Die gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg

Eine qualitative Evaluation eines Schülertrainings


Masterarbeit, 2015

138 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Problemstellung

2Grundverständnis von Gewalt und Kommunikation
2.1 Gewaltbegriff
2.1.1 Enge vs. weite Definition
2.1.2 Abgrenzungen (Gewalt, Aggressionen, Devianz, Konflikt)
2.1.3 Erscheinungsformen von Gewalt
2.2 Begriff der Kommunikation
2.2.1 Anatomie einer Nachricht
2.2.2 „Vier Ohren“ des Empfängers

3Konflikte im schulischen, privaten und beruflichen Kontext
3.1 Definition sozialer Konflikt
3.2 Konfliktarten
3.3 Konfliktstile
3.4 Konflikte in Beziehungen
3.5 Gruppenkonflikte
3.6 Konflikte in der Schule
3.6.1 Disziplinkonflikte (Konflikte zwischen Lehrer und Schüler)
3.6.2 Konflikte verursacht durch Lehrkräfte

4 Die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg
4.1 Wissenschaftstheoretische Einordnung der GfK
4.2 Definition GfK
4.3 Vier Komponenten der GfK
4.4 Empathie
4.5 Vier-Ohren-Modell nach Rosenberg
4.6 Forschungsstand zur GfK

5 Fragestellungen

Teil B: Empirische Untersuchung an einer Berufsschule

6 Forschungsmethodisches Vorgehen
6.1 Survey Design
6.2 Ablauf und Situationsanalyse des Trainings
6.3 Erhebung
6.3.1 Durchführung
6.3.2 Erhebungsverfahren
6.3.3 Feldzugang
6.4 Aufbereitung
6.5 Auswertung
6.5.1 Auswertungsablauf
6.5.2 Qualitative Analysetechnik
6.5.3 Quantitative Analysetechnik 62

7 Ergebnisteil
7.1 Fragestellung A (induktive Kategorienbildung)
7.2 Fragestellung B (induktive Kategorienbildung)
7.3 Hauptfragestellung (deduktive Kategorienanwendung)

8 Kritische Betrachtung der GfK bzw. des Schülertrainings
8.1 Grenzen bezüglich der theoretischen Konzeption
8.2 Grenzen hinsichtlich der praktischen Umsetzung
8.3 Grenzen bezüglich des Schülertrainings

9 Kritische Reflexion des eigenen Forschungsprozesses

10Resümee und Handlungsempfehlungen

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Anhang

A.1 Trainingsverlaufsplan und Lernziele

A.2 Qualitative Analysetechnik: Ablaufmodell inhaltliche Strukturierung

A.3 Qualitative Analysetechnik: Ablaufmodell skalierender Strukturierung

A.4 Kodierleitfäden

A.4.1 Inhaltliche Strukturierung

A.4.2 Skalierende Inhaltsanalyse

A.5 Streitdefinition der Probanden

A.6 Streitlösungsstrategien der Probanden

A.7 Wahrnehmungsfähigkeit der Probanden

A.8 Quantitative Erhebung der Gefühlsnennung

A.9 Quantitative Erhebung der Bedürfniskategorien

A.10 Quantitative Erhebung der Bedürfnisnennung

A.11 Empathiefähigkeit der Probanden

A.12 Erhebungsbögen T1- T3

Teil A: Theoretischer Bezugsrahmen

1 Problemstellung

„Konflikte löst man am besten, indem man sie gar nicht erst entstehen lässt (Anders) .“ Anhand des Zitats, welches der Philosoph und Künstler Jerome Anders prägte, könnte man leicht den Eindruck gewinnen, dass Konflikte trivial zu lösen sind. Einfach könnte der Umgang bzw. die Bewältigung erst dann sein, wenn man die richtige Kommunikationsstrategie wählt.

Ist von einem Konflikt bzw. Streit die Rede, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit jeder von uns sofort eine Situation vor Augen, die schon einmal im Alltag erlebt wurde. Konflikte begegnen uns in allen denkbaren Bereichen, in der Partnerschaft, in der Öffentlichkeit oder sogar international zwischen verschiedenen Ländern. Als ein zentraler Brennpunkt für Konfliktentstehungen kann der Berufsalltag gesehen werden. Hierbei gibt es vielerlei Ursachen, die zu Spannungen unter den Mitarbeitern führen und sich zu Konflikten entwickeln können. Dabei kann ein möglicher Faktor in den Machthierarchien liegen, wenn z.B. um eine besondere Position gerungen wird. Ebenso können Konflikte durch unterschiedliche Rollen bzw. Aufgabenbereiche verursacht werden, wenn z.B. ein Mitarbeiter schwierigere oder uninteressantere Aufgaben als ein anderer Mitarbeiter zugeteilt bekommt. Oftmals spielen sich diese Gegensätze auf verschiedenen Ebenen ab. Auf der Beziehungsebene können Konflikte durch emotionale Dissonanzen verursacht werden. Solche Konflikte sind im Arbeitsleben schwieriger zu beheben, denn die Thematisierung der Beziehungsebene wird in vielen Unternehmen oft vernachlässigt und nicht zur Sprache gebracht. Konflikte und Streitigkeiten können sich u.U. zu schlimmeren und in nicht seltenen Fällen zu schwerwiegenderen Ausprägungen entwickeln. Die psychische Gewalt wird als ein stark zunehmendes gesellschaftliches Problem wahrgenommen. Oft erleben die Betroffenen wiederholte feindselige Äußerungen oder Angriffe, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und zum Teil nonverbal stattfinden können. Hierbei zu nennen ist das Mobbing am Arbeitsplatz. Laut einer Studie aus dem Jahre 2014 gaben 28% der Befragten an, schon einmal Opfer von Mobbing geworden zu sein. Das ist ein deutlicher Anstieg gegenüber 2013. Explizit auf den Arbeitsplatz bezogen, gaben 11,3% der Befragten an schon einmal gemobbt worden zu sein. Dies geht aus dem Mobbingreport von Meschkutat deutlich hervor. Die Mobbingvorfälle finden zu 72% im Arbeitsbereich statt. Die anderen Prozentwerte gehen zum größten Teil auf den privaten Bereich zurück, wobei sich da die Fälle überwiegend auf den Freundesreis erstrecken. Untersucht man im beruflichen Umfeld die Hierarchieebenen genauer, so lässt sich feststellen, dass die häufigsten Mobbingvorfälle unter gleichgestellten Arbeitskollegen erfolgen (77%). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das höchste Mobbing- bzw. Cybermobbingrisiko sich auf den Schüler, Studenten bzw. Auszubildendensektor erstreckt. Für die Studie, die im Auftrag des BündnissesgegenCybermobbing e.V. erhoben wurde, wurden 6.296 Personen befragt (BündnisgegenCybermobbing e.V. 2014, 7-51).

