Bilanzpolitisches Gestaltungspotenzial durch Ermessensspielräume und verdeckte Wahlrechte nach IAS/IFRS

(Accounting policies design potential by administrative discretion and concealed rights to vote according to IAS/IFRS)


Diplomarbeit, 2005

92 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Gang der Untersuchung

2 Instrumente der Bilanzpolitik
2.1. Sachverhaltsgestaltung
2.2. Sachverhaltsabbildung
2.2.1. Instrumente der Sachverhaltsabbildung
2.2.2. Offene Wahlrechte
2.2.3. Verdeckte Wahlrechte und Ermessensspielräume
2.2.4. Verdeckte Wahlrechte und Ermessensspielräume als bilanzpolitisches Instrumente

3 Verdeckte Ansatzwahlrechte
3.1. Selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte
3.1.1. Aktivierungskriterien für selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte
3.1.1.1. Aktivierungskriterien für immaterielle Vermögenswerte
3.1.1.2. Konkrete Ansatzkriterien für selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte
3.1.2. Bilanzpolitisches Gestaltungspotenzial des IAS 38
3.1.3. Kritische Betrachtung des IAS 38 anhand von ausgewählten Jahresabschlüssen
3.2. Aktive latente Steuern
3.2.1. Aktivierungskriterien für aktive latente Steuern
3.2.1.1. Grundkonzeption latenter Steuern nach
3.2.1.2. Aktivierungskriterien für aktive latente Steuern
3.2.2. Aktivierung latenter Steuern auf Verlustvorträge
3.2.3. Bilanzpolitisches Gestaltungspotenzial von aktiven latenten Steuern
3.2.4. Kritische Betrachtung anhand von ausgewählten Jahresabschlüssen

4 Verdeckte Bewertungswahlrechte
4.1. Langfristige Fertigungsaufträge
4.1.1. Bewertung langfristiger Fertigungsaufträge nach der Percentage-of-Completion-Methode
4.1.2. Bilanzpolitisches Gestaltungspotenzial des IAS 11.23
4.1.3. Kritische Betrachtung anhand von ausgewählten Jahresabschlüssen
4.2. Finanzinstrumente
4.2.1. Klassifizierung und Bewertung von Finanzinstrumenten
4.2.2. Bilanzpolitisches Gestaltungspotenzial von Finanzinstrumenten
4.2.3. Kritische Betrachtung des IAS 39 in Jahresabschlüssen
4.3. Finanzinvestitionen in Immobilien
4.3.1. Klassifizierung von Grundstücken und Gebäuden
4.3.2. Bewertung von Grundstücken und Gebäuden
4.3.3. Bilanzpolitisches Gestaltungspotenzial von Finanzinvestitionen in Immobilien
4.3.4. Kritische Betrachtung anhand von ausgewählten Jahresabschlüssen

5 Verdeckte Darstellungswahlrechte
5.1. Eventualschulden
5.1.1. Klassifizierung der Risiken der Eintrittswahrscheinlichkeiten
5.1.2. Darstellung von Eventualschulden im IAS/IFRS-Jahresabschluss
5.1.3. Bilanzpolitisches Gestaltungspotenzial von Eventualschulden
5.1.4. Kritische Betrachtung anhand von ausgewählten Jahresabschlüssen
5.2. Segmentberichterstattung
5.2.1. Abgrenzung von Geschäftsfeldern nach IAS 14.26 – Chancen-Risiken-Profil
5.2.2. Bilanzpolitisches Gestaltungspotenzial der Segmentberichterstattung
5.2.3. Kritische Betrachtung anhand von ausgewählten Jahresabschlüssen
5.3. Aufgabe von Geschäftsbereichen
5.3.1. Darstellung und Ausweis von aufgegebenen und zur Veräußerung gehalten klassifizierte Geschäftsbereichen im IAS/IFRS-Jahresabschluss
5.3.2. Bilanzpolitisches Gestaltungspotenzial bei der Aufgabe von Geschäfts-bereichen
5.3.3. Kritische Betrachtung anhand des Jahresabschlusses 2003 der TUI

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Ehrenwörtliche Erklärung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Systematik der bilanzpolitischen Instrumente

Abbildung 2: Dimensionen der Schätzung beim Ansatz selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte

Abbildung 3: Bewertung der Finanzinstrumente nach IAS 39

Abbildung 4: Bewertung von Grundstücken und Gebäuden in Abhängigkeit der Art der Immobilien

Abbildung 5: Darstellungsweise von Risiken unterschiedlicher Eintrittswahrscheinlichkeiten im IFRS-Jahresabschluss

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1. Problemstellung

Im Zuge der fortschreitenden Globalisierung der Güter- und Kapitalmärkte stehen immer mehr deutsche Unternehmen vor der Entscheidung dieser Entwicklung Rechnung zu tragen und ihre Rechnungslegung an internationale Rechnungslegungsstandards anzupassen.[1] Zu diesen internationalen Rechnungslegungsstandards zählen insbesondere US-GAAP und IAS/IFRS.[2] Gerade die IAS/IFRS-Bilanzierung wird für deutsche Unternehmen immer wichtiger. Seit dem 01.01.2005 sind alle börsennotierten Mutterunternehmen in der EU verpflichtet, ihre Konzernabschlüsse nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) aufzustellen. Ausgenommen von dieser Pflicht sind jene kapitalmarktorientierten Unternehmen, welche bisher nach US-GAAP bilanzierten. Sie haben eine Übergangsfrist zur Umstellung bis zum 31.12.2006.[3]

Abgesehen von den gesetzlichen Vorschriften zur Aufstellung von Jahresabschlüssen nach IAS-Vorschriften, stellt sich für deutsche Unternehmen die Frage, ob sie nicht freiwillig auf eine internationale Rechnungslegung nach IAS/IFRS umsteigen sollten.[4]

Im Hinblick auf die Erreichung übergeordneter Unternehmensziele, kommt der Bilanzpolitik und dem Rechnungslegungssystem eine große Bedeutung zu, da das Management hier Möglichkeiten hat, die Unternehmenssituation an unterschiedliche Interessengruppen zu vermitteln. Zu diesen Bilanzadressaten gehören Gruppen wie z.B. Aktionäre, Fremdkapitalgeber und die Presse. Im Vordergrund der Rechnungslegung nach IAS/IFRS steht die Informationsfunktion gegenüber den Bilanzadressaten.[5]

