Die Bedeutung und Charakteristik der Lehrwerke im Deutschunterricht

Eine Lehrwerkanalyse


Akademische Arbeit, 2017

63 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsabgrenzung: Lehrmaterial, Lehrbuch Lehr-werk

3. Lehrwerke und ihre Bedeutung im Fremdsprachenunterricht

4. Die Auswahl an Lehrwerken

5. Forschungsgegenstand „Lehr- und Lernmaterialien“

6. Methoden der Lehrwerkanalyse

7. Lehrmethoden in den Lehrwerken

8. Überblick über die Lernmethoden des Fremdsprachenunterrichts
8.1 Die Grammatik-Übersetzungs-Methode (GÜM)
8.1.1 Einige Merkmale des Lehrbuchs, das nach der GÜM gestaltet wurde
8.2 Die direkte Methode
8.2.1 Einige Merkmale der Unterrichtseinheit, die nach der direkten Methode gestaltet wurde
8.3 Die audiolinguale Methode (ALM)
8.3.1 Hauptmerkmale der audiolingualen Methode im Lehrbuch
8.4 Die audiovisuelle Methode
8.4.1 Hauptmerkmale der audiovisuellen Methode im Lehrbuch
8.5 Die kommunikative Methode
8.6 Der interkulturelle Ansatz

9. Der Begriff Unterrichtspraxis und seine Bedeutung
9.1 Kriterien der unterrichtspraktischen Lehrwerkanalyse

10. Kriterien nach den vier Fertigkeiten
10.1 Hören
10.1.1 Übungen zum Hören
10.2 Sprechen
10.2.1 Übungen zum Sprechen
10.3 Lesen
10.4 Schreiben

11. Grammatik, ihre Bedeutung und Darstellung in den Lehrwerken

12. Landeskunde/Deutschlandkunde im Lehrwerk

13. Bewertung und Vergleichung von gewählten Lehrwerken
13.1 Eine kurze Beschreibung der Lehrwerke
13.2 Vergleichung der Lehrwerke nach den Lernzielen und Lernmethoden
13.3 Vergleichung der Lehrwerke nach ihrer Struktur
13.4 Vergleichung der Lehrwerke nach Fertigkeiten und Übungen
13.4.1 Hören
13.4.2 Sprechen
13.4.3 Lesen
13.4.4 Schreiben
13.5 Vergleichung der Lehrwerke nach der Grammatik-darstellung

14. Nachwort

15. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Lehrwerke spielen im Fremdsprachenunterricht eine große Rolle, weil sie einen Bestandteil des Lehr- und Lernprozesses darstellen. Sie sind nicht nur für Lernende festgelegt, sondern sie helfen auch dem Lehrer mit der Realisation und mit der Klassifikation der Bildungsergebnisse.

Zur Zeit gibt es eine große Auswahl an Lehrwerken, die der Lehrer im Deutschunterricht nutzen kann. Die Hauptsache ist, ein passendes Lehrwerk auszuwählen, das den Bedürfnissen der Lernenden am besten dienen könnte.

Ziel dieser Arbeit ist, die Bedeutung des Lehrwerke im Deutschunterricht und die Charakteristik von Lehrwerken zu erklären. Damit hängen auch die Lernmethoden zusammen, dessen Merkmale man an Lehrbüchern gut erkennen kann und die bei der Bildung von Lehrwerken sehr bedeutend sind, weil jede Lehrmethode andere Lehrziele und Unterrichtsprinzipien bevorzugt.

Der andere Teil der Diplomarbeit beschäftigt sich mit der Lehrwerkanalyse, die sich an Bedürfnisse der Unterrichtspraxis orientiert. Dazu gehören auch Kriterien, die dem Lehrenden die Auswahl des Lehrwerks erleichtern können. Nähere Beschreibungen der Kriterien stellen dann eine Grundlange für den praktisch orientierten Teil der Diplomarbeit dar.

Im praktischen Teil der Diplomarbeit befinden sich eine kürzere Vergleichung und Bewertung von zwei gewählten Lehrwerken, die auf den Mittelschulen und Gymnasien oft genutzt werden. Es sind: Sprechen Sie Deutsch? und Direkt. Diese Lehrwerke werden nach den unterrichtsorientierten Kriterien der Lehrwerkanalyse (nach ihrer Struktur, nach vier Sprechfertigkeiten, nach Lernzielen und Lernmethoden und nach der Grammatikdarstellung) bewertet und verglichen.

