Die Entwicklung und Verbreitung des Videorecorders


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

29 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. OPEN/LOAD

2. FAST FORWARD
2.1. Die Technologie
2.2. Let it snow! Let it snow! Let it snow!
2.3. Mark IV
2.4. It’s not a trick...

3. DIE DIFFUSION DES VIDEORECORDERS
3.1. Der Format-Krieg
3.2. Übernahme
3.3. Programmangebot I: Fernsehen
3.4. Programmangebot II: Bespielte Videokassetten
3.5. Freizeit

4. EJECT

Literatur

1. OPEN/LOAD

Die Kernfrage des Oberseminars “Medienentstehungstheorien”, das im Sommersemester 2002 am Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft in Köln abgehalten wurde, lautete wie folgt: Wie kann man eine Theorie aufstellen, die die Entwicklung der Medien erklären kann? Dabei sollte nicht (wie in der Medientheorie bzw. -philosophie oft üblich) eine Aussage über das Wesen der Medien oder deren Verankerung in der Natur des Menschen getroffen werden. Stattdessen wurde nach den empirisch zu belegenden historischen und kulturellen Umständen gefragt, die die Erfindung und Verbreitung der einzelnen Medien -Theater, Print, Film, Rundfunk, Fernsehen, Video/DVD und Internet - in ihren dominanten und kulturell wirksamen Formen ermöglicht hat.

Dies geschah mit der Aussicht, aus den vielen Beobachtungen über die Einzelmedien allgemeine Aussagen zur Erklärung der Entstehung von Kommunikations- bzw. Unterhaltungsmedien in der Menschheitsgeschichte (oder zumindest dem europäisch-amerikanischen Anteil daran) gewinnen zu können.

Entsprechend dem in der Wissenschaftstheorie formulierten Hempel-Oppenheim-Schema[1] besteht eine Erklärung aus drei Teilen: Einem Ereignis, das erklärt werden soll, und bestimmten Anfangsbedingungen, die auf Grund von mindestens einem allgemeinen Gesetz dieses Ereignis hervorbringen, z.B.:[2]

Anfangsbedingung: Faden F von der Struktur S wird mit 2 kg belastet.

Allg. Gesetz: Faden F von der Struktur S hat eine Reißfestigkeit von 1 kg.

Ereignis: Faden F reißt.

Diese Art, (unbekannte) Gesetze aus der Kenntnis eines Ereignisses und den dazugehörenden Anfangsbedingungen heraus zu ermitteln, hat sich in den Naturwissenschaften als äußerst erfolgreich erwiesen. Zudem eröffnet diese Form der Erklärung die Möglichkeit der Vorhersage: Denn wenn alle Anfangsbedingungen und Gesetze bekannt sind, müßte man korrekt auf ein zukünftiges Ereignis schließen können. Nicht nur die Meteorologie, sondern auch Architektur, Maschinenbau und viele andere Lebensbereiche gründen auf dieser Kompetenz.

Ohne Frage wäre es für die Kultur- und Medienwissenschaften reizvoll, diese Fähigkeit zu erwerben, zumal auch große Teile von Industrie und Politik darauf aus sind, Vorhersagen über neue (Medien-) Technologien zu erhalten.[3] Eine solche Kenntnis vergrößert schließlich die Möglichkeit von Planung und Steuerung und sichert damit einen größeren Handlungsspielraum: Geschäftliche, aber auch gesellschaftliche Risiken könnten so minimiert werden.