Auch Schulen tragen ein hohes Konfliktpotenzial. Disziplinkonflikte bzw. Streitigkeiten sind in dieser Institution sowohl für die Lehrkräfte als auch für alle beteiligten Lernenden1 belastend und behindern unnötig den Unterrichtsverlauf. Zudem beeinträchtigen sie die Qualität des Klassenklimas. Entgegen der medialen Berichterstattung, bei der man scheinbar den Eindruck gewinnen könnte, dass Gewalt an Schulen immer häufiger und brutaler werde,ist eine Abnahme der gewaltbedingten Schülerunfälle zu verzeichnen. So haben sich 2010 85.384 (7,8%) gewaltbedingte Schülerunfälle ergeben. Im Vergleich zu 2009 entspricht dies einem Rückgang von 1,7 %. Gegenüber 2005 wird die Abnahme noch deutlicher (18,3%). Auch bei der Betrachtung der meldepflichtigen gewaltbedingten Schulunfälle ist ein Rückgang zwischen 2005 und 2010 von 17,2% zu verzeichnen. Somit ist sowohl in den gewaltbedingten Schul- als auch bei den Schulwegunfallraten ein stetiger Rückgang zu verbuchen. Betrachtet man die Schulformen genauer, stehen bei den meldepflichtigen Unfällen insgesamt die Hauptschulen, gefolgt von den Gesamtschulen an vorderster Stelle. Auch bei den gewaltbedingten Schülerunfällen ist die Gruppe der Hauptschüler am stärksten belastet. Im zeitlichen Verlauf gesehen, sind aber auch hier die gewaltbedingten Unfälle zurückgegangen (DGUV 2010). Gleichwohl kann nicht behauptet werden, dass Gewalt an Schulen überhaupt keine Rolle spielt. In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass tendenziell ein Wechsel weg von physischer hin zu psychischer Gewalt zu sehen ist. So behauptet fast jeder zweite Schüler, dass er in einem Schulhalbjahr gehänselt oder zumindest hässliche Dinge über ihn erzählt wurden. Lediglich 4,3% der Schüler erfahren mindestens einmal wöchentlich diese Handlungsweisen. Ein noch niedriger Anteil der Schüler muss tendenziell häufiger erfahren, dass diese ignoriert werden (1,6%) und 1,2% der Schüler müssen mindestens einmal wöchentlich Schläge oder Tritte ertragen. Somit befindet sich im Durchschnitt jeweils ein Bullying-Opfer in einer Klasse. Hinsichtlich der negativen Verhaltensweisen wie Ignorieren oder Ausschließen ergeben sich bezüglich der Schulform keine Unterschiede (Deegener&Körner 2011, 45-46). Auch Fuchs, Lamnek, Luedtke&Baur konstatieren für fast alle Gewaltformen zwischen 1994 und 2004 ein Rückgang der Belastung bzw. Häufigkeit an Schulen. Auch sie kommen zu dem Ergebnis, dass Formen verbaler Gewalt die häufigsten Gewaltformen darstellen. So treten diese dreieinhalb Mal mehr als körperliche und fünfmal häufiger als Gewalt gegen Sachen auf. Besonders auffällig ist, dass das Gewaltaufkommen an den Berufsschulen im Zeitverlauf erheblich reduziert wurde (Fuchs, Lamnek, Luedtke&Baur 2009, 123). Bezugnehmend zur Gewalt an Schulen verweist Schubarth auf Polarisierungstendenzen unter den Schülern. Zum einen ist der Anteil der Schüler gestiegen, die Gewalt ablehnen, zum anderen ist der Teil der Schüler gestiegen, die es als Durchsetzungsstrategie betrachten. Er verweist auch auf die neue Qualität von Gewalt an deutschen Schulen (z.B. Cyberbullying), die durch moderne Medien einen großen Verbreitungsgrad erlangt haben. Auch Schubarth vertritt die Meinung, dass die verbale Gewalt in Verbindung mit nonverbalen Provokationen z.B. Beleidigungen die am stärksten verbreitete schulische Gewaltart darstellt und diese ebenfalls in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Speziell auch gegenüber den Lehrkräften stellt die verbale Gewalt die meist verbreitetste Gewaltform dar. Er verweist aber auch auf einen anderen Ursprung der Gewalt, nämlich die Lehrergewalt. Diese findet vor allem in psychischer Form statt. Untersuchungen ergaben, dass jeder dritte Schüler behauptet, mindestens einmal von einem Lehrer vor der ganzen Klasse blamiert worden zu sein. Im Rahmen einer repräsentativen Befragung des Kriminologischen Forschungsinstitutes in Niedersachsen ergab sich ein 27%iger Anteil der unter 15-jährigen Lernenden, die angaben, von Lehrkräften lächerlich gemacht worden zu sein. 3% gaben an, dies wöchentlich erfahren zu haben. Die Gewalt, die von Lehrern ausgeht, ist bisher noch zu wenig erforscht, stellt aber trotzdem einen wichtigen Punkt dar. Aus Perspektive der Lehrkräfte stellen verbale Aggressionen den Schwerpunkt des aggressiven Verhaltens (zwischen 25%- 40% der Lehrer konnten dies beobachten) dar. Auch aus Schülerperspektive gab die große Mehrheit an, sich schon mal aggressiv verhalten zu haben und ebenso Opfer dieser Verhaltensweisen geworden zu sein (Rost 2001, 226-227). Als moderne Gewaltformen ist vor allem das schon angesprochene Cyberbullying bzw. Happy Slapping zu nennen. Es hat nie eine und es wird auch in Zukunft keine völlig gewaltfreie Schule geben. Die Schule steht trotzdem in der Pflicht produktive Wege zu eröffnen, um inakzeptable Gewalt ihrer Schüler zu minimieren bzw. einzudämmen. Hierbei ist der Lehrer stärker als in vergangenen Jahren gefordert (Hurrelmann &Bründel2007,7-9). Neben den schulischen sind auch die außerschulischen Faktoren relevant für die Entstehung von Gewalt (Klewin2006, 7). Studien konnten die enorme Bedeutung der außerschulischen Bedingungen auf das Ausmaß von Schülergewalt beweisen (Schubarth 2013, 74). Hierbei spielt besonders die Familie eine zentrale Bedeutung, wenn diese u.a. durch eine haltlose Familienbeziehung oder einem gewaltsanktionierenden Erziehungsstilgeprägt ist (ebd. 2013, 74). Die Familie gilt besonders,durch die starke persönliche und emotionale Bindung, zu den Bereichen, in denen es schnell zu Konflikten oder Gewalt kommen kann. Laut einer Forsa-Umfrage von 2012 gehört für 40% der Eltern der sog. „Klaps auf den Po“ und für 10% die „Ohrfeige“ zu den normalen Mitteln, wenn Kinder nicht gehorchen bzw. sich unverschämt gegenüber ihnen verhalten (Hurrelmann&Bründel 2007, 52-53). Die entstandenen unkontrollierten Aggressionsimpulse werden u.U. in die Schule transportiert, die dann zu einem Austragungsort von Gewalthandlungen werden. Lehrkräfte stehen in nicht wenigen Fällen vor Lernenden, die weder adäquate Umgangsformen kennen noch eine aussichtsreiche Lebensperspektive besitzen (ebd. 2007, 8).

Konflikte bzw. Streitigkeiten der Institution Schule sind sowohl für die Lehrkräfte als auch für alle beteiligten Lernenden belastend und behindern unnötig den Unterrichtsverlauf und beeinflussen negativ das Klassenklima. Konflikte und Streitigkeiten, sei es außerhalb oder innerhalb der Schule, können scheinbar durch eine wertschätzende Kommunikation vermieden werden. Insbesondere im beruflichen als auch im schulischen Bereich zählt die kommunikative Kompetenz zu einem essenziellen Faktor, um erfolgreich miteinander zu kooperieren. Tatsache ist, dass die heutige Zeit an die jungen Heranwachsenden sowohl im beruflichen Umfeld als auch an die eigene Lebensgestaltung höhere Anforderungen stellt. Dies setzt vor allem die Ausbildung sozialerKompetenzen voraus, welche immer noch von den Schulen, trotz einiger Ausnahmen, zuwenig im Unterricht gefördert werden. Lehrkräfte wissen oftmals nicht, wie sie auf Konflikte oder Streitigkeiten professionell reagieren sollen. So greifen diese oftmals auf konventionelle bzw. kontraproduktive Handlungs- bzw. Konfliktbewältigungsstrategien zurück, die wenig pädagogischen Erfolg garantieren und u.U. das Konfliktausmaß noch weiter verstärken. Auch Lernenden fehlt u.U. das nötige Werkzeug, um auf Konflikte angemessen zu reagieren. So bleiben diese oft in der Zuschauerrolle, auch aus dem Grund, da sie keine Optionen kennen, um mit Konflikten konstruktiv umgehen zu können. Es müssensomit die persönlichen bzw. sozialen Kompetenzen der Schüler als auch der Lehrkräfte, durch spezielle Trainings in Zukunft, gefördert werden. Da die Schule aus Schülerseite als ein sozialkommunikativer Ort betrachtet wird, könnte ein möglicher Lösungsansatz in der Anwendung einer bestimmten Kommunikationsstrategie liegen, um Konflikte und Streitigkeitensowohl präventiv als auch interventiv vermindern bzw. vermeiden zu können (SCHUBARTH 2013, 13-14). Getreu dem eingangs erwähnten Zitat von Jerome Anders, versucht die gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg Konflikte schon in ihrem Entstehen zu hindern. Die gewaltfreie Kommunikation, im Weiteren kurz GfK genannt, ist ein Kommunikationsprozessmodell, welches die sprachliche Ausdrucksweise sowie das Zuhören auf vier Komponenten (Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis, Bitte) richtet, um zu einem wertschätzenden Umgang zu gelangen. Die Wertschätzung drückt sich dahingehend aus, dass Menschen zu einer ehrlichen, klaren und empathischen Kommunikation angeregt werden. Da Konflikte oft durch unterschiedliche Bedürfnisse entstehen, die nicht miteinander vereinbar sind, versucht die GfK die Bedürfnisse beider Parteien zu akzeptieren, um zu einer gemeinsamen Problemlösung zu kommen.

Im Rahmen dieser Arbeit soll die Wirksamkeit eines GfK-Trainings im Schulumfeld erforscht werden. Genauer gesagt soll innerhalb der Hauptfragestellung herausgefunden werden, o b ein dreitägiges Schülertraining der GfK eine Sensibilisierung bzw. Verbesserung der GfK-Komponenten Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Empathie bei den Lernenden bewirkt?

Die Studie, die an einer Berufsschule im BVJ2 stattfand, ist charakterisiert durch die Bildung einer Experimentalgruppe und einer Kontrollgruppe. Hierbei erfährt die Experimentalgruppe das Treatment eines dreitägigen GfK-Trainings. Die Kontrollgruppe hingegen bleibt von jeglichen Maßnahmen unberührt. Nach Ende der Trainingseinheiten wurden die Lernenden sowohl der Experimentalgruppe als auch der Kontrollgruppe, unter Bezugnahme von Konfliktvignetten, interviewt. Diese Erhebungsform fand an drei verschiedenen Messzeitpunkten statt. Zunächst vor der Trainingsdurchführung (T1). Die nächste Vignettenbefragung fand kurz nach dem Training statt (T2). Die letzte Erhebung wurde zwei Wochen nach dem Training durchgeführt (T3).