2. Begriffsabgrenzung: Lehrmaterial, Lehrbuch Lehr-werk

„Sprachliches Material, das speziell für Lernende geschrieben worden ist und/oder vorgefundenes sprachliches Material, das für sie speziell durch vereinfachende Eingriffe oder Hinweise zum Umgang mit ihm, durch Übungen usw. bearbeitet worden ist, nennt man Lehrmaterial.(…) Wenn es über die Beschäftigung mit bestimmten Teilaspekten von Sprache und Kultur hinaus den Anspruch erhebt, den gesamten Lernprozeß über einen bestimmten Zeitraum zu begleiten oder gar zu steuern und die Vieltfalt der sprachlichen Phänomene abzudecken, spricht man normalerweise von „Lehrwerken“; (…) (Rösler 1994, 73f.)1

Die Differenzierung der Begriffe Lehrbuch und Lehrwerk oder der Begriffe Lehr-und Lernmaterialien ist ziemlich kompliziert. Nach Neuner entwickelte sich das Lehrbuch zum Lehrwerk im Zusammenhang mit dem Wandel der Unterrichtsmethoden. Diese Erweiterung des Lehrbuchs zum Lehrwerk ist wegen den Anforderungen an gesprochene Sprache und alltägliche Kommunikationssituationen entstanden, die eine Veränderung der Zielsetzung dargestellt hat. Heutige Lehrwerke (ab Mitte der 60er) bestehen in der Regel aus einem Lehrbuch, einem Arbeitsbuch, einem Lehrerhandbuch sowie auditiven und visuellen Medien, die systematisch gegliedert sind und die den Lernenden ihre Interessen und Bedürfnisse besser unterstützen können.

Nicht immer wird aber das Lehrbuch wie ein Bestandteil des Lehrwerkes und Lehrwerk als umfassendes Hilfsmittel des Unterrichts verstanden, denn die begriffliche Trennschärfe ist nicht immer vorhanden.

„Besonders problematisch ist eine Differenzierung zwichen Lehr- und Lernmaterial: Die Begriffe Lehrmaterial und Lehrwerk machen deutlich, dass sich diese Materialien in erster Linie an Lehrende richten, die dann die Entscheidung treffen, in welcher Form sie die Medien im Unterricht einsetzen. Ob mit einem solchen Material auch gelernt wird, ist fraglich (s. Krumm/Ohms-Duszenko 2001, 1029). Auch Rösler bezweifelt, dass mit konventionellem Lerhmaterial ein Bezug zu den Lernenden hergestellt werden kann, denn die „meisten persönlichkeits- und interaktionsbezogenen Faktoren des Lernens verlaufen quer zur ökonomisch sinnvollen Lehrmaterialgestaltung“(s. 1992, 266). Von „echtem Lernmaterial“ kann man daher am ehesten bei den sog. „Selbstlernmaterialien“ bzw. bei elektronisch aufbereitetem Material, z. B. bei im Internet angebotenen Kursen, sprechen, bei denen den Lernenden eine große Auswahl und ein hohes Maß an Selbststeuerung geboten werden (s. Krumm/Ohms-Duszenko 2001, 1029).“2

3. Lehrwerke und ihre Bedeutung im Fremdsprachenunterricht

Unterrichtsmittel, die für den Fremdsprachenunterricht zur Verfügung stehen, stellen einen sehr wichtigen Bestandteil des Lehr- und Lernprozesses dar. Zu diesen Unterrichtsmitteln zählt man nicht nur die traditionelle Arbeit mit dem Lehrwerk, sondern auch die modernen Techniken und Mittel, die den Unterricht auflockern können und die unterschiedlich je nach der Stufe der Kentnisse vom Lehrer gewählt werden sollen.

Es werden die Hilfsmittel wie z. B. visuelle Hilfsmittel oder auditive Hilfsmittel betrachtet. Zu den visuellen Hilfsmitteln gehören dann verschiedene Ausführungen wie z. B. Reproduktion von Kunst und Photographie usw. Das Bild hat hier einfach die zentrale Stellung und sein Reiz kann sehr förderlich wirken. Eine sehr wichtige Rolle spielen auch die auditiven Hilfsmittel, die wegen ihren Handlichkeit und Reproduzierbarkeit oft gewählt werden. Die auditiven Hilfsmittel dienen sehr gut als ein sprachliches Vorbild und haben einen festen Platz im Unterricht.

