Sprachliche Veränderung im Lebensverlauf in der Obersächsischen Umgangssprache

Monophthongierung von mhd. /au/ zu [o:] und mhd. /ei/ zu [e:]


Projektarbeit, 2015

16 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Vorbemerkungen zur empirischen Untersuchung
2.1 Zur Datenbasis
2.2 Zur Gewährsperson Jörg Gräser
2.3 Zu methodischen Vorgehensweisen

3. Empirische Untersuchung
3.1 Monophthongierung von mhd. au zu [o:]
3.1.1 Adverb bzw. Partikel auch
3.1.2 Verb laufen und Nomen Augen, Baum
3.2 Monophthongierung von mhd. ei zu [e:]
3.2.1 Numeralien
3.2.2 klein als Adjektiv und Nomen
3.2.3 Verben meinen, wissen
3.3 Fazit

4. Kritik und Forschungsausblick

5. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Nach Barden/Großkopf ist Sachsen durch eine relativ einheitliche sogenannte „Umgangssprache“ gekennzeichnet, die sich von der Standardlautung durch eine Anzahl phonologisch-phonetischer Merkmale unterscheidet (Vgl. 1998: 46). In der Verwendung des nicht unproblematischen, vorwissenschaftlichen Begriffs der Umgangssprache berufen sie sich auf das grundlegende Werk Sächsische Mundartenkunde von Horst Becker und Gunter Bergmann, in welchem diese bereits 1969 den Begriff der „obersächsischen Umgangssprache“ bestimmten:

Die obersächsische Umgangssprache beruht auf der Schriftsprache, spricht diese aber mit einem obersächsischen Lautsystem aus, das sie als eine Summe von Aussprachenormen übernimmt (142)

Folglich unterscheiden Becker/Bergmann Mundart und Umgangssprache von ihrem Verhältnis zur Schrift voneinander: Während für die Mundart Schrift keine grundlegende Bedeutung hat, beruht die Umgangssprache auf der Schriftsprache. Folglich ist auch der obersächsischen Umgangssprache die Schriftsprache vorausgesetzt.

Bei Barden/Großkopf heißt es weiterhin, dass bestimmte Aussprachenormen in der Umgangssprache aus der Mundart gänzlich übernommen sind, wohingegen diese in der Mundart nur auf bestimmte Lautkombinationen beschränkt bleiben& (Vgl. 1998: 44). Bezugnehmend auf Becker/Bergmann sind anschließend 13 sprachliche Merkmale des Obersächsischen zusammengefasst, neben konsonantischen auch vokalische, darunter zum einen die Assimilation in bestimmten lexikalischen Umgebungen (bei mhd. Diphthongen) auch vollständig monophthongische Realisierung des standarddeutschen ai durch Anhebung des Anglitts. Bsp.: zwei = [tsvei:], kein = [ke:n] (Barden/Großkopf 1998: 47) sowie zum anderen

[die] Assimiliation bzw. vollständig monophthongische Realisierung des standarddeutschen Diphthongs au durch Anheben des Anglitts bis zum [o:] (Ebd.).

Eben diese beiden Merkmale bilden die Grundlage für die sich anschließende Untersuchung, die sich mit individueller Variation im Verlauf des Lebensalters des Leipziger Raubtierpflegers Jörg Gräser anhand seines Auftretens in der MDR-Serie „Elefant, Tiger & Co.“ befasst. Genauer betrachtet sie die zuvor erwähnten, für die obersächsische Umgangssprache typischen Veränderungen im Vokalismus. Die sich aus diesem Interesse ergebende Frage ist demnach: Welche Wörter mit den mhd. Diphthongen /au/ und /ei/ werden wie häufig monophthongisch realisiert? Gibt es eventuelle Ausnahmen bei dieser Art der Assimilation von Vokalen und wenn ja, wie lassen sich diese begründen?

Letztendlich handelt es sich also im Wesentlichen um eine Auszählung der in der spontanen Rede der Gewährsperson monophthongisch realisierten Wörter.

Zuvor jedoch wird der Untersuchungsgegenstand vorgestellt, zum einen die MDR-Sendung „Elefant, Tiger & Co.“ als Datenbasis, zum anderen Jörg Gräser als im Fokus dieser Untersuchung stehendes Individuum, weshalb diese Untersuchung im Ansatz nicht allgemein eine Langzeit-, sondern genauer gesagt Panelstudie ist. Der Hauptteil dieser Untersuchung widmet sich der Auszählung der von der Gewährsperson monophthongisch realisierten Wörter. Mitunter wird auf Ausnahmen, die während der Untersuchung augenscheinlich wurden, eingegangen. Abschließend geht diese Arbeit nochmals, da zum Teil bereits erwähnt, auf Problemstellungen ein, die sich während der Untersuchung ergaben. Diese Art von Kritik und der sich daran anschließende Forschungsausblick sollen rechtfertigen, dass diese Untersuchung die eingangs formulierte Fragestellung nur in einem ersten Ansatz beantworten kann.

