Die Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Bertolt Brechts "Buckower Elegien"


Hausarbeit, 2017

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I.) EinleitungSeite

II.) Vergangenheitsbewältigung in der DDR.
II.a) Bertolt Brecht und der Nationalsozialismus
II.b) Vergangenheitsbewältigung als zentraler Diskurs der DDR-Literatur

III.) Die Buckower Elegien.

IV.) Die Aufarbeitung des Nationalsozialismus in den ,,Buckower Elegien‘‘
IV.a) ,,Der Rauch‘‘..
IV.b) ,,Vor acht Jahren‘‘
IV.c) ,,Der Einarmige im Gehölz‘‘

V.) Zusammenfassung

VI.) Literaturverzeichnis

I.) Einleitung

,,Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.‘‘ Bertolt Brecht (1898-1956)

Sechzig Jahre nach dem Tod des Schriftstellers und Dramatikers Bertolt Brecht ist die Debatte um rechten Populismus in der Politik durch den Zustrom vieler Hunderttausender Flüchtlinge insbesondere aus dem Nahen Osten und Nordafrika in den Jahren 2014 und 2015 aktueller denn je. Flüchtlingsheime wurden angezündet, Proteste eskalierten. Nach dem Zusammenbruch des NS- Regimes und der totalen Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg kam es zur Bildung zweier deutscher Staaten, die sich beide als legitime und demokratisch gesicherte Nachfolgestaaten sahen, deren primäre Aufgabe es war, Staat und Infrastruktur wieder zu errichten und die zuvor geschehenen Gräuel auf alle Zeiten zu verhindern. Konzeptionell konnten die beiden Staaten Bundesrepublik Deutschland (BRD) und die Deutsche Demokratische Republik (DDR) jedoch unterschiedlicher nicht sein. Während in der Bundesrepublik eine parlamentarische Demokratie unter kräftiger Unterstützung der Westalliierten, und hier insbesondere der USA entstand, war die DDR ein sozialistischer Einparteien-Staat unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, der SED. Im beständigen Wettrüsten des Kalten Krieges zu Beginn der 1950er-Jahre nahmen die Spannungen zwischen West und Ost stetig zu1. Während man der DDR vorwarf, kein demokratisches Staatengebilde zu sein, und hauptsächlich durch die UdSSR-Führungsriege aus Moskau bestimmt zu werden, agitierte man im Osten insbesondere energisch gegen die vermeintliche, und durch die Wissenschaft tatsächlich später zum Teil nachgewiesene, personelle Kontinuität der alten NS-Kader in leitenden politischen und gesellschaftlichen Positionen2. Gerade hier lag eines der Hauptargumente der DDR, die sich immer wieder als Vorreiter gegen den Faschismus und rechtsgerichtete, national-beseelte Politik stilisierte.

Somit war die DDR auch ein Anlaufpunkt für viele linke oder in der nationalsozialistischen Zeit verfolgte Intellektuelle. So fand auch Bertolt Brecht eine neue politische und persönliche Heimat, als dieser im Herbst des Jahres 1948 nach Ost-Berlin reiste. In den Folgejahren schuf Brecht dort einen Hauptteil seiner Werke und engagierte sich immer auch politisch gegen die Überbleibsel des Faschismus und rechter Ideologien. Er blieb dabei stets ein energischer Verfechter einer Null- Toleranz-Politik gegenüber rechten Gesinnungen, zeigte sich jedoch auch nicht immer als willfähriger Helfer der DDR-Offiziellen, denen er durchaus kritisch gegenüberstand. Nach dem blutig gescheiterten Aufstand des 17. Juni 1953 zog Brecht sich in seine Datsche im Berliner Umland zurück und verfasste – bereits gesundheitlich angeschlagen – eines seiner bedeutendsten lyrischen Werke, in denen er politische und gesellschaftliche Missstände anprangert. Diese nach ihrem Entstehungsort benannten ,Buckower Elegien‘ richten sich teilweise auch gegen die aus Brechts Sicht noch nicht vollständig erfolgreiche Entnazifizierung der Gesellschaft und die seiner Meinung nach zersetzende Kraft der faschistischen Ideologien, die die DDR bedrohten.

