Diguem yes! Vom Protestlied zum Mestizo-Sound

Musik in Katalonien


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2007

27 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Diguem yes! Vom Protestlied zum Mestizo-Sound. Musik in Katalonien

Aus den Klöstern in die Welt...

Rückkehr auf die Bühnen (1976 – 2006)

Kulturpolitik/ Medien/ Industrie

Ausblick

Bibliographie:

CD-Auswahl:

Diguem yes! Vom Protestlied zum Mestizo-Sound. Musik in Katalonien

Llibertat !“ Das war das meist gerufene Wort von rund 9.000 Zuhörern am 15. Januar 1976 im Sportpalast von Barcelona. Knapp zwei Monate nach dem Tod des Diktators Franco gab der aus dem Exil zurückgekehrte Liedermacher Lluís Llach in einem Meer von katalanischen Flaggen ein Konzert bei dem er viele seiner „Hits“ vortrug. An den folgenden zwei Abenden gab Llach weitere Konzerte, die wieder bis auf den letzten Platz ausverkauft waren: „Diese drei Konzerte waren die angespanntesten und spannendsten meines Lebens. Die Repression war noch nicht verschwunden. Das Publikum schmuggelte katalanische Flaggen u.ä. in die Halle. Frauen trugen anstatt BHs zusammengefaltete Flaggen. Und obwohl die Kontrolleure vermeldeten, dass keine Flagge durchgekommen sei, sah man eine Banderole von 30 Metern Länge im Saal."1 2

Hatte die Rückgewinnung des eigenen kulturellen Terrains in Katalonien schon unter der Diktatur begonnen, so sind diese Konzerte dennoch ein Meilenstein für den Neubeginn des katalanischen Kulturlebens, das nun (bald) nicht mehr der Zensur unterlag. Aber zunächst ein kurzer Überblick über die katalanische Musikgeschichte.3

Aus den Klöstern in die Welt...

Bereits im Mittelalter hatten Mönche in den Klöstern Sant Cugat del Vallès und Ripoll eine eigene Musikkultur entwickelt, die sich u.a. auch theoretisch mit Musik beschäftigte, so im Traktat "Breviarum de musica" des Mönches Oliba aus Ripoll. Seit dem Ende des 11. Jh. entstand in Europa die Troubadourdichtung als eine sprachlich, formal und inhaltlich hochentwickelte Liedkunst. Rund 2.500 Lieder von etwa 450 Troubadouren sind überliefert. Etwa 200 stammen aus der Feder katalanischer Autoren, allein 120 von Cerverí de Girona (Guillem de Cervera) und 31 von Guillem de Berguedà. Ihre Lieder begründeten die reiche Sammlung katalanischer Liedkunst, die im "Obra del canconer popular de Catalunya" erfasst ist.4 Sie benutzten das Okzitanische – genauer gesagt, eine daraus entwickelte literarisch-poetische Kunstsprache - für ihre Dichtung. In einigen Texten wurden allerdings schon katalanische Begriffe verwendet. Aber erst das "Llibre vermell" (rotes Buch) aus dem Kloster Montserrat, das seinen Namen von einem Einband aus rotem Saffianleder aus dem 19. Jh. trägt, markiert den Beginn der Musik in katalanischer Sprache. Der Tanz "Los set goyts" und die Motette "Imperayritz de la ciutat joyosa" wurden in dieser Sprache überliefert. Von den 137 erhaltenen und im Jahre 1399 kopierten Pergamentseiten überliefern sieben Musik, die zur Unterhaltung der Pilger gedacht war, die ins Kloster Montserrat kamen.