Inwieweit ein Unternehmen mit Hilfe von Bilanzpolitik Einfluss auf die Erfüllung der unternehmenspolitischen Zielsetzungen nehmen kann, hängt auch ganz wesentlich von den bilanzpolitischen Gestaltungsspielräumen ab, die das anzuwendende Rechnungslegungssystem dem Bilanzierenden eröffnet.[6]

Einer der Hauptvorwürfe an die deutsche Rechnungslegung ist die Möglichkeit der bilanzpolitischen Gestaltung des handelsrechtlichen Ergebnisses.[7] Nach der in der Literatur weit verbreiteten Meinung gewähren die IFRS im Vergleich zur deutschen Rechnungslegung verhältnismäßig wenig Wahlrechte in Bilanzierung und Bewertung. Hieraus wird zumeist eine höhere Vergleichbarkeit, der nach internationalen Vorschriften erstellten Jahresabschlüsse, gefolgert.[8]

Die IAS/IFRS gelten ebenso wie die US-GAAP den deutschen handelsrechtlichen Regelungen unter dem Gesichtspunkt der Transparenz gemeinhin als überlegen. In der Vergangenheit wurde oftmals von einem „System der gläsernen Tatsachen“ gesprochen.[9] Darüber hinaus wird beiden Systemen nachgesagt, bilanzpolitische Spielräume im Vergleich zur deutschen Rechnungslegung einzuschränken und einen besseren Einblick in die Performance eines Unternehmens geben zu können.[10]

Dennoch würde der mögliche Schluss, dass sich aus weniger Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten ein höheres Maß an Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse ergibt, zu kurz greifen, da neben den in den IFRS-Vorschriften offen gelegten Wahlrechten weitere Einflussfaktoren vorhanden sind, die einer unmittelbaren Vergleichbarkeit, der nach einem einheitlichen Rechnungslegungssystem bilanzierenden Unternehmen, entgegenstehen.[11]

Auf den ersten Blick enthalten die IAS/IFRS im Vergleich zum HGB relativ wenige Wahlrechte, jedoch entgegen eines weitverbreiteten Vorurteils sind die Bilanzierungsregeln der IAS/IFRS nicht wahlrechtsfrei. Sie enthalten zahlreiche Ermessensspielräume, die mitunter faktische Wahlrechte darstellen.[12]

Die bilanziellen Entscheidungsbereiche werden von den Rechnungslegungsvorschriften nicht in allen Fällen verbindlich geregelt. Vielmehr enthalten die jeweils einschlägigen Vorschriften Bilanzierungs-, Bewertungs- und Gliederungswahlrechte, die der Bilanzierende ebenso zur formellem und materiellen Gestaltung des Jahresabschlusses einsetzen kann, wie die hierbei entstehenden Ermessensspielräume oder faktische Wahlrechte.[13]

Diese existierenden Einflussgrößen der Rechnungslegung nach IAS/IFRS sollen im Folgenden als „verdeckte Wahlrechte“ bezeichnet werden.

Diese These soll nun im Rahmen der vorliegenden Arbeit überprüft werden.

Die nachfolgende Arbeit soll aufzeigen, dass in dieser Rechnungslegungskonzeption eine nicht unbedeutende Zahl sog. verdeckter Ansatz-, Bewertungs- und Darstellungswahlrechte existiert, die dem Bilanzierenden teilweise erhebliche bilanzpolitische Gestaltungsspielräume einräumen.

Gegenstand dieser Arbeit sollen jedoch nur die wesentlichen verdeckten Wahlrechte und Ermessensspielräume sein, die bei IFRS zusätzlich zu denjenigen des HGB auftreten.

1.2. Gang der Untersuchung

Das Ziel dieser Arbeit ist es, die verdeckten Wahlrechte und Ermessensspielräume, sowie deren bilanzpolitisches Gestaltungspotenzial, die nach IAS/IFRS zusätzlich im Vergleich zum HGB bestehen, darzustellen.

Zu diesem Zweck wird in Kapitel 2 ein Überblick über die möglichen Instrumente der Bilanzpolitik gegeben. Es folgt eine Beschreibung der Instrumente der Sachverhaltsabbildung sowie deren Einsatzmöglichkeiten und Zielsetzungen.

Die Schwerpunkte dieser Arbeit liegen in den Kapitel 3, 4 und 5. Der Gliederungspunkt 3 beschäftigt sich mit den verdeckten Ansatzwahlrechten. Es werden die möglichen verdeckten Ansatzwahlrechte dargestellt und deren Aktivierungskriterien erläutert. Anschließend wird jeweils deren bilanzpolitisches Gestaltungspotenzial vorgestellt. Abschließend findet anhand von ausgewählten (Konzern-)Jahresabschlüssen eine kritische Betrachtung zu den jeweiligen Ansatzwahlrechten statt.

Kapitel 4 beschäftigt sich analog zu Kapitel 3 mit den verdeckten Bewertungswahlrechten.

In Kapitel 5 wird auf die verdeckten Darstellungswahlrechte eingegangen. Dieses Kapitel ist nach derselben Gliederungssystematik strukturiert wie Kapitel 3.

Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und einem Ausblick ab.

Aufgrund des Umfangs und der Komplexität der IAS/IFRS-Vorschriften werden deshalb nur die verdeckten Wahlrechten dargestellt, welche die größten bilanzpolitischen Gestaltungsspielräume haben.

2 Instrumente der Bilanzpolitik

2.1. Sachverhaltsgestaltung

Die willentliche und hinsichtlich der Unternehmensziele zweckorientierte Einflussnahme auf Form, Inhalt und Berichterstattung wird allgemein als Bilanzpolitik bezeichnet.[14] Diese hat sich im Rahmen von gesetzlichen Vorschriften zu bewegen. Als Gestaltungsparameter kommen grundsätzlich Sachverhaltsgestaltungen, Wahlrechte und Beurteilungsspielräume in Betracht.[15]

Bilanzpolitik umfasst Ziele, Grundsätze und Maßnahmen. Mit der Bilanzpolitik werden zunächst die Ziele des Unternehmens insgesamt verfolgt.

