Der Bundespräsident - überflüssig oder unterschätzt?


Seminararbeit, 2005

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Historischer Hintergrund und Verständnis des Amts des Bundespräsidenten

3 Politischer Einfluss des Bundespräsidenten aufgrund der verfassungsrechtlichen Kompetenzen
3.1 Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundespräsidenten
3.2 Die Bundespräsidenten im Gebrauch der verfassungsrechtlichen Kompetenzen
3.2.1 Gebrauch des Gestaltungsrechts im Hinblick auf nationale Symbole
3.2.2 Gebrauch des Rechts zur Ernennung / Entlassung des Bundeskanzlers und der Bundesminister
3.2.3 Gebrauch des Rechts zur Ernennung / Entlassung der Richter, Offiziere und Bundesbeamten
3.2.4 Gebrauch des außenpolitischen Rechts die BRD völkerrechtlich zu vertreten
3.2.5 Gebrauch der Reservemachtfunktion und des Rechts zur Auflösung des Bundestags
3.2.6 Gebrauch des Prüfungsrechts bei Gesetzen
3.3 Bewertung des politischen Einflusses des Bundespräsidenten aufgrund der verfassungsrechtlichen Kompetenzen

4 Politischer und gesellschaftlicher Einfluss des Bundespräsi-denten aufgrund seiner Funktion als pouvoir neutre

5 Résumé

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Betrachtet man die in der Verfassung festgelegten Kompetenzen des Bundespräsidenten, so kann man schnell den Eindruck gewinnen, dass er im bundesdeutschen System nur eine untergeordnete Rolle spielt. Ähnlich eines Monarchen in den heutigen konstitutionellen Monarchien (z. B. England) könnte man als These formulieren, dient der Bundespräsident als Wahlmonarch hauptsächlich der Repräsentation, Politik machen andere. Es lässt sich also mit Schwarz (1999, S. 34) fragen, ob es im politischen System der BRD überhaupt auf den Bundespräsidenten ankommt oder härter formuliert, ob wir überhaupt einen Bundespräsidenten brauchen. Ginge es also nicht auch ohne dieses Amt, ließen sich seine Funktionen nicht einfach auf andere Verfassungsorgane übertragen (vgl. Möller, 1999, S. 10f)? Kurz gesagt, ist der Bundespräsident überflüssig?

Ein anderes Bild bietet sich uns, wenn wir die Wahl zum letzten Bundespräsidenten und die nachfolgenden Geschehnisse betrachten. Die als Triumph Angela Merkels bezeichnete Durchsetzung Köhlers als Kandidaten innerhalb ihrer Partei und der als Zeichen des Machtwechsels interpretierte Sieg Köhlers bei den Wahlen zum Bundespräsidenten lassen darauf hindeuten, dass der Bundespräsident ganz so ohne Einfluss und Bedeutung nicht sein kann. Auch wenn man betrachtet, für wie viel Aufsehen Köhler mit seiner Brandrede zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit am 15. März diesen Jahres gesorgt hat, in der er u. a. die gesamte Politikerklasse für ihren Zickzackkurs und ihre Wahltermin bedingten taktischen Reformpausen (vgl. Wais, 2005, S. 2) öffentlich abmahnte, kommt man ins Grübeln. Zwei Tage vor dem „Job-Gipfel“, bei dem Regierung und Opposition zusammentrafen, um ein gemeinsames Konzept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu entwickeln, sprach Köhler deutlich aus, was jeder dachte, zitierte den Parteien ihre Aufgaben ins politische Stammbuch, rückte damit das Thema ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit und setzte die Parteien unter Druck. Es drängt sich somit schließlich die Frage auf, ob das Amt des Bundespräsidenten nicht doch mehr Möglichkeiten der politischen Einflussnahme bietet, als zunächst angenommen. Wird die Macht des Bundespräsidenten schlicht unterschätzt und fälschlicherweise auf die geringen verfassungsrechtlichen Kompetenzen reduziert?

Wie Lehmbruch (1999, S. 109) und auch Möller (1999, S. 7f) übereinstimmend feststellen, hat sich die politikwissenschaftliche Forschung bisher kaum mit den Bundespräsidenten und der Frage nach ihren politischen und gesellschaftlichen Einflussmöglichkeiten beschäftigt. Diese Frage soll daher als Grundlage für diese Arbeit dienen und im Folgenden näher erörtert werden.