Da der Sprachgebrauch des Obersächsischen, obwohl dieser innerhalb des regionalen Varietätenspektrums des Deutschen eine besondere Rolle einnimmt, kaum in größeren Untersuchungen für verschiedene Kommunikationssituationen erhoben und analysiert wurde (Vgl. Hünecke/Koch/Koch 2012: 143), macht es sich auch diese Untersuchung nicht zum Gegenstand dahingehend repräsentative Aussagen treffen zu wollen (Vgl. dazu Kap.4). Nichtsdestotrotz sollen in diesem Rahmen gewisse Vermutungen formuliert werden, insbesondere für in Ausnahmen nicht monophthongisch realisierter Wörter (Vgl. Kap.3.3). So wäre es durchaus möglich, das Forschungsinteresse dieser Arbeit erneut aufzugreifen und die hier gewonnenen Ergebnisse vertiefend zu erforschen, zu be- oder widerlegen.

2. Vorbemerkungen zur empirischen Untersuchung

2.1 Zur Datenbasis

Als Datengrundlage dient die Serie „Elefant, Tiger & Co. – Geschichten aus dem Leipziger Zoo“1, bei der es sich um eine Produktion des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) handelt, die auf selbigem seit 2003 ausgestrahlt wird. Die Sendung, von welcher mittlerweile insgesamt 612 Folgen2 mit einer Länge von mindestens 25 Minuten gesendet wurden, wurde ursprünglich von den Fernsehautoren Jan Tenhaven und Axel Friedrich entwickelt. Inzwischen schreiben wechselseitig noch acht weitere Autoren an der Sendung, die nur namentlich genannt sein sollen: Christiane Probst, Lutz Tauscher, Beate Gerber, Melanie Henze, Kerstin Holl, Jens Strohschnieder, Eva Demmler sowie Antje Schneider.3

Einmal wöchentlich strahlt der MDR eine neue Folge dieser „Zoo-Doku-Soap“4 aus, in welcher die verschiedenen TierpflegerInnen, TierärztInnen, Kuratoren, Auszubildende oder Handwerker des Leipziger Zoos bei ihrer alltäglichen Arbeit begleitet werden. Besonderheit gegenüber dieser alltäglichen Arbeit ist es dabei, dass die MitarbeiterInnen des Zoos nicht allein, das heißt nicht wie üblicherweise allenfalls in Anwesenheit anderer TierpflegerInnen, ZoobesucherInnen oder Tiere verrichten, sondern von einem Kamera- und Autorenteam umgeben sind, für welches sie Vorhaben, Arbeits- und Vorgehensweisen ommentieren müssen. Folglich handelt es sich um keinen gescripteten Text, sondern um spontane gesprochene Sprache.

Im Anschluss an den Erfolg von ETC entwickelten auch andere deutsche Zoos in Zusammenarbeit mit anderen öffentlich-rechtlichen Sendern Tier-Dokumentar-Serien, darunter um von insgesamt 18 Formaten nur einige zu nennen „Nashorn, Zebra & Co.“ (BR) aus dem Münchener Tierpark Hellabrunn, „Giraffe, Erdmännchen & Co.“ (HR) aus dem Zoo in Frankfurt sowie dem Opel-Zoo in Kronberg oder „Panda, Gorilla & Co.“ (RBB), die aus dem Berliner Zoo und dem Tierpark Berlin gesendet werden.5

2.2 Zur Gewährsperson Jörg Gräser

Im Mittelpunkt dieser Untersuchung steht Jörg Gräser, der als Raubtierpfleger am Zoo Leipzig arbeitet. Die Gewährsperson wurde 1968 in Frauendorf b. Frohburg in Sachsen geboren und begann 1985, folglich nach dem Realschulabschluss im Alter von 17 Jahren, seine Ausbildung als Tierpfleger am Leipziger Zoo6. Mit dem Jahr 2015 arbeitet die Gewährsperson dieser Untersuchung seit 30 Jahren als Tierpfleger am Zoo Leipzig.

Auf Basis dieser Tatsache eignet es sich, die obersächsische Umgangssprache – nach Becker/Bergmann genauer gesagt die obersächsisch-meißnische Umgangssprache (Vgl. 1969: 52 ff.) - des Raubtierpflegers nach sprachlichen Variationen hin zu untersuchen. Dies hat jedoch Einschränkungen, die an dieser Stelle vorab erwähnt werden müssen.

Datenbasis dieser Studie sind digitalisierte Folgen der Sendung „Elefant, Tiger & Co.“, welche seit 2003 im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wird. Bestenfalls jedoch stünde dieser Untersuchung, um Anspruch auf Vollständigkeit sowie vor allem Repräsentativität behaupten zu können, Sprachmaterial der Gewährsperson zur Verfügung, welche seine gesamte Tätigkeit am Leipziger Zoo dokumentiert. Auf diese Weise entstünde ein längerer Zeitraum der Betrachtung, auf Grundlage dessen stichhaltigere Aussagen über eine jegliche sprachliche Variation im Verlauf seines Lebensalters getroffen werden könnte. Dies ist jedoch nicht möglich, da aufgrund der Ausstrahlung von ETC erst seit 2003 prinzipiell nur ein Untersuchungszeitraum von 12 Jahren möglich wäre. Wäre, weil desweiteren dieser Untersuchung nur Videoaufnahmen aus dem Zeitraum von 2006 bis 2014 zur Verfügung stehen7, womit sich der Untersuchungszeitraum erneut einschränkt.