Grundsätze einer Bilanzpolitik können in der soliden und konservativen Berichterstattung, in der schnellen und präzisen Information oder in der Erfüllung weltweiter Bilanzierungsanforderungen bestehen.

Eine Unternehmensführung ist daran interessiert, das Unternehmen in der Öffentlichkeit so zu präsentieren, dass die Ziele erfüllt, das Überleben gesichert ist und insgesamt eine positive Einstellung zum Unternehmen erreicht wird. Dazu soll auch die Bilanzpolitik als Bestandteil der Unternehmenspolitik beitragen. Neben den abgeleiteten sind die eigenständigen bilanzpolitischen Ziele zu nennen. Sie sind auf Gewinnermittlung und die Information gerichtet.[16]

Die der Bilanzpolitik zur Verfügung stehenden Instrumente lassen sich nach mehreren Kriterien klassifizieren. In zeitlicher Hinsicht ist zu unterscheiden zwischen Maßnahmen vor dem Bilanzstichtag, den sachverhaltsgestaltenden Maßnahmen, und der Darstellung der wirtschaftlichen Wirklichkeit nach dem Bilanzstichtag, den sachverhaltsabbildenden Maßnahmen. Denn Bilanzpolitik ist in zeitlicher Hinsicht ein dynamischer Prozess.[17]

Zu den bilanzpolitischen Aktivitäten, die während des Geschäftsjahres als Sachverhaltsgestaltung durchgeführt werden, gehören alle Maßnahmen, die auf eine zeitliche Gestaltung der Aufwendungen und Erträge gerichtet sind. Bei sachverhaltsgestaltenden Maßnahmen steht häufig das Ziel des Management im Vordergrund, Voraussetzungen für die Inanspruchnahme anderer, bilanzpolitischer Instrumente zu schaffen, die wiederum bei der Erstellung des Jahresabschlusses eingesetzt werden sollen. Als typische Formen der bilanzpolitischen Sachverhaltsgestaltung sind zeitliche Vor- und Nachverlagerung von Geschäftsvorfällen, die Durchführung bilanzpolitischer Maßnahmen, die nach dem Bilanzstichtag nicht mehr umkehrbar sind (z.B. Factoring, sale-and-lease-back) oder die Einleitung von Maßnahmen, die nach dem Bilanzstichtag, wieder rückgängig gemacht werden.[18]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Systematik der bilanzpolitischen Instrumente[19]

2.2. Sachverhaltsabbildung

2.2.1. Instrumente der Sachverhaltsabbildung

Zur Sachverhaltsabbildung gehören bilanzpolitische Instrumente, welche nach dem Bilanzstichtag eingesetzt werden, bei denen aber die überwiegenden Entscheidungen der Bilanzierungs- und Bewertungspolitik bereits vor dem Bilanzstichtag getroffen werden. Sie knüpft an reale Vorgänge und Tatsachen an, die aus den geschäftlichen Tätigkeiten eines Unternehmens resultieren.

Eine weitere Untergliederung der Sachverhaltsabbildung kann in die formelle und materielle Bilanzpolitik vorgenommen werden. Die formelle Bilanzpolitik befasst sich mit der Form und Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im Jahresabschluss einschließlich Anhang und Lagebericht. Die Maßnahmen, die bei der Erstellung des Jahresabschlusses getroffen werden, um die Höhe des Jahresabschlusses zu beeinflussen, werden der materiellen Bilanzpolitik zugeordnet.

Grundsätzlich können die formelle und materielle Bilanzpolitik nicht isoliert gesehen werden, denn materielle Entscheidungen können Auswirkungen auf die formelle Darstellung haben. Zeitlich und sachlich ist die formelle Bilanzpolitik der materiellen Bilanzpolitik nachgelagert, wobei hauptsächlich informationspolitische Ziele verfolgt werden.[20] Insofern ist eine eindeutige Zuordnung von materiellen bzw. formellen Instrumenten zu den Zielen der Bilanzpolitik nicht immer zweifelsfrei möglich.

Die materielle Bilanzpolitik ist im Wesentlichen auf die Steuerung des Ergebnisses gerichtet.[21] Unter die materielle Bilanzpolitik fallen die Wahlrechte und Ermessensspielräume.

2.2.2. Offene Wahlrechte

Die IAS/IFRS kennen trotz der im Zuge des Comparability- und Improvement Project des IASC erfolgten Reduzierung der Anzahl der Wahlrechte immer noch eine Vielzahl von Wahlrechten.[22] In bestimmten Fällen werden unterschiedliche, manchmal sogar gegensätzliche Methoden zugelassen und diese im jeweiligen Standard diskutiert und mit Anwendungshinweisen oder –einschränkungen versehen.[23]

Die IAS/IFRS unterscheiden häufig beim Vorliegen unterschiedlicher Bilanzierungsmöglichkeiten in die Benchmark-Methode (benchmark treatment) und die alternativ zulässige Methode (alternative allowed treatment). In dieser Unterscheidung liegt eine sprachliche Wertung der Bilanzierungs- und Bewertungsalternativen. Es kann deshalb in der Benchmark-Methode die bevorzugte Methode gesehen werden. Aus der sprachlichen Wertung erfolgt jedoch keine Einschränkung hinsichtlich der Ausübung der Wahlrechte. Es handelt sich hier um ein echtes, ausdrückliches Wahlrecht. Die einzelnen Wahlrechte können unabhängig voneinander ausgeübt werden, unter Berücksichtigung des Stetigkeitsgrundsatzes. Eine Entscheidung für die Anwendung der allowed alternative treatment bedingt in der Regel jedoch umfangreiche Angabe- und Erläuterungspflichten.[24]

Im hier verwendeten Sprachgebrauch bezeichnen offene Wahlrechte die Möglichkeit des Bilanzierenden, sich für unterschiedliche Ausweis-, Bilanzierungs- und Bewertungsalternativen bei Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts zu entscheiden.

Die eindeutig genannten Wahlrechte übertragen die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Bilanzierungstechnik oder Bewertung ausdrücklich auf den Bilanzierenden. In diesen Fällen erachtet das IASB mehr als eine Option für sinnvoll anwendbar.[25] Die offenen Wahlrechte in Bilanzierung und Bewertung sind dadurch gekennzeichnet, dass bei Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts der Bilanzierende verschiedene Möglichkeiten in Ausweis, Bilanzierung oder Bewertung besitzt.[26]

2.2.3. Verdeckte Wahlrechte und Ermessensspielräume

Neben den in den Standards ausdrücklich genannten Wahlrechten existieren in den IAS/IFRS eine Vielzahl von verdeckten Wahlrechten und Ermessensspielräume, die nicht auf expliziten Regelungen beruhen.