Obwohl es viele modernen technischen Möglichkeiten der Medien gibt, stellt das Buch das wichtigste Lernmittel dar. Vor allem für den Unterstufenunterricht ist eine Kombination von Medium und Buch praktizierbar. Lehrbücher, die in der Unter- und Mittelstufe verwendet werden, sind systematisch nach dem Lehrgang eingebaut und berücksichtigen vor allem die Grammatik, die Aussprache, den Wortschatz und das Sprachkönnen.3

Als Ergänzung zum Lehrbuch benutzt man je nach der Stufe verschiedene Techniken. Zum Beispiel für den Anfangsunterricht gibt es Vorkurse für die auditive Schulung, die aber vom Buch unabhängig sind oder Arbeitsbücher, die für Hausaufgaben und zur Festigung des Gelernten benutzt werden.4

Interessante Bemerkungen zum Lehrbuch für Fremdsprachenunterricht brachte uns schon J. A. Comenius, der zu den größten Persönlichkeiten der Pädagogik gezählt wird.

„Was uns Johann Amos Comenius in seiner Didactica magna vor rund 400 Jahren ins pädagogische Stammbuch geschrieben hat, ist im Hinblick auf Lehrwerke erstaunlich aktuell. In Kapitel 19 mit dem Titel Grundsätze für die Schnelligkeit und Abkürzung beim Lernen findet man folgende Forderung: „Schulbücher sollen alles allgemeinverständlich darstellen und dem Lernenden in jedem Fall Hilfe bieten, so dass er alles von selbst ohne Lehrer verstehen kann.“

Johann Amos Comenius wünschte sich, dass die Lehrwerke in der Form des Dialogs abgefasst werden, denn diese Form wirkt am natürlichsten und am vertraulichsten und erleichtert den Schülern die Wiederholung, die sie unter sich vornehmen können. Viele moderne Lehrwerke, die zur Zeit entstehen, haben Comenius Wunsch erfüllt. Sie erhalten Dialoge in kontextualisierter Form und kommunikative Kompetenzen stehen meistens im Vordergrund. Wiederholungen sind in solchen Lehrwerken auch nicht ausgelassen – sie erscheinen als Übungen im Lehrbuch zur Festigung neu eingeführter Lexik und Grammatik.5

Kurz gefasst entsprechen fast die methodischen Prinzipien und Anforderungen an Konzeption der Lehrbücher von J. A. Comenius den methodischen Prinzipien des modernen Fremdsprachenunterrichts.

Aber nicht in allen Zeiträumen wurde das Buch als das wichtigste Lernmittel gewertet. Der Bedarf an Lehrbücher war schon am Ende der 90er in Deutschland nicht so stark. Moderne Lerntechniken, ihre Vermittlung und Gedanken an eine interkulturelle Perspektive waren in dieser Zeit ein großes Thema. Viel öfter erschienen Begriffe wie Lernen mit Computer, autonomes Lernen, Projektorientierung oder Lerner- und Handlungsorientierung.

Andreas Nieweler, der sich zu der Lehrbucharbeit im Fremdsprachenunterricht geäußert hat, führt aus, dass ein völliger Verzicht auf Lehrbücher aus arbeitsökonomischen Gründen unmöglich ist. Seiner Meinung nach stellt der vom Lehrbuch unabhängiger Unterricht einen erheblichen Mehraufwand an Arbeit dar. Dieses kann man zum Beispiel bei den Waldorfschulen betrachten, die aus pädagogischen (oder ideologischen) Gründen auf die Lehrbücher verzichtet haben, was zu einem großen Aufwand an Kopien und zur ständigen Suche nach geeigneten Texten geführt hat.6

Nieweler führt mehrere interessante Thesen zur Lehrbucharbeit aus. Er behauptet, dass das Lehrwerk die Vergleichbarkeit der Abschlüsse garantiert und dass die Lehrwerke eine „erzieherische Funktion“ für Lehrer/innen haben, denn sie ihren Eingang in den Unterricht schneller finden, als die Lehrpläne, die den Lehrer/innen neue Lernstrategien, Arbeitstechniken und Lernautonomie als erste annähren sollten. Weiter schreibt er dem Lehrwerk eine durchdachte didaktische Progression zu, die den Lernbedürfnissen der Schüler/innen entgegenkommt.

