Patente aus dem 3D-Drucker. Neue Technologie aber altes Recht


Seminararbeit, 2018

36 Seiten, Note: 10


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung
1. Motivation
2. Aktuelle Interessenlage
3. Aufbau der Arbeit

B. 3D-Druck als Gegenstand des Patentrechts
1. Schutzfähigkeit der 3D-Drucktechnologie und Druckerzeugnisse
a. Bioprinting
2. Rechtfertigungsgründe
a. Gewerbliche und private Nutzung, § 11 Nr. 1 PatG
b. Handlungen zu Versuchszwecken, § 11 Nr. 2 PatG
c. 3D-Druck von Arzneimitteln, § 11 Nr. 3 PatG
d. Zwischenergebnis

C. Patentverletzungen hinsichtlich einer 3D-Replikation
1. Die CAD-Datei als 3D-Druckmodellvorlage
a. Erstellen der CAD-Datei
b. Verbreiten der Datei
c. Zwischenergebnis
2. 3D-Druckerzeugnisse
a. Herstellenlassen
b. Erlaubte und unerlaubte Handlungen im privaten Bereich
c. Druck von Ersatzteilen

D. Herstellung von 3D-Druckern

E. Haftung Dritter
1. Haftung beim Auftragsdruck
2. Haftung von Online-Plattformbetreibern
3. Zwischenergebnis

F. Gesamtergebnis und Ausblick

Literaturverzeichnis

Patente aus dem 3D-Drucker: Neue Technologie – Altes Recht

A. Einleitung

1. Motivation

Das Zukunftsprojekt der Bundesregierung „Industrie 4.0“, welches die „vierte industrielle Revolution“ und mithin eine Digitalisierung der Industrie beschreibt, war noch vor einiger Zeit undenkbar.1 Die Entwicklung der Einbettung von automatisierten, meist internetgestützten Technologien in Bereiche wie Fabrikation, Mobilität, Gesundheit und Klima führt international zu immer stärkerer Einbeziehung des Endverbrauchers in Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse. Durch die Digitalisierung ehemals analoger Techniken können heute komplexe Konstrukte automatisiert hergestellt und auf Veränderungen schneller reagiert werden. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um körperlich greifbare Veränderungen handelt oder um eine erforderliche Reaktion auf Trends, Geschmäcker oder Nachfrage. Produkte weisen nunmehr einen höheren Grad an Individualisierungsmöglichkeiten auf.2 Oftmals erhalten sie erst an Vollständigkeit durch die Kopplung von mehreren Komponenten, wobei es sich bei zumindest einem Element um die internetgestützte Technologie handelt und bei zumindest einem anderen Element um den körperlichen Gegenstand, auf dem diese ihre Funktion verwirklichen kann. Zu den Entwicklungen der Digitalisierung zählt auch der 3D-Druck, der schon seit einigen Jahrzehnten als Konstruktions- und Fertigungstechnik zu industriellen Zwecken bekannt ist, bisher aber kaum rentabel und schwierig umsetzbar war.3

„3D-Druck“ ist der Sammelbegriff für eine Vielzahl an Herstellungstechniken wie Additive Manufacturing, generativer Fertigung oder Prototyping. Gemeinsamkeit dieser Technologien ist das Verfahren eines schichtweisen Auftragens durch Verkleben oder Verschweißen, welches die Fertigung nahezu jeglicher Formen ermöglicht.4 Die verschiedenen 3D-Druck-Verfahren eigenen sich je nach Technik auch zur Fertigung kleiner, filigraner Teile zu geringen Kosten.5 Die Vielfalt der verwendeten Materialien ist groß und reicht von Kunststoffen über Metalle6 bis hin zu lebendigen menschlichen Zellen (so genannte „Biotinte“, bei der die zu druckenden Materialien mit Zellen angereichert werden)7.