1586 schrieb Joan Carles Amat in eben diesem Kloster das erste bekannte Traktat über die Gitarre in Spanien. Montserrat spielte in den kommenden Jahrhunderten eine wichtige Rolle im Musikleben Kataloniens: Die Komponisten Joan Cererols (1618-1680) und Narcís Casanoves (1747-1799) entstammen seiner Schule. Antoni Soler (1729-1783), der Kapellmeister in Lleida und später im Escorial wurde, erhielt in Montserrat seine Ausbildung, ebenso Josep Ferran Sors (1778-1839), bekannt als Fernando Sor, der zu seiner Zeit als bester Gitarrist der Welt galt.5

Im 18. Jahrhundert beherrscht die italienische Musik Katalonien. Großes Vorbild ist Rossini, ihm folgen Komponisten wie Ramon Carnicer oder Vincenç Cuyàs.6 Mit Josep Anselm Clavé tritt während der Renaixença ein Mann in das katalanische Musikleben, der mit seinen Ideen die Musik dem Volk öffnete und es auch aktiv an ihr teilhaben ließ: Der Autodidakt komponierte Stücke, arrangierte Volkslieder neu und gründete verschiedene (Arbeiter)Chöre (Cors de Clavé), die schließlich zum Grundstein der katalanischen Chorbewegung (Orfeó Català) wurden. Die 1890 gegründete Federació de Cors de Clavé kümmert sich auch heute noch um das Chorwesen und den Nachwuchs.

Als die katalanische Kultur mit der Renaixença ihr Selbstbewusstsein und ihr Erbe wieder entdeckte, begann man – inspiriert von romantischen Idealen - sich auch mit der ländlichen Volkskultur zu beschäftigen. Sagen, Gedichte und Musik wurden wiederentdeckt und gesammelt. Die Sardana aus der Cerdanya in den Pyrenäen - eine von vielen etymologischen Theorien führt ihren Namen auf diese Herkunft zurück – gehörte dazu. Der Musiker und Komponist Pep Ventura brachte sie in ihre heutige Form: Er legte die Zusammensetzung des Orchesters (cobla) verbindlich fest – elf Musiker spielen zwölf Instrumente (neben den Blasinstrumenten und Bass spielt ein Musiker eine Einhandflöte, flabiol, und eine kleine am Arm festgebundene Trommel, tamborí) - u.a. und schrieb über 400 Stücke. Gemeinsam mit Miquel Parda gab er auch dem Tanz eine festgelegte Choreographie. Bis dahin war die Sardana ein Volkstanz unter vielen gewesen, Größe und Instrumentierung der cobla unterlagen keinen Regeln. Orchester, die aus den Bergen nach Barcelona reisten, um dort mit ihrer Musik Geld zu verdienen, galten als Bauernorchester. Nun änderte sich der Blickwinkel, und die Sardana avancierte bis zum Ende des 19. Jh. zur nationalen Tradition. Die Städter „reinigten“ die Musik von nicht-katalanischen Elementen (Polka etc.) und stellten für Sardana und cobla weitere Regeln auf. Für deren Einhaltung sorgten die zu Beginn des 20. Jh. massenhaft gegründeten Sardana-Vereinigungen, die bis heute die Veranstaltungen am offiziellen „Tag der Sardana“ durchführen.

Wie bei vielen zu Nationaltraditionen erhobenen Kulturgütern, versuchte man auch bei der Sardana ihre Wurzeln - die bis heute nicht eindeutig erforscht sind – in eine weit entfernte Zeit zu legen und so den Mythos zu stärken.7 Denn die Sardana ist aus katalanischer Sicht keine Folklore, die auf einer Bühne präsentiert wird, sondern eine wichtige soziale Tradition, die aktive Beteiligung erfordert: „Jeder ist willkommen, in jedem Moment. […] Das Symbol dieses Tanzes besteht darin, sich in vollkommener Harmonie und Gleichheit die Hände zu reichen. Diese Normen verweisen auf die tiefsten Grundlagen unseres Charakters, denen wir immer treu bleiben sollten“, sagte der Cellist Pau Casals über den Tanz seiner Heimat.8 Bekannte Orchester wie La Principal de La Bisbal spielen über 200 Konzerte pro Jahr. Das Publikum ist fast immer älter als 50 Jahre, denn viele Jugendliche lehnen die Sardana wegen ihrer strikten Form und der mit ihr verbundenen eher konservativen Weltanschauung meist ab, auch wenn einige Gruppen – Companyia Elèctrica Dharma, Dijous Paella –versuchen, Cobla-Instrumente und Sardana-Rhythmen mit modernen Klängen zu vereinen. In den Tanzschulen für traditionelle Tänze (esbarts dansaires) findet sich trotzdem immer genug Nachwuchs ein.

