Was bedeutet 'antiautoritäre Erziehung' in der Schule Summerhill?


Seminararbeit, 2005

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 A. S. Neill und seine Schule Summerhill
2.1 Alexander Sutherland Neill
2.2 Die Internatsschule Summerhill
2.3 Selbstregierung

3 Was bedeutet antiautoritär?
3.1 „Antiautoritäre Erziehung“ - ein Widerspruch?
3.2 Autoritäre Erziehung
3.3 Demokratische Erziehung
3.4 Verschiedene Deutungsmöglichkeiten

4 Ist Summerhill antiautoritär?
4.1 Freiheit, nicht Zügellosigkeit
4.2 Die freie Erziehung

5 Schlußbetrachtung

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Ihr Kind war heute wieder sehr rüpelhaft. Es hat sich benommen wie Axt im Walde. Und meine kleine Jessica muss darunter leiden. Wegen ihm wird sie später noch so einige Störungen davon tragen.“ - „Nein, mein Kind ist nicht unanständig. Es tut nur das, wozu es gerade Lust hat. Warum soll ich mein Kind einschränken, sodass es kein glückliches Leben führen kann? Ich kann ihm doch nicht ein Benehmen auf- zwingen, dass seiner kindlichen Art völlig widerspricht.“ - „Das klingt ja nach purer Anarchie! Sie können doch ihr Kind nicht machen lassen, was es will.“ - „Nein, das ist keine Anarchie. Ich erziehe mein Kind antiautoritär!“ - „Ihnen sollte man ihr Kind wegnehmen. Woher soll es denn dann Anstand und Moral nehmen? Das wird mal ein Krimineller und Taugenichts!“

So oder so ähnlich könnte ein kurzes Gespräch zweier Eltern am Rande des Spielplatzes ablaufen. Eltern die ihr Kind antiautoritär erziehen wollen, müssen sich wohl gelegentlich mit solchen Vorwürfen und Vorurteilen auseinandersetzen. Es wird, nicht ganz unbegründet, aber umso vorwurfsvoller und auch negativ behaftet, mit der Studentenbewegung Ende der 60er Jahre in Verbindung gebracht und schlecht davon geredet. Hinter diesem Beispiel steht lediglich ein sehr verkürztes Bild von antiautoritärer Erziehung. Aber was verbirgt sich wirklich dahinter?

Im Zuge jener Studentenbewegung entwickelten sich verschiedene Konzepte der antiautoritären Erziehung in Deutschland. Als einer der wichtigsten Vertreter alterna- tiver Erziehungskonzepte gilt Alexander Sutherland Neill. Auf ihn nahmen auch in der Bundesrepublik viele Verfechter einer neuen pädagogischen Richtung positiven und auch negativen Bezug. Er ist als der Gründer und langjähriger Leiter des Landschul- heims Summerhill bekannt geworden ist. Am Beispiel Summerhill soll gezeigt werden welche Bedeutung antiautoritäre Erziehung bekommt. Es ist die Betrachtung eines Einzelfalls und kann nicht vollständig auf die ganze Richtung, welche sich unter dem Schlagwort der „autoritären Erziehung“ verbirgt, projiziert werden.

An der zentralen Frage, was antiautoritäre Frage in Summerhill bedeutet, orientiert, werden auch allgemeine Fragen aufgegriffen. Was ist anders in dieser Form der Erziehung, bzw. worin liegt der Unterschied dieser und anderen Arten der Erziehung? Was bedeutet überhaupt antiautoritär? Anhand dieser Überlegungen kann auch die zentrale Frage beantwortet werden.

Beginnend mit einer kurzen Vorstellung von A. S. Neill und seiner Schule wird wei- terhin dargelegt, was antiautoritäre Erziehung bedeutet. Hier handelt es sich vorwie- gend um eine Begriffsklärung. Auf diese Weise soll nun dargestellt werden in wel- chem Umfang Summerhill antiautoritär sein will und wie es sich in der Realität ver- hält.