Die Forschungsbemühungen haben ihr Ziel erreicht, wenn die Schüler der Experimentalgruppe gegenüber der Kontrollgruppe tendenziell eher in der Lage sind, Wahrnehmungen von Bewertungen zu trennen und diese nicht miteinander vermischen (Beobachtungskomponente). Weiterhin sollen die trainierten Schüler sowohl in der Bedürfnis- als auch in der Gefühlsnennung eine Sensibilisierung erfahren und somit nach den Trainingseinheiten eine Erhöhung in der Quantität ihres Bedürfnis- und Gefühlswortschatzes erleben. Bezüglich des Einfühlungsvermögens soll die Experimentalgruppe gegenüber der Kontrollgruppe dahingehend eine Verbesserung zeigen, indem die benannte Gruppe u.a. tendenziell weniger tröstet, belehrt oder Ratschläge gibt.

Die Arbeit erläutert zunächst im theoretischen Teil wichtige Erklärungen bzw. Definitionen zur Thematik Konflikt und theoretische Inhalte zur GfK nach Rosenberg. Im zweiten Teil wird zunächst das Survey Design näher dargestellt. Im nächsten Schritt werden das Erhebungs- und die Auswertungsverfahren der GfK-Studie umfassend erläutert. Hierunter fällt der qualitative Befragungsbogen als auch die Bildung und Erläuterung der Kategoriensysteme und die angewandte Auswertungsmethode. Im letzten Drittel werden die Ergebnisse dargestellt. Aus diesen Ergebnissen sollen dann, in der abschließenden Diskussion, Handlungsempfehlungen für weitere Trainings generiert werden. Somit wird abschließend noch einmal ein Bogen vom empirischen Teil zu den theoretischen Hintergrundinformationen gezogen.

2 Grundverständnis von Gewalt und Kommunikation

Da im letzten Teil des theoretischen Bezugsrahmens das Modell der GfK ausreichend Aufmerksamkeit erfährt, wird es als brisant erachtet, sich zunächst mit grundlegenden Termini wie Gewalt und Kommunikation zu befassen.

2.1 Gewaltbegriff

Der Begriff von Gewalt (lat. violo) wird sowohl in der Wissenschaft als auch im Alltagssprachgebrauch uneinheitlich aufgefasst. Eine Begriffserklärung muss somit von beiden Kontexten deutlich abgegrenzt werden (Klewin 2006, 12). Heutzutage ist er primär negativ behaftet. Hingegen hat der Begriff sowohl in der Politik als auch im Verfassungsrecht einen positiven Bedeutungsgehalt (Forschungsgruppe Schulevaluation 1998, 22-23). Aus soziologischer Sicht wird deshalb auf die Durchsetzung von Ordnungsvorstellungen durch die öffentliche Hand verwiesen.Charakteristisch für Gewalt ist eine absichtsvolle Verletzung von Menschen durch Menschen(Schubarth2013, 16). Wie schon angesprochen existiert für Gewalt eine Vielzahl an heterogenen Definitionen. Die Arbeit stützt sich dabei jedoch auf die Definition der ForschungsgruppeSchulevaluation „…eine zielgerichtete direkte Schädigung…, die unter körperlichen Einsatz und/ oder mit psychischen und verbalen Mitteln erfolgt und sich gegen Personen und Sachen richten kann (Forschungsgruppe Schulevaluation 1998, 13). Gewalt in der Schule wird in konkreten Alltagssituationen in der Klasse, auf dem Schulweg etc. ausgeübt, meistens unter direkter oder indirekter Mitwirkung von Mitschülern und ist in der Regel auf andere Personen bzw. deren Sachen/Eigentum gerichtet (ebd. 1998, 13).

2.1.1 Enge vs. weite Definition

Der Gewaltbegriff kann unterschiedlich weit gefasst werden. Somit kann zwischen einem engen und weiten Gewaltverständnis unterschieden werden. Ersteres beschränkt sich auf die absichtsvolle bzw. zielgerichtete körperliche Schädigung (Klewin 2006, 12). Die Gefahr besteht, dass es hierbei zu einer Begriffsverengung kommt und wichtige Teile der Realität nicht mit einbezogen werden (Fuchs, Lamnek, Luedtke, Baur 2009, 17). Der weiter gefasste Gewaltbegriff inkludiert außerdem die psychische Gewalt bzw. gesellschaftlich-strukturelle Sachverhalte (Klewin 2006, 12). Als Kritikpunkt dieses Verständnisses ist hier die Ungenauigkeit zu nennen (Fuchs, Lamnek, Luedtke, Baur 2009, 17). Erweitert man in einem nächsten Schritt den Gewaltbegriff,sind die staatlichen Gewaltformen wie die institutionelle bzw. strukturelle Gewalt mit einzubeziehen. Diese dargestellte Ausdehnung macht den Gewaltbegriff für die Wissenschaft nur schwer handhabbar (Schubarth2013, 17).

2.1.2 Abgrenzungen (Gewalt, Aggressionen, Devianz, Konflikt)

Um einen besseren bzw. strukturierten Überblick zu bekommen,soll im Folgenden der Gewaltbegriff von anderen verwandten Begriffen abgegrenzt werden. In neueren Ausführungen werden die Begriffe Aggressionen und Gewaltoft als Synonym verwendet und ähnlich definiert (Schubarth 2013, 17).

Dabei stellt Gewalt in der traditionellen Wissenschaft eine Teilmenge von Aggression dar. Gewalt kann als eine schwerwiegende Form aggressiven Verhaltens bzw. alseine extreme Aggressionsform bezeichnet werden (Nolting 2011, 15).

Der Begriff Aggression steht dadurch als Metabegriff über allen anderen Begriffen. Im aktuellen Sprachgebrauch bzw. in der öffentlichen Debatte um Schule wird Gewalt hingegen besonders wegen seiner Anschaulichkeit als Oberbegriff benutzt (Martin 1999, 9). Im Allgemeinen beschränken sich psychologische Definitionen von Aggression auf ein Verhalten, welches auf Schädigung gerichtet ist.Selg definiert den Begriff Aggression als ein gegen den Organismus gerichtetes Austeilen schädigender Reize (Selg, Mees & Berg 1997, 14). Aggressives Verhalten oder Aggression wird aufgrund der Heterogenität in verschiedene Formen unterteilt. Um es präziser beschreiben zu können unterteilen Vitiello&Stoffden Begriff folgendermaßen (Petermann &Koglin 2013):

- feindselige vs. instrumentelle Aggression
- offene vs. verdeckte Aggression
- reaktive vs. proaktive Aggression
- affektive vs. räuberische Aggression

Zu unterscheiden von dem Begriff der Aggression ist die Aggressivität. Sie kann als Ausprägung der Persönlichkeitseigenschaft bzw. als individuelle Disposition, die in der Intensität aggressiven Verhaltens deutlich wird, beschrieben werden (Klewin 2006, 14).

Eine weitere spezielle Form der Aggression ist unter dem Begriff Mobbing bzw. Bullying zu verstehen. Unter diesen beiden Begriffen versteht man Handlungen, die sich gegen eine bestimmte Person richten und wiederholt über einen längeren Zeitraum erstrecken. Hierbei ist derjenige, der angegriffen wird in einer deutlichen Unterlegenheitsposition. Dies kann sowohl physisch, verbal und/oder durch indirekte Strategien, z.B. durch die Verbreitung von Gerüchten, erfolgen (Rost 2001, 227-228). Der Begriff des Bullying wird allgemein eher im Schulbereich verwendet. Hingegen wird Mobbing eher für den Arbeitsbereich bzw. unter Erwachsenen bevorzugt (Nolting 2011, 17). Das aggressive Verhalten der „Bullies“ ist eher zurück zu führen auf ihre hohe Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein. Demgegenüber bewerten sich die „whippingboys“ selbst eher als negativ und werden als unsicher beschrieben. Merkmale nach denen „Bullies“ ihre Opfer auswählen sind:

- Fehlende Selbstsicherheit
- Rückzug
- Weinen bei Angriffen
- Ausschluss in der Klasse (Rost 2001, 228)

Für den schwedisch-norwegischen Psychologen Olweus umfasst der Begriff Mobbing sowohl wenn eine Einzelperson eine andere Einzelperson als auch wenn eine Gruppe eine andere Person gemeinschaftlich quält. In den skandinavischen Ländern wird das Wort „mobbing“ für Gewalttätigkeit verwendet. Er unterscheidet zwischen unmittelbarer Gewalt, d.h. das Opfer wird offen angegriffen und mittelbarer Gewalt, d.h. absichtlicher Ausschluss aus einer Gruppe bzw. gesellschaftliche Ausgrenzung. Olweus betont ausdrücklich stark, dass erst von Gewalt gesprochen werden darf, wenn ein asymmetrisches Kräfteverhältnis zwischen beiden Parteien vorherrscht. Dies bedeutet, dass der Gewaltbegriff nicht gebraucht wird, wenn zwei Personen sowohl physisch als auch psychisch ungefähr gleich stark sind (Olweus 1995, 22-23).

Auf die Begriffsabgrenzung bezogen sind Mobbing und Bullying immer auch Aggressions- und Gewalthandlungen, aber nicht jedes aggressive Verhalten bzw. jede Gewalthandlung ist auch Mobbing oder Bullying (Schubarth 2013, 18).

