daraus resultierende grenzuberschreitende industrielle Bruche verlangen nach neuartigen Geschaftsstrategien (Hanelt et al. 2015, p.1315). Die Digitalisierung von Produkten lasst die Grenzen zwischen Produkten und Industrien verschwimmen (Yoo et al. 2010, p.730). Digitale Innovationen unterscheiden sich deutlich von anderen Innovationsarten, weshalb es besonders wichtig ist, sie genauer zu untersuchen (Fichman et al. 2014, p.332). Sie zeichnen sich durch Digitalisierung, das Moore’sche Gesetz, Modularitat, hohe Wechselkosten, Komplementaritat und Informationsprozesse aus (Fichman et al. 2014, p.332). Bei der digitalen Innovation steigen die Quantitat und Heterogenitat des benotigten Wissens drastisch an (Hildebrandt et al. 2015, p.6).

Svahn et al. (2017, p.248) beschreiben digitale Innovationen als Rekombination existierender Ressourcen und Wissen, um neue Ideen in Gang zu setzen. Digitale Innovationen werden nach den Autoren getrieben durch „a self-contained system’s generative capacity to produce something new without input from the system’s originator. ” Nylen & Holstrom (2015, p.63) erlautern, dass digitale Innovationen kontinuierliches Lernen beinhalten, wobei neue digitale Technologien entdeckt werden, um ein Verstandnis fur ihre einzigartigen Bestandteile zu entwickeln. Kirchherr und Holotiuk (2017, p.173) betiteln digitale Innovationen als Neugestaltung von Prozessen und sogar ganzen Geschaftsmodellen, um innovative IT- Optionen und Digitalisierungsansatze in strategische Vorteile zu transformieren. Jede digitale Technologie, die neu fur ein Unternehmen ist und einem signifikanten Wandel zugrunde liegt, qualifiziert diese Technologie zu einer Innovation (Fichman et al. 2014, p.333). Digitale Innovationen neigen dazu ,,to be particularly flexible and even radically tailorable, which means there is a much greater opportunity for organizations to develop and employ unique variations” (Fichman et al. 2014, p.347). Mithilfe der Digitalisierung werden physikalische Produkte programmierbar, adressierbar, fuhlbar, mitteilbar und nachvollziehbar. Laut Yoo et al. (2010, p.726) bestehen digitale Innovationen aus drei Kerncharakteristiken und zwar ihrer „reprogrammability”, der Trennung von semiotischer funktionellen Logik des Gerats von der physikalischen Darstellung, Homogenisierung an Daten, bei der jegliche digitale Inhalte auf denselben digitalen Netzwerken/Geraten gelagert, ubertragen und angezeigt werden konnen und basieren auf einer diskreten Darstellung von Bits in 0 und 1 sowie der selbstreferenziellen Natur digitaler Technologien.

Ein gutes Beispiel fur eine digitale Innovation ist das E-Book von Kindle. Hier wurde ein altes physikalisches Artefakt durch ein neues digitales Produkt ersetzt, das dem ursprunglichen von seinem Inhalt sehr ahnlich ist. Kindle sorgte mit seinem Produkt fur sinkende Produktions- und Distributionskosten und den Vorteil, eine riesige Anzahl an Buchern in nur einem Gerat bereitzustellen. Das E-Book besteht aus unterschiedlichen Schichten an Geraten, Netzwerken, Services und Inhalten sowie digitalen Komponenten wie GPS, Social-Media-Anwendungen und interaktiver Multimediakommunikation (Yoo et al. 2010, p.725-726).

Eine Studie, die sich mit dem Internet der Dinge beschaftigte, schatzte, dass im Jahr 2020 26 Milliarden digitalisierte Gegenstande (digitized artifacts) auf dem Markt sein werden (Herterich 2016, p.1). Digitalisierte Gegenstande zeichnen sich sowohl durch eine physikalische als auch digitale Materialitat aus. Vernetzte Autos sind ein Beispiel fur solche digitalisierten Gegenstande. Die physikalische Materialitat des Autos wird erganzt durch digitale Technologien, die das Auto mit der Transportinfrastruktur und anderen Fahrzeugen verbinden. Neben der traditionellen Funktionalitat physikalischer Artefakte, dem Gewahrleisten von Mobilitat, bieten digitalisierte Artefakte noch weitere innovative Dienstleistungen, wie zum Beispiel Live-Traffic-Informationen oder andere komfortschaffende Services. Je nach Gebrauchskontext offerieren digitalisierte Gegenstande eine Myriade an Chancen fur digitale Innovationen (Herterich 2016, p.1).