Die Schwierigkeit besteht zunehmend darin, dass obwohl es reichlich Literatur über Summerhill gibt, sehr viel von dieser, Neill selbst geschrieben hat. Nun sind es lediglich Erfahrungsberichte, die von unzähligen Beispielen gespickt sind. Neill selbst stellt keine konkrete Theorie über seine Erziehungsmethoden auf, sondern gibt das Leben in Summerhill in literarischer Form wieder. Außerdem lassen Neills Schriften Zweifel über deren Authentizität entstehen. An vielen Stellen scheint sich der Verdacht der Beschönigung bestätigt zu haben.

2 A. S. Neill und seine Schule Summerhill

2.1 Alexander Sutherland Neill

Alexander Sutherland Neill wurde als Kind zweier Lehrer am 17. Oktober 1883 in Forfar in Schottland geboren. Durch seine Großmutter und auch seine Mutter kam er in Kontakt mit der christlichen bzw. calvinistischen Religion und Moral. Die Mutter war sehr auf die soziale Stellung der Familie bedacht, sie wollte nicht zulassen, dass sie mit Arbeitern verglichen werden, eher wollte sie eine gehobene Position in der Ge- sellschaft einnehmen, obwohl sie nicht wohlhabend waren. Seine Eltern waren gene- rell sehr streng zu ihm, aber nicht zu allen Geschwistern. Er hatte Angst vor dem Va- ter, der zugleich sein Lehrer war, ihn aber niemals auf eine höhere Schule schickte. Neill wuchs mit seinen acht Geschwistern auf dem Dorf auf, lernte aber dennoch die Stadt kennen.1

Seine pädagogische Laufbahn begann in einigen staatlichen Schulen, an denen er die Kinder unfreiwillig schlagen musste. Doch, so sagt Neill von sich selbst, tat er das nur aus Angst vor den Schulleitern. Er lernte aber auch eine Schule mit weniger strengen Disziplinierungsmaßnahmen kennen und versuchte den Kindern eine an- satzweise Selbstbestimmung einzuräumen. Doch dieser Versuch scheiterte und kurz Zeit später nahm er sein Studium der Agrarwissenschaft und wenig später das der

Anglistik auf.2 Zur Zeit des Ersten Weltkriegs meldete sich Neill freiwillig zur Armee, wurde jedoch niemals im Krieg eingesetzt.3 Neill begann schon während der Zeit als Rektor einer Dorfschule das (Schul-) Sys- tem in Frage zu stellen. Er machte sich Gedanken, „welche Bedeutung Dezimalbrü- che, das Lange Parlament und die Exporte Perus für das Leben von Kindern haben, die einmal Landarbeiter und Hufschmiede werden sollten.“4 Dazu kam er in Kontakt mit Homer Lane, der seine Gedanken bezüglich der Erziehung stark prägte und ihn etwas über Kinderpsychologie erfahren ließ5. dies führte wiederum dazu, dass Neill sich in seiner kritischen Meinung über das Schulsystem bestätigt fühlt und er begann damit „den Kampf für das Recht des Kindes, seine Gefühle völlig ungehindert zu ent- falten“.6

1921 war er Mitbegründer der Internationalen Schule Hellerau bei Dresden, die sich in den darauf folgenden Jahren mehr und mehr leerte. So kam es, dass Neill mit einer kleinen Gruppe Schülern über Österreich nach England zog und 1924 seine Schule Summerhill gründete.7

2.2 Die Internatsschule Summerhill

Das Landschulheim Summerhill beherbergt im Durchschnitt 45 Schüler und Schüle- rinnen (Stand 1960), die nicht nur aus England, sondern aus der ganzen Welt kom- men, wobei zu betonen gilt, dass die Kinder immer nur aus Familien kommen, wel- che das Schulgeld aufbringen können, um ihr Kind nach Summerhill zu schicken. Die jüngsten Kinder kommen mit fünf Jahren in die Schule und verlassen sie in der Regel mit sechzehn. Es gibt drei Altersklassen, in die sie eingeteilt werden und in denen sie auch zusammenwohnen8. Mädchen und Jungen dürfen nicht gemeinsam in einem Zimmer wohnen, allerdings nicht aus erzieherischen oder psychologischen, sondern aus rein rechtlichen Gründen.9