Unglücklicherweise ergeben sich dabei jedoch eine Reihe von Schwierigkeiten. Da ist zum einen die Komplexität von historischen Ereignissen: So ist die Entwicklung und Verbreitung des Videorecorders - das Medium, auf das sich diese Arbeit konzentriert - nicht ein singuläres Phänomen, sondern besteht aus einem ganzen Ereignisbündel: Unzählige Menschen haben sich den Kopf darüber zerbrochen, ob als Ingenieur (Was muß das Gerät können, damit es der Konsument annimmt?), Verbraucher (Was bringt mir dieser Apparat?) oder Studioboss in Hollywood (Welche Bedrohung geht von diesem neuen Medium fürs Kino aus?), und haben Entscheidungen getroffen, aus denen sich das Ereignis “Videorecorderdiffusion” nun zusammensetzt. Das Problem für den Wissenschaftler besteht darin, daß er nicht alle Faktoren einzeln berücksichtigen kann (sondern z.B. auf Statistiken zurückgreifen muß, die diese Ereignisse zusammenfassend darstellen), er aber andererseits immer Gefahr läuft, daß wichtige Einflüsse außer Acht gelassen werden.

Der Physiker kann im Labor die Anfangsbedingungen bis zu einem gewissen Grad kontrollieren. Das kann der Film- und Fernsehwissenschaftler nicht. Er steht vor dem Problem, daß er weder die Gesetzmäßigkeiten (Die will er ja gerade herausfinden!) noch die exakten Ausgangsbedingungen kennt. Vor allem ist es schwierig einzuschätzen, welche davon für das vorliegende Ereignis relevant sind und welche nicht: So könnte man z.B. die Theorie aufstellen, daß die beschleunigte Medienentwicklung seit dem 19. Jahrhundert auf den Klimawandel und die Erderwärmung zurückzuführen ist.

Das ist offensichtlich absurd. Es handelt sich dabei um parallele Tendenzen, die jedoch nicht kausal (und auch nicht funktional) miteinander verbunden sind.

Im Bewußtsein der o.g. Schwierigkeiten soll in dieser Arbeit versucht werden, die historischen, wirtschaftlichen, kulturellen und technischen Ausgangsbedingungen so präzise wie möglich darzustellen: Von den Anfängen der Magnettechnik bis zu den ersten Versuchen einer Markteinführung des Videorecorders in den 60er Jahren und dem berühmt-berüchtigten Standard-Krieg zwischen VHS und Betamax. Die Darstellung erfolgt weitestgehend chronologisch-narrativ, soll aber stets auch Erklärungen für die einzelnen Entwicklungsschritte liefern.

Im Anschluß daran wird ein Blick auf die Nutzer des Videorecorders, ihren tatsächlichen Gebrauch des Mediums und das Wechselverhältnis von Video, Fernsehen und Kinofilm geworfen, bevor der Versuch unternommen wird, die ökonomischen und soziologischen Übernahmebedingungen für den Videorecorder zu rekonstruieren.

Es ist kaum zu erwarten, daß am Ende dieser Arbeit exakte und allgemeingültige Gesetze (im Sinne der Naturwissenschaft) formuliert werden können, wie Medien entstehen. Wenn es jedoch gelingt, gute Gründe für die Erfindung und Verbreitung des Videorecorders zu benennen, dann besteht aber zumindest die Möglichkeit, daß sich im medialen Vergleich Regelmäßigkeiten, Muster oder wenigstens Analogien auffinden lassen, die mit Sicherheit keine präzisen Voraussagen über künftige Medienentwicklungen generieren, aber vielleicht doch als Leitlinien bei der Einschätzung und Beurteilung von aktuellen und zukünftigen Tendenzen in den Medien hilfreich sein können.

2. FAST FORWARD

Zu Beginn soll ein kurzer Abriss über die Vorgeschichte des Videorecorders gegeben werden. Dabei steht die Frage im Vordergrund, welche wissenschaftlichen Entdeckungen und technischen Leistungen die Entwicklung der Videotechnologie ermöglicht haben.

Zugleich soll damit aber auch eines der zentralen Argumente dieser Arbeit vorgetragen werden: Weder die Erfindung des Videorecorders noch die einzelnen Entwicklungsschritte dahin (z.B. die Erfindung des Tonbands) sind bloßes Resultat von wissenschaftlichem Forschergeist oder technischem Einfallsreichtum, sondern stehen selbst bereits in einem (durch vielfältige Faktoren geprägten) gesellschaftlichen und ökonomischen Kontext.

