Computerspiele im Unterricht. Eine medienpädagogische Analyse von Zielen, Bedingungen und Einsatzmöglichkeiten


Bachelorarbeit, 2016

41 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Medienpädagogische Grundlagen
2.1 Medien
2.1.1 Der Medienbegriff
2.1.2 Neue Medien
2.2 Lernen mit Medien
2.2.1 Lerntheorien
2.2.2 Mediendidaktische Konzepte
2.3 Schlussfolgerungen

3. Computerspiele und Ziele im Lernkontext
3.1 Computerspiele
3.1.1 Definition Computerspiele
3.1.2 Genres
3.1.3 Sonderfall Serious Games
3.2 Lernen und Computerspielen
3.2.1 Lernen durch Computerspiele
3.2.2 Lernziele von Computerspielen

4. Bedingungen für den Einsatz im Unterricht
4.1 Bedingungen im Handlungsfeld Schule
4.1.1 Schüler
4.1.2 Lehrer
4.1.3 Schule
4.2 Probleme mit Computerspielen
4.2.1 Aggressivität und Gewalt
4.2.2 Sucht

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Computerspiele haben sich heutzutage als Medium in Deutschland etabliert. Gemäß Zahlen des Bundesverbands für interaktive Unterhaltungssoftware e.V. (BIU) wurden im Jahr 2013 1,82 Milliarden Euro mit Computerspielen umgesetzt.1 Neben den wirtschaftlichen Daten ist es von Interesse zu sehen, wo und von wem Spiele konsumiert werden. So wird in 48% der Familien mit Kindern unter 18 Jahren gespielt, während es ohne nur in einem Drittel der Haushalte der Fall ist.2 Vor allem diese Erkenntnis lässt eine erste Überlegung zu, ob es hier Ansatzpunkte für die Einbindung von Computerspielen im Unterrichtskontext gibt, da Kinder anscheinend die treibende Kraft beim Konsum sind.

In Deutschland wurden Videospiele3 in jüngerer Vergangenheit oft in Verbindung mit Schulattentaten und der Frage nach deren negativen Einfluss auf Heranwachsende gebracht.4 Populäre und weit verbreitete Spiele wie z.B. Counter-Strike wurden argwöhnisch betrachtet und standen sinnbildlich für eine mögliche Gefahr für Kinder und Jugendliche, die den öffentlichen Diskurs dominierte.

Doch mittlerweile scheint die Diskussion um zumindest weitere Aspekte ergänzt zu werden bzw. sich auf diese zu verlagern. So erschien die Zeitschrift Der Spiegel in ihrer Ausgabe 3/2014 mit dem Titel: „Spielen macht klug. Warum Computerspiele besser sind als ihr Ruf.“5

Im Rückgriff auf die eingangs vorgebrachten Zahlen zur demographischen Verteilung der Spielenden, stellt sich nun die Frage, inwiefern Computerspiele eine Option für den Schulunterricht darstellen. Es gilt zu evaluieren, ob man mit bzw. durch interaktive Spiele als alternativen und ergänzendem Medium zu den bisher genutzten, wie Buch, Film und Musik sinnvolle Anknüpfpunkte im Unterricht findet. Die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche heute einen Großteil der Konsumierenden von Computerspielen ausmachen, lässt darauf hoffen, dass sich der Bezug zur Lebenswirklichkeit für die Arbeit im Unterricht nutzen lässt.

Die Forschung auf diesem Gebiet ist vielfältig und verteilt sich auf verschiedene Bereiche. So gibt es einerseits Untersuchungen bezüglich der Wirkung der Spiele auf Spieler, wie sie von Fritz an der Fachhochschule Köln betrieben werden. Andererseits wird auch die Einbindung von Computerspielen in Lernprozesse und den Unterricht diskutiert. Fromme und Biermann sind hier zwei zu nennende Namen. Die Mehrheit der wissenschaftlichen Publikationen zu diesem Themenkomplex ist neueren Datums und es erweckt den Anschein, dass das Forschungsfeld um Computerspiele in Verbindung mit Bildung noch viele weitere Potenziale beinhaltet.