In der Schule gibt es einen einigermaßen festen Tagesablauf, der darin besteht, dass der Vormittag dem Unterricht vorbehalten ist, und sich die Kinder und Jugendlichen in der Regel nach dem Mittagessen in losen Arbeitsgruppen, bzw. mit ihren Freunden zusammenfinden und irgendeiner Beschäftigung nachgehen. Diese Arbeitsgruppen werden, genau wie der Unterricht freiwillig besucht und ebenfalls analog können sich die Schüler aussuchen, welches Fach sie besuchen oder wie sie ihren Nachmittaggestalten. Auch die Wochenenden sind meist geplant und unterliegen einem nicht verpflichtendem, aber schon regelmäßigem Programm.10

2.3 Selbstregierung

Die Schüler finden sich innerhalb der Schule zu einer Schulversammlung zusammen. Jeden Samstagabend treffen sich Schüler und Lehrer (freiwillig!) und bilden damit die Entscheidungsinstanz in Summerhill. In dieser zählt jede Stimme gleichwertig und es wird demokratisch abgestimmt. Es werden alle Angelegenheiten geregelt, die das Leben in der Gemeinschaft betreffen und „dazu gehört auch die Bestrafung von Ver- gehen gegen die Gemeinschaft.“ Jeder kann Anträge einbringen, die diskutiert wer- den sollen und jeder kann gegen ungerechte Behandlung Protest einlegen und die Fall wird noch mal neu verhandelt. Die Leitung wird jede Woche von einem anderen Schüler übernommen, von dem maßgeblich auch der Erfolg der Versammlung ab- hängt. Zugleich bestimmt der Vorsitzende den Vorsitzenden für die nächste Woche.11 Zwar gibt es bestimmte Punkte, bei denen Neill sich als Direktor vorbehält (mit seiner Frau Ena) zu entscheiden. „Ich frage die Schüler nicht bei der Anstellung eines Leh- rers; Ena fragt sie nicht bei der Zusammenstellung des Speisezettels. Ich bestimme allein über die Notausgänge, Ena über Dinge, die mit der Gesundheit zusammen- hängen. Wir kaufen und reparieren die Möbel, und wir entscheiden, welche Lehrbü- cher angeschafft werden sollen.“12 Doch in allen anderen Dingen entscheidet das gesamte Gremium. Für Neill war das individuelle Glück und Zufriedenheit des Kindes ein vordergründiger Faktor, nach dem er seine pädagogischen Leitmotive richtete. Um dies zu erreichen, ging er von der völligen Gleichberechtigung zwischen Kindern und Erwachsenen im Erziehungsprozess aus. Kein Erwachsener dürfe dem Kind als Vormund dienen, sondern jeder darf über sich selbst bestimmen.13

[...]


1 Neill 1973, S. 14-26.

2 Neill 1973, S. 83-112.

3 Neill 1973, S. 120-138.

4 Neill 1971, S. 134.

5 Homer Lane leitete das “Little Commonwealth”. Ein Gefangenenlager für straffällig gewordene Jugendliche. Neill ließ sich von ihm analysieren und bekam bei ihm einen Einstieg in die Psychoanalyse. “Was er über die Freiheit sagte, war das Evangelium, nach dem ich gesucht hatte”, sagt Neill selbst über ihn, doch wandte er sich auch bald wieder von diesem göttlichen Schemata ab und fand auch Kritik an ihm. Neill 1973, S. 139-141. Neill 1971, S. 140 f.

6 Neill 1971, S. 135.

7 Gegründet wurde die Schule in Lyme Regis und zog kurz darauf nach Suffolk um. Neill 1973, S. 145-152.

8 Neill 1969, S. 21.

9 Neill 1969, S. 320.

10 Neill 1969, S. 30 f.

11 Neill 1969, S. 60.

12 Neill 1971, S. 38.

13 Klemm 1997, S. 16.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Was bedeutet 'antiautoritäre Erziehung' in der Schule Summerhill?
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Philosophie)
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
17
Katalognummer
V46051
ISBN (eBook)
9783638433341
Dateigröße
426 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erziehung, Schule, Summerhill
Arbeit zitieren
Clemens Heyder (Autor:in), 2005, Was bedeutet 'antiautoritäre Erziehung' in der Schule Summerhill?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46051

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