2.1. DIE TECHNOLOGIE

Die für den Videorecorder grundlegende Technologie besteht in der Fähigkeit Informationen in Form von elektro-magnetischen Signalen dauerhaft auf einem Träger speichern und wieder abrufen zu können. Wie zu zeigen sein wird, ergibt sich diese Kompetenz keineswegs “natürlich” aus der Kenntnis des Magnetismus und seiner Effekte, sondern ist der bislang letzte Schritt auf einem langen (und keineswegs geradlinigen) Weg.

Es ist ziemlich sicher davon auszugehen, daß das Phänomen des Magnetismus dem Menschen spätestens seit der Antike (ab ca. 600 v. Chr.) in Ägypten, Griechenland und auch in China bekannt gewesen ist.[4] Dies führte offensichtlich nicht unmittelbar zur Erfindung des Videorecorders. Eine der ersten Anwendungen für die magnetischen Eigenschaften von Metallen (und der Erde selbst) dürfte stattdessen im Mittelalter der Kompaß gewesen sein.

Vor allem seit Beginn der Neuzeit ist der Magnetismus ein vorrangiges Forschungsfeld der sich neu konstituierenden Naturwissenschaften gewesen. 1785 formuliert Coulomb das erste quantitative Gesetz für die Anziehung und Abstoßung von Magnetpolen. 1802 wird der Zusammenhang von Elektrizität und Magnetismus erwiesen, bevor Hans Christian Oersted 1820 den Elektromagnetismus entdeckt.[5]

Der Physikprofessor Paul Reis schreibt 1877 in seiner Abhandlung über “Neue electrische Maschinen insbesondere die magnet-electrischen Maschinen und deren Anwendungen”, daß der Nutzen des Elektromagnetismus vor allem im Bereich der Licht- und Wärmeproduktion, dem Energietransport und in der Güterproduktion (Chemie, Metallgewinnung) liegt. Von einer Anwendung im Bereich der Kommunikation -nämlich in Form der Telegraphie - ist nur am Rande die Rede.[6] Die Möglichkeit, die Technologie zu Speicherungszwecken zu benutzen, wird überhaupt nicht erwähnt.

Dieser Gedanke wird erstmals 1888 von dem amerikanischen Ingenieur Oberlin Smith in der Zeitschrift “The Electrical World” vorgebracht. In seinem Artikel beschreibt er die Möglichkeit, Stahldrähte oder -bänder zu benutzen, um sie durch die elektrischen Schwingungen eines Mikrofons zu magnetisieren, und die Informationen auf diesem Wege jederzeit abrufbar zu halten.[7]

Auf genau diesem Prinzip beruht das “Telegraphon”, das der dänische Ingenieur Waldemar Poulsen 1898 patentieren läßt und 1900 auf der Weltausstellung in Paris präsentiert, ohne dabei jedoch irgendwelche Unterhaltungszwecke im Sinn zu haben. Tatsächlich soll das “Telegraphon” als eine Art Diktiergerät verkauft werden. Erhebliche technische Schwierigkeiten, so u.a. der enorm hohe Drahtverbrauch (mehrere Kilometer für eine Stunde Aufnahme!), das erhebliche Hintergrundrauschen und die häufig reißenden Drähte (bei der extrem hohen Laufgeschwindigkeit für in der Nähe befindliche Personen lebensgefährlich!) sorgen dafür, daß dem Telegraphon kein Erfolg beschieden ist.[8] Der amerikanische Telefonkonzern AT&T führt die Forschung zwar weiter, um eine Art Anrufbeantworter zu bauen. Die Bemühungen werden jedoch eingestellt, um die Telefonkunden nicht befürchten zu lassen, daß die Privatheit ihrer Gespräche nicht gewährleistet sei.[9]

Trotzdem werden weiter Versuche unternommen, die Technik zu optimieren: 1928 wird der Draht durch ein Magnetband aus eisenpulverbeschichtetem Papier ersetzt. Eine Verbesserung der Verstärkertechnik und die Vorbehandlung des Bandes (Eisenoxidbeschichtung, Hochfrequenzvormagnetisierung) sorgen für eine erste Form der Rauschunterdrückung und Klangverbesserung.[10]