Die Bedeutung der Thematik drückt sich auch durch die Veranstaltung von Fachkonferenzen aus. So stand die zweijährlich stattfindende Konferenz Clash of Realities, die in Kooperation der Fachhochschule Köln und des Spieleverlags Electronic Arts veranstaltet wird im Jahr 2012 im u.a. Zeichen des Gamebased Learning.6

Die vorliegende Arbeit ist nun darauf ausgelegt zu analysieren, ob und inwiefern der Einsatz von Computerspielen im Unterricht möglich sein könnte. Hierzu sollen nacheinander Ziele, Bedingungen und Einsatzmöglichkeiten untersucht und besprochen werden.

Zuerst entsteht das theoretische Fundament, in dem der Medienbegriff allgemein und für die Medienpädagogik definiert wird. Dem schließen sich eine Betrachtung von Lerntheorien und mediendidaktischen Konzepten an.

Auf dieser Grundlage sollen zuerst die Ziele abgesteckt werden, die durch den Einsatz von Computerspielen erreicht werden sollen. Nach einer einleitenden Definition des Terminus Computerspiel sowie einer Übersicht der verschiedenen Ausprägungen, folgen Betrachtung über die Fragen wie mit Computerspielen gelernt werden kann, und welche Kompetenzen erworben werden können.

Im Anschluss daran werden die Bedingungen die Anwendung diskutiert. Dazu gehört es sich u.a. die Akteure des Unterrichts im Detail unter dieser Prämisse zu betrachten. Geben die Lehrpläne bereits den Einsatz von Computerspielen her? Wie kann bzw. sollte die technische Ausstattung aussehen? Und vor allem: Auf welchen Grundlagen kann aufgebaut werden bezüglich Lehrer und Schülern?

Im Hinblick auf den möglichen Einsatz müssen auch die Risiken erörtert werden. Wie zu Beginn erwähnt, ist eine gewisse Grundskepsis gegenüber dem Thema der Videospiele in Deutschland vorhanden. Doch neben der Frage nach möglichem aggressionssteigerndem Potenzial stellt sich auch die Frage nach der Gefahr der Sucht.

Im anschließenden Fazit wird unter Würdigung der vorherigen Punkte resümiert, ob Einsatzmöglichkeiten gegeben sind. Dafür werden Punkte aufgezählt, die als Konsequenz dieser Arbeit als eine Art Leitfaden dienen soll.

Unter Würdigung aller Punkte folgt schließlich ein Fazit, das zu beachtende Punkte bei der Auswahl von Spielen auf Basis dieser Arbeit anführt. Dem schließt sich eine kurze persönliche Betrachtung der Thematik an.

2. Medienpädagogische Grundlagen

Bevor der konkrete Bezug von Computerspielen und deren Einsatz im Unterricht erörtert werden kann, sollen Grundlagen in Bezug auf Theorien und Begrifflichkeiten geschaffen werden. So folgt zunächst eine Annäherung und Definition des Medienbegriffs. Im Anschluss daran wird eine Übersicht der verschiedenen Lerntheorien, sowie mediendidaktischer Konzepte erstellt. Daran schließt sich eine kurze allgemeine Schlussfolgerung zum Nutzen digitalen Medieneinsatzes an.

2.1Medien

2.1.1 Der Medienbegriff

Medien sind wohl ein zentraler Bestandteil des alltäglichen Lebens der meisten Menschen. Fragt man sich jedoch nach einer eingrenzenden Definition dieses Begriffs, so fällt die dies nicht leicht. Dem Medienbegriff kann man nun auf zwei Wegen begegnen. Einmal über die Frage, was Medien sind bzw. was deren Aufgabe ist.