Ein weiterer wichtiger Begriff ist die Devianz. Hierunter ist ein Verhalten zu verstehen, dass von einer bestimmten Norm abweicht und auch eine Bestrafung dieses Verhaltens beinhaltet. Lamnek sieht das abweichende Verhalten als einen Vergleich zwischen der Verhaltensanforderung und der konkreten Verhaltensweise als auch andererseits aus der Bereitschaft zur Sanktion auf eine mögliche Diskrepanz. Da es der Norm eines gewaltfreien Zusammenarbeitens in der Schule widerspricht, kann Gewalt in der Schule als abweichendes Verhalten charakterisiert werden. Schuldeviante Verhaltensformen sind u.a. Abschreiben, Schwänzen und Unterrichtsstörungen, da sie Regelverstöße darstellen (Klewin 2006, 14- 15).

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Abb. 1: Zusammenhang der Begriffe Aggression, Aggressivität, Gewalt, Mobbing und Devianz in Anlehnung an Schubarth(2013, 17).

Da sowohl im schulischen als auch außerschulischen Kontext vielfältige Gewaltformen vorhanden sind, sollen nun diese verschiedenen Formen näher dargestellt werden. Stark vereinfacht wird zwischen der individuellen und der institutionellen Gewalt unterschieden (Hurrelmann&Bründel 2007, 17). Die individuelle Gewalt geht von Einzelpersonen aus und richtet sich entweder gegen Personen oder Sachen. Individuelle Formen der Gewalt können sowohl im privaten Bereich als auch in der Schule auftreten. Im häuslichen Bereich kann vor allem von Gewaltakten des Ehemanns gegenüber der Ehefrau ausgegangen werden (z.B. Vergewaltigungen). Zumeist resultiert diese Art der Ausprägung durch die Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach Nähe und Kontroll- bzw. Besitzverlust (ebd. 2007, 17-18). Die individuelle Gewalt kann in weitere Untergruppen differenziert werden. Zu nennen ist zum einen die physische Gewalt, bei der eine Schädigung oder zumindest Verletzung an mindestens einer Person durch Zwangsmittel wie z.B. Waffen oder körperlicher Kraft verursacht wird. Bei der psychischen Gewalt wird mindestens eine Person mittels Abwertung, emotionalen Erpressens, Abwendung etc. geschädigt und verletzt. Diese Untergruppe kann in drei weitere Unterarten gegliedert werden. Zur verbalen Ausprägung gehören u.a. Beschimpfungen oder Hänseleien. Die nonverbale Ausprägung umfasst vor allem Mimiken, aber auch bestimmte Gesten oder Gebärden. Unter der indirekten psychischen Gewalt können die Streuung von Gerüchten oder beispielsweise Ausgrenzungen genannt werden. Cyberbullying kann als eine neue Form von psychischer Gewalt betrachtet werden (Schubarth 2013, 19). Im Gegensatz zur körperlichen Gewalt wird die psychische Gewalt oft weniger sichtbar und somit auch schwerer beeinflussbar (Hurrelmann&Bründel 2007, 19). Als weitere Formen individueller Gewalt können Vandalismus, schwere Gewalt wie z.B. Amokläufe oder die zurzeit im Fokus stehende öffentliche Debatte um fremdenfeindliche Gewalt gegenüber bestimmten Herkunftsgruppen genannt werden.

Die institutionelle Gewalt kann in drei Untergruppen differenziert werden. Die legitime Gewalt kann beispielsweise als Verfügungsmacht derLehrenden zur Erfüllung der Gesellschaftsfunktion der Schule gesehen werden (Schubarth 2013, 20). Eine illegitime Gewalt ist dann vorherrschend, wenn eine Unterdrückung der Mitglieder einer Organisation das Ziel ist. Auf die Institution Schule bezogen kann dies eine Beeinträchtigung der Selbstbestimmung der Lernenden bedeuten. Damit wird eine soziale Ungerechtigkeit der Machtverhältnisse sichtbar. Nur kurz angesprochen werden soll die kollektive Gewalt als ein Hybrid aus individueller und institutioneller Gewalt. Sie ist eine öffentlich sichtbare Protestform und stellt sich als Ausdruck auf eine illegitime Gewalt ein(Hurrelmann&Bründel 2007, 21-22). Die Tabelle soll nun im Folgenden einen strukturierteren Überblick über die Erscheinungsformen verschaffen.

Tab. 1:Erscheinungsformen von Gewalt in Anlehnung an Schubarth (2013, 19).

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2.2 Begriff der Kommunikation

Da sich im übernächsten Kapitel ausschließlich der gewaltfreien Kommunikation gewidmet wird und das „richtige“ Kommunizieren das Fundament des Konzepts darstellt, scheint es angebracht im Vornherein den Begriff der Kommunikation näher zu analysieren. Nach Watzlawickwerden für den Kommunikationsbegriff zwei verschiedene Bedeutungen verwendet. Zum einen als Bezeichnung eines Wissensgebietes und zum anderen als Bezeichnung für eine Verhaltenseinheit. Hierbei wird die zweite Bedeutung weiter differenziert: Eine einzelne Kommunikation heißt Mitteilung oder, wenn keine Verwechselung möglich ist, Kommunikation. Nach ihm hat jedes Verhalten kommunikativen Charakter. Da Verhalten kein Gegenteil besitzt, kann man sich nicht nicht verhalten. Gleichermaßen besitzt jede zwischenmenschliche Situation Mitteilungscharakter, so dass man auch hier nicht nicht kommunizieren kann. Somit lässt sich festhalten, dass Kommunikation nicht erst dann stattfindet, wenn sie bewusst, erfolgreich oder absichtlich geschieht. Neben Worten können alle paralinguistischen Phänomene Bestandteile jeglicher Kommunikation sein (Watzlawick, Beavin& Jackson 2011, 57-65).

2.2.1 Anatomie einer Nachricht

Wie schon deutlich wurde, lässt sich jede zwischenmenschliche Situation durch Kommunikation beobachten. Der Grundvorgang einer Kommunikation lässt sich anatomisch wie folgt darstellen. Diejenige Person, die etwas mitteilen möchte, wird Sender genannt. Der Sender verschlüsselt sein Anliegen in erkennbaren Zeichen, welche als Nachricht bezeichnet werden können. Die Person, an die die Nachricht adressiert ist, wird Empfänger genannt. Sie entschlüsselt das Anliegen des Senders im Sinne ihrer eigenen Wahrnehmung. Indem der Empfänger dem Sender Feedback gibt, wie er die Nachricht entschlüsselt hat, kann der Sender überprüfen, ob das Sendeanliegen mit dem Empfangsergebnis übereinstimmt.

Eine Nachricht kann stets anhand von vier verschiedenen Botschaften bzw. Aspekten beschrieben werden: Sachinhalt, Selbstoffenbarung, Beziehung und Appell (SchulzvonThun 2005, 25-30). DaWatzlawickbesonderes Augenmerk auf die Sach- bzw. Beziehungsebene legt, sollen zunächst beide Aspektenäher beleuchtet werden (Watzlawick, Beavin&Jackson 2011, 61-65). Die Inhaltsebene enthält in erster Linie Informationen. Darüber hinaus enthält die Mitteilung einen Hinweis, wie der Sender die Beziehung zum Empfänger sieht (ebd. 2011, 61). Dies zeigt sich sehr häufig durch nonverbale Signale, wie z.B. Gestik. Zum anderen vermittelt der Sender dem Empfänger die Botschaft, was er von ihm hält. Die Selbstoffenbarung enthält vom Sender aus betrachtet Ich-Botschaften. D.h. es werden Informationen über die Person in jeder Nachricht mitgeteilt. Schließlich wird auf der Appell-Ebene versucht auf den Empfänger Einfluss zu nehmen. Sowohl der Appell als auch die Selbstoffenbarung zählen bei Watzlawick zur Beziehungsebene (SchulzvonThun 2005, 26-30). Zusammenfassend werden die beschriebenen Inhalte in einer Abbildung dargestellt.

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Abb.2: Kommunikationsmodell in Anlehnung an Watzlawick, Beavin&Jackson(2011, 61)&SchulzvonThun(2005, 30).

Durch die Vielfalt an Botschaften wird die Kommunikation anfällig für vielerlei Störungen. Besonders im Falle von Meinungsverschiedenheiten können diese sowohl auf der Inhaltsebene als auch der Beziehungsebene, oder als Konfusion zwischen beiden Ebenen, auftreten. Hierbei kann es passieren, dass ein Beziehungsproblem auf der Inhaltsebeneoder ein Inhaltsproblem auf der Beziehungsebene versucht wird zu lösen.

