Die Zypernfrage und die Türkei: Damoklesschwert oder Tor zur Europäischen Union?


Seminararbeit, 2005

21 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1.) Einleitung

2.) Entstehung des Zypernkonfliktes
2.1 Die geographische Lage Zyperns
2.2 Historische Entwicklung bis zum Unabhängigkeitsvertrag
2.3 Der Unabhängigkeitsvertrag von Paris
2.4 Die türkische Zypernpolitik bis 1974
2.5 Die griechische Zypernpolitik bis 1974
2.6 Enosis
2.7 Taksim

3.) Der Zypernkonflikt 1974

4.) Zypern im Jahr 2005

5.) Die gegenwärtige Haltung der Türkei zur Zypernfrage

6.) (Nord-)Zypern und die Türkei auf dem Weg in die EU?

7.) Fazit

8.) Literatur

1.) Einleitung

„Zypern – die Insel wo die Götter Urlaub machen“ lautet ein Slogan des zypriotischen Fremdenverkehrsamtes. Das klingt gut, aber wieso sollten die Götter ausgerechnet in einem europäischen Krisengebiet die Ferien verbringen? Die Insel Zypern besteht aus zwei Teilen: Einem nördlichen, seit 1974 von der Türkei besetzten Teil, und einem größeren, südlichen Teil, der von griechischen Zyprioten bewohnt wird. Die Bewohner dieser Insel unterscheiden sich in ihrer Religion, Kultur, Tradition, Geschichte, Herkunft und vor allem auch Sprache. Ist es unter diesen Umständen richtig, wenn man von den Zyprioten als „einem“ Volk spricht? Wenn der Begriff der Parallelgesellschaft überhaupt auf eine Art des Zusammenlebens angewendet werden kann, dann ganz sicher auf das Miteinander, die Koexistenz von Griechen und Türken auf Zypern bis in die Mitte der 50er Jahre. Man respektiert einander, hat aber keinen direkten Kontakt mit dem Anderen. Die politische Lage Zyperns spitzt sich mit dem Anschlussbestreben der griechischen Zyprioten an das griechische Mutterland zu, und es kommt zu mehreren bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen, die in der Besetzung des Nordteils Zyperns 1974 durch die Türkei einen Höhepunkt findet.

Im Rahmen dieser Arbeit soll zunächst eine geographische Einordnung Zyperns stattfinden, um die geostrategische Bedeutung der Insel zu verdeutlichen. Im Anschluss wird die Entstehung des Zypernkonfliktes dargestellt, unter besonderer Berücksichtung des Unabhängigkeitsvertrags von Paris und der Zypern-Politik Griechenlands und der Türkei bis zum Jahr 1974. Der Zypernkonflikt von 1974 wird auf die Frage hin untersucht werden, inwieweit die Besetzung des Nordens durch türkische Truppen völkerrechtswidrig war, und welche rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen sich aus der Teilung der Insel ergaben. Der zweite Teil der Arbeit analysiert den gegenwärtigen Status quo. Zentral ist dabei die Frage nach dem derzeitigen Status Zyperns und der Bedeutung der Insel für den Wunsch der Türkei Vollmitglied der Europäischen Union zu werden. Dabei soll zunächst die gegenwärtige Haltung der Türkei zur Zypernfrage beschrieben, und im Anschluss analysiert werden, inwieweit für die Türkei der Beitritt Zyperns zur Europäischen Union Chancen und Hindernisse auf dem Weg zu einem eigenen EU-Beitritt bietet.

2.) Entstehung des Zypernkonflikts

2.1) Die geographische Lage Zyperns

Zypern ist die drittgrößte Insel im Mittelmeer und liegt etwa 100 Kilometer westlich von Syrien und 70 Kilometer südlich von der Türkei.[1] Zypern liegt damit genau zwischen Asien, Europa und Afrika. Die Landesfläche der Insel beträgt 9251 Quadratkilometer.[2] Der Nordteil der Insel ist seit 1974 durch türkische Truppen besetzt. Dieses Gebiet hat einen flächenmäßigen Anteil von etwas über 30 Prozent an der gesamten Insel. Der Nordteil der Insel bildet einen eigenständigen, formal aber nicht anerkannten Staat Nordzypern (Türkische Republik Nordzypern).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2) Historische Entwicklung bis zum Unabhängigkeitsvertrag