Im Übergang zum 20. Jahrhundert betreten drei katalanische Musiker und Komponisten die Weltbühnen, von denen zwei aufgrund ihrer Werke im Allgemeinen nicht für Katalanen gehalten werden: Isaac Albéniz und Enric Granados, beide Schüler des katalanischen Musiktheoretikers Felip Pedrell, der eine Erneuerung der spanischen Musik aus der Folklore heraus forderte. Isaac Albéniz, 1860 in Camprodon am Fuß der Pyrenäen geboren, begann sehr früh mit dem Klavierspiel und gab schon im Alter von acht Jahren Konzerte in Barcelona. Nach Studien in Madrid, Brüssel und Leipzig – u.a. bei Franz Liszt – kehrte er 1883 wieder nach Barcelona zurück, spielte dort auch mehrere Konzerte auf der Weltausstellung von 1888, zog 1893 nach Paris und starb 1909 in Frankreich. Er gilt als Begründer des spanischen Nationalstils, da er es verstand, die Rhythmik der andalusischen Volksmusik in seinen Klavierwerken zu verarbeiten. Die Inspiration für seine weltbekannten Stücke – "Suite Española op. 47", "Suite Iberia" - holte er sich in Andalusien, dort vor allem in Granada ("La Alhambra"). Und da viele seiner Klavierkompositionen schon bald von namhaften Gitarristen wie Francisco Tárrega für ihr Instrument transkribiert wurden, identifizierte man ihn erst recht mit andalusischer Musik. Nur wenige Werke von Albéniz erinnern an seine Heimat, wie z.B. die "Suite Catalonia", die auf populärer katalanischer Musik basiert.

Auch der Pianist Enric Granados (1867-1916) aus Lleida wird als spanischer Musiker angesehen, da viele seiner Kompositionen ebenfalls urspanische Themen behandeln und als Gitarrenwerke Berühmtheit erlangten, wie die temperamentvollen "Danzas españolas" oder die "Goyescas", inspiriert von den Gemälden Goyas.

Der mit Albéniz Befreundete lernte in Paris die wichtigsten zeitgenössischen französischen Komponisten kennen – Fauré, Debussy, Ravel etc. – und blieb doch einem romantischen Stil treu, geprägt von Chopin, Schubert und Grieg. Nach seiner Rückkehr startete er 1889 in Barcelona seine Karriere als Konzertpianist und spielte unter anderen mit dem Cellisten Pau Casals. Die Aufführung seiner Oper "María del Carmen" war 1898 ein großer Erfolg. 1901 gründete er in Barcelona die Granados-Akademie, an der bis heute – sie trägt inzwischen den Namen Marshall-Akademie – Pianisten ausgebildet werden. 1916 reiste Granados mit seiner Frau zur Aufführung seiner aus den "Goyescas" komponierten Oper nach New York. Auf dem Rückweg torpedierte ein deutsches U-Boot den Passagierdampfer „Sussex“ und das Ehepaar ertrank im Ärmelkanal.

International bekannter noch als seine beiden Zeitgenossen ist der Cellist Pau Casals (1876-1973), der seit seinem Debüt als Solist, 1899 mit dem Lamoureux-Orchester in Paris, Erfolge feierte, vor allem mit seinem weltberühmten Kammermusiktrio. Casals schrieb geistliche Musik und Orchesterwerke. Seine wohl bekanntesten Kompositionen sind das Oratorium "El Pessebre" von 1960 und die Hymne der Vereinten Nationen, die er 1971 schuf. Ein anderes Stück, das alte katalanische Volks- und Weihnachtslied "El Cant dels Ocells", machte er weltweit populär, da er jedes seiner Konzerte, seit er ins Exil gehen musste, mit diesem Lied beendete, so auch das Konzert am 13. November 1961 im Weißen Haus vor John F. Kennedy und illustren Gästen.