Daher soll in dieser Hausarbeit zunächst ein kurzer Blick auf das Leben und Wirken des Dramatikers geworfen werden, um seine politische Ausrichtung und seine Blicke auf das tagesaktuelle Geschehen innerhalb und außerhalb der DDR in Ansätzen plausibel erklären zu können. Zusätzlich soll jedoch ebenfalls in Ansätzen analysiert werden, wie mit der Vergangenheitsbewältigung in der DDR-Literatur im Allgemeinen umgegangen wurde. Anschließend sollen die ,Buckower Elegien‘ hinsichtlich ihrer Entstehungsgeschichte näher betrachtet werden, um sie in Brechts Gesamtwerk einordnen zu können. Im Hauptteil erfolgt dann schließlich die Analyse dreier beispielhaft ausgewählter Gedichte des Elegienzyklus, die nacheinander bearbeitet werden. Dabei wird ein besonderes Merkmal auf rhetorische Tropen und Figuren sowie inhaltliche Aspekte geworfen, die sich mit dem ,,Nationalsozialismus‘‘ oder dem ,,Faschismus‘‘ beschäftigen. Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung der bis dahin erzielten Ergebnisse. Als Primärliteratur wurde die ,,edition suhrkamp SV‘‘3 benutzt, welche zusätzlich durch Kommentare zu einzelnen Werken durch Jan Knopf ergänzt wurde.

Heusweiler, im August 2017 Josh Fischer

II.) Vergangenheitsbewältigung in der DDR

Ziel dieses Kapitels kann es nicht sein, die gesamte retrospektive Betrachtung der Vergangenheit aus Sicht der DDR-Gesellschaft darzustellen. Daher sollen zunächst kurz Bertolt Brechts Bezugspunkte zum Nationalsozialismus dargestellt werden, um seine politischen Intentionen besser verstehen zu können. Im zweiten Teil wird der Blickwinkel dann auf die Schriftsteller-Elite der DDR erweitert, um herausfinden zu können, inwiefern die Bewältigung der nationalsozialistisch belasteten Vergangenheit sich im künstlerischen Schaffen der Intellektuellen niedergeschlagen hat.

II.a) Bertolt Brecht und der Nationalsozialismus

Geboren im Jahre 1898 in eine bürgerliche und gestandene Familie, begann Eugen Berthold Friedrich Brecht, der sich später schlicht ,,Bert(olt)‘‘ nannte, bereits in jungen Jahren das Schreiben4. Auf dem von ihm besuchten Realgymnasium in Augsburg wurde er aufgrund antinationalistischer Gedichten fast verwiesen5. Nach dem Abitur und dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 begann für Brecht nach seinem Umzug nach Berlin sein Aufstieg zu einem der bekanntesten Dramaturgen der jungen Weimarer Republik. Politisch positionierte er sich bereits hier links und bekämpfte nationalistische und insbesondere faschistische Ideologien, welche in ganz Europa spätestens mit Beginn der Weltwirtschaftskrise immer zahlreicher und dominanter auf der politischen Bühne erschienen. Brecht dagegen ,,sympathisierte mit den politisch links orientierten Kräften und setzte seine Hoffnungen auf eine antikapitalistische Gesellschaft‘‘6. Durch seine populären Theaterstücke geriet er früh auf die Fahndungslisten der SA-Brigaden, die Deutschland zu Beginn der 1930er- Jahre als militärischer und bewaffneter Arm der nationalsozialistischen Bewegung mit Terror überzogen.

