Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA. Welche Auswirkungen hat es auf die Wirtschaft in den USA?


Fachbuch, 2019

78 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Freihandelszone als Mittel der wirtschaftlichen Integration

3 Einführung in die Theorien des Außenhandels
3.1 Die Theorien des inter-industriellen Handels
3.2 Die Theorien des intra-industriellen Handels
3.3 Handelsschaffende und handelsumlenkende Effekte in Freihandelszonen

4 Grundzüge des nordamerikanischen Freihandelsabkommens
4.1 Geschichtlicher Hintergrund und Ziele der Mitgliedsstaaten
4.2 Zentrale Vertragsinhalte

5 Der Einfluss NAFTAs auf die US-amerikanische Wirtschaft
5.1 Handelsentwicklung mit den NAFTA Partnern
5.2 Fallbeispiel: Der Automobilsektor unter NAFTA

6 Kritische Betrachtung des neuen Freihandelsabkommens USMCA

7 Fazit

Literatur- und Quellenverzeichnis

Anhang

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Impressum:

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Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Auswirkungen einer Vergrößerung des Marktes

Abb. 2: US-NAFTA Handel von Gütern zwischen 1993-2016

Abb. 3: Intra-Firmenhandel nach Sektoren zwischen Mexiko und den USA (2016)

Abb. 4: Der Anteil der wichtigsten US-Handelspartner am Handel mit Fahrzeugen und Fahrzeugteilen, 1993 vs. 2016

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: US-Außenhandel, 1993 versus (vs.) 2016

Tabelle 2: Die wichtigsten US-Handelspartner, 1993 vs. 2016

Tabelle 3: US-Mexiko Handel 2017: Top 4 Export- und Importgüter

Tabelle 4: US-Handel mit Fahrzeugen und Fahrzeugteilen, 1993 vs. 2016

Tabelle 5: Der Anteil der wichtigsten US-Handelspartner am Handel mit Fahrzeugen und Fahrzeugteilen, 1993 vs. 2016

1 Einleitung

Am 01.01.1994 trat das nordamerikanische Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko, kurz NAFTA genannt, in Kraft. Es handelte sich dabei um das erste Freihandelsabkommen zwischen zwei Industrieländern und einem Entwicklungsland. Von Anfang an gab es große Diskussionen in den USA über die Effekte dieses Abkommens. So erhofften sich Befürworter, wie der damalige Präsident Bill Clinton, jährlich tausende neue Arbeitsplätze durch die Gründung einer Freihandelszone. Gegner des Abkommens hingegen, befürchteten massive Arbeitsplatzverluste in Folge von Produktionsverlagerungen nach Mexiko, sowie sinkende Löhne und eine steigende wirtschaftliche Ungleichheit.1 Auch im Wahlkampf des derzeitigen US-Präsidenten Donald Trump war NAFTA Gegenstand intensiver Diskussionen. So bezeichnete er NAFTA als das schlechteste Abkommen, dass die USA je unterzeichnet hat. Weiterhin drohte er mehrfach mit dem Austritt der USA aus dem Vertrag, da das Abkommen laut Trump für den Verlust von Hunderttausenden Arbeitsplätzen und für das hohe US-Handelsbilanzdefizit verantwortlich ist.2 Am 18. Mai 2017 leitete die Trump-Administration eine Neuverhandlung des Abkommens ein.3 Diese endete am 01. Oktober 2018 in einem neuen Freihandelsabkommen mit dem Namen United States-Mexico-Kanada-Agreement (USMCA), welches NAFTA ersetzen und zu starkem Wirtschaftswachstum sowie, laut Trump, zu „fairerem Handel“ führen soll.4

Angesichts der anhaltenden Diskussionen und Kritiken über NAFTA soll in dieser Arbeit untersucht werden, inwiefern das Freihandelsabkommen die Wirtschaft in den USA beeinflusst hat und ob die Behauptungen der Kritiker, wie Donald Trump, zutreffen. Dafür wird im folgenden Grundlagenteil zunächst das Konzept der Freihandelszone genauer erklärt sowie von dem Modell der Zollunion abgegrenzt. Im Anschluss daran erfolgt eine Einführung in die fundamentalen Theorien des Außenhandels, um dem Leser ein grundlegendes Verständnis für das Zustandekommen und die Sinnhaftigkeit des Außenhandels zu liefern. Dabei werden die Theorien des inter- und intra-industriellen Handels dargestellt sowie das Konzept der Handelsschaffung und Handelsumlenkung im Zuge von abgeschlossenen Präferenzabkommen. In einem nächsten Schritt wird näher auf den Entstehungs­hintergrund des Abkommens und die Absichten der einzelnen Mitgliedsstaaten eingegangen. Daran anknüpfend werden die vertraglich festgelegten Ziele, sowie die elementaren Vertragsinhalte genauer dargestellt. Zudem werden die beschlossenen Maßnahmen für den Automobilsektor näher erläutert. Anschließend erfolgt eine makroökonomische Betrachtung der Handelsentwicklung der USA mit den beiden NAFTA-Vertragspartnern seit Bestehen des Abkommens. Für die Analyse wird auf Handelsdaten der drei Mitgliedsstaaten sowie auf durchgeführte Studien zu diesem Thema zurückgegriffen. Abgeschlossen wird das Kapitel durch eine Darstellung der Automobilindustrie innerhalb des Integrationsraums. Nach dieser Untersuchung erfolgt eine kritische Betrachtung des neuen Freihandelsabkommens USMCA, wobei der Fokus auf den beschlossenen Maßnahmen für den Automobilsektor liegt. Abschließend werden die gewonnenen Kenntnisse in einer Schlussbetrachtung zusammengeführt, um die eingangs formulierte Fragestellung zu beantworten.