2.2.2 „Vier Ohren“ des Empfängers

Nachdem die vier Botschaften einer Nachricht hauptsächlich aus der Sicht des Senders vorgestellt wurden, soll nun diesbezüglich der Empfänger in den Fokus rücken. Der Empfänger entschlüsselt die Botschaften des Senders und hört bzw. deutet diese durch „vier Ohren“. So ist nicht nur die sendende Person dafür verantwortlich, dass die Botschaften den Empfänger störungsfrei auf der Inhaltsebene erreichen, sondern auch er selbst (Wellhöfer 2012, 43). Im Folgenden sollen die vier Ohren näher erläutert werden. Mit dem Sach-Ohr bzw. Inhalts-Ohr versucht der Empfänger den Sachverhalt zu verstehen. Es geht also um das Sachverständnis. Mit dem Beziehungs-Ohr wird die persönliche Betroffenheit des Empfängers deutlich (ebd. 2012, 44). Haben empfangende Personen ein sensibles Beziehungs-Ohr, weichen sie der Auseinandersetzung auf der Sachebene aus und verlagern es auf die Beziehungsebene oder legen in beziehungsneutralen Nachrichten eigene Stellungnahmen zu ihrer Person mit hinein. Mit dem Selbstoffenbarungs-Ohr ist der Empfänger personaldiagnostisch tätig. Der positive Effekt besteht darin, die Vorwürfe oder Anklagen anderer Menschen mit diesem Ohr zu empfangen. Damit kann sich der Empfänger in Ruhe darauf einlassen und dem Sender eher seine Gefühle zugestehen. Demgegenüber besteht aber auch die Gefahr, nichts mehr an sich heran zu lassen. Eine große Chance für die Förderung des Selbstoffenbarungs- Ohrs ist das aktive Zuhören. Hierbei bemüht sich der Empfänger mit der Kraft der Empathie in die Gefühlswelt des Senders einzufühlen. Das aktive Zuhören wird an späterer Stelle in der gewaltfreien Kommunikation noch eine große Rolle spielen. Unter dem Appell-Ohr wird ein gefühlter Handlungsdruck verstanden (Schulz von Thun 2005, 47-61). Abschließend sollen die „vier Ohren“ noch einmal in einer Abbildung mit den entsprechenden Fragestellungen visualisiert werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Die vier Ohren des Empfängers in Anlehnung an Wellhöfer(2012, 44).

Die Schwierigkeit der zwischenmenschlichen Kommunikation liegt darin, dass es dem Empfänger prinzipiell freisteht, auf welche Botschaft er genau eingehen will oder anders ausgedrückt hängt der Gesprächsverlauf davon ab, welches der vier Ohren gerade für die Botschaft empfänglich ist.

3 Konflikte im schulischen, privaten und beruflichen Kontext

Da die gewaltfreie Kommunikation, die im nächsten Abschnitt ausführlich behandelt wird, zur friedlichen Lösung von Konflikten beitragen soll, ist es angebracht tiefer in die Konfliktmaterie einzudringen. In der Problemstellung wurden bereits einige mögliche Konflikte im privaten als auch im schulischen bzw. beruflichen Kontext kurz angerissen. In Verbindung dessen soll sich jetzt ausführlicher dem Termini Konflikt gewidmet werden. Somit wird zunächst der Konfliktbegriff allgemeingültig und präzise definiert, bevor anschließend diverse Konfliktarten und –Stile Aufmerksamkeit finden.

3.1 Definition sozialer Konflikt

Im Allgemeinen steht der Begriff Konflikt für das Aufeinandertreffen miteinander nicht vereinbarer Handlungstendenzen. Aus dem lateinischen hergeleitet bedeutet Konflikt kurz gesagt Zusammenstoß bzw. Streit (Kempf 2003, 71-72). Nach vielfältigen Definitionsversuchen unterschiedlicher Autoren, bezüglich der Weite und Präzision des sozialen Konflikts, erklärt Glasl den Begriff sehr eindrücklich und umfassend. Für ihn ist ein sozialer Konflikt eine Interaktion zwischen Aktoren, beispielsweise ein aufeinander bezogenes Kommunizieren, welche sowohl Individuen als auch Gruppen oder Organisationen sein können. Hierbei hat mindestens ein Aktor eine Unvereinbarkeit im Denken, Vorstellen, Wahrnehmen, Fühlen oder Wollen mit dem anderen Aktor bzw. anderen Aktoren in der Art erlebt, dass die Gründe für die Nicht-Realisierung der eigenen Gedanken, Gefühle oder Absichten im anderen Aktor bzw. Aktoren zu suchen sind. Dabei spielt es keinerlei Rolle, ob dies absichtlich oder unabsichtlich vom anderen Aktor geschieht (Glasl 1994, 12-15).

Versucht man nun eine Verbindung zwischen Konflikt und Aggression bzw. Gewalt herzustellen, so kann ein Konflikt bzw. Sozialkonflikt die Ursache für eine Gewalthandlung oder Aggression sein (Martin 1999,13). Gewalt kann aber andererseits auch als interaktive Handlung einen Konflikt erst auslösen. Ebenfalls kann eine Konfliktlösung zu späteren Aggressionen führen, wenn ein Aktor zu früh nachgibt oder dieser sich ungerecht behandelt fühlt (Gamber 1992, 112).

In der Psychologie werden Konflikte häufig nach der Art der Konfliktparteien unterschieden. Zwei Formen werden in der folgenden Abbildung sichtbar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Konfliktformen in Anlehnung an vonKopp(2014, 114)

Der intrapsychische bzw. intrapersonelle Konflikt ist innerhalb einer einzigen Person eine bestimmte Unvereinbarkeit verschiedener Strebungen. Der Wunsch eines Schülers, die Freizeit mit seinen Freunden zu verbringen, gerät mit dem Wissen in Unvereinbarkeit, sich auf die bevorstehende Klassenarbeit vorbereiten zu müssen (Martin 1999, 11). Ein interpersoneller Konflikt hingegen besteht zwischen mindestens zwei oder mehreren Aktoren (vonKopp 2014, 114). Genannt werden soll in diesem Zusammenhang noch der organisatorische Konflikt, auf den aber nicht weiter eingegangen wird.

Innerhalb dieser Arbeit wird der Fokus eher auf die interpersonellen Konflikte gelegt. Es wird sich somit nur kurz den intrapersonellen Konflikten gewidmet. Zu den Konflikten innerhalb eines Aktors gehören bspw. Entscheidungskonflikte. Im Rahmen von Entscheidungskonflikten können insbesondere Zwickmühlen auftreten, die unlösbare innere Verstrickungen bzw. Dilemmata darstellen, die in einem Teufelskreis münden. Diese unlösbaren Situationen können u.a. durch verzerrte Wahrnehmungen oder zu hohen Anforderungen hervorgerufen werden. Am Anfang wird der innere Konflikt geleugnet, was zu einer passiven Verhaltensweise führt, in der das Problem nicht gelöst wird. Der Betroffene verwechselt dies mit aktivem Handeln. Nachdem er seine Energie verbraucht hat, resigniert dieser schließlich. Was folgt ist ein Gefühl der Verzweiflung (Kreyenberg 2005, 118-121).

3.2 Konfliktarten

Unter diesem Gliederungspunkt sollen wegen der großen Vielfalt nur drei besonders prägnante Konfliktarten anhand einer Tabellevorgestellt werden.

Tab.2: Konfliktarten in Anlehnung an Gamber (1992, 17-26).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.3 Konfliktstile

Unter Konfliktstilen lassen sich allgemein gesprochen Verhaltensweisen in Konfliktsituation verstehen. Bezugnehmend zur Erklärung der verschiedenen Konfliktstile soll auf das Modell von Kenneth W. Thomas zurückgegriffen werden. Er unterscheidet in seinem Modell der Konfliktlösungsstile zwei Dimensionen. Die x-Achse zeigt das Ausmaß der persönlichen Ziele und Bedürfnisse. Die y-Achse zeigt hingegen die Ausprägung an den Zielen und Bedürfnissen des Gegenübers. Aus der Kombination der beiden Ausprägungen resultieren fünf Stile, die im Konfliktfall als Handlungsstrategien wirken und die sich in einer neuner-Skala unterteilen lassen. Der Konfliktlösungsstil, der innerhalb beider Dimensionen die niedrigsten Werte aufgezeigt (1/1), ist der in der Abbildung dargestellte Quadrant A Vermeidung/Flucht. Dieser Konfliktstil impliziert keine Gewinner, sondern nur Verlierer. Charakteristisch für diesen Stil ist die Fluchthaltung, die mit der Angst zu verlieren einhergeht. Oftmals haben sich die Aktoren vorher kooperativ zu verhalten versucht. Längerfristig führt dieser Konfliktstil bei den Betroffenen zu angestauter Aggression bzw. Frustration. Der Konfliktlösungsstil im Quadranten B Durchsetzen und Erzwingen zeigt nur bei den eigenen Zielen und Bedürfnissen eine hohe Ausprägung (9/1). Bei diesem Stil gibt es jeweils einen Gewinner und einen Verlierer. Im Fokus steht demnach das strikte Erlangen des eigenen Ziels, ohne Rücksicht auf den Preis, der zu zahlen wäre. Dieser Konfliktlösungsstil wird auch als Konkurrenz- oder Wettbewerbsstil bezeichnet. Bei dem Konfliktstil im Quadranten C gibt es jeweils auch einen Verlierer und einen Gewinner. Im Gegensatz zu B zeigt dieser Konfliktstil aber einen hohen Wert bei der Orientierung an den Zielen und Bedürfnissen der anderen Person (1/9). Aktoren in diesem Feld sind zu sehr auf die Aufrechterhaltung und Sicherung der Beziehung bedacht, sodass die Durchsetzung der eigenen Ziele einen niedrigeren Stellenwert einnimmt (Kreyenberg 2005, 129-131). Von Blake und Mouton wird dieser Konfliktstil auch als Glätten oder Harmonisieren bezeichnet (Schettgen 2000, 110-111). Der konstruktivste Konfliktstil befindet sich im Quadranten D und kann als gemeinsames Problemlösen betitelt werden. Dieser Stil ist eine sog. win-win- Situation, da hier zum einen den eigenen Zielen Aufmerksamkeit geschenkt wird als auch die guten menschlichen Beziehungen im Vordergrund stehen. Die beiden Dimensionen sind für den kooperativen Konfliktlöser nicht gegensätzlich und somit vereinbar, um zu einer produktiven Problemlösung und zu einer dauerhaft guten Beziehung zu kommen. Weiterhin ist dieser Konfliktlösungsstil durch eine offene, kreative Haltung geprägt, bei der sowohl Interessen und Ziele als auch die Bedürfnisse zunächst getrennt voneinander betrachtet werden. Im Mittelpunkt des Modells befindet sich im Quadrant E der Kompromiss (5/5). Bei diesem Konfliktstil gibt es keine Gewinner, d.h. jeder rückt zumindest ein Stück weit von seinen Bedürfnissen oder Zielen ab. Vielmehr steht hierbei die Bemühung im Fokus, sich in der Mitte zu treffen. Die meisten Aktoren, die mit diesem Konfliktstil arbeiten, kommen in häufigen Fällen vom Quadranten B oder D (Kreyenberg 2005, 129-131).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Konfliktstile in Anlehnung an Kreyenberg(2005, 130)