Die Grundvoraussetzung für den 3D-Druck ist eine sogenannte CAD-Datei. Die computer-aided-design- Datei wird mittels 3D-Scan oder einem speziellen Programm digital konstruiert und dient als alle nötigen Informationen beinhaltender „Bauplan“ des zu druckenden Erzeugnisses.8

Die Herstellung von Gütern wird anhaltend zugänglicher. So können sogar schon seit einigen Jahren 3D-Drucker-Einstiegsmodelle vom Privatmann zu überschaubaren Preisen erworben werden.9 Billige Nachmachen ersetzen teure Originale, gefährden dabei vor allem Konsumgüterhersteller und setzen das herkömmliche Geschäftsmodell unter Druck.10 Doch handelt es sich dabei nicht nur um die Herstellung von Billigalternativen im Sinne von Substitutionsgütern, sondern darüber hinaus um Billigalternativen im Sinne von Produktreplikationen, mithin Plagiaten.

Zwar ist die industrielle Fälschung von Originalprodukten kein unbekanntes Problem, doch bietet die 3D-Drucktechnologie einen bisher unvergleichbar einfachen Zugang zur hauseigenen Nachproduktion von patentgeschützten Erfindungen ohne technisches Vorwissen. Diese daraus entstehende Gefährdung der Schutzrechte verursacht gerade unter Herstellern und Trägern dieser Rechte, die mit großen finanziellen Aufwand und im Vertrauen auf den individuellen Schutz des Immaterialgüterrechts produzieren, einen Aufschrei.11 Hier handelt es sich um meist aufwendig und teuer herzustellende Produkte, die spezieller Fertigung bedürfen und, um einen wirtschaftlichen Ausgleich zu schaffen, dementsprechend zu hohen Preisen angeboten werden.

Die Schutzrechtsinhaber stehen dabei so unter Druck, dass schon vor einigen Jahren eine Diskussion im Bereich des Immaterialgüterrechts losgelöst wurde.12 Ein effektiv funktionierendes Schutzsystem ist für den Erfinder unverzichtbar.

Zuletzt im Februar 2018 beschäftigte sich sogar das Europäische Parlament mit der Klärung von rechtlichen Fragen bezüglich des 3D-Drucks im Bereich des geistigen Eigentums und forderte die Kommission unter verschiedenen Erwägungen auf, mögliche Prüfungen oder Ausarbeitungen von Vorschriften einzuleiten.13

Obwohl mangels ausreichender Komplexität noch bestritten wird, der 3D-Druck hätte bereits Auswirkungen auf die Ökonomie,14 zeichnet sich eine besorgniserregende Zukunftsprognose der Umsetzung von nicht nur eigenen aber auch fremden Ideen klar ab.

In den letzten Jahren etablierte sich der 3D-Druck auf dem Markt und erfreuen sich einer stetig wachsenden Nutzergruppe. Die digitalisierte und automatisierte Industrie zieht ihre Vorteile aus dieser Entwicklung: Sei es wegen der neuartigen Komplexität und Individualität der Druckerzeugnisse,15 der vereinfachten Anfertigung von Individualprodukten und Kleinstserien durch Wegfallen spezifischer Werkzeuge oder einer reduzierten Lagerhaltung durch eine steigende Anzahl an just-in-time -Lieferungen.16 Die Forschung der Technik schreitet schnell voran. So kam es im Jahr 2017 zum Bau eines bewohnbaren Hauses, hergestellt mit einem 3D-Drucker.17 Sogar die NASA sieht die Zukunft des 3D-Drucks zugunsten höherer Autonomie und Flexibilität von Astronauten im Weltall.18 Während das Thema nicht nur in den öffentlichen Medien große Präsenz zeigt, sind weit über Prototypen hinausgehende funktionstüchtige Erzeugnisse aus dem 3D-Drucker jetzt schon Realität.

Die Technologie findet indes ihre Grenzen hinsichtlich langsamer Baugeschwindigkeit, zu erfüllenden Sicherheitsanforderung, einer begrenzten Komplexität und Präzision bestimmter Druckprozesse oder hoher Materialkosten.19 Eine Auflösung dieser Probleme ist aber abzusehen und die Erreichbarkeit für die Masse in Arbeit.20 Die Einsatzmöglichkeiten des 3D-Drucks sind weit gefächert und scheinen sich noch in weitere Bereiche ausbreiten zu werden.