Für die Betrachtung der bilanzpolitischen Gestaltungsspielräume in einem IFRS-Abschluss muss zunächst zwischen den in den Standards ausdrücklich genannten Wahlrechten auf der einen Seite und den sich indirekt ergebenden Gestaltungsspielräumen andererseits unterschieden werden.

Die bilanzpolitischen Gestaltungsspielräume entstehen dadurch, dass dem Bilanzierenden[27]

- für bestimmte Sachverhalte keine Regelungen an die Hand gegeben werden
- zwar Regelungen für Sachverhalte in den Standards vorgegeben werden, diese jedoch nicht wegen einer notwendigen Allgemeingültigkeit so unscharf formuliert sind, dass letztendlich Spielräume verbleiben
- oder im Rahmen von Regelungen eigenes Ermessen verbleibt, welches bilanzpolitisch beeinflusst werden kann.

Diese Fälle kann man als „verdeckte Wahlrechte“ bezeichnen.[28]

Die verdeckten Wahlrechte zeichnen sich dadurch aus, dass formal der Bilanzierende keine Auswahlmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Alternativen hat.[29] Sie berücksichtigen vielmehr das subjektive Element der Wertfindung, da eine umfassende und vollständige Normierung ökonomischer Tatsachen nahezu unmöglich ist.[30] Das Management hat im Vorfeld die Möglichkeit, den Jahresabschluss durch Schätzungen und Absichten derart zu gestalten, dass auf Grundlage dieser Einflussparameter unterschiedliche Bilanz- und Wertansätze sowie Darstellungsformen möglich sind.[31]

Verdeckte Wahlrechte gehören nicht zu den Wahlrechten im engeren Sinne, da es nicht das Ziel des Standardgebers war, dem Bilanzierenden diese Wahlrechte einzuräumen. Jedoch eröffnen sich hier Freiräume, welche einer bilanzpolitischen Zielsetzung dienen können, ohne dabei gegen die Vorgaben der IAS/IFRS zu verstoßen.

Vielmehr wird der Bilanzierende durch IAS 8.10 ausdrücklich aufgefordert, für die Fälle, bei denen es an genauen Anforderungen durch die IFRS mangelt, eigene Bilanzierungs- und Bewertungsrichtlinien zu entwickeln. Diese Richtlinien sollen für die Entscheidungsfindung nützlich (useful) und verlässlich (reliable) sein.[32]

Verdeckte Wahlrechte erweitern den bilanzpolitischen Gestaltungsspielraum im Bereich des Erlaubten. Ein Bilanzbetrug wegen Überschreitung gesetzter Grenzen ist deshalb (zunächst) ausgeschlossen.

Besonders, weil es gerade den verdeckten Wahlrechten häufig an der notwendigen Genauigkeit und Klarheit mangelt, kann der Bilanzierende schnell in jene Grauzonen vorstoßen, in dem die Grenzen zwischen erlaubter Bilanzpolitik und unzulässigen Bilanzbetrug schwer zu erkennen sind bzw. bewusst vorsichtig überschritten werden, um beispielsweise den Analysten einen Gefallen zu tun.

Die IFRS lehnen im Gegensatz zu den US-GAAP keineswegs eine konservative Bilanzpolitik ab. Jedoch wird auch das Prinzip der Vorsicht (prudence) als Ausdruck einer konservativen Bilanzpolitik genannt.

Die International Financial Reporting Standards gewähren in erheblichem Umfang die Ergreifung von bilanzpolitischen Maßnahmen. Ob dieser Umfang kleiner oder größer den im HGB gewährten bilanzpolitischen Spielräumen ist, lässt sich nicht allgemeingültig klären. Vielmehr hängt dies von den individuellen Voraussetzungen in den jeweiligen Unternehmen ab. Hat ein Unternehmen beispielsweise keine langfristige Fertigung, so bleiben bilanzpolitische Gestaltungsspielräume im Zusammenhang mit der Bilanzierung dieser Fertigung verschlossen.[33]

2.2.4. Verdeckte Wahlrechte und Ermessensspielräume als bilanzpolitisches Instrumente

Sowohl die deutsche als auch die internationale Rechnungslegung greifen auf Schätzungen und Absichten des Managements zur Abbildung ökonomischer Sachverhalte im Jahresabschluss zurück.

Die Ermessensspielräume und verdeckten Wahlrechte sind als Instrument in der Bilanzpolitik sehr beliebt, da der Rahmen innerhalb in dem die Schätzungen liegen, bzw. sämtliche potenziell mögliche Absichten des Management, nicht offen gelegt werden muss. Somit bietet gerade dieses Instrument die besten Voraussetzungen, um geschickt die Lage eines Unternehmens zu verschleiern.

Gerade das Ausnutzen von Ermessensspielräumen und nicht berichtspflichtiger Maßnahmen bieten sich hierfür an. Der Bilanzleser kann dies in der Regel nicht oder nur schwer erkennen.[34]

Denn vielfach wird das bilanzpolitische Ziel verfolgt, einen möglichst geglätteten Gewinn auszuweisen, da ein zu stark schwankendes Ergebnis die Investoren und Fremdkapitalgeber verunsichern kann und als Investitionsrisiko gesehen werden kann.

Rechnet eine Unternehmensleitung auch in Zukunft mit schlechten Ergebnissen, sind Unternehmen oft versucht, die tatsächliche Lage so zu verbergen, dass die Bilanzadressaten die Krise nicht bemerken und das Vertrauen bestehen bleibt.[35]

3 Verdeckte Ansatzwahlrechte

3.1. Selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte

3.1.1. Aktivierungskriterien für selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte

3.1.1.1. Aktivierungskriterien für immaterielle Vermögenswerte

Zu den verdeckten Ansatzwahlrechten zählt neben der Aktivierung latenter Steuern die Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte.