Die Erforschung und Anwendung der Magnetkräfte und ihre technische Nutzbarmachung steht in einem Zeitraum von mehr als zwei Jahrtausenden nicht im Zeichen der Unterhaltung oder der Kommunikation. Lebens- oder sogar überlebenspraktische Zwecke stehen im Vordergrund: So z.B. die Verbesserung der Navigation (Kompaß) und seit Beginn der Neuzeit vor allem der Einsatz im Bereich der Energie- und Güterproduktion. Auch die Erfindung der Magnetspeichertechnologie weist einen deutlichen Zusammenhang zur Industrialiserung auf: So sind die ersten anvisierten Anwendungen das Diktiergerät und der Anrufbeantworter; mit anderen Worten: Büromaschinen, die als Hilfsmittel für die durch Industrialisierung, Urbanisierung und Bevölkerungswachstum stark angestiegene Bürokratie (also die Verwaltung der zunehmend komplexen Lebens- und Arbeitsvollzüge) dienen sollen. Damit ist ein sehr klares Bedürfnis formuliert, das die Entwicklungen auf diesem Gebiet vorantreibt.

Nichtsdestotrotz wird ab den 30er Jahren auch die Möglichkeit gesehen, diese Technologie für die Rundfunkproduktion einzusetzen.

2.2. “LET IT SNOW! LET IT SNOW! LET IT SNOW!”

Ab den frühen dreißiger Jahren wird die Entwicklung des Tonbandgeräts vor allem in Deutschland vorangetrieben: 1932 macht der Chemiekonzern I.G. Farben die ersten Laborversuche mit Acetylzellulosebändern. 1935 stellt AEG/Telefunken auf der Berliner Funkausstellung schließlich das “Magnetophon K1" vor.[11] 1936 wird mit dem neuen Gerät erstmals ein Konzert aufgezeichnet.[12]

Für die Verwendung in der Rundfunkproduktion hat das Tonband entscheidende Vorteile gegenüber der Wachsplatte, die bisher als Speichermedium diente: Neben einer längeren Laufzeit und einer geringeren Abnutzung sind vor allem die verbesserten Möglichkeiten von Bearbeitung und Montage, die leichtere Vervielfältigung und die Möglichkeit, Bänder durch Überspielen wiederholt benutzen zu können, anzuführen. Gegenüber der Live-Sendung ergibt sich wiederum der Vorteil, daß man Fehler[13] korrigieren kann.

Es ist interessant festzustellen, daß in den USA hingegen kaum Bemühungen stattfinden, die Tonbandtechnologie für die Rundfunkproduktion einzusetzen. Tatsächlich wird ein überwiegender Teil des Radioprogramms live hergestellt. Auf die bereits vorhandenen Schallplatten wird nur vereinzelt zurückgegriffen.[14]

Das ist umso überraschender, als es für die Networks in den Vereinigten Staaten noch eine zusätzliche Motivation gibt, ihr Programm mit Aufzeichnungen zu bestreiten: Immerhin durchlaufen vier (Hawai hinzugenommen: sechs) Zeitzonen die USA. Wenn in New York um 20 Uhr die Abendshow im Radio beginnt, ist es erst 17 Uhr Nachmittag in Los Angeles. Aus diesem Grund muß man das Liveprogramm immer mindestens doppelt produzieren: Einmal für die Ostküste und dann noch einmal (per Telefonleitung an die dortigen Radiostationen übertragen) für die Westküste.[15]

Obwohl das zuerst ökonomisch widersinnig aussieht, können zwei Gründe dafür angeführt werden, warum die Networks sich allen Versuchen, Liveprogramme durch Aufzeichnungen zu ersetzen, entgegenstellen: Zum einen besteht die Furcht, daß die Klangqualität merklich abnimmt. Außerdem: Wenn im Radio Platten gespielt werden, warum sollten die Leute dann Radio hören und sich nicht einfach die Platten selber kaufen?