Nieweler beschäftigt sich auch mit den Schattenseiten des Lehrbuchs. Er warnt vor dem zu dogmatischen Umgehen der Lehrer/innen mit dem Lehrwerk, das häufig im Fremdsprachenunterricht vorkommt . Die Langeweile im Sprachenunterricht entsteht seiner Meinung nach oft gerade wegen dem unrichtigen Einsatz der Lehrwerke im Unterricht. Es ist nicht nötig jede Seite des Buches durchzulesen und eine Übung nach der anderen zu schaffen, sondern sich den Bedürfnissen der Schüler anzupassen.

Die Auflockerung des Unterrichts kann auch arbeitsökonomisch sein. Sie kann durch lehrwerkbegleitende Materialien realisiert werden. Zu solchen gehören dann Bereiche wie Freiarbeit, lehrbuchbegleitende Lektüre, Transfertexte oder Kontrollaufgaben. Die Reihenfolge der Lektionen kann flexibel sein und einige Lektionen oder Teile können ausgelassen werden, um dem Problem der „Schaffenbarkeit“ zu begegnen.7

Andere Thesen zum Lehrbuch und Lerhwerkarbeit bringt Detlev Kahl. Er findet den Sprachunterricht ohne Lehrwerk zu aufwändig, im Grunde nicht leistbar und für Lehrer und Schüler nicht wünschenswert. Er stellt sich die Frage: „Was macht ein Schüler, der längere Zeit krank ist?“ Seine Antwort ist klar. „Er kann anhand des Lehrwerks nacharbeiten.“8

Dies gilt auch für weitere Fälle wie z. B. für Situationen, wenn die Schüler nicht aufmerksam oder organisiert sind – sie können sich dann an dem Buch festhalten. Nach Kahl sollte das Lehrwerk selbsterklärend sein, damit der Schüler das Lehrbuch ohne Lehrer benutzen könnte. Nur mit diesem Charakter kann das Lehrwerk in oben genannten Fällen behilflich sein.

Einige Thesen von Detlev Kahl stimmen mit den Thesen von Nieweler überein. Auch Kahl fordert die Lehrer zu einer persönlichen Auswahl von Texten, Übungen, Redemittel oder Grammatikteilen auf, die bei den Schülern Interesse wecken. Das Weglassen von mehreren Lektionen findet er problemlos, denn die Vokabeln und die Grammatik von den weggelassenen Lektionen können in späteren Texten vorkommen und gebraucht werden.9

Eine weitere Funktion von Lehrwerken ist ihre Orientation an das Curriculum oder Prüfungen, womit sie ihre Verwendungschancen erhöhen. Sie haben bestimmte Lehr- und Lernziele im Bereich der Grammatik und der Texte und vermitteln verschiedene Lernstrategien oder das interkulturelle Lernen. Sie bringen den Lehrstoff in eine Reihenfolge, die eine zielorientierte, systematische und überprüfbare Progression erlaubt. Wenn sich man für eine Prüfung vorbereitet, können ihm die Lehr- und Lernmaterialien wie eine Kontrolle dienen. Wegen den Materialien kann man nämlich feststellen, wie weit er von seinem Ziel ist.10

Man sollte auch nicht vergessen, dass das Lehrwerk eine wichtige Rolle für die Lehrer/innen hat, obwohl man eine lange Zeit der Meinung war, dass „Lehrwerke für Schüler festgelegt sind.“ Die Lehrwerke sind Quellen, mit deren Hilfe die Lehrer/innen den Inhalt des Lernstoffes planen und diesen Inhalt im Unterricht auch präsentieren. Sie helfen dem Lehrer mit der Realisation und mit der Klassifikation der Bildungsergebnisse.11

Lehrmaterialien sind also für Lehrende in der Regel eine wichtige Entscheidungshilfe für die Konzeption und Durchführung ihres Unterrichts. Zum Beispiel die meisten Kursleiter im Fremdsprachenunterricht mit Erwachsenen halten sich vor allem am Lehrwerk. Ähnlich ist das auch bei anderen Lehrer/innen, die bis zu 80% dazu tendieren, den Unterricht auch thematisch streng am Lehrwerk zu orientieren.12

Und wie bewerten die Lehrer/innen die so viel benutzten Lehrwerke im Gegensatz zu den modernen Medien dieser Zeit?