2 Die Freihandelszone als Mittel der wirtschaftlichen Integration

Die NAFTA Mitgliedstaaten bilden eine Freihandelszone. Eine Freihandelszone definiert sich als Zusammenschluss von mindestens zwei Staaten, die mittels eines völkerrechtlichen Vertrages das Ziel der regionalen Handelsliberalisierung anstreben. Um dies zu erreichen, werden tarifäre, sowie nicht tarifäre Handelshemmnisse, beispielsweise (bspw.) in Form von Zöllen und Importquoten, innerhalb der Freihandelszone abgebaut. Jedoch verfügen die einzelnen Mitgliedsstaaten weiterhin über die Autonomie zur Gestaltung der Handelspolitik und der Außenzölle gegenüber Drittstaaten.5

In diesem letzten Aspekt unterscheidet sich das Konzept der Freihandelszone von dem der Zollunion, welche ein weiteres Instrument des Freihandels darstellt. Im Falle einer Zollunion gilt zusätzlich ein gemeinsamer externer Zolltarif gegenüber Drittstaaten, was folglich einer stärkeren politischen Kooperation bedarf. Ein weiterer Unterschied zwischen diesen beiden Konzepten besteht darin, dass im Falle einer Freihandelszone sogenannte Ursprungsregeln, zu Englisch „rules of origin“, für den Warenverkehr innerhalb einer Freihandelszone von entscheidender Bedeutung sind. Diese legen die Kriterien zur Feststellung der Güterherkunft fest und bestimmen demnach, welche Güter sich für den freien Intrahandel innerhalb der Freihandelszone qualifizieren. Diese Kriterien können bei jedem Freihandelsabkommen variieren. Sie umfassen am häufigsten die Festsetzung eines monetären oder physischen Mindestwertschöpfungsanteils, auch „local content“ genannt, der innerhalb der Freihandelszone erbracht werden muss, damit das Gut präferenzberechtigt ist. Eine weitere Möglichkeit besteht bspw. in der Festlegung von spezifischen Verarbeitungsprozessen, die innerhalb der Freihandelszone vollzogen werden müssen.6 Ohne Ursprungsregeln träte der sogenannte Handelsablenkungseffekt, zu Englisch „trade deflection“, ein. Dies würde bedeuten, dass Drittstaaten die Außenzolldifferenzen der Mitgliedsstaaten ausnutzen und Güter über den Mitgliedsstaat mit den niedrigsten Zollsätzen in die Freihandelszone einführen. Ursprungsregeln stellen jedoch besonders im Falle von be- und verarbeiteten Gütern einen erheblichen administrativen Aufwand für die Mitgliedsstaaten und die Unternehmen in einer Freihandelszone dar.7

Die Anzahl an Freihandelszonen hat in den letzten Jahrzenten stark zugenommen, wodurch eine Tendenz hin zur regionalen Handelsliberalisierung erkennbar wird. So ist beispielsweise die USA aktuell Mitglied in 14 Freihandelsabkommen mit insgesamt 20 Handelspartnern. Diese neue Entwicklung der Regionalisierung des Welthandels stellt zugleich eine Abkehr von der multilateralen Handelsliberalisierung dar, welche von der Welthandelsorganisation (WTO) angestrebt wird. Die Fortschritte in den Verhandlungen über multilateralen Freihandel haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verlangsamt, was unter anderem auf die hohe Anzahl an beteiligten Staaten, mit zum Teil stark divergenten Interessen zurückzuführen ist. De facto verstoßen Präferenzabkommen, worunter Freihandelsabkommen und Zollunionen fallen, gegen das Meistbegünstigungsprinzip der WTO. Dieses Prinzip bildet eines der Hauptprinzipien der WTO, zu denen sich alle aktuell 164 Mitgliedsstaaten, darunter auch die NAFTA Staaten, verpflichtet haben. Es besagt, dass alle Handelsvorteile, die ein Vertragsstaat einem anderen einräumt, auch allen anderen Vertragspartnern im Sinne der Gleichberechtigung zu gewähren sind. Jedoch werden Präferenzabkommen in Form von Freihandelsabkommen und Zollunionen unter bestimmten Bedingungen als Ausnahme zugelassen, da davon ausgegangen wird, dass solche Abkommen zusätzlichen Handel schaffen und den internationalen Freihandel verstärken, was zu den wichtigsten Zielen der WTO zählt.8

3 Einführung in die Theorien des Außenhandels

Das folgende Kapitel beschäftigt sich ausschließlich mit der Außenhandelstheorie, um den Leser mit den fundamentalen Modellen vertraut zu machen. Eine Darstellung aller Theorien des Außenhandels ist jedoch durch den beschränkten Umfang dieser Arbeit nicht möglich. Ebenfalls wird nicht das Ziel verfolgt, eine vollständige und kritische Analyse der beschriebenen Theorien darzulegen, sondern vielmehr soll dem Leser ein grundlegendes Verständnis für das Zustandekommen und die Implikationen des Außenhandels vermittelt werden. Vorweg ist zu erwähnen, dass die folgenden Theorien auf idealtypischen Bedingungen und simplifizierten Annahmen beruhen und daher nicht ohne Einschränkung auf die reale Wirtschaft angewandt werden können.

3.1 Die Theorien des inter-industriellen Handels

Zunächst sollen die theoretischen Modelle des inter-industriellen Handels näher erläutert werden. Inter-industrieller Handel ist definiert als internationaler Austausch von Gütern unterschiedlicher Branchen beziehungsweise Produktionssektoren.9

Im Fokus aller im Folgenden beschriebenen Theorien steht die Annahme, dass asymmetrische Produktionsvoraussetzungen und Faktorausstattungen zwischen Ländern dazu führen, dass sich diese auf die Fertigung und den Export verschiedener Güter spezialisieren.10