So soll sich das Marktvolumen in den nächsten fünf Jahren fast verdoppeln und einen Umsatzwert von knapp 8 Milliarden Euro annehmen.21 Die Kosten für die Fertigung sollen im gleichen Zeitabschnitt dagegen sinken.22 Die zukünftig zunehmende Praxisrelevanz liegt auf der Hand:23 Im Jahr 2015 wurde der 3D-Druck als wichtigster Technologietrend der deutschen Industrie benannt.24

2. Aktuelle Interessenlage

Im klassischen Interessenkonflikt des Patentrechts stehen sich traditionell Allgemeinheit, Erfinder und potentieller Verletzer im Dreiecksverhältnis gegenüber. Dabei haben Mitbewerber und Allgemeinheit ein Interesse an dem freien Zugang zum Erfindungswissen.25 Für den Erfinder dagegen steht die Einräumung von Ausschließlichkeitsrechten als Anreiz und Belohnung für seine erfinderische Tätigkeit im Vordergrund. Diese erhält er durch die Offenbarung und Zugänglichmachung seiner Erfindung.26 Der Zweck des Interessenausgleiches ist nicht nur wirtschaftlicher und finanzieller Ausgleich, sondern im Wege einer Anspornfunktion gerade das allgemeine Voranbringen der Forschung und Entwicklung im Gebiet der Technik zugunsten aller.27

Das allgemein bekannte Schutzsystem des Patentrechts findet sich in einer zwar zeitgemäßen, aber bisher unbekannten Situation wieder. Die Verknüpfung der „virtuellen“ und „realen“ Welt bewirkt eine Dezentralisierung der Merkmalsverwirklichung und macht die räumliche, zeitliche und sachliche Identifizierung einer Patentverletzung zu einer bisher unbekannten Herausforderung.28 Ebenfalls aufwendiger wird dadurch die Identifizierung des Verletzers selbst, wenn die eigentliche Verletzungshandlung in eine unüberschaubare Vielzahl an Teilakten und Akteuren aufgebrochen wird. Darüber hinaus bewirkt das Verschwimmen der Grenzen der privaten und gewerblichen Sphären Unsicherheiten bei Feststellung der eigentlichen Patentwirkung auf den potentiellen Verletzer.29

Die Interessen des Erfinders ändern sich nicht unter einer solchen Multipolarität der Verletzungshandlung. Mithin soll damit gesagt werden: Unabhängig davon, auf welche Weise Verletzungen begangen werden, sei es durch mehrere Akteure oder nur durch eine Einzelperson, anhand von körperlichen oder unkörperlichen Erfindungen oder gleichwohl eines Hybrides, bleibt die traditionelle Interessenlage unverändert bestehen.30

Der 3D-Druck schafft die Voraussetzung neuer Möglichkeiten der Herstellung und Nutzung von patentgeschützten Erzeugnissen. Diese Möglichkeiten können, soweit sie nicht durch ein angemessenes Schutzsystem abgefangen werden, so weit gehen, dass das Konstrukt des Interessenausgleichs des Patentsystems nicht mehr in seiner traditionellen Komposition funktionieren kann.

Von großer Bedeutung ist ein dementsprechender Schutz der Rechte des Erfinders, um einen gerechten Ausgleich für seine Erfindung zu gewähren.

Die vorrangige Frage dabei ist:

Kann das Patentrecht genügend Kompetenz und Flexibilität aufweisen, um einen solchen ausreichenden Schutz überhaupt zu gewähren und den Schwierigkeiten angemessen zu begegnen?

3. Aufbau der Arbeit

Bisher beschäftigte sich die Gesetzgebung nur in überschaubaren Maße mit betreffender Thematik der Digitalisierung der Industrie. Gerade in Bezug auf den 3D-Druck sind keine Präzedenzfälle oder eine Klarstellung durch die Rechtsprechung vorzuweisen. So sind in der Literatur vereinzelt Artikel aufzufinden, die sich zumindest teilweise mit den Auswirkungen der Digitalisierung und speziell des 3D-Drucks auf das Patentrecht beschäftigen. Besonders im Hinblick auf die Aktualität besteht genügend Klärungsbedarf, um solch eine Diskussion zu eröffnen.

