Wallenstein – Fakten und Fiktion. Schillers poetische Verwandlung der historischen Person im Vergleich mit seiner Geschichte des Dreißigjährigen Krieges


Hausarbeit, 2017

14 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Wallensteinbild
2.1 Die Darstellung von Wallenstein in der
Geschichte des dreißigjährigen Krieges
2.2 Schillers Modellierung des Titelhelden in der Dramentrilogie „Wallenstein“

3. Die erfundenen Hauptcharaktere des Dramas
3.1 Max Piccolomini als Sinnbild des Ideals
3.2 Thekla als Verkörperung der Tragik
3.3 Buttler als Multiplikator der Dramatik

4. Schluss

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Der Wallenstein des Dramas ist nicht der historische Wallenstein.“ 1 Schiller, der sich aus finanziellen Gründen dazu überreden ließ, die Geschichte des dreißigjährigen Krieges zu verfassen, schrieb daraufhin ein Drama über eine der wichtigsten und Aufsehen erregendsten Persönlichkeiten eben dieses Krieges. Ein geschichtliches Werk steht neben einem poetischem Drama, beide verbindet dasselbe Sujet, der Titelheld des Dramas, und dieselbe Hand, die sie niederschrieb. Schiller, der an der Jenaer Universität Geschichte lehrte, kannte die historischen Fakten. Worin unterscheidet sich also der Wallenstein des Dramas von dem Wallenstein, über den Schiller in der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges schrieb? Und wie groß ist Schillers Wallenstein? Hat der Dichter, der sich jahrelang mit der Historie auseinander setzen musste, den Oberbefehlshaber der kaiserlichen Armee schließlich noch größer gemacht als er tatsächlich war? Dafür muss festgestellt werden, wie Schiller Wallenstein in der Geschichte des dreißigjährigen Krieges dargestellt hat und inwieweit sich diese Darstellung von der Figur in der Dramentrilogie Wallenstein unterscheidet. Welche historischen Fakten, wie Schiller sie kannte, sind auf das poetische Werk übertragen, welche verändert und welche vollkommen neu erfunden worden?

2. Das Wallensteinbild

2. 1 Die Darstellung von Wallenstein in der Geschichte des dreißigjährigen Krieges

Das erste mal erwähnt wird der Herzog von Friedland in der Geschichte des dreißigjährigen Krieges, als Kaiser Ferdinand sich im Krieg gegen Venedig befindet, aber keine finanziellen Mittel mehr übrig hat, diesen Krieg fortzuführen. Wir befinden uns im Jahre 1617, Schiller stellt in seiner Schrift den Grafen Wallenstein als einen „verdiente[n] Officier, de[n] reichst[n] Edelmann in Böhmen“2 vor. Wallenstein hatte sich bereits im militärischen Felde bewährt und dadurch erheblichen Besitz erlangt, zudem war er im Jahre 1615 bereits von Erzherzog Ferdinand, der nur wenig später Kaiser des heiligen Römischen Reiches werden sollte, zum