In IAS 38 wird geregelt, wie immaterielle Vermögenswerte (intangible assets), mit Ausnahme des Geschäfts- oder Firmenwerts, in der Bilanz zu behandeln ist.

Die Ansatzkriterien für immaterielle Vermögenswerte, welche gleichermaßen erfüllt werden müssen, werden ausdrücklich in IAS 38.7-17 und IAS 38.19-55 genannt. IAS 38.7 definiert einen immateriellen Vermögenswert als identifizierbaren, nicht monetären Vermögenswert ohne physische Substanz, der für die Herstellung von Erzeugnissen oder die Erbringung von Dienstleistungen, die Vermietung an Dritte zum Zwecke der eigenen Verwaltung genutzt wird. Nach IAS 38.19 ist ein immaterieller Vermögenswert nur dann anzusetzen, wenn es wahrscheinlich ist, dass dem Unternehmen ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen aus dem Vermögenswerte zufließt und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Vermögenswertes verlässlich bewertet werden können.

Kriterien für das Vorliegen eines immateriellen Vermögenswertes im Einzelnen:

- Substanzlosigkeit:

Das Vorliegen eines Vermögenswertes nach IAS/IFRS ist grundsätzlich unabhängig von seiner physischen Erscheinungsform. Ein immaterieller Vermögenswert zeichnet sich gerade dadurch aus, dass er als wirtschaftlicher Wert oder als Nutzen stiftet, ohne dabei eine physische Substanz aufzuweisen.

Es können sich Abgrenzungsprobleme zwischen materiellen und immateriellen Vermögenswerten ergeben, die häufig entstehen, wenn ein Vermögenswert sowohl eine physische als auch eine immaterielle Komponente aufweist, beispielsweise bei Computersoftware. Eine Zuordnung ist entsprechend je nach Wesentlichkeit für beide Komponenten vorzunehmen: Eine Steuerungssoftware ist beispielsweise ein integraler Bestandteil der Maschine.[36]

- Identifizierbarkeit:

Ein immaterieller Vorteil kann dann als Vermögenswert angesehen werden, wenn der entsprechende Vorteil identifizierbar ist. Die Identifizierbarkeit zielt auf die Abgrenzbarkeit einzelner Vermögenswerte vom Geschäfts- und Firmenwert.[37]

Nach IAS 38.11 ist bei wirtschaftlichen Werten von einer Identifizierbarkeit zumindest dann auszugehen, wenn das Nutzenpotenzial des Vermögenswertes durch Vermieten, Verkaufen oder Tauschen realisiert werden könnte. Die Identifizierbarkeit ist erfüllt, wenn ein wirtschaftlicher Wert konkret verwertet werden kann. Rechte lassen sich z.B. durch Urkunden und Verträge nachweisen.[38]

- Verfügungsmacht:

Das Kriterium der Verfügungsmacht ist dann erfüllt, wenn das Unternehmen die Macht hat, sich den zukünftigen wirtschaftlichen Nutzen zu verschaffen und Dritte von diesem Nutzen ausschließen kann.[39]

- Künftiger wirtschaftlicher Nutzen:

Für die Erfüllung des Merkmals künftiger wirtschaftlicher Nutzen kommt es auf die Plausibilität des Vorhandenseins eines Vorteils an. Die Erfassung in der Bilanz zielt zwar auf das zukünftige Nutzenpotenzial, macht jedoch die Bewertung nicht am tatsächlichen Wert des zukünftigen Vorteils fest, sondern erfordert lediglich die Aktivierung der zur Schaffung des Vorteils entstandenen Aufwendungen. Die Aktivierung kann demnach erfolgen, wenn zumindest ein zukünftiger Nutzen in Höhe der getätigten Ausgaben erwartet werden kann.[40]

Sind die Aktivierungsvoraussetzungen erfüllt, so besteht in den IAS/IFRS eine Ansatzpflicht.

Für einige immaterielle Vermögenswerte werden im Standard ausdrückliche Ansatzverbote festgelegt, z.B. für selbst geschaffene Markennamen.[41]

3.1.1.2. Konkrete Ansatzkriterien für selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte

Aufgrund der fehlenden Marktobjektivierung im Falle von selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen, hält das IASB in diesem Fall besondere Objektivierungserfordernisse für notwendig. Hierbei geht es neben der Überprüfung der angefallenen Aufwendungen einer Periode um die Frage, ob und ab wann ein selbst geschaffener immaterieller Vermögenswert vorliegt. Es gilt weiterhin zu prüfen, ob die dafür entstandenen Kosten von Aufwendungen abgegrenzt werden können, die für den originären Geschäfts- und Firmenwert getätigt werden. Denn nach IAS 38.36 ist die Aktivierung des selbst geschaffenen Geschäfts- und Firmenwerts verboten.[42]

Für die dabei vorzunehmende Beurteilung der Aktivierungsfähigkeit ist gemäß IAS 38.40 der Entstehungsprozess eines selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswerts in die Forschungs- und Entwicklungsphase zu unterscheiden.

Forschungskosten

Unter Forschung wird dabei die „eigenständige und planmäßige Suche mit der Aussicht, zu neuem wissenschaftlichen oder technischen Wissen zu gelangen“, verstanden. Diese umfasst nach IAS 38.44 alle auf die Erlangung neuer wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichteten Anstrengungen, als auch die Beurteilung und endgültige Auswahl von Anwendungen.[43]

Für Forschungskosten gilt ein Ansatzverbot aufgrund ihrer Produktferne. Meist kann in der Forschungsphase nicht festgestellt werden, ob ein zukünftiger wirtschaftlicher Nutzen entsteht. Das Prinzip der Vorsicht (prudence) steht hier im Vordergrund.[44]

Forschungskosten sind deshalb nach IAS 38.42 in der Periode als Aufwand zu verrechnen, in der sie anfallen.[45]

Ist eine Zuordnung von Aufwendungen in die Forschungs- oder Entwicklungsphase nicht eindeutig, so sind diese Aufwendungen der Forschungsphase zuzuordnen.[46]

Entwicklungskosten

Entwicklung ist hingegen die der Forschung nachfolgende Tätigkeit, bei der Forschungsergebnisse oder anderes Wissen auf einen Plan oder Entwurf für die Produktion von neuen Materialien, Produkten, Verfahren, Vorrichtungen, Systeme oder Dienstleistungen angewendet wird.[47]