In der Allgemeinheit sind Medien in ihrer materiellen Form verknüpft mit Gegenständen bzw. Institutionen, wie Büchern, Fernsehern CDs oder aber Fernsehanstalten, der Presse etc.7 Dem gegenüber steht die inhaltliche Seite, bezogen auf die eben genannten Beispiel also der Text, der Film und die Musik. Im Englischen findet sich für diese beiden Bereiche eine bessere Unterscheidung, wenn einerseits die Rede ist von delivery system für die technische Seite, und andererseits von content für den inhaltlichen Part.8

Darüber hinaus wird der Medienbegriff je nach Aktionsfeld und wissenschaftlicher Fachrichtung anders interpretiert. Entsprechend seines lateinischen Ursprungs wird das Medium als Mitte/Mittel zwischen, auf der einen Seite Sender und auf der anderen Empfänger gesehen, dass in der Kommunikation zwischen beiden Parteien Informationen übermittelt.9

Für den Zweck dieser Arbeit muss nach einem medienpädagogischen Ansatz gesucht werden, der es erlaubt als Arbeitsgrundlage zu dienen. So haben sich Tulodziecki/Herzig ausgehend von den „Formen der Erfahrung“10 an eine Definition gewagt. Danach gibt es vier verschiedene Formen Dinge zu erleben und zu lernen, die in ihrer Abfolge auf immer vagere Weise Inhalte transportieren.

Die erste Art bezeichnet die reale Form, die wirklich stattfindende Handlungen meint. Als Zweites gibt es die modellhafte Form, die, wie der Name impliziert, sich auf Simulationen oder Modelle bezieht. Als Drittes folgt die abbildhafte Form als Schema oder Typisierung . Die vierte und letzte Form ist die symbolische Form, bei der der Empfang einer Information durch „verbale Darstellungen oder nicht-verbale Zeichen“11 geschieht.

Tulodziecki/Herzig weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Erfahrungsform zwar einen wichtigen Anteil an der Bildung einer Vorstellung über einen Gegenstand hat, und es „aus lerntheoretischer Sicht […] in der Regel wünschenswert“12 sei, dass die reale Form zum Zuge kommt, die anderen jedoch durchaus auch in der Lage sind dem Zweck des Lernens zu dienen. Vor allem dann, wenn Erfahrungen mit Gegenständen in realer Form bereits vorliegen, sei ein analoger Transfer auf weitere möglich.13

Der Brückenschlag zum Medienbegriff erfolgt bei Tulodziecki/Herzig nun darüber, dass die aufgezählten Erfahrungsformen „ein konstitutives Element der Interaktion des Menschen mit seiner Umwelt“14 darstellen, und selbst Medien sein können.

Für den pädagogischen Bereich sehen sie es als logisch an den Medienbegriff einzugrenzen, da die Verbindung beider vor allem in der geschichtlichen Entwicklung der zunehmenden Diversität von Übertragungsmöglichkeiten zu finden ist.15

Und so haben sie einen sehr technischen Medienbegriff für die Medienpädagogik entwickelt da sie

„Medien als Mittler [verstehen], durch die in kommunikativen Zusammenhängen potenzielle Zeichen mit technischer Unterstützung übertragen, gespeichert, wiedergegeben, angeordnet oder verarbeitet und in abbildhafter und/oder symbolischer Form präsentiert werden.“16

Neben der Auffassung von Tuluziecki/Herzig hat Kerres einen Diskurs in diesem Punkt bei Richard E. Clark und Robert Kozma ausgemacht.17 So liegt die Differenz von beiden ebenfalls in der Ansicht der Aufgaben von Medien im Lernkontext. Bei Clark haben diese keine Relevanz hinsichtlich des Lernerfolgs, sondern dienen einzig und allein der Übertragung des didaktisch aufbereiteten Lernangebots, auf dessen Qualität es ausschließlich ankommt, weshalb er didaktische Methoden und Medien trennt. Kozma hält dagegen und vertritt die Gegenposition, indem er die Wahl des Medium aufwertet, da dieses in der Lage sei den Lernprozess positiv wie negativ anzuregen.18 Diese Ansicht eröffnet neue Möglichkeiten und Stellschrauben.

Die verschiedenen Meinungen verdeutlichen, dass es in der Medienpädagogik keine eindeutige Beschreibung des Begriffs gibt, jedoch Schnittmengen zwischen verschiedenen Ansichten. Clark gleicht in seinen Ausführungen Tulodziecki/Herzig, während Kozma über den technischen Vermittlungsaspekt hinausgeht.