Kämmerer ernannt worden.3 „Voll Zuversicht auf seine glücklichen Sterne“ erkannte er, dass er diese Chance ergreifen musste und bot dem Kaiser an, auf eigene Kosten eine Armee aufzustellen und vollständig mit Kleidung, Rüstung und Waffen auszurüsten, sodass man sich nicht mehr um ihren Unterhalt kümmern müsste, mit der Forderung, die Zahl der Männer auf fünfzigtausend zu vergrößern.4 „Niemand war, der diesen Vorschlag nicht als die chimärische Geburt eines brausenden Kopfes verlachte“5. Dass Schiller mit diesem Ausdruck Wallensteins Plan mit einem nicht realisierbaren Trugbild gleichsetzt, lässt eine erste persönliche Stellung zum Charakter der Figur wahrnehmen. Jener weiß bereits, dass die geplante Truppenfinanzierung glücken wird, der „brausende Kopf“ wird letztlich also den Leser mit seinem scharfsinnigen Verstand überraschen. Als Wallenstein in Schillers historischer Abhandlung um1627 einen kriegerischen Erfolg nach dem anderen erzielt, wird er von diesem als „furchtbare Erscheinung“6 beschrieben. Inhaltlich folgen weitere Triumphe und Eroberungen doch der Generalissimus treibt seine Erfolge bis über die Spitze hinaus. An dieser Stelle verweist Schiller auf den mittlerweile zum Herzog ernannten Wallenstein als „übermüthige[n] Charakter“7, und es lässt sich eine beinahe kritische Äußerung wahrnehmen, als es heißt, „Wallensteins Erpressungen waren bis zum Unerträglichen gegangen“8. Dass Wallenstein skrupellos und ein gefürchteter Machthaber war, der keine Gewalt scheute und die Ausbeutung der Länder ein Großteil seines Finanzierungsplanes war9, steht aber nicht im Widerspruch zu der Bewunderung und Anerkennung, die er nicht nur von seiner Armee verliehen bekam, sondern die man auch in Schillers Sprache wahrzunehmen vermag, wenn er schreibt, dass er von seiner „Armee von beinahe hunderttausend Mann [...] angebetet wurde“10. Ebenso schmeichelhaft klingt die Formulierung, die Wallensteins Reaktion auf seine durch Maximilian von Bayern erzwungene Absetzung11 ausdrückt: “Grenzenlos war sein Ehrgeiz, unbeugsam sein Stolz, sein gebieterischer Geist nicht fähig, eine Kränkung ungerochen zu erdulden.“12 Spürbar ist an dieser Stelle zunehmend die Kraft, die sich in den Formulierungen um Wallensteins Person manifestiert und in folgenden Worten noch verstärkt wird: „Stumm [war] sein Umgang. Finster, verschlossen, unergründlich, sparte er seine Worte mehr als seine Geschenke, und das Wenige, was er sprach, wurde mit einem widrigen Ton ausgestoßen.“13 Der Leser bzw. die Leserin sollte an dieser Stelle wohl eine grobe Vorstellung der Figur Wallensteins gewonnen haben, die im Wesentlichen auf seinen Taten beruht. Wie es um die Wesensart Wallensteins steht, erläutert Schiller erst später: „Er lachte niemals, und den Verführungen der Sinne widerstand die Kälte seines Bluts […]“, seine Gestalt wie folgt: „Er war von großer Statur und hager, von gelblicher Gesichtsfarbe, röthlichen kurzen Haaren, kleinen, aber funkelnden Augen. Ein furchtbarer, zurückschreckender Ernst saß auf seiner Stirne, und nur das Uebermaß seiner Belohnungen konnte die zitternde Schaar seiner Diener festhalten..“ 14

Bemerkenswerterweise erwähnt Schiller auch Wallensteins äußeres Erscheinungsbild hier zum ersten mal, erst zwanzig Seiten nach dessen ersten Auftritt. Man fragt sich, ob das Interesse Schillers am Charakter Wallensteins erst zunehmend mit dem Prozess des Schreibens gedieh, zumal er anfangs überhaupt keine Lust auf das Projekt hatte15 und schließlich aber 85 Prozent des ganzen Umfangs seines Werkes der ersten Hälfte des Krieges widmete, genau genommen der Zeit von 1618 bis zur Ermordung Wallensteins im Jahre 163416.Das Leben Wallensteins beendet Schiller mit folgenden Worten, die des Zitierens bedürfen: „So endigte Wallenstein […] sein tatenreiches und außerordentliches Leben [...] bei allen seinen Mängeln noch groß und bewundernswerth, unübertrefflich. […] Die Tugenden des Herrschers und Helden, Klugheit, Gerechtigkeit, Festigkeit und Muth, ragen in seinem Charakter kolossalisch hervor.“17 Seine Worte gleichen einem Lobgesang, folgende Worte aber weisen auf eine Ahnung hin, welche Intention der Dichter bei der Erschaffung seines dramatischen Helden gehabt haben könnte: „ […] aber ihm fehlten die sanften Tugenden des Menschen, die den Helden zieren und dem Herrscher Liebe erwerben.“18