3.1.1 Theorie der absoluten und komparativen Kostenvorteile

Die ersten Ansätze über die Vorteilhaftigkeit des Außenhandels gehen zurück auf den Nationalökonomen Adam Smith, welcher Ende des 18. Jahrhunderts seine Theorie der absoluten Kostenvorteile aufstellte. Er versuchte nachzuweisen, dass es sich bei Außenhandel nicht um ein Nullsummenspiel handelt, sondern dass internationaler Güteraustausch sowie internationale Arbeitsteilung für die beteiligten Länder wohlfahrtssteigernd wirken kann.11 Smith beschreibt die Theorie der absoluten Kostenvorteile in seinem Buch „Wealth of Nations” wie folgt:

„If a foreign country can supply us with a commodity cheaper than we ourselves can make it, better buy it of them with some part of the produce of our own country, employed in a way in which we have some advantage.”12

Demnach profitieren Länder vom Handel miteinander, wenn sie sich auf die Herstellung jener Güter spezialisieren, die sie im internationalen Vergleich absolut kostengünstiger, das heißt (d.h.) produktiver herstellen können als andere Länder. Diese Güter werden folglich exportiert und Güter, bei denen verglichen mit einem anderen Land ein absoluter Kostennachteil vorliegt, werden importiert. Dabei sind absolute Kostenvorteile und –nachteile laut Smith auf Unterschiede in der Produktivität des Faktors Arbeit zurückzuführen. Indem durch Spezialisierung und Außenhandel die weltweite Produktion gesteigert wird, erhöht sich folglich auch die Wohlfahrt der beteiligten Länder.13 Der Begriff der Wohlfahrt wird im Rahmen dieser Arbeit definiert als die objektive Lebensqualität der Individuen einer Volkswirtschaft, die sich auf Indikatoren wie den Lebensstandard stützt.14 Das Modell der absoluten Kostenvorteile ist in seiner Aussagekraft jedoch limitiert. Es kann weder erklären, warum Länder ohne absoluten Kostenvorteil dennoch am Außenhandel teilnehmen, noch worin die Vorteilhaftigkeit im Außenhandel liegt, sollte ein Land alle benötigten Güter im internationalen Vergleich kostengünstiger produzieren können.15

An diesem Kritikpunkt setzt die Theorie der komparativen Kostenvorteile an, welche Anfang des 19. Jahrhunderts von David Ricardo vorgestellt wurde. Gemäß dieser Theorie ist internationaler Güteraustausch auch bei fehlenden absoluten Kostenvorteilen für die beteiligten Länder von Vorteil, da komparative Kostenvorteile für das Zustandekommen von Außenhandel ausschlaggebend sind. Ein Land verfügt über einen komparativen Kostenvorteil, sofern es ein Gut im internationalen Vergleich relativ kostengünstiger und folglich mit geringeren Opportunitätskosten herstellen kann als seine Handelspartner. Opportunitätskosten werden definiert als der entgangene Nutzen einer nicht gewählten Alternative.16 In diesem Kontext bedeutet dies, auf wie viele Einheiten eines Gutes x verzichtet werden muss, um eine weitere Einheit y herstellen zu können und vice versa. Daraus folgt für die Richtung der Handelsströme, dass ein Land sich mit seinen jeweils begrenzten Ressourcen auf die Produktion und den Export jener Güter spezialisiert, bei denen es über einen komparativen Kostenvorteil verfügt. Güter, die, verglichen mit den Handelspartnern, in der Produktion mit höheren Opportunitätskosten verbunden sind, werden importiert.17 Ricardo geht bei seinem Modell davon aus, dass komparative Kostenvorteile, ähnlich wie bei Smith, durch Produktivitätsunterschiede entstehen, woraus folgt, dass sich die Produktionsfunktionen in den Ländern unterscheiden. Solche Differenzen in der Produktivität können unter anderem natürlichen Gegebenheiten geschuldet sein, wie bspw. die Verfügbarkeit von bestimmten Rohstoffen wie Kohle, oder aber sie können aufgrund von asymmetrischen technologischen Niveaus zwischen Ländern bestehen.18

Laut Ricardo begründen sich die Außenhandelsgewinne darin, dass aufgrund von Spezialisierung und Außenhandel die Gesamtproduktion beider Länder gesteigert werden kann, da der Produktionsfaktor Arbeit effizienter genutzt wird. Folglich erhöhen sich ebenfalls die Konsummöglichkeiten und die Wohlfahrt der miteinander handelnden Länder, ohne dass der Ressourceneinsatz vergrößert wird.19 Aus dem Modell der komparativen Kostenvorteile, nach Ricardo, geht jedoch lediglich hervor, dass eine Volkswirtschaft als Ganzes durch Außenhandel profitiert, nicht jedoch, auf welche Weise Außenhandelsgewinne in der Volkswirtschaft verteilt sind.20

An dieser Stelle sei anzumerken, dass Ricardos Modell auf einer Vielzahl von simplifizierenden Annahmen beruht. So betrachtet er in seinem Modell lediglich zwei Länder, die jeweils dieselben zwei Güter herstellen. Weiterhin ist der einzige Produktionsfaktor Arbeit in beiden Ländern homogen, erbringt konstante Grenzerträge und ist national vollständig mobil, international jedoch immobil. Darüber hinaus herrscht Vollbeschäftigung sowie vollständiger Wettbewerb, was bedeutet, dass die Güterpreise den Grenzkosten entsprechen. Zusätzlich bestehen, sofern Außenhandel betrieben wird, keine Handelsbarrieren wie bspw. Zölle oder Transportkosten.21 Anhand dieser Annahmen lässt sich schlussfolgern, dass Ricardos Modell keine allumfassende Erklärung der Gründe und Folgen des Außenhandels darstellt. Jedoch sind seine Kernaussagen, dass Produktivitätsdifferenzen eine entscheidende Rolle im Außenhandel spielen und dass nicht absolute, sondern komparative Kostenvorteile relevant sind, immer noch essentiell. So konnte in einer Reihe von Studien nachgewiesen werden, dass Volkswirtschaften vorwiegend solche Güter exportieren, bei denen sie über eine relativ hohe Produktivität verfügen.22

3.1.2 Heckscher-Ohlin Modell

Das Heckscher-Ohlin Modell beschäftigt sich ebenfalls mit komparativen Kostenvorteilen. Jedoch sind diese, anders als bei Ricardo, nicht auf Produktivitätsdifferenzen zurückzuführen, sondern auf asymmetrische Faktorausstattungen zwischen den Ländern. Dementsprechend wird nicht mehr unterstellt, dass Arbeit den einzigen Produktionsfaktor darstellt.23 Im Folgenden sollen die wesentlichen Aussagen des Heckscher-Ohlin Modells anhand des Faktorproportionentheorems und des darauf aufbauenden Stolper-Samuelson-Theorems verdeutlicht werden. Auf eine Erläuterung des Faktorausgleichstheorems sowie des weiterführenden Rybcynski-Theorems wird in dieser Arbeit verzichtet.