Interessant finde ich Ergebnisse einer Umfrage aus den Jahren 1997/98, die uns die Meinungen der Lehrer/innen über die klassischen Lehrwerke und über die elektronischen Medien als Vertreter der modernen Lehrmittel darstellen:

(BAUSCH, Karl-Richard / CHRIST, Herbert / KÖNIGS, Frank G. /KRUMM, Hans – Jürgen: 1999:122)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ganz genau nennt Jan Průcha die allgemeinen Funktionen des Lehrwerkes (nach der Taxonomie von D. D.Zujeva). Er unterscheidet:

- informative Funktion, die den Inhalt in der Ausbildung abgrenzt.
- transformative Funktion, d. h. dass das Lehrwerk überarbeitete Informationen von einem bestimmten Fach für die Lernenden bringt.
- systematische Funktion, die den Lernstoff nach einem bestimmten System gliedert und die Reihenfolge des Lernstoffes begrenzt.
- Verfestigungs-, Kontrollfunktion, d. h. dass das Lehrwerk den Lernenden die Aneignungen von neuen Erkenntnissen, das Üben von diesen Erkenntnissen und eventuell auch die Kontrolle (mit der Aufgaben) ermöglicht.
- Funktion der Selbstausbildung – die Lehrwerke geben den Lehrnenden den Anreiz zur selbstständigen Arbeit mit dem Lehrbuch und formen bei ihnen die Motivation.
- integrierende Funktion, die das Verstehen und Integration von Informationen unterstützt, die Lernenden aus verschiedenen Quellen erhalten.
- koordinierende Funktion – die das Lehrwerk hat, um die Koordination beim Nutzen von anderen didaktischen Mitteln sichern, die am Lehrwerk anknüpfen.
- Entwicklungs- und Erziehungsfunktion, d. h. dass das Lehrwerk zur Entwicklung der Persönlichkeit des Schülers beiträgt.13

4. Die Auswahl an Lehrwerken

Das Angebot an Lehrwerken für den Deutschunterricht wird von Jahr zu Jahr größer und darum stehen die Lehrer oft vor einer nicht einfachen Entscheidung, welches Lehrwerk sie für ihre Studenten auswählen sollten. Sie können aus persönlicher Sicht angebotene Lehrwerke bewerten und mit den für sie passenden arbeiten. Für die Lehrer, die an Grundschulen, Gymnasien oder Fachmittelschulen tätig sind, gilt eine Pflicht und zwar, dass sie von den Lehrwerken auswählen müssen, die vom Schulministerium empfohlen sind.

Wenn man also das Lehrbuch auswählt, kann man auf die Informationen der Verlage zurückgreifen, Prüfungsexemplare bestellen oder in eine Buchhandlung gehen und dort einige Lehrwerke oberflächlich überprüfen.

Einen praktischen Behelf für die Vorauswahl des Lehrwerkes stellen sog. Auswahlführer dar, die detaillierte bibliographische Angaben zu allen Lehrwerken anführen und den Aufbau und Inhalte der Lehrwerke ausführlich beschreiben. Sie verweisen auf Rezensionen und bereits vorliegende Gutachten und lenken die Aufmerksamkeit des Lehrenden und des Lernenden auf die Aspekte, die sie selbst überprüfen sollen.14

Das Goethe-Institut listet in dem oft aktualisierten Auswahlführer Arbeitsmittel für den Deutschunterricht an Ausländer auf 200 Seiten Lehrmaterialien und Lehrwerke für Deutsch als Fremdsprache auf. Dieser Auswahlführer beschreibt sehr gründlich eine große Menge der Lehrwerke aus den Titeln selbst oder nutzt die Informationen des Verlags.

Für die Lehrenden und Lernenden finde ich diese Auswahlführer sehr praktisch und förderlich, weil es nicht immer möglich ist, sich mit den wissenschaftlichen Analysen der Lerhrwerke aus Zeitgründen zu beschäftigen oder persönlich mehrere Lehrwerke in einer kürzerer Zeit zu bewerten.