3.4 Konflikte in Beziehungen

Wie schon angesprochen wird sich in dieser Arbeit hauptsächlich den interpersonellen Konflikten gewidmet. Nachdem erste Konfliktarten näher betrachtet wurden, werdenKonflikte nun genauer nach Gruppengröße bzw. Personenanzahl unterschieden und erläutert. Dem anschließend werden Konflikte innerhalb von Gruppen näher beleuchtet, bevor dann explizit auf Konflikte in der Schule eingegangen wird.

Unter dem Standpunkt von Beziehungskonflikten werden insbesondere Paar- und Dreieckskonflikte näher untersucht. Paarkonflikte werden zuerst mit Konflikten unter Ehepartnern assoziiert. Bezieht man den Kontext der Organisation mit ein, ergeben sich verschiedene Konfliktkonstellationen:

- zwischen zwei Arbeitskollegen

Konflikte können u.a. durch Aufgabenverteilung oder durch unterschiedliche Persönlichkeiten entstehen.

- zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern

Konflikte können durch Abhängigkeiten oder den Führungsstil auftreten.

- zwischen zwei Führungskräften

Konflikte können durch Konkurrenzverhalten oder über Fragen der Rollenverteilung entstehen (Kreyenberg 2005, 164-165).

Paarkonflikte können häufig durch die Beschränkung von Individualitätsmöglichkeitenausgelöst werden. Ist einem Aktor die Individualität besonders wichtig, wird es umso schwieriger mit ihm feste Vereinbarungen zu treffen. Paarkonflikte werden weiterhin durch unterschiedliche Organisationsprinzipien wie Komplementarität und Symmetrie verstärkt(Falk, Heintel&Krainz 2005, 42-44).

Im Gegensatz zum Paar kommt bei einer Triade eine andere Beziehungsdimension zustande. Bei einem Paar herrscht zwischen beiden Aktoren nur eine Beziehung. Aus dieser einen Beziehung werden bei einer Triade drei. Dabei ist nicht die Addition der einzelnen Beziehungen von Relevanz, sondern es entwickeln sich Beziehungen von Beziehung, d.h. die Mitglieder der Triade bilden sich Meinungen über die Beziehung. Da eine Konfrontation von Beziehung zu Beziehung stattfindet, bietet sich in einer Triade die Möglichkeit zu lernen, wie sich Beziehungen zueinander verhalten (Schwarz 1997, 144-149). Zu Dreieckskonflikten können in der Arbeitswelt auftreten, wenn bspw. ein Mitarbeiter zwei Vorgesetzte erhält, oder wenn ein neuer Mitarbeiter in ein neues Arbeitsgebiet eintritt, in dem schon zwei andere über einen längeren Zeitraum zusammen arbeiten. Weitere Beispiele für typische Dreieckskonflikte außerhalb der Berufswelt finden sich in der Familie (Kreyenberg 2005, 165-166). Der Vorteil einer Triade liegt in der stärkeren Trefferquote bei Entscheidungen. Der Grund ist hauptsächlich darin zu finden, dass bei einem Konflikt zwischen zwei Aktoren in der Triade auf einen Dritten zurückgegriffen werden kann, der mitunter einen objektiven Standpunkt einnimmt. Der Vorteil unterschiedlicher Konstellationen einer Triade kann aber auch zu sog. Koalitionskonflikten innerhalb der Triade führen (Schwarz 1997, 149). Dies bedeutet, dass sich zwei Mitglieder gegen ein anderes Mitglied verbünden. Das führt zu Kränkungen der ausgeschlossenen Person. Die unterlegene Person hingegen kann die bestehende Beziehung zwischen den beiden anderen stören. Eine weitere Konfliktform innerhalb der Dreieckskonflikte stellen die Delegationskonflikte dar. Sie entstehen wenn die Kommunikation über Dritte indirekt stattfindet, z.B. wenn ein Vorgesetzter den Arbeitsauftrag an eine andere Führungskraft weitergibt, um diesen den Mitarbeitern mitzuteilen. Die Ursachen für Delegationskonflikte liegen oftmals in Übermittlungs- bzw. Vermittlungsfehlern begründet (Kreyenberg 2005, 166).

3.5 Gruppenkonflikte

Im Zuge der Teamentwicklung können in Gruppen verschiedene Konflikte auftreten, die die Zusammenarbeit erschweren bzw. behindern. Unter der Rubrik Gruppenkonflikte sollen insbesondere der Subgruppenkonflikt und der Führungskonflikt ausführlich erläutert werden. Subgruppenkonflikte erfahren erst in späteren Phasen der Gruppenentwicklung an Bedeutung. In größeren Gruppen können Subgruppen u.a. als Dyaden oder Triaden deutlich werden. Bilden sich innerhalb der Gruppe Cliquen bzw. im Extremfall Parteien, dann ist das Voranschreiten der Gruppe als Ganzes gefährdet. Ein Konflikt kann auch dahingehend entstehen, indem die Gruppe versucht eine Subgruppenbildung zu verhindern. Bilden sich verstärkt Untergruppen heraus, kann dies ein Zeichen dafür sein, dass eine Veränderung ansteht.

Eines der zentralsten Themen in Gruppen sind Reibungen zwischen der Führung und der Gruppe, die zu Konflikten führen können. Bei den sog. Führungskonflikten können zum einen Konflikte verstanden werden, die zwischen der Gruppe und der Führungspersönlichkeit auftreten und zum anderen Konflikte, die die Führungspersönlichkeit selbst im Unternehmen hat. Diese Konfliktart tritt häufig dann auf, wenn es offiziell keine Führung gibt und alle Mitglieder gleichberechtigt sind. Ein weiterer Grund für einen Führungskonflikt kann auch die Inkompetenz der Führungskraft selbst sein, wenn dies von den Mitgliedern so wahrgenommen wird (Kreyenberg 2005, 176-180).

3.6 Konflikte in der Schule

Wie schon in der Problemstellung beschrieben, erfahren Konflikte im schulischen Kontext eine hohe Brisanz.Der Schulalltag ist oftmals von unausweichlichen Störungen geprägt, die sowohl von Lernenden, Lehrenden als auch durch externeFaktoren verursacht werden können. Unter Störungen im Unterricht lassen sich Ereignisse verstehen, die den Lehr -und Lernprozess behindern bzw. im schlimmsten Falle unmöglich machen. Die Voraussetzungen, unter denen Lehren bzw. Lernen stattfinden kann, werden mitunter gänzlich außer Kraft gesetzt. Bis zu einem gewissen Grad gehören Unterrichtsstörungen jedoch zum Unterricht und sind normale Begleiterscheinungen (Lohmann 2003, 14).

3.6.1 Disziplinkonflikte (Konflikte zwischen Lehrer und Schüler)

Ein Disziplinkonflikt, welcher eindeutig auf den Schulkontext bezogen ist, ist ein normabhängiger Begriff, bei dem in den meisten Fällen die Lernenden bestimmte Normen und Regeln verletzen. Er hängt stark von einer subjektiven Sichtweise und bestimmten Situationsfaktoren ab. Jürgens versteht unter Disziplinkonflikten Schwierigkeiten zwischen den sowohl am Unterricht als auch im schulischen Kontext beteiligten Personen, die einen reibungslosen Verlauf im Schulalltag beschränken (Hoffmann 2009, 26). Für Beckerist Disziplin eine notwendige soziale Ordnung, die wenn sie empfindlich gestört wird und die Betroffenheit groß ist, als Disziplinkonflikt definiert werden kann (Becker 2006, 123).