Auch andere Musiker und Komponisten profitierten von der zwischen etwa 1880 und dem Beginn des Bürgerkriegs 1936 herrschenden kulturellen Aufbruchsstimmung in Katalonien: Enric Morera, einer der produktivsten katalanischen Komponisten, führte 1897 seine Oper "La fada" auf dem vierten modernistischen Fest in Sitges auf, organisiert vom Maler Santiago Rusiñol. Die sog. "Generation von 1920" übertrug sie in Noten: Robert(o) Gerhard aus Valls, ein Schüler von Enric Granados, studierte später bei Arnold Schönberg in Berlin und komponierte nach seiner Rückkehr als erster Zwölftonmusik in Spanien. Der Komponist mit Schweizer Wurzeln gilt als Begründer der modernen katalanischen Musik. Viele seiner Kompositionen – neben Liedern auch Opern und Sinfonien – sind geprägt von einer Mischung aus katalanischer Volksmusik und Zwölftontechnik. Mit Beginn des Bürgerkrieges emigrierte er nach Frankreich bzw. Großbritannien und kehrte nicht mehr nach Katalonien zurück. Sein Kollege Frederic Mompou hingegen komponierte seine Lieder und Klavierstücke unter dem Einfluss der französischen Impressionisten. Insbesondere Erik Satie diente als Vorbild für die leicht dissonierenden Klänge seiner Klavierminiaturen. Eduard Toldrà schuf eine Oper und etliche Lieder, Manuel Blancafort verschiedene Konzerte und Symphonien. Xavier Montsalvatge aus Girona schließlich, mischt in seinen Werken – z.B. in den "Cançons negres" - katalanische und karibische Motive.

Der Sieg General Francos im Bürgerkrieg bedeutete 1939 das Ende der Freiheit: Der öffentliche Gebrauch des Katalanischen wurde wieder einmal verboten, ebenso die Pflege der Traditionen, inklusive der Musik. Von den 50er Jahren ab loteten die Intellektuellen ihre Freiräume aus, die auch wuchsen, weil sich Spanien ausländischen Investitionen, Militärs und dem Tourismus, dessen Hauptziel die katalanischen Küsten waren, öffnen musste. Es entstand „die Kunst des Möglichen“ (possibilisme): 1952 produzierte man den ersten Kinofilm auf Katalanisch, 1957 die erste, nichtfolkloristische Platte.

Jazzclubs durften eröffnet werden, und Barcelona, wo schon seit den 1920er Jahren eine kleine Jazzszene existierte, wandelte sich zum Zentrum und Einfallstor dieser Musik auf der iberischen Halbinsel, nicht zuletzt wegen seines Hafens, in dem mit den Seeleuten und den amerikanischen Soldaten schnell die neusten Jazzalben und -noten aus den USA und anderen Ländern nach Spanien kamen: “Die Faschisten waren nicht gegen den Jazz, denn erstens transportierte er ja keine kritischen Texte und zweitens waren sie für diese Musik viel zu dumm. Manchmal gingen sie jedoch gegen einzelne Musiker vor, aber eher wegen anderer Aktivitäten“, so Jordi Pujol Baulenas, der die Geschichte des Jazz in Barcelona erforscht hat.9 US-Stars wie Lionel Hampton und Louis Armstrong spielten Mitte der 50er Jahre in der Stadt und der Pianist Tete Montoliu stieg zum ersten katalanischen „Star“ dieser Musik auf.10 Er beherrschte bis in die 80er Jahre die Szene und entwickelte sich auch auf internationalem Parkett zum Aushängeschild Spaniens.