5. Forschungsgegenstand „Lehr- und Lernmaterialien“

„Die Lehr- und Lernmaterialien sind anzusehen als zentrales Medium, mit deren Hilfe unterrichtlich gestütztes Fremdsprachenlernen inszeniert wird und woran es sich vollzieht. Damit sind die gleichzeitig als zentraler Gegenstand der Forschungsanstregungen des Faches zu gewichten.“15

Damit die fachdidaktische und pädagogische Praxis im Interesse der Lernenden und Lehrenden verbessert werden könnte, beschäftigt man sich auch mit dem wissenschaftlichen Umgang mit dem Lehren und Lernen, was auch der Beschreibung und dem Verständnis des Gegenstandes dient

Zu diesem Umgang gehören auch die Lehr- und Lernmaterialanalyse, Lehr- und Lernmaterialprobung, Lehr- und Lernmaterialkritik oder Lehr- und Lernmaterialevaluation.

Die Lehrwerkforschung hat keine lange Tradition. Sie wurde erst in den 70er Jahren des zwanzigsten Jahrhundert zum Bestandteil der Fremdsprachendidaktik/Didaktik Deutsch als Fremdsprache. Seit den 90ern wurde dann die Lehrwerkforschung zu einem festen Bestandteil der wissenschaftlichen Forschung, obwohl sie an ihrem Anfang von vielen Theoretikern verdammt wurde.16

In Deutschland werden die Lehrwerke in spezialisierten Instituten untersucht. Am bedeutendsten sind dann diese Zentren:

- „Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung“, das seit den 50ern in Braunschweit wirkt und das sich mit der Analyse von Lehrwerken für Geschichte, Geographie, Ekologie usw. beschäftigt.
- „Zentrum für Schulbuchforschung“ (am Wolfgang-Ratke-Institut) in Köthen. Hier entstanden Konzeptionen und Analysen, die die Grundlagen der exakten empirischen Lehrwerkforschung gebildet haben und die Lehrwerkforschung im internationelen Maßstab beeinflusst haben.
- „Deutsches Institut für Fernstudien“ an der Universität in Tübingen. Hier werden theoretische und empirische Analysen der Faktore durchgeführt, die die Perzeption und Aneignungen der Informationen durch verbale und bildliche Quellen beeinflussen.

In Österreich wirkt seit 1988 ein selbstständiges Institut „Institut für Schulbuchforschung und Lernförderung“, das sich vor allem mit den Analysen der kommunikativen Qualität des Lehrwerkes aus der Sicht der Zugänglichkeit für die Schüler beschäftigt und das die Effekte der Lehrwerke testet, die in Erkenntnissen der Schüler erscheinen. Die Analysen orientieren sich oft auf die Informationsvermittlung über anderen Ländern oder verschiedenen sozialen Gruppen usw.

Was die Begriffserklärung betrifft, verstehen wir unter der Lehrwerkanalyse/-kritik die Bemühung das Lehrwerk „als Produkt“ zu untersuchen im Gegensatz zur Lehrwerkforschung, in dessen Vordergrund der Lern- und Unterrichtprozess steht. Dabei werden noch drei Bereiche unterschieden: 1. Lehrwerkprobung – die Erprobung von Lehrwerken im Rahmen ihrer Entwicklung, 2. Lehrwerkwirkungsforschung – die Untersuchung der Wirkung von Lehrwerken auf den Unterrichtsprozess und die Nutzung von Lehrwerken durch Lehrer und Lernende und 3. Historische Forschung – „geben Lehrwerke doch einen Einblick in das Verständnis des Sprachenlehrens und -lernens der Vergangenheit.“

Die Lehr-Lernmaterialanalyse und Lehrwerkforschung haben mehrere Zwecke. Sie orientieren sich an Bedürfnisse der Unterrichtspraxis – sie beschäftigen sich mit der Entwicklung von Analysekriterien, um Lehrenden die Auswahl des Lehrbuchs zu vereinfachen und den Lehr- Lernmaterialautoren mit der Entwicklung von Materialien zu helfen. Darum werden die Lehrenden und Lernenden auf ihre Erwartungen und Einstellungen zu diesen Materialien befragt. Weiter beschäftigen sie sich mit der Erforschung der Wirkungen von Lehrwerken. Hier spielt das Nutzen des Materials vom Lehrenden und Lernenden sowie die Bedeutung der Einzelfaktoren wie visuelle Darstellungen, graphische und technische Aufbereitungen eine große Rolle. Das alles kann aber nur in einem längeren Arbeitsprozess untersucht werden.17