Zusammenfassend will damit gesagt sein, dass diese Arbeit aus den zuvor genannten Gründen vorerst nur Thesen zur sprachlichen Variation im Lebenslauf Jörg Gräsers aufstellen, aber keine validen oder repräsentativen Aussagen treffen kann.

2.3 Zu methodischen Vorgehensweisen

Von den insgesamt fast 600 ausgestrahlten Folgen standen für die Untersuchung 68 Folgen zur Verfügung, wovon wiederrum nur 44 von Relevanz waren (s. Tab.1), da die Gewährsperson nicht in jeder der Sendungen auftaucht. So wurden alle 68 Folgen nach dem Auftreten des Zootierpflegers gesichtet; in folgender Tabelle sind nur die Sendungen – mit ihrem Titel und ihrem geschätztem8 Erstausstrahlungsdatum – aufgelistet, die aus dem genannten Grund mit in die Untersuchung einbezogen werden konnten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten9, 10, 11

Tab.1 Folgen mit Untersuchungsrelevanz

Im Zuge der Sichtung des Materials nach dem Auftreten des Raubtierpflegers Jörg Gräser wurden für die sich anschließende Auszählung die monophthongisch realisierten Wörter in zwei weiteren Tabellen erfasst; zum einen die monophthongische Realisierung von mhd. /au/ zu [o:] sowie zum anderen von mhd. /ei/ zu [e:]. Dabei stellte es sich als zweckmäßig heraus, auch situativen Umstände wie Gesprächspartner (Kamera, andere Tierpfleger, Tiere usw.) sowie die entsprechenden Zeitpunkte zu notieren. Einerseits um sich das (wiederholte) Sichten des Videomaterials in den 25 bis 45 Minuten langen Folgen zu erleichtern, andererseits um eventuelle Rückschlüsse anhand der Länge der Rede des Untersuchungsobjekt ziehen zu können.

[...]


1 Im Folgenden der Einfachheit halber mit „ETC“ abgekürzt.

2 Stand: 30.30.2015.

3 http://www.mdr.de/elefanttigerundco/autoren104.html <Zugriff am 20.03.2015>

4 Bezeichnung, die sich auch auf alle im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlten Sendungen bezieht, die sich den alltäglichen Begebenheiten in den verschiedenen Zoos Deutschlands widmen. Entnommen aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Elefant,_Tiger_%26_Co. <Zugriff am 20.03.2015>

5 Vollständie Aufzählunger unter http://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Zoo-Doku-Soap <Zugriff am 29.03.2015>

6 http://ivt-arch.yourweb.de/service.php?left=A2&main=graeser <Zugriff am 20.03.2015>

7 Die Zahl der zur Verfügung stehenden ETC-Folgen ergibt sich aus von Prof. Dr. Beat Siebenhaar innerhalb des Seminars „Sprachliche Veränderung im Lebenslauf“ zur Verfügung gestellten Materials an ausgewählten Folgen, da nur eine Auswahl der aktuellsten Folgen in der Mediathek des MDR als Stream angeboten wird. Von den 68 Folgen waren zwei Dateien beschädigt, die von mir nicht untersucht werden konnten.

8 Die Daten der Ausstrahlung beziehen sich auf eine von Prof. Dr. Beat Siebenhaar zur Verfügung gestellte Tabelle mit zurückgerechneten Daten.

9 Für die beiden zuletzt genannten Folgen standen keine Folgen-Bezeichnungen zur Verfügung, diese sind nachrecherchiert, nichts desto trotz konnte auch hier der Ausstrahlungstermins nicht genau(er) bestimmt werden.

10 Ebd.

11 Hier sind in der von Prof. Dr. Beat Siebenhaar zur Verfügung gestellten Datei beide dieser Termine angegeben.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Sprachliche Veränderung im Lebensverlauf in der Obersächsischen Umgangssprache
Untertitel
Monophthongierung von mhd. /au/ zu [o:] und mhd. /ei/ zu [e:]
Hochschule
Universität Leipzig  (Germanistik)
Veranstaltung
Sprachliche Veränderung im Lebenslauf
Note
3,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
16
Katalognummer
V458889
ISBN (eBook)
9783668876606
ISBN (Buch)
9783668876613
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sprachwissenschaft, Umgangssprache, Monophtongierung, Sächsisch
Arbeit zitieren
Anna Stumpe (Autor:in), 2015, Sprachliche Veränderung im Lebensverlauf in der Obersächsischen Umgangssprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/458889

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