Die Insel Zypern ist seit vielen Jahrhunderten Begegnungsraum verschiedener Völker und hat eine äußerst wechselhafte politische Zugehörigkeit zu eigen. Viele Ursachen des nach wie vor schwelenden Konfliktes sind auf die Geschichte der Insel zurückzuführen. Die Frage: „Wer war zuerst da?“ drängt dabei immer wieder in den Vordergrund. Die Griechen berufen sich darauf, dass schon um 1400 vor Christus erste griechische Siedlungen auf Zypern existent gewesen seien, von 525 v. Chr. bis 333 v.Chr. herrschten Ägypter und Perser, ehe 333 v. Chr. Alexander der Große Zypern annektierte. Im Anschluss regieren England und Venetien, bevor das Osmanische Reich Zypern 1571 annektiert. Über 300 Jahre, bis 1878, blieben die Perser die bestimmende Macht der Insel.[3] Die Türken enteigneten sehr schnell die lateinische Kirche und schafften das Feudalsystem ab.[4] Parallel dazu wurde die orthodoxe Kirche durch die Türken unterstützt, und es bildete sich eine griechisch-orthodoxe Parallelgesellschaft zur muslimisch geprägten türkischen Volksgruppe, die in erster Linie aus Besatzungstruppen und deren Angehörigen, sowie Einwanderern aus Kleinasien bestand.[5] Inwieweit der Kontakt zwischen den beiden Volksgruppen von jeher angespannt war, kann abschließend kaum noch beurteilt werden, Es scheint aber, dass es gewaltsame Übergriffe zu diesem Zeitpunkt ebenso selten gibt, wie eine Vermischung der beiden Gruppen. Der völkerrechtliche Status der Insel ändert sich dann im Jahr 1878. Das Osmanische Reich steht außenpolitisch mit dem Rücken zur Wand, der Krieg gegen Russland droht verloren zu werden. In dieser prekären Situation entschließt das Osmanische Reich sich, Zypern an Großbritannien abzugeben. Die Briten hoffen, den Seeweg zur indischen Kolonie durch diesen Mittelmeerstützpunkt aufrecht erhalten zu können, die Türken hoffen im Krieg (zu Recht) auf die Unterstützung der Briten. Politisch und rechtlich bleibt Zypern allerdings Bestandteil des Osmanischen Reiches. Dieser Status ändert sich 1914 mit dem Eintritt der Türken in den Ersten Weltkrieg. Die Briten annektieren das Territorium des Kriegsgegners und Zypern wird Teil des Britischen Commonwealth. Wenig später wurde den Griechen angeboten, im Falle eines Kriegseintrittes die Insel als Gegenleistung zu erhalten, diese Offerte lehnen die Griechen jedoch ab. Ein wichtiges Datum ist das Jahr 1923, in dem die mittlerweile gegründete Türkei in Lausanne offiziell die Annexion Zyperns durch die Briten anerkennt. Seit 1925 ist Zypern Kronkolonie. Im Jahr 1931 kommt es dann zum Aufstand der größten Bevölkerungsgruppe: Die Griechen proben die Revolte im Rahmen der Enosis-Bewegung, und fordern den Anschluss an Griechenland. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchen die Briten im Rahmen einer neuen Verfassung stärker an der Verwaltung zu beteiligen, dieses scheitert aber aufgrund des Widerstands der Enosis-Bewegung. Die türkischen Zyprioten fordern als Reaktion auf die Enosis-Bewegung die faktische Teilung der Insel (Taksim)[6] Im Februar 1957 treffen diese beiden Gruppen erstmals gewaltsam aufeinander. In Angesicht dieses Nationenkonflikts eskaliert die Gewalt und es entwickelt sich ein beidseitiger, brutaler Terror. Am 16. August 1960 wird die Insel Zypern zur unabhängigen Republik. Dem vorausgegangen sind Verhandlungen zwischen Briten, Türken und Griechen in Paris. An der Erstellung der Verfassung sind sowohl Griechen als auch Türken beteiligt.[7] Formal ist Zypern nun eine eigenständige Republik. Der Umstand, dass Griechenland, die Türkei und auch Großbritannien verfassungsrechtlich den Status einer Schutzmacht bekommen, deren Aufgabe es sein soll, die Souveränität Zyperns zu gewährleisten, macht zugleich deutlich, auf was für wackeligen Beinen die neue Unabhängigkeit steht.[8]