Ausgehend von dieser Einleitung soll zunächst kurz der historische Hintergrund des Amtes mitsamt den damit verbundenen Konsequenzen beleuchtet werden (2.), bevor in einem weiteren Schritt die verfassungsrechtlichen Kompetenzen des Bundespräsidenten vor dem Hintergrund analysiert werden sollen, inwieweit diese eine politische Einflussnahme des Bundespräsidenten ermöglichen (3.). Im Anschluss daran soll geprüft werden, ob dem Bundespräsidenten über die verfassungsrechtlichen Kompetenzen hinaus, über seine Rolle als integrierender Repräsentant und kritischer Mahner, weitere Mittel zur Verfügung stehen, um Einfluss geltend zu machen (4.). Zu guter Letzt soll ein kurzes Résumé erfolgen, in dem die wichtigsten Gedanken dieser Arbeit noch einmal zusammengetragen und festgestellt werden soll, ob der Bundespräsident nun über faktische Einfluss-möglichkeiten verfügt oder nicht.

2 Historischer Hintergrund und Verständnis des Amts des Bundespräsidenten

Im Zusammenhang mit dem Amt des Bundespräsidenten wird immer wieder von der Funktion der pouvoir neutre gesprochen, der über dem Parteienstreit stehenden neutralen Macht also, der eine Mittleraufgabe bzw. eine Moderatorenrolle im System zukommt (vgl. Sarcinelli, 1999, S. 191f). Dieser Begriff wurde bereits in der Weimarer Republik für den Reichspräsidenten verwendet und sollte auf dessen integrierende und ausgleichende Funktion, als neutraler Mittler zwischen der vollziehenden (Regierung/Kanzler), der gesetzgebenden (Parlament) und der rechtsprechenden Gewalt (Gerichte), verweisen. Um dieser Aufgabe gerecht werden zu können, war der Reichspräsident direkt durchs Volk legitimiert und verfügte über eine Fülle von Kompetenzen (materielle Ernennungs- und Entlassungsbefugnis in Bezug auf den Reichskanzler, Auflösungsbefugnis gegenüber dem Reichstag, legislative Kompetenz durch ein Notverordnungsrecht), die ihn eindeutig zum politischen Präsidenten machten. Der oft zitierte „Hindenburg-Komplex“ (Gusy, 1999, S. 60), basierend auf der bitteren Erfahrung, dass Reichspräsident von Hindenburg an den gestiegenen Ansprüchen an ihn scheiterte, als sich immer mehr politisches Gewicht auf den Reichspräsidenten verlagerte, wirkte sich nachdrücklich auf die Entscheidung des Parlamentarischen Rates, der über die Kompetenzen des künftigen Bundespräsidenten beriet, aus. Die Konsequenz lag darin, dass nach ihrer Meinung ein Staatsoberhaupt mit politischen Kompetenzen keine pouvoir neutre mehr bleiben kann (vgl. Möller, 1999, S. 10). Aus diesem Grund wurde das Amt des Bundespräsidenten nur noch mit geringen machtpolitischen Kompetenzen ausgestattet (vgl. Geiger, 1999, S. 63), anstelle des materiellen, trat ein formelles Ernennungs- und Entlassungsrecht des Bundeskanzlers, die Auflösungsbefugnis gegenüber dem Bundestag wurde engstens für den Ausnahmefall eingeschränkt, das Notverordnungsrecht mitsamt seinen legislativen Kompetenzen entfiel.

Die Basis für einen politischen Präsidenten im engen macht- und personalpolitischen Sinne wurde auf diese Weise stark eingeschränkt, der Fokus dagegen auf die integrierende, ausgleichende, überparteiliche Funktion als Mittler und die Repräsentation des Gesamtvolkes gelegt.

Gedanken, völlig auf ein Staatsoberhaupt zu verzichten, wurden jedoch unter dem Eindruck der Besatzung verworfen, da dies für die Mehrheit einem Verzicht des neuen Staatsgebildes auf die eigene Souveränität zumindest nahe gekommen wäre (vgl. Gusy, 1999, S. 61).

Im folgenden Kapitel soll nun untersucht werden, inwieweit die geringen verbliebenen verfassungsrechtlichen Kompetenzen von den bisherigen Bundespräsidenten genutzt werden konnten, um politischen Einfluss auszuüben.

3 Politischer Einfluss des Bundespräsidenten aufgrund der verfassungsrechtlichen Kompetenzen

Zunächst sollen nun kurz die verfassungsrechtlichen Kompetenzen des Bundespräsidenten skizziert werden, bevor darauf eingegangen wird, wie Bundespräsidenten diese im Laufe der Geschichte der Bundesrepublik für sich nutzen konnten.