Zum anderen würde die Gefahr bestehen, daß die werbetreibende Industrie, die schon bisher ganze Programmteile selbst hergestellt hat, mittels der Tonbandtechnologie in der Lage wäre, die Produktionen den kleinen Radiostationen anzubieten, ohne länger auf die Produktionseinrichtungen oder die Telefonleitungen der Networks angewiesen zu sein.[16]

Diese Befürchtungen sind so groß, daß NBC im Jahr 1946 sogar Bing Crosby, einen der ganz großen Stars des Senders, zum Konkurrenten ABC ziehen läßt. Crosby, einer der populärsten Schauspieler und Sänger der Zeit, wollte seine Radioshow nicht mehr jeden Tag doppelt produzieren. ABC gestattet ihm schließlich, die Sendung auf Platten aufnehmen zu dürfen, was tatsächlich zu Zuschauerklagen über die schlechtere Klangqualität führt. Crosby erfährt jedoch von einem Tonbandgerät, daß die Alliierten 1945 in Deutschland beschlagnahmt haben, das “Magnetophon”. Er beauftraugt ein kleines Unternehmen, die Ampex Corporation, damit, die Technologie weiterzuentwickeln, was 1947 schließlich zum Erfolg führt: “With the improved sound, the complaining subsided, and Ampex was soon a major player in magnetic recording.”[17]

2.3. MARK IV

1946 geht in den USA das Fernsehen auf Sendung.[18] Ähnlich wie schon beim Radio wird der Live-Charakter des Mediums als Merkmal der Produktdifferenzierung in den Mittelpunkt gerückt: Das Fernsehen kann dem Zuschauer Bilder von Ereignissen nach Hause liefern, während sie passieren. Das kann weder das Radio, noch das Kino.

Zwar besteht die Möglichkeit (durch den sog. Kinescope-Prozeß), Film als Speichermedium für das Fernsehen zu benutzen, was jedoch ziemlich teuer und für das junge Medium daher kaum erschwinglich ist. Wasser (2001) 56 nennt als Beispiel, daß im Jahr 1955 eine einstündige Dramaserie pro Folge $45000 kostet, wenn sie live gespielt wird, aber $125000, wenn sie auf Film aufgenommen wird (da der Film entwickelt und chemisch behandelt werden muß; außerdem sind bessere Ausleuchtung und technische Ausstattung von Nöten).

Andererseits erweisen sich einige sehr populäre Formate, die auf Film gedreht werden, als überaus profitabel, da man sie beliebig wiederholen und nach der Ausstrahlung auf einem der Networks an die kleineren Fernsehstationen (bzw. auch ins Ausland) verkaufen kann. Angesichts der rapide wachsenden Fernsehabdeckung (1956: bereits 72% aller US-Haushalte)[19] erkennen die Verantwortlichen der Networks, daß für den Zuschauer offenbar weniger der Live-Charakter eine Rolle spielt, als vielmehr die Möglichkeit, (audio-visuelle) Unterhaltung ins Haus geliefert zu bekommen. Dadurch steigt die Bereitschaft, in ein neues Speichermedium zu investieren.

Bereits 1951 stellt Ampex den ersten Prototypen eines magnetischen Bildaufzeichnungssystems vor. Zu den ersten Kunden gehört (ähnlich wie schon beim Tonband) das Militär.[20] Auch große Elektronikkonzerne wie z.B. RCA arbeiten mittlerweile an der Videotechnologie, scheitern aber an technischen Problemen. Die Hauptschwierigkeit bei der Entwicklung der Bildaufzeichnung besteht darin, daß man die Tonbandtechnik nicht eins zu eins auf Video übertragen kann, da die Bildinformationen sehr viel umfangreicher sind und es zu völlig unrealistischen Bandlängen käme. Bei Ampex findet man schließlich die Lösung, das Band mit einem drehenden Aufnahmekopf diagonal zu bespielen und somit die Bandfläche besser auszunutzen.[21]