Gemäß dem Faktorproportionentheorem, welches die Basis des Heckscher-Ohlin Modells bildet, unterscheiden sich Volkswirtschaften in ihrer Ausstattung in den Faktoren Arbeit, Land und Kapital. Weiterhin variiert die Intensität der Nutzung dieser Faktoren in der Produktion verschiedener Güter.24 Es wird angenommen, dass miteinander handelnde Länder über identische Technologien verfügen und vollkommener Wettbewerb herrsche. Außerdem gelten, ähnlich wie bei Ricardo, die Annahmen von nationaler Faktormobilität und internationaler Faktorimmobilität sowie nicht existenter Handelsbarrieren.25 Das Theorem besagt, dass Länder bei jenen Gütern über komparative Kostenvorteile verfügen, die in der Produktion die relativ reichlich vorhandenen Produktionsfaktoren intensiv nutzen. Denn diese sind, verglichen mit relativ knapp vorhandenen Produktionssektoren, relativ günstig. Folglich werden diese Güter durch den Kostenvorteil vorrangig exportiert. Dagegen werden Güter, deren Produktion die relativ knappen Produktionsfaktoren intensiv bedarf, vorrangig importiert. Wie in dem Modell der komparativen Kostenvorteile, erfolgt beim Freihandel eine Spezialisierung auf Güter, bei denen die Volkswirtschaft über komparative Kostenvorteile verfügt. Dementsprechend expandieren die Sektoren, die die relativ reichlich vorhandenen Produktionsfaktoren intensiv nutzen. Daraus folgt, dass die relativ reichlich vorhandenen Produktionsfaktoren stärker nachgefragt werden, wodurch deren Preise tendenziell steigen. Für die relativ knappen Produktionsfaktoren verhält es sich genau gegenteilig. Durch eine geringere Produktion sinkt die Nachfrage und somit auch die Faktorentlohnung. Folglich schrumpfen diese Sektoren tendenziell, was mit Arbeitsplatzverlusten einhergeht. An dieser Stelle setzt das Stolper-Samuelson Theorem an, welches eine Ergänzung des Faktorproportionentheorems darstellt. Es besagt, dass sobald eine Volkswirtschaft sich von Autarkie abwendet und Außenhandel betreibt, eine Einkommensumverteilung aufgrund der Produktionsumstellung festzustellen ist. Dementsprechend profitieren tendenziell die relativ reichlich vorhandenen Produktionsfaktoren, da sie intensiv im expandierenden Exportsektor genutzt werden. Die relativ knappen Produktionsfaktoren hingegen werden tendenziell Einkommenseinbußen erleiden, da der Sektor mit günstigeren Importprodukten konkurriert und tendenziell schrumpft. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Besitzer der relativ reichlich vorhandenen Produktionsfaktoren, Außenhandel eher positiv gegenüberstehen, wohingegen der Widerspruch gegen Außenhandel und der Wunsch nach Schutzmaßnahmen von Besitzern der relativ knappen Produktionsfaktoren zu erwarten ist.26

Die Überlegungen des Faktorproportionentheorems und des Stolper-Samuelson Theorems lassen sich ebenfalls auf den Handel in sogenannten Nord-Süd Kooperationen übertragen, also dem Handel zwischen Industrienationen und Entwicklungs- bzw. Schwellenländern. Industrienationen sind tendenziell relativ reichlich mit dem Produktionsfaktor Kapital ausgestattet. Entwicklungs- bzw. Schwellenländer besitzen tendenziell eine relativ große Ausstattung vom Produktionsfaktor Arbeit. Ein klassisches Beispiel der Nord-Süd Kooperation ist der Handel zwischen Mexiko und den USA. Der Theorie zufolge exportieren Industrienationen, wie bspw. die USA, im Falle von internationalem Güteraustausch tendenziell kapitalintensive Güter, wohingegen Entwicklungs- bzw. Schwellenländer, in dem Falle Mexiko, vorrangig arbeitsintensive Güter exportieren.27

An dieser Stelle ist die empirische Untersuchung von Wassily Leontief zu nennen, der 1953 anhand einer Analyse der Export- und Importdaten der USA festgestellt hat, dass die Importe, entgegen der Erwartungen, eine höhere Kapitalintensität aufwiesen als die Exporte der USA. Diese Entdeckung wurde später bekannt als „Leontief-Paradoxon“. Anhand dieser Untersuchung ließ sich ebenfalls feststellen, dass eine qualitative Unterscheidung des Faktors Arbeit durchzuführen ist, da es sich bei den arbeitsintensiven Exporten der USA überwiegend um Hochtechnologie Güter handelte, für die es vorwiegend hochqualifizierte Arbeiter, also ein hohes Maß an Humankapital, in der Produktion bedarf.28 Überträgt man nun diese Unterscheidung zwischen hoch- und niedrigqualifizierten Arbeitskräften auf den Nord-Süd Handel, lässt sich schlussfolgern, dass Industrienationen dazu tendieren, einen komparativen Vorteil in der Herstellung von humankapitalintensiven Gütern zu besitzen. Entwicklungs- bzw. Schwellenländer dagegen, verfügen tendenziell über komparative Vorteile in der Produktion von Gütern, die über einen hohen Bedarf an niedrigqualifizierten Arbeitskräften verfügen. Gemäß dem Stolper-Samuelson Theorem hätte dies zur Folge, dass in den Industrienationen die Löhne hochqualifizierter Arbeitskräfte wegen der Spezialisierung auf humankapitalintensive Güter steigen und die Löhne niedrigqualifizierter Arbeiter sinken. Dies führe schlussendlich zu einem größeren Einkommensungleichgewicht. In den Entwicklungs- bzw. Schwellenländern wäre genau das Gegenteil festzustellen und das Ergebnis wäre folglich eine sinkende Einkommensdisparität.29 Im Hinblick auf die aggregierten Außenhandelsgewinne sei zu erwähnen, dass durch Spezialisierung und internationalen Güteraustausch, ähnlich wie in dem Beispiel unter 3.1.1, die Konsummöglichkeiten einer Volkswirtschaft jenseits ihrer Produktionsmöglichkeiten gesteigert werden können, wodurch folglich auch die allgemeine Wohlfahrt gesteigert werden kann.30

