Restauration der Monarchie in John Dryden’s Tragödie "Oedipus"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

15 Seiten


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung/ Motivation

2. Geschichtliche Hintergründe:
- England im 17.Jahrhundert
- John Dryden

3. Analyse des Dramas „Oedipus“
unter ausgewählten Gesichtspunkten

4. Zusammenfassung/ Fazit

5. Literaturliste

1. Einleitung/ Motivation

Als 1660 der englische König Charles II aus dem französischen Exil nach London zurückkehrte und somit die Stuart-Monarchie nach 11 Jahren restauriert wurde, begann nicht nur politisch gesehen ein neues Zeitalter. Die Literatur der Restaurationszeit war und ist noch heute von großer Bedeutung, zumal sie nicht selten die revolutionären politischen Ereignisse ihrer Zeit verarbeitete und widerspiegelte. Allen voran ist John Dryden ein Autor, in dessen Werken die politischen Aussagen offensichtlich werden. Auf all diese Hintergründe werde ich zu Beginn meiner Hausarbeit im zweiten Kapitel ausführlicher eingehen um mich anschließend intensiver mit dem Drama Ödipus von John Dryden zu beschäftigen. Dabei werde ich vor allem folgende These diskutieren: „Drydens Stück behandelt in der Figur des Ödipus das Prinzip der Monarchie. Dabei bringt der Autor mit der Konstruktion der Ödipus-Figur eine eindeutige politische Aussage zum Ausdruck.“ Um diese These zu untermauern werde ich eine Figurenanalyse des Protagonisten vornehmen und an geeigneten Stellen Parallelen zwischen der Handlung im Stück und dem geschichtlichen Hintergrund der Restaurationszeit herstellen.

Gegen Ende werde ich die politische Aussage Drydens spezifizieren. Um die Tragweite dieser Aussage besser zu verstehen, gebe ich zunächst einen Überblick über die wichtigsten historischen Ereignisse, die der Produktion des Dramas im Jahr 1678 vorausgingen.

2. Geschichtliche Hintergründe:

- England im 17.Jahrhundert

Das 17. Jahrhundert stellt für England in besonderem Maße eine Zeit der Umwälzungen dar und war von entscheidender Bedeutung bei der Entwicklung der Literaturgeschichte und des Dramas. Deshalb ist der geschichtliche Hintergrund von wesentlicher Bedeutung, um Ödipus besser zu verstehen. Susan J. Owen formuliert dazu in ihrer Veröffentlichung mit dem Titel „Restoration Theatre and Crisis“ folgende treffende Aussage: „The drama was intensely engaged with its times and the best understanding of the drama is achieved by the best understanding of those times.“1

Die erste Hälfte des Jahrhunderts war geprägt durch den Konflikt der Krone mit dem Parlament, welches mehrfach seine Erscheinungsform änderte. Nach zwei Bürgerkriegen in den Jahren 1642-1648 kam es 1649 schließlich zur Katastrophe für die Monarchie: Charles I wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet; England wurde zur Republik erklärt. In den folgenden Jahren regierte Oliver Cromwell als Kopf des so genannten „Barebones Parliament“ bis zu seinem Tod 1658 (vgl. Hugelmann 2006). In dieser Zeit war es unter Strafen verboten, öffentliche Theateraufführungen zu veranstalten – die Theater wurden bereits 1642 geschlossen (vgl. Gymnich 1998: 43). Das hatte natürlich immense Auswirkungen auf die Dramenproduktion der Zeit, die fast zum Erliegen kam. Interessanterweise wurden vereinzelt Dramen verfasst, die aber nur zur Lektüre freigegeben wurden. Erst im Jahre 1660 kam die „Wende“. Cromwells Sohn konnte sich als Nachfolger nicht durchsetzen und so wurde 1660 König Charles II vom „Convention Parliament“ zur Rückkehr nach London eingeladen. Schließlich kam es zu einem der denkwürdigsten Ereignisse der englischen Geschichte, nämlich der Restauration und Wiedereinsetzung des Königs Charles II auf den Thron. Dieser sorgte in den kommenden Jahren für ein Wiederaufblühen der Theaterlandschaft, indem er zwei Patente für die Gründung von Theatergesellschaften ausstellte. In den folgenden Jahren kämpften die „King’s Company“ und die „Duke’s Company“ um die Gunst der Zuschauer (vgl. Gymnich 1998: 44). Das Drama war das herausragende Genre für damalige Schriftsteller und erlebte eine Blütezeit. Die vorherrschende Gattung bis in die 1670er Jahre war das so genannte Heroische Drama, welches mit seinen unfehlbaren Helden „das Loblied der monarchistischen Ordnung und der aristokratischen Repräsentanten der Stuart-Monarchie singen [sollte]“2. Weniger offensichtlich aber trotzdem bedeutend waren die politischen Aussagen in der klassizistischen Tragödie. Im dritten Kapitel werde ich erklären, weshalb man Ödipus in diese Kategorie einordnen kann. Später entstanden weitere für die Restaurationszeit typischen Dramengattungen: die Pathetic Tragedy, die Restaurationskomödie und schließlich die Tragikkomödie und die Spanish Romance. Ein weiteres geschichtliches Ereignis, welches eine Referenz in dem Drama erfährt ist die so genannte Great Plague, die London 1665 heimsucht. Der erste Akt von Ödipus beginnt mit einer Szene in einer von der Pest geplagten Stadt. Dieser Anblick dürfte beim damaligen Theaterpublikum sicher schlimme Erinnerungen wachgerufen haben.