Eder, Fartacek & Mayr unterschieden vier Kategorien von Disziplinkonflikten:

- verbales Störverhalten, z.B. destruktive Zwischenrufe
- mangelnder Lerneifer, z.B. geistige Abwesenheit
- motorische Unruhe, z.B. kippeln
- aggressives Verhalten, z.B. Sachbeschädigungen

Das verbale Störverhalten nimmt die Spitzenposition im schulischen Alltag ein (Lohmann 2003, 15).

Die Ursachenzuschreibung für Disziplinkonflikte reichen weit. So können familiäre Erziehungsfehler, aktuelle Familienprobleme, Entwicklungskrisen, aber auch die Schule an sich genannt werden. Mitunter konnte untersucht werden, dass Lehrkräfte bei hohen Störpegel und aggressiven Klima mit ineffektiven Lehrerhandeln reagierten. Somit reagierten sie in der beschriebenen Situation in häufigen Fällen mit wirkungslosen Ermahnen bzw. Androhen von bestimmten Bestrafungen (ebd. 2003, 15-25). Zudem konnte festgestellt werden, dass sie in vielen Fällen mehr strafende als integrative Maßnahmen einsetzten. D.h. es wurde sich in zu wenigen Fällen dem Schüler gegenüber empathisch verhalten oder Kompromisse vorgeschlagen (ebd. 2003, 25). Störungsverursachend können auch sog. Killerbotschaften sein, wenn Lehrer Schüler kränken oder auch entmutigen. Schlechter Unterricht kann ebenfalls als Verursacher für Störungen gelten, indem dieser mangelhaft geplant ist oder zu wenige Spannungsmomente integriert. Als Treiber für Disziplinkonflikte kann auch die unzureichende Kommunikation über erwartete Normen und Werte gesehen werden (Keller 2010, 32).

3.6.2 Konflikte verursacht durch Lehrkräfte

Es soll noch einmal deutlich werden, dass die Ursprungsquelle von Konflikten im Schulalltag nicht ausschließlich allein bei den Schülern zu suchen ist. Auch Lehrkräfte können, wie schon angedeutet, für die Entstehung von Konflikten in der Schule verantwortlich sein. Allein schon mangelndes Durchsetzungsvermögen oder mangelnde Fachkompetenzen können Konflikte verursachen. Aufgrund der recht großen Fülle möglicher Verursachungsgründe seitens der Lehrkräfte, soll sich hier nur explizit der verbalen Gewalt, der mangelnden Konfliktkompetenz und der mangelnden Sozialkompetenz gewidmet werden.

Laut dem Artikel 1 des GG ist die Würde eines jeden Menschen und somit auch gegenüber jedem Schüler zu wahren und darf nicht verletzt werden. Entgegen diesem allgemeinbekannten pädagogischen Wissen ist es verwunderlich, dass Lehrkräfte ihren Schülern gegenüber in vielen Fällen verbale Gewalt ausüben, ohne sichüber die Konsequenzen bewusst zu sein. Seitens der Lernenden können die verbalen Ausuferungen lebenslang nachwirken. Formulierungen wie „Du hast einen IQ einer Kloschüssel. Geh doch aufs Klo und unterhalte dich mit ihr“, oder „Du Trottel, du. Kannst du nicht besser aufpassen?“, sind Standardfloskeln einiger Lehrkräfte. (Becker 2006, 324-344).

Außerdem ist allgemein bekannt, dass das Berufsfeld eines Lehrenden von konfliktträchtigen Ereignissen begleitet wird. Zum einen verfahren sie zu selten in der Planung des Unterrichts prophylaktisch und zum anderen über- oder auch unterschätzen sie die konfliktträchtigen Ereignisse und reagieren dann mitunter der Situation unangemessen. Aufgrund eines beschränkten Interventionsrepertoires wird dann auf konventionelle Disziplinierungstechniken zurückgegriffen, die sie in der Schulzeit kennengelernt haben. Diese veralteten Techniken reichen von Schreien, Drohen, Ermahnen über Klassenbucheinträgen bis hin zu Schulstrafen. Neben der fehlenden Konfliktkompetenz weisen Lehrkräfte mitunter Defizite in der sozialen Kompetenz auf.

Unter dem Begriff der Sozialkompetenz können mehrere Komponenten subsumiert werden. Diese umfassen u.a. die Wahrnehmung gruppendynamischer Prozesse, Gesprächsfähigkeit oder aber auch die Konfliktkompetenz. Da Unterricht immer auch einen sozialen Faktor inkludiert, kennen gut ausgebildete Lehrer die Relevanz einer emotionalen Komponente und verfahren metakommunikativ, d.h. sie reden mit den Lernenden darüber, dass sie an den Lernerfolgen der Gesamtklasse interessiert sind. Den sozial eher inkompetenten Lehrenden fehlt ein gewisses Gespür für die Wichtigkeit von zwischenmenschlichen Beziehungen. Mangelnde Sozialkompetenz zeigt sich auch an einer nicht genügenden pädagogischen Distanziertheit. D.h. wenn Lehrkräfte sich einigen Schülern besonders zuwenden und anderenhingegen weniger Beachtung schenken (ebd. 2006, 324-344).

4 Die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg

Um Konflikte wertschätzend zu begegnen bzw. sie am Entstehen zu hindern, kann die Anwendung der GfK nützlich sein. Die vorherigen Seiten sollten dazu dienen, um ein Grundverständnis fürGewalt und Kommunikation zu bekommen. Darauf aufbauend wird sich nun ausschließlich der gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg gewidmet.

4.1 Wissenschaftstheoretische Einordnung der GfK

Bevor es zu einer Definition der GfK bzw. Beschreibung des Modells kommt, soll zunächst auf die Strömungen und Einflüsse eingegangen werden, die die GfK geprägt haben. Da der Begründer der GfK selbst sagt, dass „alles, was in die GfK integriert wurde, ist schon seit Jahrhunderten bekannt“ muss es eine Art Metaebene geben, zu der dieses Konzept eingeordnet werden kann (Rosenberg 2009, 22).

Das Konzept Rosenbergs beruht auf einem humanistischen Menschenbild, welches insbesondere in den Grundannahmen der GfK verwurzelt ist. Dieses Menschenbild wurde durch die psychologische Auffassung der Humanistischen Psychologie beeinflusst. Die Humanistische Psychologie entstand während der fünfziger und sechziger Jahre in den Vereinigten Staaten neben den beiden wissenschaftlichen Disziplinen des Behaviorismus und der Psychoanalyse. Aufgrund der zunehmenden Beherrschung der Umwelt und die Absicherung jeglicher menschlicher Bedürfnisse, trat die persönliche Entwicklung und Identität bzw. noch mehr die zwischenmenschlichen Beziehungen in der Familie, Studium oder dem Arbeitsplatz in den Mittelpunkt, da die Schere zwischen den Bedürfnissen der Menschen und der Gesellschaft immer größer wurde. Charakteristisch für diese psychologische Richtung ist die Erforschung bezüglich des Selbst. Unter dem Selbstbegriff bezeichnet die humanistische Psychologie „die zentrale und individuell zu verstehende Dimension des Seelischen und umfasst unbewusste, dem Menschen mehr oder weniger verborgene seelische Regungen, aber auch deren bewusste und strukturierte Form“ (Kreuter- Szabo 1988, 11-16). Im Rahmen der humanistischen Psychologie stehen weniger die Schwächen bzw. Krankheiten im Vordergrund, vielmehr steht der gesunde Mensch im Zentrum, der in seinem persönlichen Wachstum gefördert werden kann (ebd. 1988, 13).

Auf dem Fundament der Humanistischen Psychologie sind verschiedene Beratungs- und Therapieansätze entwickelt worden u.a. die Themenzentrierte Interaktion nach Cohn, die Selbstverwirklichung als Motivation und Bedürfnis nach Maslow, die Gestalttherapie nach Perlsoder die klienten-zentrierte Gesprächspsychotherapie (Quitmann1996, 21). Gemeinsam ist allen Ansätzen der Ansatz eines gleichen Menschenbildes. Das Menschenbild der Humanistischen Psychologie ist ein Konstrukt verschiedener philosophischer, politischer und psychologischer Ansätze und kann deshalb nicht als eine Strömung gesehen werden, in der nur eine bestimmte Tradition einfließt (ebd. 1996, 279).Die wichtigsten Aspekte der Humanistischen Psychologie sollen nun kurz aufgeführt werden, dabei wird sich bei der Erklärung der Aspekte auf die Auffassung von Rogers gestützt:

- Selbstverwirklichung

Darunter versteht er einen Prozess, bei dem sich der Mensch in der Interaktion mit anderen Personen verwirklicht. Der Mensch strebt weiterhin nach Sinnhaften und bewegt sich auf Ziele zu.

- Ganzheitlichkeit

Der Mensch an sich wird mit seiner Erfahrung in den Mittelpunkt gerückt. Er ist in einem gesellschaftlichen Prozess eingebunden.