2.3) Der Unabhängigkeitsvertrag

Im Unabhängigkeitsvertrag von Paris werden die fundamentalen Strukturen der neuen Republik grundlegend festgeschrieben. Zypern wird zur präsidialen Republik, und per Vertrag wird festgesetzt, dass der Präsident Zyperns dem griechischen Bevölkerungsteil entstammen, der Vizepräsident türkischer Zypriote sein muss. Bei der weiteren politischen Machtpartizipation wird konsequent das Proporz-System eingehalten. Die türkischen Zyprioten erhalten im Ministerrat drei von zehn Sitzen und im Parlament sind 15 von 50 Abgeordneten türkische Zyprioten.

Die Legislative wird durch zwei Unterparlamente ergänzt, ein rein griechisches und ein rein türkisches Parlament. Diese haben beide unabhängig voneinander Richtlinienkompetenz in Fragen des Sozialen, der Erziehung und der Kirche.[9]

Sowohl der Ministerpräsident, als auch sein Stellvertreter verfügen über ein Vetorecht bei Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik.

Der Vorsitzende der Iudikative darf nicht Staatsbürger einer der drei Schutzmächte sein.

Das Proporzsystem stellt die Regierung Zyperns vor nahezu unüberwindbare Probleme. Jedes Gesetz muss laut Verfassung mit einer einfachen Mehrheit verabschiedet werden.

Es kommt für die zypriotische Führung erschwerend hinzu, dass eine Mehrheit von beiden Volksgruppen vorliegen muss. Das bedeutet konkret, wenn von den fünfzig Abgeordneten nur acht türkische Parlamentsmitglieder ein Gesetz ablehnen, kann dieses nicht verabschiedet werden.

In der kommunalen Verwaltung ist vorgesehen, parallel ein türkisches und ein griechisches Verwaltungssystem zu installieren.

Insgesamt werden die Griechen, gemäß ihrem prozentualen Anteil an der Gesamtbevölkerung Zyperns durch den Proporz übervorteilt. Der Anteil der türkisch-stämmigen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung Zyperns beträgt nur 18 %, die verabschiedete Verfassung beteiligt die Türken jedoch zu 30 % an allen wichtigen Entscheidungen.

Die zypriotische Armee soll eine Stärke von 2000 Mann umfassen, die sich zu 60 % aus Griechen und zu 40 % aus Türken zusammensetzt; zusätzlich sollte eine 950 Mann umfassende griechische Armee und 650 Mann umfassende türkische Armee die Unabhängigkeit Zyperns garantieren.[10]

Die Republik wird von der Mehrheit beider Volksgruppen abgelehnt und nur als Übergangszeit angesehen.

[...]


[1] Vgl. Encarta: Zypern

[2] http://europa.eu.int/comm/enlargement/cyprus/index.htm

[3] http://krisen-und-konflikte.de/zypern/geschich.htm

[4] Vgl. Tatli, Suzan: Der Zypernkonflikt. Pfaffenweiler: Centaurus-Verlagsgesellschaft 1986.S.23

[5] Ebd.

[6] Vgl. Tatli. S. 26.

[7] Vgl. Choisi, Jeanette: Zypern. Jüngste Geschichte einer Insel im Spannungsfeld regionaler Gegensätze und internationaler Interessen. Berlin: Karoi Verlag 1987. S. 73.

[8] Ebd. S. 75.

[9] Ebd.

[10] Vgl. Dischler. S. 147 ff.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Zypernfrage und die Türkei: Damoklesschwert oder Tor zur Europäischen Union?
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Note
gut
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V46070
ISBN (eBook)
9783638433464
ISBN (Buch)
9783640366842
Dateigröße
595 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zypernfrage, Türkei, Damoklesschwert, Europäischen, Union, griechenland, junta, taksim, enosis
Arbeit zitieren
Jan Möller (Autor:in), 2005, Die Zypernfrage und die Türkei: Damoklesschwert oder Tor zur Europäischen Union?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46070

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