Gesellschaftliche Einflüsse auf Angststörungen bei Frauen


Hausarbeit, 2011

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kulturelle Einflüsse auf Angsstörungen
2.1 Geschlechtsspezifische Sozialisation
2.2 Umgang mit einer Angststörung
2.3 Männlich und weiblich geprägte Kulturen

3. Partnerschaftliche Einflüsse auf Angststörungen
3.1 Gewalt in der Partnerschaft
3.2 Umgang mit einer Angststörung innerhalb einer Partnerschaft

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Innerhalb eines Jahres erkranken 14,5% der deutschen Bundesbürger zwischen 18 und 65 Jahren an einer Angststörung. Damit sind Angststörungen die häufigsten psychischen Erkrankungen, also auch weiter verbreitet als Depressionen, an denen jährlich 10,9% der Bundesbürger erkranken (vgl. Jacobi et al. 2004: S. 737), (vgl. Robert Koch-Institut 2010: S. 19). Angststörungen werden oft unterschätzt. Sie gehören zu den langfristig teuersten Erkrankungen, sind häufiger Grund für eine Frühberentung und weisen ein den Depressionen vergleichbar hohes Suizidrisiko auf. Sie verlaufen ohne richtige Behandlung chronisch (vgl. Robert Koch-Institut 2004: S. 10f). Im Gegensatz zu anderen psychischen Erkrankungen, die bei beiden Geschlechtern gleich stark verteilt sind, treten Angststörungen bei Frauen doppelt so oft auf wie bei Männern. Die häufigsten Formen von Angststörungen sind Panikstörung, Agoraphobie, Soziale Phobie, Generalisierte Angststörung und spezifische Phobien.1 Der Grund für die ungleiche Verteilung zwischen den Geschlechtern kann nicht alleine biomedizinisch erklärt werden. Es gibt Theorien, die besagen, dass die weiblichen Hormone Schuld seien, jedoch erklärt dies nicht, warum bereits im Kindesalter Mädchen häufiger betroffen sind als Jungen (vgl. Schneider 2003: S. 63f). Die Entstehung übermäßiger Ängste wird zunehmend mit Hilfe des Bio-Psycho-Sozial-Modells erklärt (vgl. André 2009: S. 55). Dieses Modell umfasst biomedizinische, psychologische und soziale Aspekte der Ätiologie einer Krankheit und berücksichtigt, dass neben genetischen und biologischen Faktoren auch Gefühle, Verhalten und Denkweisen sowie kulturelle und gesellschaftliche Einflüsse und familiäre oder berufliche Konstellationen eine große Rolle spielen (vgl. Warmbrunn). Da psychischen Störungen kein rein pathophysiologischer Prozess oder Defekt zugrunde liegt und der Einfluss psychologischer und sozialer Faktoren nicht von der Hand zu weisen ist, wird nicht mehr von Krankheit sondern von Störung gesprochen (vgl. Robert Koch Institut 2004: S. 7) Außerdem besagt das Bio-Psycho-Sozial-Modell, dass alle Bereiche miteinander verschaltet sind und dass eine Störung innerhalb des einen Bereichs auch Auswirkungen auf andere Bereiche haben kann (vgl. Egger 2005). Das bedeutet, soziale Missstände können sich auf die physische und psychische Gesundheit auswirken.

Ziel dieser Hausarbeit ist es, die gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Faktoren zu untersuchen, die die höhere Verbreitung von Angststörungen unter Frauen möglicherweise beeinflussen. Dazu werden im ersten Teil der Arbeit die die gesamte Gesellschaft betreffenden Einflüsse durchleuchtet. Darunter fällt die unterschiedliche Sozialisation von Männern in Frauen in unserer Gesellschaft. Diese beeinflusst wiederum den jeweiligen Umgang mit der Störung sowohl bei den Betroffenen selbst als auch in der gesamten Gesellschaft. Als letzter Punkt wird ein Vergleich zwischen verschiedenen Kulturen betrachtet. Dies verdeutlicht, dass kulturelle Unterschiede auch Unterschiede in der Gesundheit mit sich bringen. Im zweiten Teil der Hausarbeit wird auf interpersonelle Faktoren am Beispiel von Paarbeziehungen eingegangen. Hierbei wird zunächst auf Gewalt in der Partnerschaft eingegangen. Eine weitere wichtige Rolle spielt der Umgang mit einer vorhandenen Angststörung innerhalb einer Partnerschaft. Dieser besitzt einen enormen Einfluss auf den Verlauf der Angststörung und gegebenenfalls auch auf die Therapie und deren Erfolg.