2.1.2 Neue Medien

Da sich die vorliegende Arbeit mit dem Thema Computerspiele beschäftigt, muss der Bereich der sogenannten Neuen Medien detaillierter betrachtet werden.

Dem voran geht eine zeitliche Einordnung, die Arten von Medien hinsichtlich ihres Auftauchens in der geschichtlichen Abfolge kategorisiert.

Diese übliche Einordnung unterscheidet zwischen Primar-, Sekundär-, Tertiär-, und Quartärmedien, die sich jeweils in ihrer Form unterscheiden.19

So sind die Primärmedien auf direkte menschliche Interaktion bezogen, was Ausdruck finden kann durch z.B. eine Erzählung, eine Zeremonie. Wichtig ist die Unmittelbarkeit, da hier nichts zwischen Sender und Empfänger zwischengeschaltet wird.

Dies ändert sich mit dem Aufkommen der Sekundärmedien. Diese, unter die Geschriebenes und Gedrucktes fällt, zeichnen sich durch die Notwendigkeit von Produktionsmitteln auf der Produktionsseite aus, während mit Aufkommen der Tertiärmedien auch Rezipienten technische Hilfsmittel benötigen.20 Diese Gruppe umfasst Medien wie Film und Funk, die in dieser Form erst durch die Verbreitung der Elektrizität möglich wurden.

Die jüngste Gruppe bildet die der Quartärmedien. Zentral ist hier der Computer, der mit seiner massenhaften Verbreitung zum Ende des 20. Jahrhunderts die Digitalisierung von Inhalten einläutete. Unter anderem führt dies auch dazu, dass Schranken zwischen den genannten Gruppen nun fallen, da z.B. ein Buch nun auch in seiner digital Form vorliegen kann.21 Genau hier setzt auch der Terminus der Neuen Medien an. Vollbrecht hat einige weitere zentrale Merkmale dieser Gruppe zusammengefasst. Neben der bereits erwähnten digitalen Verarbeitung von Medien vorheriger Kategorien, führt er den Aspekt der Vernetzung ein.22 So ist es nun für jedermann möglich sich mit anderen über weite Distanzen zu vernetzen. Insbesondere durch das Internet, das heute in Zeiten von Smartphones omnipräsent ist, hat sich die Option der ständigen Informationsaufnahme ergeben.

Ein dritter, und vielleicht noch wichtigerer, da gänzlich neuer Punkt, könnte die neue gewonnene Gelegenheit der Interaktion sein. Diese ist entweder technisch ausgeprägt, wenn es zum Agieren mit einer Maschine/einem Computerprogramm kommt, oder zwischenmenschlich, bei Kommunikation durch beispielsweise verschiedene neuentstandene Plattformen.23

Innerhalb dieser Kategorien kann man nun die Computerspiele einordnen. Zweifelsohne fallen diese in den Bereich der Quartärmedien, da sie erst mit Entwicklung des Computers möglich wurden. Insbesondere das neue Detail der Interaktivität zeichnet Computerspiele aus, und unterscheidet sich deutlich vom einseitigen Konsum aller vorherigen Medienkategorien. Während ein Buch oder ein Film im Gebrauch Einbahnstraßen sind, ermöglicht es das Computerspiel, dass Spieler viel stärker involviert werden.24 Dieser agiert je nach Spiel mehr oder weniger frei in der virtuellen Welt und erfährt hier einen starken Bezug zu dieser und seiner Spielfigur.25 Mit technischem Fortschritt ist die Interaktion auch nicht mehr auf vorprogrammierte Ereignisse im Spiel reduziert, sondern wird durch Mehrspielermodi auf eine beliebige Anzahl weiterer Spieler auf der ganzen Welt vergrößert. Für die Medienpädagogik stellt sich deshalb u.a. die Aufgabe zu analysieren, welche Schlüsse sich für den schulischen Alltag aus der sich verändernden Medienlandschaft ziehen lassen und wie eine sinnvolle Einbindung aussehen könnte.

2.2Lernen mit Medien

2.2.1 Lerntheorien

Da die didaktische Nutzung von Medien auf lerntheoretischen Ansätzen basiert, soll eine Übersicht dieser gegeben werden.