Mit der Machtübernahme durch Hitler und seine NSDAP begab sich Brecht mit seiner Familie ins Exil. Über mehrere Länder flieht er schließlich bis nach Finnland und in die USA, von wo er weiterhin schriftstellerisch tätig bleibt. Die vollständige Zerstörung Deutschlands durch die Gräuel des Zweiten Weltkriegs erlebt Brecht erst, als er 1948 nach Ostberlin reiste, um dort an der neu eröffneten ,,Volksbühne‘‘ schöpferisch tätig zu sein. In der Folgezeit entstanden bedeutende Werke wie ,,Der Hofmeister‘‘ oder ,,Mutter Courage‘‘7, in denen er auch immer wieder politische Forderungen durchblicken ließ. Brecht genießt daraufhin in der neu entstandenen DDR Anerkennung und politisches Gewicht. Er bleibt jedoch zeitlebens auch immer auf einer gewissen Distanz zu den sozialistischen Machthabern. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Brecht über weite Strecken seines Lebens ein aktiver Kämpfer gegen nationalistische und faschistische Ideologien war. Durch die eigene Erfahrung des Heimatverlustes und des ,,Verfolgt-Seins‘‘ wurde er zum Vorkämpfer gegen rechtes Gedankengut und versuchte mit den Mitteln des Wortes und seinen Theaterinszenierungen die Menschen vom pazifistisch-sozialistischen Weltbild zu überzeugen.

II.b) Vergangenheitsbewältigung als zentraler Diskurs der DDR-Literatur

Der Aufbau der Deutschen Demokratischen Republik war getragen von sozialistischen und kommunistischen Akteuren, die in der von der Sowjetunion kontrollierten Besatzungszone (auch SBZ genannt) einen eigenen deutschen Staat gründen wollten, der sich nach den Regeln des Pansozialismus in eine weltumspannende, pazifistische und sozialistische Ordnung einsortieren sollte. Ein zentraler Punkt dieses am 17. Oktober 1949 ausgerufenen Staates war zweifelsohne auch der Umgang mit den Gräueln der nationalsozialistischen Zeit. Sich politisch klar positionierend, wurde die DDR schnell auch zum Sammelbecken für links stehende Schriftsteller und Intellektuelle, sowie für in der nationalsozialistischen Zeit Verfolgte, wie zum Beispiel neben Bertolt Brecht auch Anna Seghers, Johannes R. Becher, Bruno Apitz oder Brechts Ehefrau Helene Waigel. Zunächst war es einer der zentralen Bestrebungen des neuen Staates, vorhandene Überbleibsel der nationalsozialistischen Herrschaft zu entfernen. Eine umfassende ,,Entnazifizierung‘‘ der Gesellschaft sollte durchgeführt werden, was sich jedoch als schwieriges Unterfangen herausstellte, da die allerwenigsten Bewohner der DDR zu Zeiten des Dritten Reiches in der Widerstandsbewegung aktiv waren8. Gerade aber kulturpolitisch gingen die Meinungen weit auseinander, wie mit dem Faschismus und dem Nationalsozialismus als Konstrukt umzugehen sei. Nach einer kurzen Phase der Zurückhaltung, in der man sich anderen Themen widmete, entstanden nach und nach im intellektuellen Zirkel der DDR-Künstler zwei größere Gruppen, deren Ansichten sich zum Teil fundamental gegenüber standen. Johannes Becher beispielsweise, den man oftmals retrospektiv als ,,Nationaldichter der DDR‘‘ bezeichnete, gehörte der linientreuen Fraktion an, welche sich der aus ihrer Sicht primären Aufgabe widmete, einen neuen Staat aufzubauen. Für Rückblicke in finstere, vergangene Zeiten war hier nur wenig Platz. Walter Schmitz bezeichnet diesen Prozess als Drehen eines ,,Zeitvektor[s] der Repräsentanz, indem nicht die Vergangenheit, sondern vielmehr die Zukunft im Schaffen […] abzubilden ist‘‘9. Brecht und Seghers dagegen sahen sich zunächst einmal durch die von ihnen gemachten Exilerfahrungen unter den Nationalsozialisten und ihrem ausgebildeten Antiimperialismus ,,zur Solidarität mit der Sowjetunion verpflichtet‘‘10. Diese Haltung hatte sie erst in die entstehende DDR gebracht, da für sie die westlichen Staaten, und somit auch die BRD, keine Alternativen darstellten. Ihre schriftstellerischen Werke zeichnen sich durch den häufig genutzten Blick zurück aus, der sich mit den nationalsozialistischen Gräueln beschäftigt oder zumindest Ansatzpunkte dazu bietet.