Stellt man sich die Gesamtheit des Patentrechts als ein Puzzle vor, soll dieses in der vorliegenden Arbeit in seine einzelnen Puzzleteile auseinandergenommen werden. Diese einzelnen Teile stellen die Bereiche dar, die auf mögliche Problemstellungen hin untersucht werden. Sinn des Auseinandernehmens des Gesamtbildes ist es, die einzelnen Aspekte insoweit getrennt voneinander zu analysieren, dass vor dem Hintergrund einer themenorientierten Analyse, aufkommende Schwierigkeiten zunächst in kleineren Dimensionen angegangen werden können. Dies ermöglicht den Austausch unpassender Muster und Formen und die Schließung etwaiger Lücken.

Das Vorgehen findet, um insoweit speziell für das Patentrecht angemessene Ergebnisse zu erzielen, ausschließlich aus einem patentrechtlichen Blickwinkel statt.

Im nächsten Schritt folgt die Zusammensetzung: Es muss dafür gesorgt werden, dass die Puzzleteile nach allem insofern weiterhin miteinander harmonieren, dass sie genau wie vorher ein großes einheitliches Gesamtbild ergeben.

Dementsprechend soll gefragt werden:

Welche konkreten Probleme ergeben sich in den einzelnen Bereichen um den 3D-Druck? Kann das geltende Patentrecht diesen Herausforderungen sachgerecht begegnen?

Im Wege einer Einführung soll der 3D-Druck zunächst mit dem geltenden Patentrecht in Verbindung gebracht werden, indem ein Blick auf die Schutzfähigkeit der 3D-Drucktechnologie und Druckerzeugnisse, sowie auf die Berührpunkte hinsichtlich etwaiger Rechtfertigungsgründe geworfen wird (B.). Der Fokus der Arbeit liegt auf der Betrachtung der 3D-Replikation (C.). Dabei wird das ganze Spektrum des Prozesses beleuchtet und potentielle Benutzungshandlungen sowohl hinsichtlich der 3D-Druckmodellvorlagen als auch der 3D-Druckerzeugnisse untersucht. Im Anschluss soll ein kurzer Blick auf die 3D-Drucker selbst erfolgen (D.) und schließlich in Anknüpfung an den potentiellen Verletzerkreis die Haftung Dritter untersucht werden (E.).

B. 3D-Druck als Gegenstand des Patentrechts

1. Schutzfähigkeit der 3D-Drucktechnologie und Druckerzeugnisse

Die Patentierbarkeit der 3D-Drucktechnologie und der Druckerzeugnisse bemisst sich nach den allgemeinen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 PatG: Dazu muss die auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhende Erfindung neu und gewerblich anwendbar sein.31

Hinsichtlich der 3D-Drucktechnologie als technisches Verfahren werden hier keine Fragen aufgeworfen. In Bezug auf die Ausdrucke ist festzustellen, dass die Art der Herstellung eines Erzeugnisses grundsätzlich nicht über seine Schutzwürdigkeit entscheidet.32 Die Schutzfähigkeit der 3D-Technologie als Verfahrenspatent nach § 9 S. 2 Nr. 2 PatG und der Druckerzeugnisse als Erzeugnispatente nach § 9 S. 2 Nr. 1 PatG ist demzufolge unbedenklich. Zusätzlich kann patentrechtlicher Schutz für unmittelbare Verfahrenserzeugnisse (§ 9 S. 2 Nr. 3 PatG) beansprucht werden.

a. Bioprinting

Ein Sonderfall der Schutzfähigkeit stellen mit menschlichen oder tierischen Zellen oder menschlichen Stammzellen angereicherten Materialien gedruckte Erzeugnisse dar. Die Technik des „Bioprintings“ ermöglicht die präzise Herstellung komplexer Formen ohne Probleme.33 Während derzeitige Produktionsergebnisse noch nicht für den allgemeinen Einsatz tauglich sind, schreitet die Forschung jedoch mit schnellen Schritten voran.34 Fraglich ist, ob solche organischen Ausdrucke ebenfalls patentfähig sind.