3.1 Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundespräsidenten

Im Wesentlichen verfügt der Bundespräsident nach Birke (1999, S. 88f) über die folgenden Kompetenzen, die im Weiteren zu untersuchen sind:

- Ernennung und Entlassung des Bundeskanzlers und der Bundesminister (Art. 63 & 64 GG)
- Ernennung und Entlassung der Richter, Offiziere und Bundesbeamten, sowie die Ausübung des Begnadigungsrechts (Art. 60 GG)
- Völkerrechtliche Vertretung des Bundes, Abschluss von Verträgen (Art. 59GG), Verkündigung des Verteidigungsfalls (Art. 115a GG)
- Reservemacht im Gesetzgebungsnotstand (Art. 81 GG), Auflösung des Bundestags (Art. 68GG)
- Prüfungsrecht bei und Ausfertigung von Gesetzen (Art. 82 GG)

Obwohl die Kompetenzen des Bundespräsidenten im Grundgesetz verankert sind, erschienen die Formulierungen im Grundgesetz nicht so eindeutig und klar formuliert, dass von vornherein eine allseits akzeptierte Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Bundespräsident und Bundeskanzler in jedem Einzelfall vorgegeben war (vgl. Wengst, 1999, S. 66). So kam es während der Zeit des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss zu einigen Versuchen des Bundespräsidialamts zusätzliche Kompetenzen an den Bundespräsidenten zu binden. In diesen Bereich fallen Bestrebungen, dem Bundespräsidenten die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung und den militärischen Oberbefehl zuzuschreiben, die jedoch ebenso erfolglos blieben, wie der Versuch die Teilnahme des Bundespräsidenten an Kabinettsberatungen, in denen Grundsätzliches besprochen wird, zu erzielen (vgl. Wengst, 1999, S. 67ff).

Erfolgreich war hingegen der Versuch, im Grundgesetz nicht erwähnte Funktionen an den Bundespräsidenten zu binden, die für das Staatsbewusstsein von erheblicher Bedeutung sind. So verfügt der Bundespräsident seit 1950 über die Organisationsgewalt, hinsichtlich der Bestimmungen aller Einrichtungen, die der Repräsentation des Staates dienen und über das Gestaltungsrecht im Hinblick auf nationale Symbole. Hierzu gehört z.B. die Wahl der nationalen Hymne, der Fahnen, Embleme und Orden und des protokollarischen Zeremoniells bei Staatsakten jeder Art (vgl. Scholz, 1990, S. 5).

3.2 Die Bundespräsidenten im Gebrauch der verfassungsrechtlichen Kompetenzen

3.2.1 Gebrauch des Gestaltungsrechts im Hinblick auf nationale Symbole

Im Hinblick auf die nationalen Embleme, Orden, Fahnen und das protokollarische Zeremoniell bei Staatsakten kam es im Verlauf der Geschichte der Bundesrepublik zu keinen nennenswerten Spannungen zwischen den Bundespräsidenten und anderen Organen. Anders verhält sich dies jedoch bei der wohl wichtigsten Befugnis im Rahmen dieses Gestaltungsrechts, der Wahl der deutschen Hymne.

Der erste Bundespräsident Heuss wandte sich entschieden gegen das von Friedrich Ebert in der Weimarer Republik eingeführte Deutschlandlied als Nationalhymne, da dieses durch dessen Weiterverwendung in der Zeit des NS-Regimes korrumpiert worden war (vgl. Scholz, 2004, S. 124f). Es bedurfte seiner Meinung nach zum Zeichen einer neuen Symbolik einer neuen Hymne. Die von Heuss in Auftrag gegebene Hymne wurde jedoch sowohl von den Bürgern als auch den Politikern nicht akzeptiert, woraufhin sich die Regierung mit der Bitte an Heuss wendete, die dritte Strophe des Deutschlandlieds zur Hymne zu erklären. Heuss wagte jedoch die Kraftprobe und widerstand dem Drängen der Bevölkerung, des Kanzlers und der eigenen Parteifreunde für über ein Jahr, bevor er, letztlich ohne andere Wahl, gegen seine eigene Überzeugung handelnd und mit offensichtlichem Unbehagen der Bitte der Bundesregierung nachkam (vgl. Wengst, 1999, S. 69f). Dieses Verhalten sollte auch in anderen Bereichen charakteristisch für das Verhalten der Bundespräsidenten werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Der Bundespräsident - überflüssig oder unterschätzt?
Hochschule
Technische Universität Darmstadt  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Das politische System der BRD
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V46005
ISBN (eBook)
9783638432900
Dateigröße
531 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit geht der Frage nach, inwieweit der Bundespräsident im bundesdeutschen politischen System nicht doch eine viel gewichtigere Stellung einnimmt als allgemein angenommen.
Schlagworte
Bundespräsident, System, System BRD
Arbeit zitieren
Christian Klaas (Autor:in), 2005, Der Bundespräsident - überflüssig oder unterschätzt?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46005

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