2. Kulturelle Einflüsse auf Angsstörungen

2.1 Geschlechtsspezifische Sozialisation

In unserer Kultur gibt es trotz der Emanzipation der Frauen auch heute noch typische Geschlechterrollen für Männer und Frauen. Das bedeutet, den unterschiedlichen Geschlechtern werden jeweils bestimmte Verhaltensweisen zugesprochen, die akzeptiert oder gewünscht werden. Diese gesellschaftlichen Vorstellungen von „männlich“ und „weiblich“ nennt man auch Geschlechterstereotypen. Dass dies heute noch allgegenwärtig ist, zeigt der aktuelle Wikipedia-Eintrag unter dem Titel „Geschlechterrolle“. Die traditionelle Rolle des Mannes ist es demnach Oberhaupt und Ernährer der Familie, stark, kämpferisch und rational zu sein sowie den aktiven Part in der Sexualität zu übernehmen. Eine Frau soll traditionellerweise Hausfrau und Mutter, für die emotionalen Bereiche zuständig, passiv und zurückhaltend sein. Die Hausarbeit, ausgeübt als alleinige Beschäftigung der Frauen, wird mehr anerkannt als die Hausarbeit, ausgeübt als alleinige Beschäftigung der Männer. Dieses häusliche Verhalten beinhaltet unübersehbar ähnliche Attribute wie agoraphobisches Verhalten. Passend dazu ist, dass es Frauen eher zugestanden wird, ängstlich zu sein als Männern. Auch wenn unser Zeitalter es zuließe, die Rollen größtenteils zu vermischen, gelten in vielen Köpfen weiterhin diese Muster. Viele Frauen suchen sich sogar selbst einen Platz im Kontext dieser traditionellen Rollen.

Die relevanten Ursachen für die Entwicklung solcher Rollenbilder liegen in der Kindheit. Hauptsächlich die Eltern, aber auch das gesamte kulturelle Gesellschaftsbild, das in Literatur, Werbung, Fernsehen und anderen Medien widergespiegelt wird, demonstrieren eine Rollenverteilung. Selbst kleine Kinder haben eine ähnliche Rollenvorstellung wie Erwachsene, denn schon ihnen wird ein bestimmtes Rollenverhalten vermittelt. Kleinen Jungen werden andere Spielzeuge geschenkt und angeboten als kleinen Mädchen (vgl. Franks/Rothblum 1983: S. 31), bevor diese überhaupt selbst entscheiden könnten. Dieses Verhalten vermittelt eine Erwartungshaltung an Kinder, sich ihrem Geschlecht gemäß zu verhalten. Auch das vorgelebte Verhalten der Eltern und anderer Erwachsener im näheren Umfeld prägt die Orientierung an Geschlechterrollen. Im fortgeschrittenen Kindesalter bestehen schon genaue Vorstellung darüber, welche Spielzeuge, Berufe oder Aktivitäten unsere Gesellschaft jeweils für Jungen oder Mädchen vorsieht (vgl. Franks/Rothblum 1983: S. 31). Die Vorbildfunktion der Eltern beeinflusst nicht nur die Entwicklung des geschlechtstypischen Verhaltens, sondern parallel dazu auch die Entwicklung von Ängsten und Vermeidungsverhalten. Bei den meisten Eltern ist diese geschlechtsspezifische Erziehung übereinstimmend mit der geschlechtsspezifischen Beeinflussung von Vermeidungsverhalten und Ängsten. Weit über die Hälfte aller Ängste zeigen sich erstmals vor dem 21. Lebensjahr (vgl. Robert Koch-Institut 2004: S. 13). Laut Franks und Rothblum wurde in mehreren wissenschaftlichen Untersuchungen festgestellt, dass Eltern ihre Söhne eher dazu ermutigen unabhängig zu sein, während bei Töchtern hilfloses und abhängiges Verhalten nicht nur toleriert, sondern sogar unterstützt wird. Beispielsweise lassen sie ihre Söhne früher alleine stark befahrene Straßen überqueren. Bei Mädchen wiederum wurde beobachtet, dass sie sich aus vermeintlich gefährlichen Situationen zurückziehen und Erwachsene um Hilfe bitten. Dieses Vermeiden und das Suchen von Hilfe ist typisches agoraphobisches Verhalten. Das dort beobachtete und beschriebene Verhalten von Mädchen ist nicht anders als das agoraphobischer Menschen (vgl. Franks/Rothblum 1983). Auch die spezifischen Phobien wie zum Beispiel die Angst vor Spinnen treten bei Mädchen, deren Mütter unter dieser Phobie leiden, häufiger auf (vgl. André 2009: S. 48).

Es ist festzuhalten, dass soziale Erfahrungen großen Einfluss auf die Entstehung von Phobien zu haben scheinen.