Die Vorschrift des § 1 Abs. 2 PatG sieht eine zulässige Patenterteilung für Erfindungen vor, deren Erzeugnisse aus biologischem Material bestehen oder solches enthalten. Sogar biologisches Material, das schon in der Natur vorhanden war, kann zulässiger Gegenstand einer Erfindung sein. Maßgeblich ist hier die Isolierung solchen Materials aus seiner natürlichen Umgebung mithilfe eines technischen Verfahrens.35

So könnte beispielsweise ein aus Biotinte hergestelltes funktionsfähiges menschliches Organ aus dem 3D-Drucker eine patentierfähige Erfindung sein.

Ob Organe auf Knopfdruck aber nicht vielmehr ein moralisches Dilemma darstellen und sogar wegen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder guten Sitten gemäß § 2 Abs. 1 PatG, Art. 53 (a) EPÜ von einer Patentierbarkeit ausgeschlossen sind, ist bisher nicht geklärt.

Der Maßstab der guten Sitten ist neben dem nicht abschließenden Katalog von Abschlusskriterien des § 2 Abs. 2 PatG anhand traditioneller ethischer Kriterien zu messen.36 Das EPA definiert den moralischen Rahmen als einen kulturell verankerten Glauben an richtiges und falsches Verhalten und verneint im Wege des Art. 53 (a) EPÜ eine Patentierbarkeit von Erfindungen, die sich gegen diese moralischen Vorstellungen richten.37 Das Patentsystem bezieht sich unter anderem auf die Allgemeinheit und sollte dementsprechend deren Kultur und soziale Werte widerspiegeln.38 Zweck einer solchen Ausschlussvorschrift ist die Vermeidung von Widersprüchen zwischen den Grundwerten der Gesellschaft und der Technik innerhalb einer Rechtsordnung.39 Die Basis der Überlegung ist dabei, ob es sich bei dem Bioprinting um eine zukunftsträchtige Revolution medizinischer Behandlung oder nur um eine weitere profitorientierte Technologie handelt.40 In diesem Sinne wäre auch die Frage nach dem Eigentum an solchen Erzeugnissen mit Bezug auf die Selbstbestimmung des Patienten zu stellen.41

Eine konkrete rechtliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit erst im Wege der ersten Einzelfallpraxis zu erwarten. Es erscheint, als könne im Hinblick auf den 3D-Druck eine strengere Deutlichkeit des Begriffs der „guten Sitten“ oder zumindest eine greifbare Klärung des Sachverhalts durch die Rechtsprechung erforderlich werden.

2. Rechtfertigungsgründe

a. Gewerbliche und private Nutzung, § 11 Nr. 1 PatG

3D-Drucker sind inzwischen zu privat zugänglicher Ware geworden. Es bedarf keines großen technischen Vorwissens, um solche zu bedienen und den Laien zum Hersteller werden zu lassen. Patente entfalten lediglich eine kommerzielle Wirkung und sind nicht für den Eingriff in private Haushalte gedacht.42 Handlungen, die im privaten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken vorgenommen werden stehen gemäß § 11 Nr. 1 PatG nicht unter der Patentwirkung, soweit die Voraussetzungen kumulativ vorliegen.43

Der private Bereich ist als objektives, nicht räumliches Merkmal zu bestimmen und betrifft die reine Privatsphäre, wie Familie, Haushalt, Sport, Spiel und Unterhaltung.44

Als gewerblich gelten Handlungen, die unmittelbar oder mittelbar einem erwerbsorientierten Zweck dienen.45 Aufgrund der geringen Kontroll- und Durchsetzungsmöglichkeiten von Ansprüchen im privaten Bereich erscheint es zweckführend schon bei nur möglicherweise vorliegender gewerblicher Handlung eine Privilegierung durch § 11 Nr. 1 PatG auszuschließen.46