Doch die Beschäftigung mit diesen Vorkommnissen blieb innerhalb der DDR nicht nur auf ältere Zeitzeugen beschränkt. Auch junge Autoren, die die Nazizeit zum Teil nicht oder nur kaum wahrgenommen haben , zeichnen sich später durch die Beschäftig ung mit der Vergangenheitsbewältigung aus. In Sarah Kirschs Lyrik finden sich häufig Ansatzpunkte für eine retrospektive Analyse des Nationalsozialismus, so zum Beispiel im Gedicht ,,Holunder‘'11, in dem es um die Rolle der Frau im Dritten Reich geht. Generell unternimmt Kirsch mit ihren Werken den Versuch, ,,mit dem poetischen Wort die Verbrechen von gestern zu bewältigen und gegen das schnelle Vergessen sowie gesellschaftliche Apathie Widerstand zu leisten‘‘12. Abschließend lässt sich sagen, dass es in der DDR keine gemeinsame Linie gab, welche bei der Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus galt. Lediglich das Jahr 1945 mit dem totalen Zusammenbruch des Dritten Reiches wurde als gesamtgesellschaftliche Zäsur gesehen, wie mit dieser jedoch umzugehen war, darüber herrschte weitestgehend keine Eintracht.

[...]


1 Vgl. Hartmut Kaelble: Kalter Krieg und Wohlfahrtsstaat, S. 55.

2 Vgl. Ebd., S. 87f.

3 Edition Suhrkamp SV: Bertolt Brechts Buckower Elegien. Mit Kommentaren von Jan Knopf.

4 Vgl. Ullrich Kittstein: Bertolt Brecht, S. 12.

5 Vgl. Ebd.

6 Werner Hecht: Die Mühen der Ebenen. Brecht und die DDR, S. 9.

7,,Mutter Courage und ihre Kinder‘‘ entstand im schwedischen Exil Brechts während des Zweiten Weltkrieges. In dem im Dreißigjährigen Krieg spielenden Stück geht es um eine Mutter, welche ihre Kinder verliert, da sie versuchte, im Krieg Geschäfte zu machen und sich zu bereichern. Als Teil seines ,,Epischen Theaters‘‘ inszeniert, wird das Stück heute als Warnung Brechts an die Gesellschaft vor der Grausamkeit und der Omnipräsenz des Krieges (hier: Zweiter Weltkrieg) gesehen und dient auch als Kritik an der sich bereichernden kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Zu dem Stück siehe v.a.: Wilhelm Große: Bertolt Brecht. Mutter Courage und ihre Kinder. Hollfeld 2011.

8 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung: Geschichte der Erinnerungskultur in der DDR und BRD, S. 2.

9 Walter Schmitz: Johannes R. Becher – der ,klassische Nationalautor‘ der DDR, S. 304.

10 Theo Buck: Leben im Widerspruch. Bertolt Brecht in der DDR, S. 344.

11 Vgl. Barbara Mabee: Die Poetik von Sarah Kirsch: Erinnerungsarbeit und Geschichtsbewußtsein, S. 57f.

12 Ebd., S. 1.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Bertolt Brechts "Buckower Elegien"
Hochschule
Universität des Saarlandes
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
19
Katalognummer
V458997
ISBN (eBook)
9783668899407
ISBN (Buch)
9783668899414
Sprache
Deutsch
Schlagworte
aufarbeitung, nationalsozialismus, bertolt, brechts, buckower, elegien‘‘
Arbeit zitieren
Josh Fischer (Autor:in), 2017, Die Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Bertolt Brechts "Buckower Elegien", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/458997

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