2. 2 Schillers Modellierung des Titelhelden in der Dramentrilogie „Wallenstein“

„Ein verwegener Charakter“19 - so lauten Schillers erste Worte, mit denen er Wallenstein im Prolog vorstellt. Seinen Namen nennt er hier nicht. Auch sein Äußeres Erscheinungsbild wird im Drama nicht erwähnt. Der Leser bzw. Zuschauer lernt Wallenstein erst viel später, in den Piccolomini, in einer Unterredung mit seiner Gemahlin kennen, die soeben von ihrem Besuch am Königshof in Ungarn zurückgekehrt und besorgt ist über die Art und Weise auf die sie dort empfangen wurde. Wallenstein hört ihr zu und greift, als die Gräfin in Verzweiflung ausbricht, nach ihrer Hand20, scheint aber mit distanzierter Haltung zu ihr zu sprechen. Es ist spürbar, dass das Nachfragen und sein damit einhergehendes Interesse nicht der Herzogin gelten, sondern nur ihm selbst und seiner sich entwickelnden Position am kaiserlichen Hof. Als er dann seine Tochter Thekla nach acht Jahren das erste mal wieder sieht, und diese ihm einen Handkuss geben will, schließt er sie in die Arme. Anschließend erscheint Max Piccolomini, dessen Anblick beim Herzog ebenso eine überschwängliche Freude hervorruft. 21 Das Bild, das Schiller mit dem ersten Auftritt Wallensteins vermittelt, ist das eines liebenden Vaters und guten Freundes. In der darauffolgenden Unterhaltung mit Terzky und Illo in Abwesenheit der Familie, wird der Druck deutlich, unter dem der Herzog steht, da seine Absetzung bevorsteht und die schwedischen Verbündeten ihm nicht mehr recht trauen. In diesem Zusammenhang erklärt er, es mache ihm „Freude, [seine] Macht zu kennen.“ 22 Der Ton, den er in der Unterhaltung mit seinen Vertrauten anschlägt, ist schärfer als der Gegenüber seiner Familie und Max Piccolomini und erinnert an die Figur, die wir aus der Geschichte des dreißigjährigen Krieges kennen. Bereits hier wird das astrologische Motiv thematisiert, das so typisch für den Herzog war. Der Grund für Wallensteins Vertrauen zu Octavio, welches von Terzky angezweifelt wird, ist derselbe, der sein Zögern, sich schriftlich mit den Schweden einzulassen, erklärt: Es ist sein Aberglaube, er kann nicht handeln ohne vorher die „rechte Sternenstunde auszulesen“23. Als Questenberg die Nachricht vom kaiserlichen Befehl überbringt, dass Wallenstein acht Regimenter entzogen werden sollen, versteht der Herzog sofort, dass ihm durch diesen Schachzug des Kaisers Macht entzogen werden soll. Seine Reaktion auf den Befehl ist ruhig im Ton, zeugt inhaltlich jedoch von Trotz

[...]


1 Godel, Reiner: Schillers Wallenstein. Das Drama der Entscheidungsfindung. Hrsg. von Andre Rudolph und Ernst Stöckmann. Tübingen: Niemeyer 2009 (Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte 135). S.112.

2 Schiller, Friedrich: Die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Hrsg. von Michael Holzinger. Berlin: Edition Holzinger 2016. S.96.

3 Vgl. Diwald, Hellmut: Friedrich Schiller. Wallenstein. Dichtung und Wirklichkeit. Frankfurt/M, Berlin u. Wien: Ullstein 1972. S.10-11.

4 Vgl. Schiller, F.: Geschichte des dreißigjährigen Krieges. S. 96.

5 Ebd.

6 Ebd. S. 100.

7 Ebd.

8 Ebd. S. 110-111.

9 Vgl. Erläuterungen und Dokumente. Friedrich Schiller. Wallenstein. 2. Auflage. Stuttgart: Reclam 2005. S. 116.

10 Schiller, F.: Geschichte des dreißigjährigen Krieges. S. 114.

11 Müller, Udo: Lektürehilfen. Friedrich Schiller. Wallenstein. 4. Auflage. Stuttgart und Dresden: Klett 1994.

12 Schiller, F.: Geschichte des dreißigjährigen Krieges. S 114.

13 Ebd. 116.

14 Ebd.

15 Schiller befand sich zu dieser Zeit bekannterweise permanent in Geldnot, weshalb er sich sich 1789 von dem Verleger Göschen überreden ließ, den Beitrag im Rahmen eines „historischen Kalender[s] für Damen“ zu verfassen, womit Göschen die Bildung und Erziehung der Frauen fördern wollte. (Vgl. Diwald 1972: 44.)

16 Vgl. Diwald, H: Dichtung und Wirklichkeit. S. 47.

17 Schiller, F.: Geschichte des dreißigjährigen Krieges. S. 289.

18 Ebd.

19 Schiller, Friedrich: Wallensteins Lager. Prolog, V. 93.

20 Vgl. Schiller, Friedrich: Wallenstein I. Die Piccolomini. Stuttgart: Reclam 2004. S. 71.

21 Vgl. Ebd. S. 73.

22 Ebd. S. 77

23 Ebd. S. 81.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Wallenstein – Fakten und Fiktion. Schillers poetische Verwandlung der historischen Person im Vergleich mit seiner Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Deutsche und Niederländische Philologie)
Veranstaltung
Einführung in die Textanalyse
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
14
Katalognummer
V459035
ISBN (eBook)
9783668878471
ISBN (Buch)
9783668878488
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schiller, Wallenstein, Dreißigjähriger Krieg, Drama, Historische Modellierung, Geschichtsschreibung, Max Piccolomini, Buttler, Thekla
Arbeit zitieren
Lucia Maes (Autor:in), 2017, Wallenstein – Fakten und Fiktion. Schillers poetische Verwandlung der historischen Person im Vergleich mit seiner Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/459035

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