Gerade bei dieser Abgrenzung des privaten vom gewerblichen Bereich kann verstärkt mit strittigen Situationen gerechnet werden, da die Fertigung von sonst nur industriell herstellbaren Erzeugnissen erstmals in die Hand des Privatmanns fällt. Ob die Patente solcher Erzeugnisse dann noch mit gleicher Schutzkraft wirken können, ist fraglich. Dabei kommt es wiederholt zu grenzwertigen Einzelfällen, die im Wege des Aufzeigens von möglichen Verletzungstatbeständen einer näheren Betrachtung bedürfen.

b. Handlungen zu Versuchszwecken, § 11 Nr. 2 PatG

Ein weiterer bedeutsamer Rechtfertigungsgrund in Anbetracht der 3D-Druckproblematik ist der § 11 Nr. 2 PatG. Versuche sind zugunsten des Voranbringens technischer Forschung und Entwicklung prinzipiell erwünscht.47 Die Schranke begrenzt sich auf Handlungen, die sich auf den Gegenstand der Erfindung selbst oder seine Verwendung beziehen, um dessen Wirkung oder neue unbekannte Anwendungsmöglichkeiten zu erforschen.48

Der 3D-Druck könnte die Erreichung dieses Zweckes umfassend erleichtern, indem die zu testenden Teile auf einfache, günstige Weise hergestellt werden. Damit würden nicht nur Kosten gespart, sondern auch ein neuer Anreiz zur Weiterentwicklung gesetzt werden. Gerade wegen seiner vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten weist der 3D-Druck eine hohe Tauglichkeit zu solchen Zwecken auf. Um es trotz dieser Vorteile nicht zu einer über Versuchsgrenzen hinausgehenden Verwendung kommen zu lassen, ist eine strenge Grenzziehung um diesen Ausnahmetatbestand angebracht.

c. 3D-Druck von Arzneimitteln, § 11 Nr. 3 PatG

Gerade im pharmazeutischen Bereich sind aufgrund der vergleichsweise hohen Kosten Patente und mithin effektive Schutzrechte unentbehrlich. Da vereinzelte Beispiele zeigen, dass der 3D-Druck von Arzneimitteln umsetzbar und schon Realität geworden ist, ist zu erwarten, dass die Technik auch in diesem Bereich als günstigere Herstellungsalternative vermehrt zum Einsatz kommen wird. § 11 Nr. 3 PatG regelt die Ausnahme der Patentwirkung zugunsten Einzelzubereitungen von Medikamenten, um im Einzelfall, in Anbetracht des primären Schutzgutes der Gesundheit, eine haftungsfreie Herstellung und Verabreichung von Arzneimitteln zu ermöglichen. Diese Ausnahme bezieht sich jedoch lediglich auf die Einzelzubereitung in der Apotheke.49 Eine industrielle Produktion steht hingegen nicht unter Ausnahme.

[...]


1 Vgl. Artikel des BMBF: https://www.bmbf.de/de/zukunftsprojekt-industrie-4-0-848.html

2 Vgl. Dossier des BMWi: http://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/industrie-40.html

3 Vgl. Medienbericht: https://www.focus.de/finanzen/experten/hahn/3d-druck-warum-wir-in-zukunft-unsere-pizza-aus-dem-drucker-bekommen_id_7891586.html

4 Leupold/Glossner, 3D-Printing, S. 28; Fastermann, 3D-Drucken, S. 12, 27.

5 Fastermann, 3D-Drucken, S. 17; Van Overwalle/Leys, IIC 2017, 504 (504).

6 Vlg. Medienbericht: http://m.faz.net/aktuell/wirtschaft/diginomics/3d-metalldruck-eine-revolution-in-der-fabrik-15356892.amp.html