3.2 Die Theorien des intra-industriellen Handels

Die im vorangegangen Kapitel dargestellten Modelle stoßen an ihre Grenzen, sobald der Versuch unternommen wird, das Zustandekommen von intra-industriellem Handel zu erklären. Dieser ist definiert als internationaler Austausch von Gütern derselben Branche, woraus folgt, dass ein Land Güter aus derselben Branche sowohl exportiert als auch importiert.31 Schätzungen zufolge entsprechen im Falle einer Vielzahl von Industrienationen bereits zwischen 60%-70% aller Handelsströme intra-industriellem Handel.32 Aufgrund dieser hohen Bedeutsamkeit wird im folgenden Kapitel das Zustandekommen des intra-industriellen Handels mit Hilfe der „neuen Außenhandelstheorie“ veranschaulicht. Intra-industrieller Handel kann weiter untergliedert werden in horizontalen und vertikalen intra-industriellen Handel. Dabei basiert horizontaler intra-industrieller Handel auf den Konzepten der Produktdifferenzierung sowie der Skalenerträge und bezieht sich auf den Handel von ähnlichen Gütern derselben Verarbeitungsstufe. Vertikaler intra-industrieller Handel hingegen, gründet auf internationalen Wertschöpfungsketten und bezieht sich auf den Handel mit Gütern unterschiedlicher Verarbeitungsstufen.33

Bevor näher auf diese beiden Arten des intra-industriellen Handels eingegangen wird, sei zunächst der Begriff der Branchenabgrenzung zu erwähnen. Um intra-industriellen Handel zu erfassen und analysieren zu können, muss festgelegt sein, welche Güter derselben Branche angehören. In diesem Zuge wird oft auf das Standard Industrial Trade Classification-System (SITC) zurückgegriffen, ein internationales Warenverzeichnis der Vereinten Nationen. Es umfasst fünf Aggregationsstufen, wobei die Kategorisierungen einer Branche Stufe für Stufe feiner und spezifischer werden, so dass in der letzten Gliederungsstufe lediglich direkte Substitute zu einer Branche gezählt werden. Wie hoch der Anteil von intra-industriellem Handel ist, hängt in Außenhandelsstatistiken demnach von der verwendeten Aggregationsstufe ab.34

3.2.1 Horizontaler intra-industrieller Handel

Um das Zustandekommen intra-industriellen Handels zu erläutern, wird zunächst die in den vorigen Modellen unterstellte Annahme von konstanten Skalenerträgen aufgehoben und durch steigende Skalenerträge ersetzt, was zudem weitaus häufiger in der Realität anzutreffen ist. Zunehmende Skalenerträge zeichnen sich dadurch aus, dass bei einer proportionalen Erhöhung des Inputs, der Output überproportional steigt. Mit Blick auf die Kostenstruktur bedeutet dies, dass die Durchschnittskosten bei steigender Produktionsmenge sinken. Diese Skalenerträge können entweder intern, oder extern anfallen. Man bezeichnet Skalenerträge als extern, sofern sie auf Branchenebene anfallen, wohingegen interne Skalenerträge auf Unternehmensebene anfallen.35 In den folgenden Ausführungen wird sich jedoch auf interne Skalenerträge und deren Implikationen für den intra-industriellen Handel fokussiert, da externe Skalenerträge zu branchenumfassenden Wettbewerbsvorteilen führen, wodurch vorrangig das Zustandekommen von inter-industriellem Handel erklärt werden kann.36

Interne Skalenerträge führen zu Marktstrukturen mit unvollständigem Wettbewerb. Somit wird auch die in den klassischen Theorien des inter-industriellen Handels unterstellte Annahme des vollkommenen Wettbewerbs aufgehoben. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Marktstruktur des monopolistischen Wettbewerbs. Dieser ist geprägt von einer Vielzahl an kleinen Unternehmen, die jeweils über keinen erheblichen Marktanteil verfügen und differenzierte Produkte anbieten, die keine perfekten Substitute darstellen. Im Falle von Außenhandel entsteht ein größerer, integrierter Markt. Für die Unternehmen besteht der Anreiz, zusätzlich den ausländischen Markt durch Exporte zu bedienen, um einen kompetitiven Vorteil zu erlangen, da sie durch eine höhere Produktion interne Skaleneffekte und somit sinkende Durchschnittskosten erreichen können.37 Der Effekt eines integrierten, größeren Marktes durch Außenhandel soll anhand der Abbildung 1 verdeutlicht werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Auswirkungen einer Vergrößerung des Marktes

(Quelle: Gerber, James, International, 2017, S. 121.)