In der Lehrwerkanalyse hat sich mit der Zeit eine Reihe von Standartthemen herausgebildet. Zu diesen zählt man insbesondere auch noch heute die Analyse der Funktion von Bildern (visuelle Hilfsmittel), die landeskundliche Analyse (die in den achtziger Jahren gern imagologische Gesichtspunkte berücksichtigte und interkulturelles Lernen und Fremdverstehen in den Vordergrund stellt) und die kritische Sichtung von Grammatikdarstellungen, die auch zu empirischen Untersuchungen Anlass gegeben hat.18

Was die Forschungsschwerpunkte in Sachen Lehr- und Lernmaterialien betrifft, werde ich jetzt einige von ihnen nennen, die im Hinblick auf persönliche Erkenntnisinteressen ausgewählt werden.

„Es sind diese:

- die Weiterentwicklung von Konzeption und Details einer Kommunikativen Grammatik des Deutschen für Belange des Fremd- und Zweitsprachenerwerbs;
- die empirische Untersuchung von interaktionalen Prozessen zwischen Fremdsprachenlerner und interaktiven Computersprachlernprogrammen im Vergleich zur „traditionellen“ Lerner-Lerner- bzw. Lerner-Lehrer-Interaktion;
- die Weiterentwicklung des Interkulturellen Ansatzes auf theoretischem und empirischem Wege.“19

6. Methoden der Lehrwerkanalyse

Die Lehrwerkanalyse kann nach verschiedenen Methoden erfolgt werden. Diese Methoden unterscheiden sich nach ihrem Charakter. In Moskau hat man schon vor mehreren Jahren bei der Lehrwerkanalyse mehr als 300 Forschungsmethoden registriert. Seit dieser Zeit ist die Zahl sicher noch gestiegen. Es werden also fast alle Methoden der methodologischen empirischen Forschung in der Pädagogik verwendet. Průcha gliedert die Methoden in diese Typen:

a) kvantitative Methoden, wobei man in der Lehrwerkanalyse verschiedene statistische Verfahren nutzt und mit denen man bestimmte messbare Einheiten des Lehrwerks ermittelt und vergleicht.
b) Methoden der inhaltlichen Analyse, die sich mit der Ermittlung und Bewertung der qualitativen Eigenschaften und vor allem mit dem Inhalt des Lehrwerks beschäftigen.
c) Fragemethoden, mit denen man die Aussagen über verschiedene Eigenschaften der Lehrwerke und über ihr Fungieren im Unterrichtsprozess versammelt und bewertet. Am meisten bekommt man diese Aussagen per schriftliche Fragebogen, die die Lehrenden und Lernenden ausfüllen.
d) Testmethoden, die Ergebnisse bei Lernenden untersuchen, die vom Lehrwerk abhängig sind. Diese Teste dienen sowohl der kurzfristigen als auch der langfristigen Untersuchung von Ergebnissen des Lernens.
e) experimentale Methoden, die Effekte der genutzten Modifikationen untersuchen
f) komparative Methoden, die dem Vergleich von zwei oder mehr Lehrwerken aus bestimmter Sicht dienen (z. B. Umfang oder Folge der Themen des Lernstoffes). Man kann Lehrwerke eines Faches in verschiedenen Schuljahren, Lehrwerke von verschidenen Fächern in einem Schuljahr oder Lehrwerke von verschidenen Arten der Schulen und andere vergleichen. Oft werden neu eingeführte Lehrwerke mit den bisherigen Lehrwerken für ein bestimmtes Fach verglichen. Komparative Methoden werden auch in der historischen Forschung genutzt. Sie untersuchen vor allem die Entwicklung der Konzeption und des Inhalts vom Lernstoff in verschiedenen Zeiträumen.20

[...]