Laut Huang et al. (2017, p.302) sind digitale Innovationen sowohl Prozesse als auch Outcomes. Sie sind eine Rekombination digitaler Komponenten in einer geschichteten modularen Architektur, um neue Nutzwerte fur potenzielle Anbieter einer Dienstleistung zu schaffen. Die zunehmende Einbettung digitaler Komponenten in physikalische Produkte fuhrte zur Entstehung der geschichteten modularen Architektur (Yoo et al. 2010, p.728). Yoo et al. (2010, p.725) sowie Hylving und Schultze (2013, p.3) beschreiben die geschichtete modulare Architektur als ein Hybrid aus der modularen Architektur eines physikalischen Produktes, sowie der geschichteten Architektur digitaler Technologien. Sie besteht aus den folgenden vier Schichten: Geraten (physikalische, maschinelle Schicht und logische fahigkeitsbasierte Schicht), Netzwerken (physikalische Transportschicht und logische Ubertragungsschicht), Dienstleistungen (Anwendungsfunktionalitat) und Inhalten (Texte, Bilder, Musik), die geteilt und gelagert werden (Yoo et al. 2010, p.726-727).

Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Schichten der modularen geschichteten Architektur nach Yoo et al. (2017) [Yoo et al. 2017, p.727]

Um alternative digitale Produkte zu kreieren, konnen Designer die unterschiedlichen Schichten miteinander verbinden, indem sie ein Aggregat an Protokollen und Standards verwenden, wodurch eine nie da gewesene Generativitat erzeugt werden kann. Dabei konnen Innovationen an verschiedenen Stellen unabhangig voneinander auftreten und zu wasserfallartigen Effekten bei den anderen Schichten fuhren (Yoo et al. 2010, p.727): „ When users leverage digital technologies as components or platforms to create new products and services beyond the original design intent, it can result in cascades of innovation, whereby each innovation provides a platform for the next cascade” (Nylen & Holstrom 2015, p.58). Generativitat kann nur dann erzielt werden, wenn eine neue Unternehmensstrategie vorherrscht, welche aus heterogenen Akteuren besteht, die ihre eigenen Innovationsstrategien verfolgen und sich gegenseitig beeinflussen. Demnach ist es von hoher Bedeutung, eine digitale Produktplattform zu etablieren, die in der Lage ist, ein dynamisches und mit mehreren Teilnehmern geteiltes Netzwerk aufzubauen, um das generative Potenzial der geschichteten modularen Architektur zu maximieren (Yoo et al. 2010, p.730). Durch die Generativitat digitaler Technologien werden digitale Innovationsprozesse schwer kontrollier- und vorhersagbar (Wareham et al. 2014, p. 1195).

Modularitat steht fur den Grad, zu dem ein Produkt in Komponenten unterteilt werden kann, um die Komplexitat zu reduzieren und gleichzeitig die Flexibilitat zu erhohen. Eine modulare Architektur fuhrt zu einer vertikalen Zersetzung des Designs und der Produktionsfaktoren einer Firma (Yoo et al. 2010, p.728). Modulare Produktstrukturen erlauben es Unternehmen, sich zu spezialisieren und die Produktentwicklung uber verschiedene Organisationen zu verteilen sowie diverse Designaktivitaten auszulagern (Lee & Berente 2012, p.1428; Cenamor et al. 2017, p.56; Schilling 2000, p.317). Der Modularitatssatz stellt Firmen, die Produkte entwickeln, dynamische Fahigkeiten zur Verfugung, die es ihnen erlauben, effektiv auf potenziellen Wandel in der Umwelt zu reagieren (Henfridsson et al. 2009, p.9).