Die x-Achse zeigt die Anzahl an Firmen in einer Branche, die y-Achse bildet die Durchschnittskosten sowie die Preise ab. Die Gerade P zeigt die Beziehung zwischen der Unternehmensanzahl und den Preisen. Ihre Steigung ist negativ, denn durch eine zunehmende Anzahl an Firmen steigt die Wettbewerbsintensität, woraus ein Abwärtsdruck auf die Marktpreise entsteht. Die Gerade C bildet den Zusammenhang zwischen den Durchschnittskosten eines Unternehmens und der Unternehmensanzahl der Branche ab. Sie hat eine positive Steigung, da mit steigendem Wettbewerb die Absatzmenge eines Unternehmens sinkt, was zu höheren Durchschnittskosten führt. Wenn der Preis über dem Gleichgewichtspreis von 3 liegt, besteht für neue Unternehmen der Anreiz des Markteintritts, da Gewinne erwirtschaftet werden können. Neue Unternehmen werden folglich so lange in den Markt eintreten, bis jegliche Gewinne durch den Wettbewerb verhindert werden und wieder ein Gleichgewicht erreicht ist. Bei Preisen unterhalb des Gleichgewichtspreises hingegen ist genau das Gegenteil zu beobachten. Die Gerade C‘ zeigt den Effekt einer Vergrößerung des Marktes auf das langfristige Gleichgewicht. Die Rechtsverschiebung der Geraden stellt dar, dass es den Unternehmen in einem größeren Markt bei ansonsten konstanten Bedingungen möglich ist, ihre Produktion zu steigern und die Durchschnittskosten durch Skaleneffekte zu senken. Außenhandel und ein integrierter Markt führen jedoch auch zu einer gestiegenen Wettbewerbsintensität und die Unternehmen sind gezwungen, den Vorteil niedrigerer Durchschnittskosten an die Konsumenten in Form von niedrigeren Preisen weiterzuleiten.38

Unternehmen unterscheiden sich jedoch in ihrer Leistungsfähigkeit und ihrer Kostenstruktur und daher werden nicht alle Unternehmen dem gestiegenen Wettbewerb durch den integrierten Markt standhalten können. Folglich wird der Marktanteil ineffizient produzierender Unternehmen schrumpfen oder sie scheiden aus dem Markt aus, wohingegen die Unternehmen mit niedrigen Kostenniveaus von einem integrierten Markt profitieren und expandieren. Insgesamt ist somit zu erwarten, dass durch Außenhandel die Gesamtproduktivität der Branche steigt, da sich die Produktion auf produktive Unternehmen mit niedrigen Kostenstrukturen konzentriert. Weitere wohlfahrtsschaffende Effekte des integrierten Marktes sind die niedrigeren Kosten für die Konsumenten und somit ein höheres reales Einkommen sowie eine höhere Produktvielfalt, da das Güterangebot nicht mehr auf den Heimatmarkt beschränkt ist. Obwohl Unternehmen aus dem integrierten Markt ausscheiden, umfasst das neue Marktgleichgewicht eine größere Anzahl an Unternehmen, als in den jeweiligen nationalen Märkten, bevor Außenhandel betrieben wurde. Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass die Theorie der Produktdifferenzierung und der internen Skalenerträge verdeutlicht, weshalb der internationale Austausch ähnlicher Güter zustande kommt und weshalb Länder miteinander handeln, die sich nicht hinsichtlich ihrer Ressourcenausstattung oder ihrer Technologie unterscheiden.39

3.2.2 Vertikaler intra-industrieller Handel

Bei allen bisher beschriebenen Theorien des Außenhandels wurde implizit angenommen, dass alle Produktionsprozesse in einem einzigen Unternehmen durchgeführt werden, sowie dass es sich bei den international gehandelten Gütern ausschließlich um Endprodukte handelt. Diese beiden Annahmen werden nun aufgehoben, um das Zustandekommen von vertikalem intra-industriellem Handel zu erläutern. Dieser gründet auf dem Konzept der internationalen Fragmentierung von Produktionsprozessen mittels Offshoring und globalem Outsourcing.40 Es sei jedoch an dieser Stelle zunächst erwähnt, dass es streitig ist, ob der Handel von Gütern unterschiedlicher Produktionsstufen strikt als intra-industrieller Handel zu klassifizieren ist. Wie bereits unter 3.2 erläutert, hängt es von dem Grad der Branchenabgrenzung ab, inwiefern Güter derselben Branche zugeordnet werden. Folglich bedarf es für die Erfassung des vertikalen intra-industriellen Handels einer eher breit gefassten Warenkategorisierung.