In der Kunstmusik arbeitete eine neue Generation von Komponisten, die sich im Cercle Musical Manuel de Falla zusammenschloss, die Kriegsjahre auf und befasste sich mit seriellen und atonalen Musiktechniken. Zu ihr gehörten u.a. Josep María Mestres Quedreny ("Peça per a Serra Mecànica", 1963), Xavier Benguerel ("Concierto para guitarra y orquesta"; 1971), Leonardo Balada ("Cristóbal Colón"; 1992), Antón García Abril, Claudio Prieto, Salvador Pueyo und Joan Guinjoan, der die Gruppe Diabolus in Música leitete und als dessen bekanntestes und bestes Werk die Oper „Gaudí“ (1991) angesehen wird.

Die ökonomische und kulturelle Öffnung Spaniens nach Europa und den USA, sowie der beginnende Tourismus, zogen auch die Gründung der ersten Pop- und Rockgruppen nach sich, die vor allem angelsächsische Hits kopierten. In Barcelona gründeten sich u.a. das Dúo Dinámico und Los Sirex (1959), die spanischen Beatles, und Los Salvajes (1962)11, die spanischen Rolling Stones. Angeheizt wurde die Rockszene auch durch den Auftritt der Beatles am 3. Juli 1962 in Barcelona. Als Vorgruppe spielte die Band Los Sirex: „Das fand in der Plaza de Torros statt. Wir sollten das Publikum anheizen. Leider war der Klang der Beatles an diesem Tag sehr schlecht. Vor den Beatles standen viele Guardia Civiles und jeder der zu laut wurde oder sich wild bewegte wurde zurechtgewiesen. Hysterie wie in anderen Ländern war nicht erlaubt“, erzählt Manolo Madruga, damals Gitarrist der Band.12 Bands wie Els Dracs, Los Mustang und Els Tres Tambors oder die Psychedelic-Rocker Tabaco spielten in den neuen Clubs Barcelonas wie dem „San Carlos“ oder dem „San Diego“, in denen die Jugendlichen ihre Beatlemania ausleben konnten. Der beginnende Wohlstand einer wachsenden Mittelschicht ermöglichte es vielen spanischen/ katalanischen Jugendlichen, konsumbasierte Gegenkulturen (Rocker, Hippies) zum Lebensstil ihrer Eltern zu erschaffen, deren Hauptidentifikationsmerkmal die Musik war.13

In diesem Klima begrenzter kultureller Öffnung begann eine Gruppe Musiker katalanischsprachige Lieder zu schreiben, ohne zu ahnen, dass sie schon bald als richtungweisend im Kampf für eine neue Volkskultur gelten sollte. Die Bewegung der Nova Cançó (Neues Lied) entwickelte sich zum „öffentlichkeitswirksamen Sprachrohr“14 der katalanischen Kultur und zu einem wirksamen Instrument zur Popularisierung ihrer Sprache. Begonnen als geplante Aktion, bei welcher der Dichter Lluís Serrahima15 und verschiedene Musiker Elemente aus dem französischen Chanson, dem Jazz und dem italienischen Lied auswählten und sie mit katalanischen Texten versahen, verselbstständigte sich die Unternehmung schnell, und es entstand eine kulturelle Bewegung national-volkstümlichen Widerstandes, die die Gültigkeit und Legitimität eines einheitlichen spanischen Kulturraumes in Frage stellte. Nach dem ersten Konzert unter dem Namen Nova Cançó 1961, gründete sich bald Els setze jutges (Die 16 Richter)16, ein loser Zusammenschluss, von - am Ende - 16 Sängern, darunter Francesc Pi de la Serra, Maria del Mar Bonet, Lluís Llach und der aufgrund seiner Hinwendung zum spanischen Gesang später verstoßene Juan Manuel Serrat.17 Der Valencianer Raimon (Pelegero Sanchis), der nie offiziell zu den 16 Richtern gehörte, machte mit seinen schon ab 1959 komponierten Liedern – "Al vent"; "Diguem No!"; "Som" etc. - die Bewegung noch bekannter. Seine erste Platte auf dem 1961 gegründeten Label EDIGSA verkaufte sich 1963 40.000 mal, zu einem Zeitpunkt, als es in Spanien noch wenige Plattenspieler gab. Seine Konzerte wurden zu Manifestationen der nationalen Selbstvergewisserung. Die Zensur reagierte kaum, bis man ihn 1968 mit einem zweijährigen Auftrittsverbot belegte. Doch nicht alle Sänger der Nova Cançó waren politisch, oft waren die Lieder "nur" der musikalische Ausdruck einer neuen Jugendkultur18: „Die Nova Cançó war nicht nur ein Synonym des Antifrankismus und des Freiheitskampfes, es kam vor allem zu einer Rückbesinnung auf die Sprache, die ja in der Öffentlichkeit verboten war. Als ich „Al Vent“ textete, konnte ich meine eigene Sprache nicht schreiben. Diese Rückbesinnung hatten alle Sänger gemeinsam, aber nicht unbedingt mehr. Viele spielten nur reine Unterhaltungsmusik oder Liebeslieder“, erklärt Raimon.19