Die Phase der Entwicklung beginnt, sobald die Arbeiten einen konkreten Bezug zu einem bestimmten Objekt aufweisen, zum Beispiel die Erstellung eines Prototyps. Alle Aktivitäten bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der entstehende immaterielle Vermögenswert zur Nutzung bereit ist, fallen in die Entwicklungsphase.[48]

Aufgrund der größeren Marktnähe gelten Entwicklungskosten und die Rückflüsse aus Entwicklungsprojekten als eher zuverlässig schätzbar. Generell müssen die allgemeinen Ansatzkriterien für immaterielle Vermögenswerte erfüllt sein, d.h. die Entwicklungskosten müssen eindeutig bestimmbar und der damit verbundene zukünftige wirtschaftliche Nutzen wahrscheinlich sein.[49]

Neben den allgemeinen Ansatzkriterien müssen weitere Bedingungen erfüllt werden. Nach IAS 38.45 ist ein aus der Entwicklung entstehender immaterieller Vermögenswert nur dann zu aktivieren, wenn alle folgenden Kriterien erfüllt sind:

- Die technische Realisierbarkeit der Fertigstellung des immateriellen Vermögenswerts.
- Die Absicht des Unternehmens zur Fertigstellung des immateriellen Vermögenswerts, um ihn zu nutzen oder zu verkaufen.
- Die technische und finanzielle Fähigkeit des Unternehmens, zur Vollendung der Entwicklung und ihn zu nutzen oder zu verkaufen.
- Den Nachweis des zukünftigen wirtschaftlichen Nutzens des immateriellen Vermögenswerts.
- Die Verfügbarkeit angemessener technischer, finanzieller und sonstiger Ressourcen um die Entwicklung abzuschließen und den immateriellen Vermögenswert zu nutzen oder zu verkaufen.
- Die zuverlässige Bestimmung der Herstellungskosten des immateriellen Vermögenswerts.

Ist ein Ansatzkriterium nicht erfüllt, so gilt ein Ansatzverbot für den immateriellen Vermögenswert.

Sind jedoch alle Bedingungen erfüllt, so besteht eine Ansatzpflicht.

3.1.2. Bilanzpolitisches Gestaltungspotenzial des IAS 38

Diese Aktivierungsvoraussetzungen für selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte enthalten Schätzungen und bieten damit ein nicht unerhebliches bilanzpolitisches Gestaltungspotenzial.

Die Abgrenzung zwischen Forschungs- und Entwicklungskosten erweist sich jedoch als schwierig und wenig objektivierbar, da die Aktivierungskriterien nicht scharf genug sind und nahezu inhaltsleer formuliert sind.[50] Damit ein Entwicklungsprojekt in der Bilanz aktiviert werden darf oder als Periodenaufwand verrechnet werden muss, sind verschiedene Schätzungen des Managements hinsichtlich der technischen und finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens und Absichten des Managements notwendig.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Dimensionen der Schätzung beim Ansatz selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte[51]

Zu der technischen Dimension gehören neben der Realisierbarkeit des zu entwickelnden immateriellen Vermögenswerts auch die technische Fähigkeit des Unternehmens, den immateriellen Vermögenswert fertig zustellen, um ihn zu nutzen oder zu verkaufen.

Die wirtschaftliche Dimension beinhaltet, dass das Unternehmen die finanziellen Ressourcen besitzt, den immateriellen Vermögenswert zur Nutzung oder zum Verkauf zu erstellen, sowie den voraussichtlichen künftigen wirtschaftlichen Nutzen des erstellten immateriellen Vermögenswerts.

Die Beurteilung der finanziellen Fähigkeit des Unternehmens, ob und mit welchen finanziellen Mitteln der immaterielle Vermögenswert zum Verkauf oder zur Nutzung erstellt werden kann, bedingt eine Prognose, der für die Entwicklung voraussichtlichen anfallenden Ausgaben bis zum Zeitpunkt der Fertigstellung des immateriellen Vermögenswerts, einschließlich der zu erwartenden Ein- und Auszahlungen und Kreditmöglichkeiten innerhalb des Zeitraums. Zum Nachweis dafür ist ein Finanzplan zu erstellen.[52]

Der ökonomische Nutzen eines immateriellen Vermögenswerts wird bestimmt durch den voraussichtlichen Nettoverkaufserlös oder durch den Nutzungswert. Der Nettoveräußerungswert kann durch eine zeitpunktbezogene Schätzung gebildet werden. Zur Ermittlung des Nutzungswerts prognostiziert man dagegen die diskontierten Cash-Flows aus der fortgesetzten Nutzung des immateriellen Vermögenswerts zur Einnahmeerzielung. Folgende Einflussgrößen sind im Einzelnen zu schätzen:

- Einnahmen aus dem Verkauf von Gütern und Dienstleistungen aus der Nutzung des immateriellen Vermögenswerts
- Ausgaben für Güter und Dienstleistungen, die sich aus der Nutzung des immateriellen Vermögenswerts ergeben
- technische und wirtschaftliche Lebensdauer der mittels des immateriellen Vermögenswerts erstellten Güter und Dienstleistungen
- Diskontierungssatz (landesüblicher Zinssatz zzgl. Risikozuschlag)[53]
- gegebenenfalls Cash-Flows aus dem Abgang des immateriellen Vermögenswerts am Ende der wirtschaftlichen Nutzungsdauer[54]

Nur wenn alle Bedingungen des IAS 38.45 erfüllt sind, besteht eine Ansatzpflicht für die Entwicklungsausgaben des immateriellen Vermögenswerts. Liegt eine dieser Bedingungen nicht vor, dann müssen die Entwicklungskosten als Aufwand verrechnet werden. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen ist jedoch von technischen und wirtschaftlichen Schätzungen abhängig.[55]

Zusätzlich zu den hier aufgeführten Schätzungen ist die Absicht des Managements, den aus der Entwicklungsphase stammenden immateriellen Vermögenswerts fertig zustellen, eine weitere Voraussetzung um die Ausgaben für den selbst erstellten immateriellen Vermögenswert zu aktivieren.

Aufgrund seiner Tätigkeit und Engagements ergibt sich im Regelfall die Absicht des Managements, ein Entwicklungsprojekt tatsächlich fertig zustellen. Jedoch verbleibt dem Management ein verdeckter bilanzpolitischer Gestaltungsspielraum.