Begonnen wird mit dem Behaviorismus, dem ein Stimulus-Response-Modell zugrunde liegt und deshalb über das Prinzip der Verstärkung funktioniert.26 Positive Reaktionen auf ein Verhalten verstärken den Anreiz in Zukunft auf ähnliche Art zu handeln. Eine negative

Reaktion dagegen führt zwar, wie man auch in logischer Konsequenz annehmen würde, zu einem Unterlassen, doch scheint dieser Effekt hier nur kurz anzuhalten. Die positive Verstärkung wirkt effektiver und langfristig. Eine zeitlich direkte Rückmeldung hat zusätzliche bestärkende Wirkung.27 Eine dritte Option besteht im Ignorieren des Anreizes.

In Bezug auf Medien, die zum Lernzweck eingesetzt werden, ist dies ein durchaus gängiges Prinzip, das z.B. automatisierte Lernprogramme nutzen, wohl aber im Endeffekt nur zum Lernen von Faktenwissen geeignet ist.28]

Der kognitivistische Ansatz dagegen betrachtet den Lernenden als Ganzes, und fokussiert sich auf die Wahrnehmung und Verarbeitung von eingehenden Informationen auf mehreren Ebenen.29 Im Gegensatz zum Behaviorismus ist das Menschenbild hier ein anderes. Denn dieser wird nun als Individuum wahrgenommen, das nicht mehr nur passiv durch äußere Impulse gelenkt werden kann, sondern als Person, die Einflüsse für sich selbst verarbeitet.30 Das bedeutet in der Konsequenz, dass erstens die Instruktionen an eine Person an Bedeutung gewinnen und zweitens die „Lernumgebungen so zu gestalten [sind], dass der Lernende sich aktiv mit den Medien und den Inhalten auseinandersetzen kann.“31

Der konstruktivistische Ansatz kam in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts auf und änderte wiederum den Blick auf den Lernenden. Jetzt rückt die eigene Gestaltung des Lernens in den Vordergrund. Wie der Name impliziert, wird dieser Ansatz von der Idee geprägt, dass Wissen nun nicht mehr abgelegt wird, sondern situativ konstruiert wird und von subjektiver Erfahrung abhängt.32 Es ist offensichtlich, dass dem Lernenden sehr viele Freiheiten im Lernprozess überlassen werden. Das Aufkommen des Ansatzes in den 90er Jahren korreliert mit der Verbreitung von Computersystemen. Diese ebnen den Weg zu offenen Lernumgebungen und Wissensangeboten, auch durch Technologien wie dem Internet. Wird der Ansatz in Gänze befolgt, so würde der Lehrer zum Moderator werden, und beim Lernenden die „Gefahr der Desorientierung und Überforderung“33 bestehen, so die Ansicht von Süss/Lampert/Wijnen. Interessant ist bei diesem Ansatz dennoch die zeitliche Überschneidung der neuen Technologien, die den Nutzern neuen Freiheiten gewähren, und der Erscheinung einer neuen Theorie, die in ihrem Kern genau diesen Weg beschreitet.

Dem vierten Ansatz, dem Pragmatismus, liegt zugrunde, dass dieser die vorherigen Betrachtungen nicht ausschließt, sondern sie ergänzend betrachtet, um so „der Komplexität sozialer Phänomene gerecht zu werden.“34 Der Lernvorgang erfolgt als ein „handlungs- und erfahrungsorientierten Lernen“ bei dem der Medieneinsatz nicht im Vordergrund steht, sondern das Medium dazu dient, dass durch dieses eine Aufgabe gelöst wird.35 Der Stellenwert ist als deutlich gemindert.