Als Überleitung zum nächsten Kapitel, das den Umgang mit Angststörungen behandelt, soll noch erwähnt werden, dass die ungleichmäßige Verteilung von Angststörungen oft damit zu erklären versucht wird, dass übermäßige Ängste frauentypisch seien und deshalb öfter bei Frauen diagnostiziert werden, während sie bei Männern nicht als solche erkannt werden. Selbst diese Erklärung zeigt bereits, dass selbst Ärzten die unbewusste Beeinflussung durch stereotypische Geschlechterrollen im Umgang mit ihren Patienten und deren Symptomen vorgeworfen wird. Dass dies sogar anzunehmen ist, bestätigt ein Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO (2011: S. 9), nach dem das weibliche Geschlecht bei gleichen Symptomen ein Prädiktor dafür ist, Psychopharmaka verschrieben zu bekommen. Es gibt jedoch noch einige weitere Faktoren, die für die erhöhten Zahlen bei der Verbreitung von Angststörungen unter Frauen verantwortlich sind.

2.2 Umgang mit einer Angststörung

Hauptsächlich durch die geschlechtsspezifische Sozialisation, die im vorangegangenen Abschnitt erläutert wurde, haben Frauen und Männer meist ein unterschiedliches Allgemeinverständnis von Gesundheit. Dies wirkt sich auf das Gesundheitshandeln und auf die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen / des Gesundheitssystems aus.

Für 30% der Bevölkerung gelten Angstzustände und seelische Probleme als Tabuthema. Frauen sind dabei mit 73,3%, die über psychische Beschwerden berichten würden offener als Männer, von denen nur 65,1% bereit wären, über solche Themen zu sprechen (vgl. Lettke et al. 1999: S. 229). Frauen sehen Gesundheit oftmals als Gleichgewicht. Diese Auffassung bedeutet, dass die Gesundheit ein Teil der gesamten Lebens- oder Weltanschauung ist. Dieses ganzheitliche Verständnis macht es erforderlich, dass stets alle Bereiche des Lebens, einschließlich der Gesundheit, aufeinander abgestimmt sind. Menschen, die zu dieser Perspektive der Gesundheit neigen, haben eine sehr feine Körperwahrnehmung. Die Körperwahrnehmung ist bei Angstpatienten ebenfalls stark ausgeprägt, da sie ständig in „Alarmbereitschaft“ sind, um auf körperliche Angstsymptome schnellstmöglich reagieren zu können.

Menschen mit ganzheitlichem Gesundheitsverständnis pflegen einen Lebensstil, der stark an Gesundheit orientiert ist und kümmern sich aktiv um Informationen und Maßnahmen (Lettke et al. 1999: S.72f). Demnach suchen Frauen bei Beschwerden häufiger und früher einen Arzt auf und erwarten von diesem auch über den medizinischen Bereich hinaus Hilfestellung. Diese Auffassung kommt der Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO und des Biopsychosozial-Modells am nächsten.2

Männer sind dem Gesundheitssystem gegenüber oft kritischer eingestellt und um die eigene Gesundheit besorgt zu sein, gilt bei vielen Männern als schwach (vgl. Lettke et al. 1999: S. 160, S. 211). Sie verstehen Gesundheit häufig entweder als Abwesenheit von Krankheit oder als Instrument. Die erste Definition bedeutet, Gesundheit wird erst thematisiert, wenn sie gestört ist. Personen mit dieser Auffassung besitzen eine geringe Körperwahrnehmung oder Symptomaufmerksamkeit. Die zweite Definition begreift Gesundheit als notwendiges Mittel für beispielsweise die Existenzsicherung. Die Selbstwahrnehmung von Menschen mit instrumentellem Gesundheitsverständnis bezieht sich hauptsächlich auf die Funktionalität des Körpers. Um diese zu erreichen oder beizubehalten, werden, ebenfalls als Instrument, eine starke Medikation oder risikoreiche Operationen in Kauf genommen (vgl. Lettke et al. 1999: S. 67f).

[...]


1 Agoraphobie oder auch Platzangst ist die Angst vor weiten Plätzen, Menschenmengen, weiter Entfernung von zu Hause oder ggf. davor, in diesen Situationen alleine zu sein.

2 „Die Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen“ (Weltgesundheitsorganisation 2009, S. 1)

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Gesellschaftliche Einflüsse auf Angststörungen bei Frauen
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für Grundlagen der Gesellschaftswissenschaften)
Veranstaltung
Proseminar: Krankheit und Gesellschaft.
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
20
Katalognummer
V459425
ISBN (eBook)
9783668879461
ISBN (Buch)
9783668879478
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Krankheit und Gesellschaft, Angststörungen, Psychische Gesundheit bei Frauen
Arbeit zitieren
Franziska Deutschmann (Autor:in), 2011, Gesellschaftliche Einflüsse auf Angststörungen bei Frauen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/459425

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