Das Management könnte beispielsweise die Absicht haben, das Entwicklungsprojekt aufzugeben, obwohl es bisher die Entwicklungsarbeiten vorangetrieben hat.[56]

Befindet sich ein Unternehmen in der Krise und möchte den Gewinn erhöhen, um ein geglättetes Ergebnis vorweisen zu können, dann könnte das Unternehmen bestrebt sein, möglichst wenig Forschungsaufwand zu haben. Das Unternehmen wird versuchen, möglichst viele Kosten der Entwicklungsphase zuzuordnen, die nach IAS 38.45 aktivierungspflichtig sind. Dadurch sinkt der Aufwand in der GuV, d.h. der Gewinn steigt und der Aufwand der Entwicklungskosten wird durch Abschreibungen über die folgenden Perioden verteilt.

Eine willkürliche Trennung zwischen Forschungs- und Entwicklungskosten kann das Unternehmen nicht vornehmen, da für die Aktivierungspflicht gem. 38.45 bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Allerdings sind die Aktivierungskriterien so unscharf formuliert, dass für das bilanzierende Unternehmen es möglich wird, das gewünschte Ergebnis im Jahresabschluss durch die Nutzung dieser Interpretationsspielräume zu erzielen.[57]

3.1.3. Kritische Betrachtung des IAS 38 anhand von ausgewählten Jahresabschlüssen

Selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte sind nach IAS 38.45 zu aktivieren, wenn alle Ansatzkriterien erfüllt sind. Dabei hat sich herausgestellt, dass der IAS 38.45 durch die verhältnismäßig vielen notwendigen Schätzungen ein erhebliches bilanzpolitisches Gestaltungs-potenzial bietet.

Einerseits bieten diese Gestaltungsspielräume dem Bilanzierenden die Möglichkeit das Ergebnis im Jahresabschluss zu beeinflussen. Ob und wie das geschieht, ist für den Bilanzleser oft nur schwer erkennbar.

Andererseits sind Unternehmen durch offene und klare Darstellungen und Erläuterungen im (Konzern-)Jahresabschluss zu Ansatz, Bewertung und Darstellung von Ergebnis und ökonomischen Tatsachen dazu angehalten, Vertrauen zu schaffen, besonders für Investoren und Fremdkapitalgeber. Und diese Bilanzadressaten sind nicht nur auf eine offene und ehrliche Darstellung des Unternehmens im Jahresabschluss angewiesen, sondern bewerten eine solche Vorgehensweise positiv.

Die Bayer AG zum Beispiel, schreibt ausführlich in ihrem Konzernabschluss des Jahres 2003, wann nach IAS 38 der Ansatz von Forschungs- und Entwicklungskosten erlaubt bzw. erforderlich ist. Für die Bayer AG sind die Voraussetzungen des IAS 38 für die Aktivierung von Entwicklungskosten „wie in den Vorjahren nicht gegeben“.

Selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte werden durch die Bayer AG grundsätzlich nicht aktiviert. Eine Ausnahme bilden die Entwicklungskosten, die bei intern entwickelter Software in der Phase der Anwendungs-entwicklung anfallen.[58]

Bei der Schering AG heißt es dagegen im Jahresabschluss 2003, „andere immaterielle Vermögensgegenstände werden zu Anschaffungskosten – selbst erstellte Software zu Herstellungskosten – vermindert um planmäßige lineare Abschreibungen bewertet.“ Weitere Erläuterungen zu Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätzen zum Posten „Immaterielle Vermögens-gegenstände“, insbesondere zu selbst erstellten immateriellen Ver-mögenswerten liefert die Schering AG im Jahresabschluss nicht. Jedoch listet sie die Werte von Zu- und Abgängen dieses Postens in den Bilanzerläuterungen zum Posten „Immaterielle Vermögensgegenstände“ auf. Daraus lässt sich zumindest die Summen von Zu- und Abgängen von „selbst erstellter Software“ sowie von „gewerblichen Schutzrechten und ähnliche Rechte und Werte“ ablesen. Dabei erläutert kurz die Schering AG aus welchem Produkt der Zugang beim Posten „Gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte“ im Wesentlichen stammt. Andere Zugänge und Abgänge in diesem Posten werden nicht erläutert.[59]

Die Henkel AG gibt im Konzernabschluss 2003 dagegen an, dass sie die Forschungs- und Entwicklungskosten in voller Höhe als Periodenaufwand verbucht, da sie die Zuordnung dieser Kosten zu einzelnen Projekten nicht sicherstellen kann. Deshalb enthält der Posten „Immaterielle Vermögenswerte“ in der Bilanz der Henkel AG nur entgeltlich erworbene immaterielle Vermögenswerte, wie die Henkel AG in den Bilanzerläuterungen zu dieser Bilanzposition festhält.[60]

Die Altana AG hält dagegen die Voraussetzungen zur Aktivierung als immaterielle Vermögenswerte gem. IAS 38 aufgrund der bis zur Markteinführung bestehenden Risiken für nicht vollständig erfüllbar. Entwicklungskosten werden deshalb im Konzernjahresabschluss 2003 als Aufwand erfasst.[61]

Bei der adidas-Salomon AG werden Entwicklungskosten ebenfalls nicht aktiviert, sondern als Aufwand erfasst. Begründet wird dies mit der kurzen Lebensdauer der Produkte in der Sportartikelbranche.[62]

Die Volkswagen AG erläutert im Konzernjahresabschluss 2003 kurz die Kriterien nach denen sie die „Entwicklungskosten für künftige Serienprodukte und andere selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte“ aktiviert bzw. als Aufwand verrechnet und aus welchen Kosten bzw. Kostenanteilen die Entwicklungskosten bestehen. Die Volkswagen AG liefert jedoch dem Bilanzleser eine relativ ausführliche Tabelle des Postens „Immaterielle Vermögenswerte“, die die Werte aus Zu- und Abgängen, Umbuchungen oder Währungsänderungen sowie Anfangsbestand und Schlussbestand des angegebenen Jahres enthält. Die Tabelle differenziert nach sechs Gruppen. Darunter „Aktivierte Entwicklungskosten für in Entwicklung befindliche Produkte“ und „Aktivierte Entwicklungskosten für derzeit genutzte Produkte“. Die Volkswagen AG gibt auch den Wert der Entwicklungskosten an, der die Aktivierungskriterien nach IFRS erfüllt hat. Zudem gibt sie auch an, wie viel nicht aktivierte Forschungs- und Entwicklungskosten angefallen sind, sowie die Höhe der Abschreibungen auf Entwicklungskosten.[63]

Somit bietet die Volkswagen AG dem Bilanzleser vergleichsweise viel Informationen zu diesem Bilanzposten, auch wenn aufgrund der vielfältigen bilanzpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten beim Ansatz von selbst erstellten immateriellen Vermögenswerten nicht alle Fragen des aufmerksamen Bilanzlesers beantwortet werden können.