Der Produktionsprozess eines Gutes besteht aus mehreren Schritten bzw. Wertschöpfungsstufen, bevor das fertige Produkt an den Konsumenten gelangt. Diese Produktionsschritte unterscheiden sich in der Intensität der Nutzung von Produktionsfaktoren, wodurch in diesem Kapitel wieder auf das bereits unter 3.1.1 und 3.1.2 beschriebene Modell des komparativen Vorteils zurückgegriffen wird. Folglich erscheint es für Unternehmen zunächst sinnvoll, die einzelnen Produktionsschritte auf verschiedene Standorte zu verteilen und globale Wertschöpfungsketten zu bilden, um die komparativen Vorteile und interne Skalenerträge optimal zu nutzen.41 Diese Fragmentierung des Produktionsprozesses erreichen Unternehmen mittels Offshoring oder globalem Outsourcing. Entscheidet sich ein Unternehmen Offshoring zu betreiben, findet eine Verlagerung von Teilen der Wertschöpfungskette in ausländische Tochtergesellschaften statt. Dadurch bilden sich globale Produktionsketten und grenzüberschreitender Handel von Zwischen- und Endprodukten zwischen verschiedenen Standorten multinationaler Unternehmen, auch intra-Firmenhandel genannt.42 Einen entscheidenden Bestandteil des Offshoring bilden vertikale ausländische Direktinvestitionen. Ausländische Direktinvestitionen (ADI) im Allgemeinen, werden definiert als grenzüberschreitende Kapitalanlage in ein ausländisches Unternehmen, mit dem Ziel, maßgeblichen Einfluss auf dessen Geschäftstätigkeit zu erreichen.43 Somit wird auch die bisher unterstellte Annahme international immobiler Produktionsfaktoren aufgehoben. Bei vertikalen ADI handelt es sich um Investitionen zur Auslagerung einzelner Produktionsprozesse in ausländische Tochtergesellschaften. Alternativ besteht für Unternehmen die Möglichkeit des Outsourcings ins Ausland, d.h. die Vergabe der auszulagernden Produktionsstufen an ein ausländisches unabhängiges Unternehmen. Bei der Entscheidung zwischen der Internalisierung und der Vertragsbeziehung mit einem unabhängigen Unternehmen gibt es eine Vielzahl abzuwägender Aspekte, wie bspw. die Gefahr opportunistischen Verhaltens im Falle von globalem Out­sourcing.44 Unternehmen müssen bei der Entscheidung für oder gegen eine Fragmentierung des Produktionsprozesses abwägen, ob die Kosteneinsparungen durch eine internationale Wertschöpfungskette die Kosten, bspw. in Form von Handelskosten oder Fixkosten des ausländischen Werkes, übersteigen. Die Intention der Unternehmen besteht darin, Differenzen in den Relativkosten der Produktion auszunutzen, die zwischen den unterschiedlichen Produktionsstandorten bestehen. Diese Kostendifferenzen, die zu komparativen Kostenvorteilen führen, können, wie in 3.1.1 und 3.1.2 erläutert, bspw. durch divergierende Faktorausstattungen und Arbeitsproduktivität entstehen. Gemäß der Theorie nach Heckscher-Ohlin sollten demnach relativ arbeitsintensive Produktionsprozesse in Ländern mit relativ hoher Ausstattung mit dem Produktionsfaktor Arbeit durchgeführt werden und kapitalintensive Prozesse in kapitalreichen Staaten.45 Auch bezüglich der Wohlfahrtswirkung sind Übereinstimmungen zu den Theorien des inter-industriellen Handels vorhanden. Während die grenzüberschreitende Produktionsverlagerung zum Zwecke der Ausnutzung von Kostendifferenzen für die Volkswirtschaften insgesamt Wohlfahrtssteigerungen beinhaltet, gibt es Gruppen, die durch die Arbeitsplatzverlagerungen und einer Veränderung der Einkommensverteilung Verluste in Kauf nehmen müssen.46

3.3 Handelsschaffende und handelsumlenkende Effekte in Freihandelszonen

Die ökonomischen Effekte der Schaffung einer Integrationszone werden mit den von J. Viner im Jahre 1950 entwickelten Modellen der Handelsschaffung und Handelsumlenkung, zu Englisch „trade creation“ und „trade diversion“, erläutert. Viner konnte aufzeigen, dass sich Handelsströme durch die Bildung einer Freihandelszone neuausrichten.47 Im Falle der Handelsschaffung werden Güter ineffizienter Produzenten des Inlandes durch günstigere Importe aus Mitgliedsstaaten der Freihandelszone ersetzt. Somit entsteht durch die Eliminierung der Handelsbeschränkungen in der Freihandelszone zusätzlicher Handel zwischen den Mitgliedsstaaten gemäß ihren komparativen Vorteilen.48 Durch den günstigeren Güterpreis tritt zusätzlich eine Steigerung der Nachfrage ein. Weiterhin erfolgt eine effizientere Faktorallokation innerhalb des Integrationsraumes in Folge der Spezialisierung der Produktion entsprechend komparativer Vorteile. Folglich ergeben sich eine Effizienzsteigerung und ein positiver Wohlfahrtseffekt für die Mitgliedsstaaten der Freihandelszone.49 Im Falle der Handelsumlenkung tritt eine Abkehr vom Weltmarkt ein und der Handel mit effizient produzierenden Anbietern aus Ländern außerhalb der Freihandelszone wird „umgelenkt“ zu weniger effizient produzierenden Herstellern innerhalb der Freihandelszone. Dies geschieht aufgrund der Zollaufhebung innerhalb des Integrationsraums, wodurch sich die Preisrelationen zugunsten von Produzenten aus dem Integrationsgebiet verschieben.50 Unter Allokationsgesichtspunkten führt dies zu einer Effizienzreduzierung, da Güter außerhalb der Integrationszone zu einem niedrigeren Preis erworben werden könnten. Konsumenten profitieren zwar auch in diesem Fall von niedrigeren Preisen, im Vergleich zu der Situation vor Gründung der Freihandelszone, jedoch können handelsumlenkende Effekte auch zu negativen Wohlfahrtseffekten führen.51

Eine Volkswirtschaft besteht aus einer Vielzahl von Märkten, die sich in ihrem Ausmaß an handelsschaffenden und –umlenkenden Effekten nach Errichtung einer Freihandelszone stark unterscheiden können. Daraus geht hervor, dass eine Partialanalyse nicht ausreicht, um eine verlässliche Aussage über den Nettowohlfahrtseffekt einer Freihandelszone zu treffen. Weiterhin wird deutlich, dass auf einer Fall-zu-Fall Basis zu untersuchen ist, ob der Nettowohlstandseffekt aus der Schaffung einer Integrationszone für die einzelne Volkswirtschaft positiv oder negativ ausfällt.52 Es können jedoch Tendenzaussagen getroffen werden. So ist, ceteris paribus, ein Wohlfahrtszuwachs umso wahrscheinlicher, je größer das Integrationsgebiet im Verhältnis zum Weltmarkt ist und je niedriger die Außenzölle gegenüber Drittstaaten sind.53 Außerdem spielen auch die unter 2. bereits erwähnten Ursprungsregeln eine Rolle. Je restriktiver die festgelegten Ursprungsregeln in einer Freihandelszone sind, d.h., je höher die geforderten „local content“ Vorschriften ausfallen, umso stärkere handelsumlenkende Effekte kann ein Freihandelsabkommen bezüglich der importierten Zwischenprodukte von effizient produzierenden Herstellern aus Drittländern haben.54

[...]