Im Jahr 1678 zeichnet sich schließlich eine weitere Krise ab. Es kommt das Gerücht auf, dass Charles II ermordet werden soll um ihn durch seinen katholischen Bruder James zu ersetzen. Dieser Popish Plot führte schließlich zu der Exclusion Crisis, die den König und seine Macht bis 1682 bedrohte (vgl. Hugelmann 2006: 18).

Schließlich gilt es festzuhalten, dass viele Dramen der Restaurationszeit mit politischen Aussagen gespickt waren: „The drama, in other words, was involved in the debates which engaged the political nation“3.

- John Dryden

Owens Aussage über die politische Einmischung der Literatur trifft ganz besonders auf John Dryden zu. Geboren 1631 in Northamptonshire war John Dryden nach einem Studium in Cambridge spätestens ab 1668 der bedeutendste englische Schriftsteller seiner Zeit. In diesem Jahr nämlich wurde er zum Poet Laureate ernannt – dem Hofdichter des Königs (vgl. Miner 1979: 174). Auf dieser Position war er dem König zu Loyalität verpflichtet und schließlich war es auch so, dass er den König unterstützte, denn wie Lehmann feststellt: „Für die professionellen Autoren ist der König […] zugleich Richter, Mäzen und Thema der Dichtung.“4 Wie sehr Dryden der Obrigkeit ergeben war, betont Steven N. Zwicker: „Dryden […] defended the court’s impolitic moves toward Indulgence in the 1670s; he excoriated the king’s enemies, denigrated the Popish Plot, and derided the Exclusion in the 1680s“5

Eine interessante Tatsache erwähnt Richard W. Bevis in seinem Buch „English Drama: Restoration and Eighteenth Century“. Demnach habe Charles II Dryden ab 1677 nicht mehr sein Gehalt als Dichterkönig bezahlt: „Charles’s reign was marked by […] financial quarrels […] He did not pay his sailors in 1667, nor Dryden his laureate’s pension after 1677.“6 Ob dies Drydens Loyalität zum König beeinträchtig hat, lässt sich bezweifeln, da er schon sehr lange unter Charles II arbeitete und ihm natürlich viel zu verdanken hatte, Außerdem dürfte Dryden über einen Teil der Einnahmen der „King’s Company“ verfügt haben, deren Anteilnehmer er war (vgl. Lehmann 1988:104). Den Gegebenheiten seiner Zeit entsprechend, produziert Dryden eine Vielzahl von Dramen, All for Love (1677) scheint dabei eines seiner beliebtesten zu sein. Das Jahr 1700, in dem John Dryden stirbt, stellt für die Wissenschaft auch deshalb das Ende der literaturgeschichtlichen Epoche der Restaurationszeit dar.

Für die vorliegende Arbeit ist es zusammenfassend wichtig zu wissen, dass Dryden unmissverständlich auf der Seite des Königs stand und genau wie die Gruppe der „Tories“ dessen Status als von Gott legitimierten Herrscher stets zu verteidigen gedachte. Um diese These zu untermauern, ein letztes Zitat von David Wykes:

Dryden’s intervention on the King’s side was a natural step for the Poet Laureate […] and all through the years of the crisis and beyond, from 1678 to 1683, his work attempted to influence opinion in favour of what came to be called the Tory side. […] The nature of kingship is a basic difference between the Whig and the Tory positions. To Tories, kingship was of divine origin.7