Die meisten Teilsysteme von Automobilen werden zunehmend digitalisierter und vernetzt mithilfe automobilbasierter Software Architekturen, sodass ein Fahrzeug heute eine Plattform darstellt, wofur Firmen auBerhalb der Automobilindustrie neue Gerate, Netzwerke, Dienstleistungen und Inhalte schaffen konnen (Yoo et al. 2010, p.729). Gerade in der Automobilindustrie, in der Kunden zwischen zahlreichen Variationen wahlen konnen, ist eine modulare Architektur unabdingbar, um den Variantenreichtum handhabbar zu machen (Knauss et al. 2016, p.2).

2.2.2 Innovationsansatze

In der Literatur existiert ein Kontinuum an Innovationsansatzen, das von inkrementellen zu radikalen Innovationen reicht. Eine genaue Platzierung von Innovationen inmitten der beiden Ansatze ist ziemlich schwierig. Deshalb werden in der vorliegenden Arbeit die zwei Hauptansatze beleuchtet: Der erste beschaftigt sich mit radikalen Innovationen, auch disruptive Innovationen genannt, welche eine hohe Transformation vom Unternehmen abverlangen. Der zweite Ansatz besteht aus kontinuierlichen Verbesserungen, bei denen die Transformation graduell und inkrementell verlauft (Von Leipzig et al. 2017, p.521). Disruptive Innovationen sind revolutionar, wohingegen inkrementelle Innovationen eher von evolutionarer Natur sind (Datta & Roumani 2015, p.206).

2.2.2.1 Disruptive Innovationen

Flor et al. (2017, p.2) beschreiben disruptive Innovationen als ,,substantial changes in technology that advance the price/performance frontier by much more than existing rate of progress." Ferras-Hernandes et al. (2017, p.2) sprechen dann von einer disruptiven Innovation, wenn , an old company is overridden by new firms, moving away from immature (yet-to-be improved) technological capacities." Der Ursprung der Innovation ist zwar derselbe, aber die Features und Prozesse, die eine disruptive Innovation definieren sind signifikante Verbesserungen im Vergleich zum Basisinnovationstyp (Datta & Roumani 2015, p.206; Joshi et al. 2010, p.473). Das Spannungsverhaltnis zwischen verschiedenen Architekturen digitaler und physikalischer Produkte wird einem spatestens dann bewusst, wenn man sich die Musik- oder Zeitungsindustrie vor Augen fuhrt. Diese beiden Industrien vollzogen einen drastischen Wandel, indem sich ihre materiellen Konditionen komplett anderten und die Prasentation der Inhalte von analog auf digital umgestiegen ist, was das gesamte Produkt veranderte (Piccinini et al. 2015, p.5). Disruptive Innovationen wie beispielsweise Cloud Computing erfordern die Gewinnung von neuem Wissen und das Experimentieren mit neuartigen Ideen (Kranz et al. 2016, p.477). Dadurch, dass disruptive Innovationen ein hohes MaB an Unsicherheit aufweisen, ist eine disruptive Wissensbasis schwerer zu absorbieren und zu assimilieren als eine inkrementelle Wissensbasis (Datta & Roumani 2015, p. 206; Kranz et al. 2016, p.488).

2.2.2.2 Inkrementelle Innovationen

Der Hauptunterschied zwischen radikalen und inkrementellen Innovationen liegt in „the degree of novel technological process content embodied in the innovation and hence, the degree of new knowledge embedded in the innovation " begrundet (Dewar & Dutton 1986, p.1423). Bei inkrementellen Innovationen sind keine Veranderungen in den Kernkonzepten oder Verknupfungen zwischen Kernkonzepten und Komponenten zu erkennen (Bahli et al. 2013, p.4636). Es handelt sich demnach um eine Verbesserung bzw.

[...]


1 Deutsch: Dynamische Fahigkeit

Ende der Leseprobe aus 265 Seiten

Details

Titel
Mobilisierung von Wissen im Bereich digitaler Innovationen. Eine qualitative Untersuchung der Absorptive Capacity in der Automobilindustrie
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Informationsmanagement)
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
265
Katalognummer
V460994
ISBN (eBook)
9783668889385
ISBN (Buch)
9783668889392
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Absorptive Capacity Digitale Innovationen Digitalisierung Change Automobilindustrie
Arbeit zitieren
Laura Storch (Autor:in), 2018, Mobilisierung von Wissen im Bereich digitaler Innovationen. Eine qualitative Untersuchung der Absorptive Capacity in der Automobilindustrie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/460994

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