1956 stellt Ampex auf einer Fachmesse in Chicago den ersten Videobandrecorder vor, der sich in Kürze zu einem Verkaufsschlager entwickelt. Bald ist Ampex Mark IV (so die Modellbezeichnung) nicht nur amerikanischer, sondern internationaler Standard in der Fernsehproduktion. 1958 übernimmt die BBC, 1959 der SWR als erste ARD-Anstalt in Deutschland die neue Technik.[22]

Die Videotechnologie ermöglicht eine (zeitliche, später auch räumliche) Entkopplung von Produktion und Sendung. Da Video nicht wie Filmmaterial entwickelt werden muß, kann man sofort auf die Bilder Zugriff nehmen (was vor allem für Sportübertragungen immer wichtiger wird). Auch Montage und Nachbearbeitung (z.B. das Einfügen von Spezialeffekten) werden erleichtert. Darüber hinaus können durch die Wiederbespielbarkeit des Magnetbands die Materialkosten gesenkt werden.[23]

Für Radio und Fernsehen gilt somit gleichermaßen, daß (nach einer Phase der medialen Konsolidierung, mit dem Akzent auf Eigenständigkeit) die Magnetaufzeichnungstechnik als Produktionsmittel übernommen wird, um eine Flexibilisierung der Programmabläufe (z.B. durch Wiederholbarkeit) und die Beschleunigung der Produktionsprozesse zu erreichen. Nachrichtenbilder z.B. kommen schneller beim Zuschauer an[24], was wiederum die Attraktivität des Mediums Fernsehen erhöht.

[...]


[1] Vgl. Poser (2001) 45 ff.

[2] Vgl. ebd. 44

[3] Vgl. Klopfenstein (1985), 4

[4] Vgl. www.physik.rwth-aachen.de/~Messling/skript4_1.ps.gz und www.hh.schule.de/ngb/ltb-04/Mystisch1.htm

[5] Vgl. Herrmann (1978) 218f

[6] Vgl. Reis (1877) 100

[7] Vgl. Hoffmann (1990) 100

[8] Vgl. Braun/Kaiser (1992) 167 und Conrad (1997) 267

[9] Vgl. Wasser (2001) 54

[10] Vgl. Conrad (1997) 267f

[11] Vgl. Braun/Kaiser (1992) 168

[12] Vgl. Conrad (1997) 268

[13] z.B. Versprecher, aber auch ggf. (im Kontext der Zeit!) politische Aussagen; Vgl. auch Austin (1990) 323

[14] Vgl. Wasser (2001) 54

[15] Vgl. Ebd. 55

[16] Vgl. Ebd. 53

[17] Ebd. 55

[18] Vgl. Armes (1988) 68

[19] Vgl. Secunda (1990) 9

[20] Vgl. Hoffmann (1990) 102

[21] Vgl. Wasser (2001) 58f

[22] Vgl. Secunda (1990) 9, Armes (1988) 68 und Hoffmann (1990) 103

[23] Vgl. Austin (1990) 323

[24] Seit 1970 ist die Berichterstattung fast komplett von Film auf Video umgestellt; Vgl. Ebd. 323

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Die Entwicklung und Verbreitung des Videorecorders
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft)
Veranstaltung
Medienentstehungstheorien
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
29
Katalognummer
V45660
ISBN (eBook)
9783638430197
Dateigröße
662 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Erfindung, Markteinführung und Diffusion des Videorecorders. Dabei geht es um die Klärung der Frage nach den technologischen, sozialen und ökonomischen Voraussetzungen für die Durchsetzung eines neuen Mediums. Ebenso wird der intermediale Zusammenhang mit dem Fernsehen untersucht, dessen Nutzungskontext (Time Shifting) der Videorecorder seinen ersten Erfolg verdankt.
Schlagworte
Entwicklung, Verbreitung, Videorecorders, Medienentstehungstheorien
Arbeit zitieren
Christian Junklewitz (Autor:in), 2002, Die Entwicklung und Verbreitung des Videorecorders, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45660

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