Der letzte Ansatz auf den hier eingegangen werden soll ist der Konnektivismus, Diese noch recht neue Betrachtungsweise, die soziale Aspekte in den Vordergrund stellt, steht in einer Reihe mit weiteren neuen Ansätzen, die sich im Fahrwasser der digitalen Medien bildeten.36 Der wörtlich genommene „vernetzende“ Gesichtspunkt drückt sich dadurch aus, dass Wissen über Punkte miteinander vernetzt ist. Am Ende solcher Punkte können auch Medien stehen. Lernen bedeutet nach Siemens hier nicht unbedingt Inhalte zu kennen, sondern einzuordnen, nach Relevanz zu sortieren und auch zu wissen, wo etwas steht, anstatt zu wissen wie oder was etwas ist.37

Der Vergleich der genannten Lernansätze zeigt, dass sie Medien jeweils mehr oder weniger in ihr theoretisches Konstrukt einbinden. Beim Behaviorismus z.B. muss das Konzept auf neu entstandene Medien übertragen werden. Der Pragmatismus dagegen bedenkt sie, teilt ihnen jedoch keine herausragende Rolle zu. Der noch relativ neue Konnektivimus dagegen scheint erst durch die medialen Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit möglich und ist auf diese ausgelegt.

2.2.2 Mediendidaktische Konzepte

Der mediale Gebrauch im Lern-Lehr-Kontext lässt sich in mediendidaktische Konzepte einteilen. Sie unterscheiden sich in Punkten wie geringer oder hoher Grad der Festlegung des Lehr-Lernprozesses durch den Medieneinsatz, Aufgaben des Lehrenden, Art des Lernens und Planungskompetenz.38

Die nachfolgend aufgeführten Konzepte sind an Tulodziecki/Herzig nachempfunden:39

Lehrmittelkonzept: Dieses bezieht sich auf Medien visueller Form, wie Bilder oder schriftliche Darstellungsformen. Der Einsatz zeichnet sich durch deren Flexibilität für den Lehrenden aus, der auf sie als Hilfe zurückgreifen kann. Im Vorfeld hat dieser bei der Planung die Aufgabe sämtliche Medien für den Unterricht auszuwählen und einzubauen. Lernende haben eine rezeptive und reaktive Funktion.

Arbeitsmittelkonzept: Medien erfüllen hier insbesondere einen Zweck für die Lernenden. Aufbauend auf reformpädagogische Ansätze können Medien hier beispielsweise Lernkarten sein, die so die Rolle von Lernmittel annehmen. Wichtig ist hier der materielle Bezug der zum Medium respektive Lernmittel aufgebaut wird.

Bausteinkonzept: Medien wird hier ein Teil des Unterrichts eingeräumt. Dieses Konzept lässt sich gut mit einem Film erläutern. Dieser ist hinsichtlich didaktischer Struktur (insofern es sich um einen Lehrfilm handelt) und Inhalt eine „externe Produktion.“40 Das Medium hilft dem Lehrenden nun nicht mehr, indem es beispielsweise Ausführungen einfach nur untermalt, vielmehr werden Passagen des Unterrichts komplett übernommen. Der Lehrende baut diesen „Baustein“ in den Ablauf ein. Es wäre jedoch ein Trugschluss damit eine Reduzierung der Verantwortung zu sehen. Vielmehr müssen Lehrende im Vorfeld die Güte der Medien überprüfen. Darüber besteht die Aufgabe darin, die Inhalte an die Lernenden und deren Lernfortschritt anzupassen. Die Lernenden in diesem Konzept sind abermals rezeptiv und reaktiv. Dieser Umstand kann jedoch vor bzw. nach Nutzung durch weitere Arbeitsschritte geändert werden.

Systemkonzept: Der Grundgedanke dieses Konzepts sieht vor, dass Medien (in Verbünden mehrerer verschiedener) Unterricht gänzlich übernehmen. Am Beispiel der Fernuniversität lässt sich das am besten verdeutlichen. Die Konzeptionierung und Erstellung des Materials wird von zentralen Stellen übernommen, die Auswahl bleibt schließlich als einziges beim Lehrenden. Die Lernenden tun dies zwar eigenständig, aber nur auf rezeptive und reaktiv Weise.

Im Gegensatz zur Erwachsenenbildung hat sich das Systemkonzept im Unterricht an Schulen nicht bewährt. Es gestaltet sich als schwierig als Lernkonzepte für unbekannte Gruppen zu entwickeln, da diese sich nicht im Vorfeld ausrechnen lassen, und jede Gruppe anders funktioniert. Zudem scheint das mangelnde soziale Element dem Erfolg entgegenzustehen.