7 Van Overwalle/Leys, IIC 2017, 504 (504); Li, LIT 6:2, 282 (286).

8 Fastermann, 3D-Drucken, S. 12; Ballestrem, Mitt. 2016, 358 (361).

9 So schon 2014 das Modell „fabbster“ für knappe 350€.

10 Blanke-Roeser, GRUR 2017, 467 (468).

11 Mengden, MMR 2014, 79 (80).

12 Solmecke/Kocatepe, K&R 778 (778).

13 Bergeron, Draft Report JURI_PR(2018)618019, S. 8.

14 Solmecke/Kocatepe, K&R 778 (780); Mengden, MMR 2014, 79 (80).

15 Mengden, MMR 2014, 79 (79).

16 Ballestrem, Mitt. 2016, 358 (358); Bergeron, Draft Report JURI_PR(2018)618019, S. 8.

17 Vlg. Medienbericht: https://www.welt.de/finanzen/immobilien/article162704364/So-baut-ein-Roboter-ein-ganzes-Haus-fuer-9500-Euro.html

18 Vlg. Medienbericht der NASA: https://www.nasa.gov/content/international-space-station-s-3-d-printer.

19 Ballestrem, Mitt. 2016, 358 (358).

20 Mengden, MMR 2014, 79 (79).

21 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/445066/umfrage/prognose-zum-umsatz-mit-additiver-fertigung-weltweit/

22 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/445058/umfrage/prognose-zur-kostenentwicklung-additiver-fertigung-weltweit/

23 Vgl. Medienbericht: http://www.handelsblatt.com/technik/forschung-innovation/grosse-wachstumschancen-3d-druck-steht-vor-dem-durchbruch/20907682.html

24 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/516909/umfrage/wichtigste-technologietrends-in-industrieunternehmen-in-deutschland/

25 Haedicke, PatR Kap. 8 Rn. 10.

26 Haedicke, PatR Kap. 8 Rn. 7.

27 Benkard/ Rogge/Mellulis Einleitung Rn. 1.

28 Bergeron, Draft Report JURI_PR(2018)618019, S. 8; Haedicke/Zech, GRUR Beilage 2014, 52 (53).

29 Blanke-Roeser, GRUR 2017, 467 (472); Haedicke/Zech, GRUR Beil. 2014, 52 (53).

30 Haedicke/Zech, GRUR 2014 Beil. 52 (53).

31 Kraßer/Ann/ Ann PatR § 1 Rn. 1.

32 Haedicke, PatR Kap. 9 Rn. 8.

33 Fastermann, 3D-Drucken, S. 103f.

34 Vermeulen et al., JME 2017/43, 618 (618).

35 Haedicke, PatR Kap. 11 Rn. 5.

36 Kraßer/Ann/ Ann PatR § 15 Rn. 19.

37 EPA, Technical Board of Appeal, IIC 1997, 75 (78).

38 Li, LIT 6:2, 282 (288).

39 Kraßer/Ann/ Ann PatR § 15 Rn. 8; Li, LIT 6:2, 282 (287).

40 Vermeulen et al., JME 2017/43, 618 (622).

41 Vermeulen et al., JME 2017/43, 618 (621).

42 Benkard/ Scharen PatG § 11 Rn. 2.

43 Benkard /Scharen, PatG § 11 Rn. 3.

44 Benkard /Scharen, PatG § 11 Rn. 3; Mes, PatG/GebrMG § 9 Rn.3.

45 Mes, PatG/GebrMG § 9 Rn. 4.

46 Schmoll et al., GRUR 2015, 1041 (1046); Ballestrem, Mitt. 2016, 358 (360).

47 Haedicke, PatR Kap. 7 Rn. 21.

48 Haedicke, PatR Kap. 7 Rn. 21; BGH, GRUR 1996, 109 (113) – Klinische Versuche I.

49 Mes, PatG/GebrMG § 11 Rn. 13.

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Patente aus dem 3D-Drucker. Neue Technologie aber altes Recht
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Veranstaltung
Patentrecht
Note
10
Autor
Jahr
2018
Seiten
36
Katalognummer
V460777
ISBN (eBook)
9783668908062
ISBN (Buch)
9783668908079
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geistiges Eigentum, Patentrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, 3D-Druck
Arbeit zitieren
Sofie Dakic (Autor:in), 2018, Patente aus dem 3D-Drucker. Neue Technologie aber altes Recht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/460777

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