- Hier- und–Jetzt

Im Fokus steht die Wahrnehmung und Bewusstheit der subjektiven Wirklichkeit (ebd. 1996, 279-287).

Die GfK erfährt ihre Statik unter dem Einfluss der klienten-zentrierten Gesprächstheorie nach Rogers. Im Mittelpunkt dieses Ansatzes stehen, unter Betrachtung des Therapieansatzes, die zwischenmenschlichen Beziehungen (Rogers 1993, 28). Dabei beruft er sich auf drei therapeutische Grundhaltungen: Kongruenz, Empathie und Wertschätzung. Unter dem Kongruenzbegriff versteht Rogers die Übereinstimmung mit der eigenen Person. Dabei wird die persönliche Weiterentwicklung dadurch erhöht, wenn der Therapeut authentisch mit seinen Gefühlen und Ansichten in der Beziehung zu seinem Gegenüber ist. Unter Empathie versteht Rogers, wenn ein Therapeut das innere Befinden seines Gegenübers in dem Ausmaße verspürt, als wäre es sein eigenes. Es ist also die komplette Zuwendung dem anderen gegenüber. Hierbei besteht eine enge Verbindung zur GfK, die der Empathie ebenfalls einen hohen Stellenwert einräumt. Die dritte Grundhaltung stützt sich auf die Wertschätzung, die mit einem bedingungsfreien Akzeptieren verbunden ist. Der Therapeut achtet sein Gegenüber bezüglich seines Verhaltens und Erlebten, ohne ihn einer Bewertung zu unterziehen. Auch hier besteht zur GfK ein enger Zusammenhang. Ohne groß vorgreifen zu wollen stellt die Wertschätzung einen fundamentalen Bestandteil dar, wonach sich Grundannahmen und Ziele der GfK orientieren. Die Bedeutung des Begriffs ist so hoch, dass die GFK teilweise als wertschätzende Kommunikation ausgeschrieben wird. Ziel der therapeutischen Grundhaltungen nach Rogers ist es diejenige Person zu sein, die man in Wirklichkeit ist (Quitmann 1996, 142-154).

Neben diesen Faktoren wird die GfK auch noch durch Einflüsse des Buddhismus geprägt.

4.2 Definition GfK

Die GfK ist eine bestimmte Umgangsart, die den Kommunikationsfluss erleichtern soll, um Konflikte friedlich zu lösen (Muth 2010, 13). Sie liefert weiterhin einen Rahmen, um Fähigkeiten zu entwickeln, die zur Lösung von Problemen sowohl im persönlichen Bereich, im Arbeitsbereich, in der Schule und sogar letztlich auch bei weltweiten politischen Konflikten beitragen sollen. Mit der GfK können Menschen ihre Aufmerksamkeit auf Gefühle und Bedürfnisse richten, um zu einem einfühlenden Handeln inspiriert zu werden. Ein Mitgefühl für sich selbst und für andere. Die GfK kann sowohl präventiv als auch interventiv eingesetzt werden (Bitschnau 2008, 218-219). Das Hauptziel der GfK ist die Förderung einer wertschätzenden Beziehung, die mehr Kooperation im zwischenmenschlichen Zusammenleben ermöglichen soll. D.h. im Rahmen der angesprochenen Konfliktstile verfolgt die GfK das gemeinsame Problemlösen, also die Orientierung an der Erfüllung der persönlichen Ziele bzw. Bedürfnisse und gleichzeitig die Orientierung an den Zielen und Bedürfnissen des anderen.

Rosenberg definiert Konflikt als einen tragischen Ausdruck eines unerfüllten Bedürfnisses (Muth 2010, 12). Unter Gewalt versteht er die Durchsetzung eigener Bedürfnisse, ohne auf die Bedürfnisse anderer Personen zu achten. Er sieht die Ursache für Gewalt in dem Stil begründet, wie gelernt wurde zu denken und zu kommunizieren (ebd. 2012, 11).

Welche Ziele die GfK genau verfolgt, soll nun veranschaulicht dargestellt werden:

- Die GfK regt dazu an, uns ehrlich und klar auszudrücken und ebenso im Gegen-
- zuganderen Personen empathische Aufmerksamkeit zu geben.
- Die Formulierung und Wahrnehmung eigener Bedürfnisse als auch die Wahr-
- nehmung und Erfüllung der Bedürfnisse des Gegenübers.
- Durch eine sorgfältige Beobachtung können störende Verhaltensweisen be-
- stimmt werden.
- Anstatt zu beurteilen oder zu diagnostizieren hilft das Einfühlungsvermögen bei
- der Klärung von Beobachtungen, Gefühlen und Bedürfnissen (Rosenberg 2013,
- 22-23).
- Die Befreiung von Verhaltensmustern wie Angriff/Rückzug und die Umgestal-
- tungsprachlichen Ausdrucks.
- Anwendung einer aktiven Form des Zuhörens (Bitschnau 2013, 50-52).
- Förderung des gegenseitigen Verständnisses und Stärkung der Beziehung (Gaschler&Gaschler 2012, 36).

Rosenberg unterscheidet zwei Arten zwischenmenschlicher Kommunikation, die in der unten stehenden Abbildung sichtbar werden3.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.6: Arten zwischenmenschlicher Kommunikation in Anlehnung an Rosenberg(2013, 15-42).

Symbol „für eine Sprache des Herzens“ (ROSENBERG 2012, 12).

Unter lebensentfremdender Kommunikation werden Kommunikationsformen verstanden, die sich in moralischen Urteilen, anstellen von Vergleichen, Verleugnung von Verantwortung und anderen Formen manifestieren.

Moralische Urteile bewerten zumeist Personen, aber auch Dinge oder Situation durch Pauschalisierungen. Anhand von Annahmen und Analysen des anderen Menschen ist jemand oder etwas pauschal richtig oder falsch, gut oder schlecht, normal oder unnormal. Die ganze Energie wird auf die Aufmerksamkeit gerichtet, um das Fehlverhalten zu identifizieren, anstatt diese auf die Bedürfnisse beiderzu fokussieren. Werden Werte oder Bedürfnisse durch moralische Urteile ausgedrückt, dann reagiert der Gegenüber darauf höchstwahrscheinlich mit Abwehr oder Widerstand. Selbst wenn die andere Person dem Fehlverhalten zustimmt, wird diese sich den geforderten Werten nur aus Schuld, Scham oder Angst hingeben. Klar abzugrenzen von den moralischen Urteilen sind reflektierte Werturteile. Diese stehen mit unseren Eigenschaften bzw. Überzeugungen in Verbindung, welche für uns im Leben von hoher Priorität sind. Teilt der Gegenüber nicht die Werturteile des anderen, werden in vielen Fällen moralische Urteile abgegeben.

Das Leugnen von Verantwortung ist eine weitere Form lebensentfremdender Kommunikation. Jeder Mensch ist verantwortlich für seine Gefühle, Gedanken und Handlungen. Allein durch den Sprachgebrauch des Wortes „muss“ wird die persönliche Verantwortung für unsere Handlungen geleugnet. Die Menschen übernehmen nicht die Verantwortung für bestimmte Dinge, wenn die Gründe u.a. in den Handlungen von anderen liegen, die Gruppe einen starken Einfluss darstellt oder wenn die Gründe in Vorschriften bzw. Regeln zu suchen sind. Als eine weitere Ausprägung lebensentfremdender Kommunikation sind Forderungen zu nennen. Demjenigen, der die Forderung nicht erfüllt, droht die Schuldzuweisung oder Strafe (Rosenberg 2013, 35-41).

4.3 Vier Komponenten der GfK

Anstatt moralisch über andere zu urteilen oder Forderungen zu stellen, konzentriert man sich bei einem gewaltfreien kommunizieren insbesondere auf vier Komponenten. Diese Komponenten sieht Rosenberg als Handwerkszeug, nicht als formelhafte Anwendung. Vielmehr sollten individuelle Eigenschaften und situationsbedingte Gegebenheiten mit berücksichtigt werden (Bitschnau 2008, 53). Um das beiderseitige Verständnis zu fördern, schlägt er diese vier Bereiche vor, die folgend in einer Übersicht als Prozess zunächst dargestellt werden, bevor die einzelnen Komponenten anschließend umfassend erklärt werden (Gaschler&Gaschler 2012, 35).

[...]


1 Die vorliegende Arbeit versucht geschlechtsneutrale Begriffe zu verwenden. Wird an manchen Stellen nur ein Geschlecht angesprochen, ist dies der Einfachheit zu schulden.

2 BVJ bedeutet ausgeschrieben Berufsvorbereitungsjahr.

3 Die „Giraffensprache“ wird teilweise als Synonym zum Begriff GfK verwendet. Die Giraffe steht als Symbol „für eine Sprache des Herzens“ (Rosenberg 2012, 12).

Ende der Leseprobe aus 138 Seiten

Details

Titel
Die gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg
Untertitel
Eine qualitative Evaluation eines Schülertrainings
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Note
2,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
138
Katalognummer
V456840
ISBN (eBook)
9783668875944
ISBN (Buch)
9783668875951
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kommunikation, marshall, rosenberg, eine, evaluation, schülertrainings
Arbeit zitieren
Andreas Spannl (Autor:in), 2015, Die gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/456840

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