1 Vgl. Hufbauer, Gary Clyde/Cimino, Cathleen/Moran, Tyler, Misleading, 2014, S. 1.

2 Vgl. Süddeutsche Zeitung, Freihandelsabkommen, 2018, ohne Seitenangabe.

3 Vgl. Villareal, M. Angeles/Fergusson, Ian F., Agreement, 2017, S. 1.

4 Vgl. Süddeutsche Zeitung, Freihandelsabkommen, 2018, ohne Seitenangabe.

5 Vgl. Blank, Jürgen E./Clausen, Hartmut/Wacker, Holger, Integration, 1998, S. 57.

6 Vgl. Dieter, Heribert, Ursprungsregeln, 2004, S. 8-11.

7 Vgl. Blank, Jürgen E./Clausen, Hartmut/Wacker, Holger, Integration, 1998, S. 71f.

8 Vgl. Williams, Brock R., Agreements, 2018, S. 2-7.

9 Vgl. Gerber, James, International, 2017, S. 119.

10 Vgl. Neumaier, Simon-M., Wirtschaft, 2006, S. 193.

11 Vgl. Ebd.

12 Smith, Adam, Wealth, 1776, S. 424.

13 Vgl. Neumaier, Simon-M., Außenhandel, 2006, S. 193.

14 Vgl. Mankiw, Gregory M./Taylor, Mark P., Grundzüge, 2018, S. 225.

15 Vgl. Neumaier, Simon-M., Außenhandel, 2006, S. 195.

16 Vgl. Mankiw, Gregory M./Taylor, Mark P., Grundzüge, 2018, S. 5.

17 Vgl. Poon, Jessie./Rigby, David L., Basics, 2017, S. 18ff.

18 Vgl. Bleuel, Hans-Hubertus, Management, 2017, S. 34.

19 Vgl. Ebd., S. 27f.

20 Vgl. Gerber, James, International, 2017, S. 82f.

21 Vgl. Ebd., S. 68.

22 Vgl. Krugman, Paul R./Obstfeld, Maurice/Melitz, Marc J., Economics, 2015, S. 86f.

23 Vgl. Reinert, Kenneth, Introduction, 2012, S. 61.

24 Vgl. Gerber, James, International, 2017, S. 90f.

25 Vgl. Poon, Jessie./Rigby, David L., Basics, 2017, S. 25f.

26 Vgl. Reinert, Kenneth, Introduction, 2012, S. 62f.

27 Vgl. Ebd., S. 64f.

28 Vgl. Bleuel, Hans-Hubertus, Management, 2017, S. 35.

29 Vgl. Reinert, Kenneth, Introduction, 2012, S. 64f.

30 Vgl. Krugman, Paul R./Obstfeld, Maurice/Melitz, Marc J., Economics, 2015, S. 145.

31 Vgl. Gerber, James, International, 2017, S. 119.

32 Vgl. Poon, Jessie./Rigby, David L., Basics, 2017, S. 33.

33 Vgl. Reinert, Kenneth, Introduction, 2012, S. 47.

34 Vgl. Morasch, Karl/ Bartholomae, Florian, Handel, 2017, S. 182f.

35 Vgl. Gerber, James, International, 2017, S. 120.

36 Vgl. Bleuel, Hans-Hubertus, Management, 2017, S. 41.

37 Vgl. Gerber, James, International, 2017, S. 121.

38 Vgl. Ebd., S. 122f.

39 Vgl. Krugman, Paul R./Obstfeld, Maurice/Melitz, Marc J., Economics, 2015, S. 246f, 254f.

40 Vgl. Reinert, Kenneth, Introduction, 2012, S. 47.

41 Vgl. Morasch, Karl/ Bartholomae, Florian, Handel, 2017, S. 228.

42 Vgl. Gerber, James, International, 2017, S. 107.

43 Vgl. Poon, Jessie./Rigby, David L., Basics, 2017, S. 180.

44 Vgl. Krugman, Paul R./Obstfeld, Maurice/Melitz, Marc J., Economics, 2015, S. 264-268.

45 Vgl. Morasch, Karl/ Bartholomae, Florian, Handel, 2017, S. 237.

46 Vgl. Krugman, Paul R./Obstfeld, Maurice/Melitz, Marc J., Economics, 2015, S. 267-274.

47 Vgl. Blank, Jürgen E./Clausen, Hartmut/Wacker, Holger, Integration, 1998, S. 58.

48 Vgl. Morasch, Karl/ Bartholomae, Florian, Handel, 2017, S. 310.

49 Vgl. Langhammer, Rolf J., Effekte, 1980, S. 75.

50 Vgl. Blank, Jürgen E./Clausen, Hartmut/Wacker, Holger, Integration, 1998, S. 58.

51 Vgl. Reinert, Kenneth, Introduction, 2012, S. 123f.

52 Vgl. Ebd.

53 Vgl. Langhammer, Rolf J., Effekte, 1980, S. 75.

54 Vgl. Gerber, James, International, 2017, S. 343f.

Ende der Leseprobe aus 78 Seiten

Details

Titel
Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA. Welche Auswirkungen hat es auf die Wirtschaft in den USA?
Autor
Jahr
2019
Seiten
78
Katalognummer
V458996
ISBN (eBook)
9783956879715
ISBN (Buch)
9783956879722
Sprache
Deutsch
Schlagworte
NAFTA, Freihandelsabkommen, USA, Automobilsektor, VWL, USMCA, Wertschöpfungsketten, Mexiko, Außenhandel, inter-industrieller Handel, intra-industrieller Handel, Bruttoinlandsprodukt, CUSFTA, Canada-United States Free Trade Agreement
Arbeit zitieren
Katharina Clören (Autor:in), 2019, Das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA. Welche Auswirkungen hat es auf die Wirtschaft in den USA?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/458996

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