[...]


1 Angelehnt an den Titel des Liedes von Raimon "Diguem No!" und den Buchtitel von Stegmann 1979.

2 Interview 09/ 2006 in Cadaqués.

3 Da sich dieser Band thematisch vor allem auf die heutige „Autonome Gemeinschaft Katalonien“ beschränkt, werden Entwicklungen und/oder Personen aus den anderen Països Catalans nur erwähnt, wenn sie Bedeutung auch für das Musikgeschehen dieses Gebietes haben.

4 Diese in den Jahren 1928-1936 erstellte Liedersammlung umfasst über 10.000 populäre Musikstücke, davon 9.000 mit Gesang.

5 Vgl. Casanovas, S. 295.

6 Vgl. Ginés S. 138-141.

7 Vgl. Martí i Pérez 1994, S. 42-43. Das bisher älteste bekannte Dokument zum Thema „Sardana“ in katalanischer Sprache stammt aus dem Jahr 1577 und liegt im Stadtarchiv von Olot.

8 zit. n.: Subirana, Lluís. Ciutats Pubilles de la Sardana 1960 – 1995, Tarragona 1995, S. 74.

9 Interview 09/ 2006, Barcelona.

10 Vgl. Pujol Baulenas 2005, S. 295ff

11 Los Salvajes absolvierten mit Hilfe eines deutschen Freundes namens Bernhard Schramm 1964/65 eine Deutschlandtournee und traten u.a. im legendären Hamburger "Star Club" auf.

12 Interview 12/ 2005, Mönchengladbach.

13 Vgl. Bendit, S. 216-220.

14 Stegmann, S. 125.

15 Serrahima veröffentlichte 1959 in der Zeitschrift Germinàbit einen Artikel mit dem Titel "Wir brauchen Lieder für heute", der als Manifest zur Gründung der Bewegung gilt.

16 Der Name bezieht sich auf einen katalanischen Zungenbrecher - „ Setze jutges d’un jutjat mengen fetge d’un penjat “ (16 Richter eines Gerichts essen die Leber eines Gehenkten) – der für Spanier einige schwer auszusprechende Laute enthält.

17 Joan Manuel Serrat verkaufte von seinem dritten Album "Cançó de matinada" 1967 über 100.000 Exemplare und erregte so die Aufmerksamkeit der spanischen Kulturverantwortlichen, die ihn schließlich überredeten Spanisch zu singen (vgl. Viñas, S. 147/ Stegmann, S. 138-139).

18 Vgl. Lahusen, S. 66.

19 Telefon-Interview 04/ 2003.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Diguem yes! Vom Protestlied zum Mestizo-Sound
Untertitel
Musik in Katalonien
Autor
Jahr
2007
Seiten
27
Katalognummer
V460643
ISBN (eBook)
9783668910263
ISBN (Buch)
9783668910270
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Katalonien, Spanien, Musik, Liedermacher, Rockmusik, Jazz, Folklore, Barcelona, Nova Canco, Mestizo Musik, Medien
Arbeit zitieren
Torsten Eßer (Autor:in), 2007, Diguem yes! Vom Protestlied zum Mestizo-Sound, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/460643

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