3. Analyse des Dramas „Oedipus“

Antike Mythologien waren in der Dramenproduktion des 17.Jahrhunderts allgegenwärtig. Vorlage für das Stück Ödipus, das John Dryden 1678 in Zusammenarbeit mit Nathaniel Lee verfasste, ist zum einen natürlich der antike Stoff der Ödipus Sage. Insbesondere bezogen sich die beiden Autoren aber auch auf bereits erschienene Dramen und zwar die Bearbeitungen des Stoffes von Sophokles, Seneca und Corneille. Die besondere Herausforderung war, dass diese drei Dramen der Herkunft ihres Autors nach nur in Griechisch, Latein und Französisch erschienen waren. In dem Vorwort zu Ödipus loben Dryden und Lee Sophokles’ Vorgehensweise teilen mit, dass sie sich in allen Belangen an dessen Vorlage orientierten: „Sophocles is admirable every where: And therefore we have follow’d him as close as possibly we cou’d.“ (Oedipus, Preface 22 f.)

Nachdem lange Zeit das heroische Drama die vorherrschende Gattung war, produzierte Dryden offenbar direkt vor Ödipus mit „All for Love“ – eine Verarbeitung des Antony und Cleopatra-Stoffes – die „erste klassizistisch ausgerichtete Tragödie der Restaurationszeit“8 Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass der Held des Stückes nun nicht mehr perfekt und unbesiegbar ist, sondern einen so genannten „tragic flaw“, also einen schicksalhaften Makel besitzt, der schließlich für den tragischen Fall des Protagonisten im letzten Akt verantwortlich ist. Offensichtlich hat Ödipus einen solchen Makel, nämlich der von ihm in Unwissenheit begangene Mord an seinem Vater und die Inzest mit seiner Mutter. Man könnte annehmen dass eine solche Darstellung eines Königs in aller Hinsicht unheroisch ist, und dem echten englischen König hätte missfallen können, aber schließlich ist Ödipus ja unschuldig, weil sein Makel eben ein tragischer Fehler ist und er nichts dafür kann. Davon abgesehen merkt man schnell, dass sein Auftreten innerhalb des Stückes sehr wohl heldenhaft ist und er stets sehr moralische Ansichten vertritt.

Damit möchte ich nun näher auf die Figur des Ödipus eingehen. Um meine in der Einleitung formulierte These zu begründen werde ich erklären, wie Ödipus durch eine ausdrücklich positive Charakterisierung einen teilweise gottgleichen Status zugeschrieben bekommt.

Es beginnt mit dem eindrucksvollen ersten Auftritt des Königs im ersten Akt. Nachdem das Volk, aufgehetzt von Creon, den Bruder der Königin bereits als neuen König sehen will, kann Tiresias die Menge beruhigen. Er erinnert das Volk daran, dass Ödipus sie von der grausamen Sphinx gerettet hat und nimmt dabei einen ersten expliziten Fremdkommentar über Ödipus vor: „Till Oedipus arriv’d. Call’d by his own high courage and the Gods, Himself to you a God: ye offer’d him Your Queen, and Crown […] And Heav’n authorized it by his success.“ (1.1.319 ff). Durch seinen Mut und Gottes Hilfe sei er ein erfolgreicher König und sogar selbst ein Gott für das Volk, das sich ihm verpflichtet habe. Die Macht der Götter und des Himmels wird bereits zuvor mehrmals erwähnt: „The Gods have done their part, by sending this commodious plague.“ (1.1.82 f); „Tis Certain that the Gods are angry with us because he reigns.“ (1.1.233 f). Obwohl das Volk mitbestimmen kann bei der „Wahl“ des Königs, legitimiert sich in dem Stück Ödipus’ Macht eindeutig durch Gottes Hilfe. Hierbei kann man – das Theaterpublikum der Restaurationszeit vor

[...]


1 Owen 1996: 5

2 Lehmann 1988: 123

3 Owen, 1996: 3

4 Lehmann 1988: 142

5 Zwicker 1998: XXX

6 Bevis 1988: 26

7 Wykes 1977: 94 f.

8 Gymnich 1998: 48

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Restauration der Monarchie in John Dryden’s Tragödie "Oedipus"
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Autor
Jahr
2009
Seiten
15
Katalognummer
V456951
ISBN (eBook)
9783668871632
ISBN (Buch)
9783668871649
Sprache
Deutsch
Schlagworte
restauration, monarchie, john, dryden’s, tragödie, oedipus
Arbeit zitieren
Johannes Merz (Autor:in), 2009, Restauration der Monarchie in John Dryden’s Tragödie "Oedipus", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/456951

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