[...]


[1] Vgl. Coenenberg (2003), S. 21

[2] Vgl. Buchholz (2003), S. 4

[3] Vgl. Buchholz (2003), S. 13

[4] Vgl. Coenenberg (2003), S. 20ff

[5] Vgl. Meyer/Meisenbacher, DStR 2004, S. 567

[6] Vgl. Küting/Dawo, StuB 2002, S. 1157

[7] Vg. Möhlmann-Mahlau/Gerkan/Grothar, StuB 2004, S.849

[8] Vgl. Kirsch (2004), S. 41

[9] Vgl. Küting/Dawo, StuB 2002, S. 1157

[10] Vgl. Zimmermann, StuB 2002, S. 573

[11] Vgl. Kirsch (2004), S. 41

[12] Vgl. Theile, StuB 2003, S. 957

[13] Vgl. Kirsch, BB 2003, S. 1111

[14] Vgl. Küting/Dawo, StuB 2002, S. 1157

[15] Vgl. Heyd (2003), S. 635

[16] Vgl. Peemüller (2003), S. 1

[17] Vgl. Küting/Dawo, StuB 2002, S. 1158

[18] Vgl. Meyer/Meisenbacher, DStR 2004, S. 567

[19] Vgl. Küting/Dawo, StuB 2002, S. 1159; vgl. auch Tanski, DStR 2004, S. 1844

[20] Vgl. Meyer/Meisenbacher, DStR 2004, S. 569

[21] Vgl. Küting/Dawo, StuB 2002, S. 1159

[22] Vgl. Kirsch (2003), S. 41

[23] Vgl. Tanski, DStR 2004, S. 1844

[24] Vgl. Kirsch (2003), S. 41

[25] Vgl. Tanski, DStR 2004, S. 1843

[26] Vgl. Tanski, DStR 2004, S. 1844 spricht von „großen Wahlrechten“

[27] Vgl. Tanski, DStR 2004, S. 1843

[28] Vgl. Tanski, DStR 2004, S. 1843 wählt für einen vergleichbaren Inhalt den Begriff „offene Regelungen“; vgl. Theile, StuB 2003, S. 957 spricht im selben Zusammenhang von „faktischen Wahlrechten“; vgl. Kirsch, BB 2003, S. 1111

[29] Vgl. Tanski, DStR 2004, S. 1843

[30] Vgl. Kirsch (2004), S. 42

[31] Vgl. Küting/Dawo, StuB 2002, S. 1159

[32] Vgl. Tanski, DStR 2004, S. 1843

[33] Vgl. Tanski, DStR 2004, S. 1843

[34] Vgl. Meyer/Meisenbacher, DStR 2004, S. 567f

[35] Vgl. Meyer/Meisenbacher, DStR 2004, S. 568

[36] Vgl. IAS 38.3

[37] Vgl. IAS 38.10

[38] Vgl. Küting/Dawo, StuB 2002, S. 1159f

[39] Vgl. IAS 38.13

[40] Vgl. Küting/Dawo, StuB 2002, S. 1160

[41] Vgl. IAS 38.51 und IAS 38.57

[42] Vgl. Küting/Dawo, StuB 2002, S. 1161

[43] Vgl. Schellhorn/Weichert, DStR 2001, S. 866

[44] Vgl. Buchholz (2003), S. 80

[45] Vgl. Küting/Dawo, StuB 2002, S. 1161

[46] Vgl. IAS 38.41

[47] Vgl. IAS 38.7

[48] Vgl. Küting/Dawo, StuB 2002, S. 1164

[49] Vgl. Schellhorn/Weichert, DStR 2001, S. 866

[50] Vgl. Engel-Ciric, DStR 2002, S. 781

[51] Vgl. Kirsch, BB 2003, S. 1112

[52] Vgl. IAS 38.49

[53] Vgl. IAS 38.48

[54] Vgl. Kirsch, BB 2003, S. 1112

[55] Vgl. Abb. 2

[56] Vgl. Kirsch (2003), S. 44

[57] Vgl. Meyer/Meisenbacher, DStR 2004, S. 570

[58] Vgl. Geschäftsbericht der Bayer AG zum 31.12.2003, S. 115

[59] Vgl. Geschäftsbericht der Schering AG zum 31.12.2003, S. 103 und S. 112

[60] Vgl. Geschäftsbericht der Henkel AG zum 31.12.2003, S. 55 und S. 60

[61] Vgl. Geschäftsbericht der Altana AG zum 31.12.2003, S. 99

[62] Vgl. Geschäftsbericht der adidas-Salomon AG zum 31.12.2003, S. 130

[63] Vgl. Geschäftsbericht der Volkswagen AG zum 31.12.2003, S. 13 und S. 30

Ende der Leseprobe aus 92 Seiten

Details

Titel
Bilanzpolitisches Gestaltungspotenzial durch Ermessensspielräume und verdeckte Wahlrechte nach IAS/IFRS
Untertitel
(Accounting policies design potential by administrative discretion and concealed rights to vote according to IAS/IFRS)
Hochschule
Hochschule München
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
92
Katalognummer
V46052
ISBN (eBook)
9783638433358
ISBN (Buch)
9783640864942
Dateigröße
610 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bilanzpolitisches, Gestaltungspotenzial, Ermessensspielräume, Wahlrechte, IAS/IFRS
Arbeit zitieren
Markus Rogler (Autor:in), 2005, Bilanzpolitisches Gestaltungspotenzial durch Ermessensspielräume und verdeckte Wahlrechte nach IAS/IFRS, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46052

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