1 BRILL, Lilli Marlen: Lehrwerke/Lehrwerkgenerationen und die Methodendiskussion im Fach Deutsch als Fremdsprache, Shaker Verlag, Aachen 2005, S. 15

2 BRILL, Lilli Marlen: Lehrwerke/Lehrwerkgenerationen und die Methodendiskussion im Fach Deutsch als Fremdsprache, Shaker Verlag, Aachen 2005, S. 1

3 VALYNSEELE – GROSSE, Waltraud: Deutsch – Lehrbücher im Ausland, Verlag Alfred Kümmerle, Göppingen 1974, S. 27

4 VALYNSEELE – GROSSE, Waltraud: Deutsch – Lehrbücher im Ausland, Verlag Alfred Kümmerle, Göppingen 1974, S. 29

5 FERY, Renate, RADDATZ, Volker: Lehrwerke und ihre Alternativen, Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2000, S. 13

6 FERY, Renate, RADDATZ, Volker: Lehrwerke und ihre Alternativen, Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2000, S. 16

7 FERY, Renate, RADDATZ, Volker: Lehrwerke und ihre Alternativen, Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2000, S. 17

8 FERY, Renate, RADDATZ, Volker: Lehrwerke und ihre Alternativen, Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2000, S. 125

9 FERY, Renate, RADDATZ, Volker: Lehrwerke und ihre Alternativen, Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2000, S. 126

10 BAUSCH, Karl-Richard / CHRIST, Herbert / KÖNIGS, Frank G. /KRUMM, Hans – Jürgen: Die Erforschung von Lehr- und Lernmaterialien im Kontext des Lehrens und Lernens fremder Sprachen, Gunter Narr Verlag, Tübingen 1999, S. 119

11 PRŮCHA, Jan: Učebnice: Teorie a analýzy edukačního média, Paido, Brno 1998, S. 111

12 BRILL, Lilli Marlen: Lehrwerke/Lehrwerkgenerationen und die Methodendiskussion im Fach Deutsch als Fremdsprache, Shaker Verlag, Aachen 2005, S. 1

13 PRŮCHA, Jan: Učebnice: Teorie a analýzy edukačního média, Paido, Brno 1998, S. 19/20

14 Duisburger Institut für Lehrende und Lernende und zur Förderung der deutschen Sprache: Lehrwerke für Deutsch als Fremdsprache (Auswahlführer für Lehrende und Lernende), Incidum, München 1998, S. 11

15 BAUSCH, Karl-Richard / CHRIST, Herbert / KÖNIGS, Frank G. /KRUMM, Hans – Jürgen: Die Erforschung von Lehr- und Lernmaterialien im Kontext des Lehrens und Lernens fremder Sprachen, Gunter Narr Verlag, Tübingen 1999, S. 11

16 Eine von Skepsis volle Stellung zu der Lehrwerkanalyse hatten Autoren wie z. B. Rösler, der die wissenschaftliche Erforschung noch am Ende der 90er für einen nicht entwickelten Bestandteil der Wissenschaft gehalten hat.

17 BAUSCH, Karl-Richard / CHRIST, Herbert / KÖNIGS, Frank G. /KRUMM, Hans – Jürgen: Die Erforschung von Lehr- und Lernmaterialien im Kontext des Lehrens und Lernens fremder Sprachen, Gunter Narr Verlag, Tübingen 1999, S. 11

18 FERY, Renate, RADDATZ, Volker: Lehrwerke und ihre Alternativen, Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2000, S. 9

19 BAUSCH, Karl-Richard / CHRIST, Herbert / KÖNIGS, Frank G. /KRUMM, Hans – Jürgen: Die Erforschung von Lehr- und Lernmaterialien im Kontext des Lehrens und Lernens fremder Sprachen, Gunter Narr Verlag, Tübingen 1999, S. 14

20 PRŮCHA, Jan: Učebnice: Teorie a analýzy edukačního média, Paido, Brno 1998, S. 47/48

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Details

Titel
Die Bedeutung und Charakteristik der Lehrwerke im Deutschunterricht
Untertitel
Eine Lehrwerkanalyse
Note
1
Autor
Jahr
2017
Seiten
63
Katalognummer
V456593
ISBN (eBook)
9783668898288
ISBN (Buch)
9783668898295
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bedeutung, charakteristik, lehrwerke, deutschunterricht, eine, lehrwerkanalyse
Arbeit zitieren
Amel Chikhi (Autor:in), 2017, Die Bedeutung und Charakteristik der Lehrwerke im Deutschunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/456593

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