[...]


1 Vgl. http://www.biu-online.de/de/fakten/marktzahlen-2013/die-deutsche-gamesbranche-im-ersten-halbjahr-2012/marktvolumen.html; Abruf am 15.09.2014.

2 Vgl. http://www.biu-online.de/de/fakten/reichweiten/familien.html, Abruf am 15.09.2014.

3 Im Verlauf der Arbeit werden die Worte Computerspiel und Videospiel synonym verwendet.

4 Vgl. http://www.welt.de/vermischtes/article3361746/Amoklaeufer-spielte-gewalttaetige-Videospiele.html, Abruf am 01.09.2014.

5 Vgl. Der Spiegel 3/2014 vom 13.01.2014.

6 Vgl. http://www.verwaltung.fh-koeln.de/aktuelles/2012/05/verw_msg_04934.html, Abruf am 20.08.2014.

7 Vgl. Tulodziecki/Herzig: Mediendidaktik., S.12f.

8 Vgl. Kerres: Mediendidaktik., S.132.

9 Vgl. Böhme: Schule am Ende der Buchkultur. S.13f.

10 Vgl. Tulodziecki/Herzig: Mediendidaktik., S.14.

11 Vgl. Tulodziecki/Herzig: Mediendidaktik., S.15.

12 Ebd., S.15.

13 Vgl. ebd., S.16.

14 Vgl. ebd., S.17.

15 Vgl. ebd., S.18.

16 Ebd., S.18.

17 Vgl. Kerres: Mediendidaktik., S.133f.

18 Vgl. Kerres: Mediendidaktik., S.134.

19 Vgl. Lermen: Digitale Medien in der Lehrerbildung., S.217.

20 Vgl. ebd., S.217.

21 Vgl. ebd., S.217f.

22 Vgl. Vollbrecht: Neue Medien., S.237.

23 Vgl. Vollbecht: Neue Medien., S.238f.

24 Vgl. ebd., S.239.

25 Vgl. ebd., S.239.

26 Vgl. Süss/Lampert/Wijnen: Medienpädagogik., S.177.

27 Vgl. Kerres: Mediendidaktik., S.113.

28 Vgl. Süss/Lampert/Wijnen: Medienpädagogik., S.177.

29 Vgl. Kerres: Mediendidaktik., S.119.

30 Vgl. Tulodziecki/Herzig/Blöm>

31 Süss/Lampert/Wijnen: Medienpädagogik., S.177.

32 Vgl. Kerres: Mediendidaktik., S.124.

33 Süss/Lampert/Wijnen: Medienpädagogik., S.178.

34 Kerres: Mediendidaktik., S.129.

35 Süss/Lampert/Wijnen: Medienpädagogik., S.179.

36 Vgl. ebd., S.179.

37 Vgl. Siemens: Connectivism., http://www.elearnspace.org/Articles/connectivism.htm, Abruf am 15.08.2014.

38 Vgl. Tulodziecki/Herzig: Mediendidaktik., S.112.

39 Vgl. Tulodziecki/Herzig: Mediendidaktik., S.112 - 118.

40 Vgl. Mayrberger: Verändertes Lernen mit neuen Medien?, S.69.

Ende der Leseprobe aus 41 Seiten

Details

Titel
Computerspiele im Unterricht. Eine medienpädagogische Analyse von Zielen, Bedingungen und Einsatzmöglichkeiten
Hochschule
Universität zu Köln
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
41
Katalognummer
V460915
ISBN (eBook)
9783668895539
ISBN (Buch)
9783668895546
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Videospiele, Computerspiele, GTA, Medienpädagogik, unterricht, Fortnite, APEX, Kinder, Schüler, Lernen, Digitalisierung, Call of Duty, Chancen, Minecraft, Pokemon
Arbeit zitieren
Andreas J. Moj (Autor:in), 2016, Computerspiele im Unterricht. Eine medienpädagogische Analyse von Zielen, Bedingungen und Einsatzmöglichkeiten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/460915

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