Die Rechtssprechung des EuGH zur Gleichbehandlung


Hausarbeit, 2005

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Organisation und Aufgaben des EuGH

3. Gleichbehandlung von Mann und Frau
3.1 unmittelbare Diskriminierung
3.1.1 Entgeltgleichheit
3.1.2 Schwangerschaft
3.2 mittelbare Diskriminierung
3.2.1 Teilzeitarbeit
3.2.2 Ehe- und Familienstand

4. Positive Diskriminierung durch Frauenfördernde Maßnahmen

5. Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Seit dem Abschluss der römischen Verträge in den Jahren 1951 bzw. 1957 zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften[1] nimmt das Europäische Arbeitsrecht eine immer größere Tragweite für die Gestaltung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer in Europa ein. Eine weitere Etappe der Bedeutungssteigerung des Europäischen Arbeitsrechts bildet schließlich die Begründung eines einheitlichen politischen Lebensraumes (der Europäischen Union).[2]

Trotzdem blieb diese steigende Bedeutung im Bereich des Arbeitsrechts von der Mehrheit der Bevölkerung weitgehend unbeachtet.[3] Ein Hauptziel der Europäischen Gemeinschaften ist es, im Arbeitsrecht die Rechtsnormen so anzugleichen, dass ein freier und fairer wirtschaftlicher Wettbewerb zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten ermöglicht wird. Jedoch gehört der Grundsatz zur Gleichbehandlung von Mann und Frau im Arbeitsleben zu den wichtigsten Zielen der Sozialpolitik der Gemeinschaft und bildet das zentrale Thema des EG-Arbeitsrechts. Ohne die Vorreiterrolle der EG auf diesen Gebieten, ohne die richtungsweisenden Urteile des EuGH in Fragen der Gleichbehandlung hätte der deutsche Gesetzgeber die Chancengleichheit von Frau und Mann im Arbeitsleben erst später verwirklicht.[4] Weiterhin wird in dieser Arbeit nicht im Detail auf die Auswirkungen auf das deutsche Arbeitsrecht eingegangen. Dieses würde dem Ziel der Arbeit, einen europäischen Blick auf die Gleichbehandlung zu geben, zuwider laufen.

Mit der vorliegenden Arbeit soll die Auswirkung der Rechtssprechung des EuGH auf das Arbeitsrecht und insbesondere die Rechtssprechung zur Gleichbehandlung näher untersucht werden. Inhaltlich befasst sich die Arbeit in Kapitel zwei mit der Organisation und den Aufgaben des EuGH. In dem folgenden Kapitel wird im Schwerpunkt dieser Arbeit die Rechtssprechung des Gerichtshofs zur Gleichbehandlung von Mann und Frau im europäischen Arbeitsrecht analysiert. Als ein Ausnahmefall des Gleichstellungsgrundsatzes wird im vierten Kapitel die positive Diskriminierung erläutert. Auch in diesem Kapitel wird besonders auf die Rechtssprechungen des EuGH eingegangen. Abschließen wird diese Arbeit mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Kernpunkte und einem Ausblick auf mögliche zukünftige Entwicklungen.

2. Organisation und Aufgaben des EuGH

Der Europäische Gerichtshof bildet die Judikative, also die rechtssprechende Gewalt der Europäischen Gemeinschaft.[5] Am 12.12.1992 bestimmten die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten mit einvernehmlichem Beschluss Luxemburg zum definitiven Sitz des EuGH.[6] Der Gerichtshof besteht gemäß Art. 221 Abs. 1 EGV aus einem Richter je Mitgliedstaat. Sie werden nach Art. 223 Abs. 1 EGV von den Regierungen der Mitgliedstaaten in gegenseitigem Einvernehmen auf sechs Jahre ernannt.[7] Grundsätzlich tagt der EuGH im Plenum, das bedeutet mit allen Richtern. Es reicht allerdings aus, wenn sieben Richter anwesend sind. Der Gerichtshof wird von acht Generalanwälten unterstützt. Ein Generalanwalt gibt zu jedem Rechtsstreit, der dem EuGH vorliegt, eine mit einer ausführlichen Begründung versehenden Stellungnahme ab, die Sachstand und Rechtslage des Falles enthält. Weiterhin wird dem Gerichtshof ein Gericht erster Instanz beigeordnet, das für Entscheidungen über einzelne, nach Art. 225 Abs. 2 EGV festgelegte Gruppen von Klagen im ersten Rechtszug zuständig ist. Mit der Gründung dieses Gerichts sollte eine Entlastung des EuGH und eine Verkürzung der Verfahrensdauer erreicht werden.[8]

Der Gerichtshof und das Gericht erster Instanz sichern gemäß Art. 220 Abs. 1 EGV im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrags. Im Folgenden werden die beiden Zuständigkeitsbereiche der Gerichte dargestellt. Der Gerichtshof ist gemäß dem EGV zuständig für:

- Die Klage der Kommission gegen einen Mitgliedsstaat wegen der Verletzung der Verträge gemäß Art. 226 EGV
- Die Klage eines Mitgliedsstaates gegen einen anderen wegen Verletzung der Verträge gemäß Art. 227 EGV
- Nichtigkeitsklagen[9] bzgl. der Rechtmäßigkeit der Handlungen des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Handlungen des Rates, der Kommission und der EZB gemäß Art. 230 EGV
- Untätigkeitsklage[10] gemäß Art. 232 EGV
-
- Vorlagebeschlüsse[11] der nationalen Gerichte gemäß Art. 234 EGV
- Streitigkeiten der EIB und ESZB gemäß Art. 237 EGV
- Streitigkeiten aufgrund einer Schiedsklausel, die in einem von der EG abgeschlossenen Vertrag enthalten ist
- Streitigkeiten zwischen Mitgliedsstaaten, die einen entsprechenden Schiedsvertrag geschlossen haben gemäß Art. 239 EGV
- Anpassungs- und Missbrauchverfahren gemäß Art. 298 EGV

Das Gericht erster Instanz (EuG) ist gemäß Art. 225 in Verbindung mit der Satzung des EuGH zuständig für alle direkten Klagen natürlicher und juristischer Personen, insbesondere bei[12]:

- Streitigkeiten zwischen der EU und ihren Bediensteten gemäß Art. 236 EGV
- Nichtigkeits-, Untätigkeits- und Schadensersatzklagen gemäß Art. 230 Abs. 2 und Art. 232 Abs. 3 EGV
- Nachprüfung von Zwangsmaßnahmen gemäß Art. 229 EGV
- Schiedsklauselverträge gemäß Art. 238 EGV

Der EuGH besitzt die höchste und mit dem ihm beigeordneten EuG zugleich die alleinige richterliche Gewalt in allen Fragen des Gemeinschaftsrechts. In dem nachfolgenden Teil der Arbeit wird ein Überblick über die wichtigsten grundsätzlichen Entscheidungen des EuGH im Bezug zur Gleichbehandlung gegeben und damit auch die wichtige und herausragende Stellung des EuGH in dem Bereich des Gleichstellungsrechts.

3. Gleichbehandlung von Mann und Frau

Die Gleichbehandlung von Mann und Frau im Arbeitsleben gehört zu den wichtigsten Zielen der Sozialpolitik der Europäischen Gemeinschaft und bildet das zentrale Thema des EG-Arbeitsrechts.[13] Seit zwei Jahrzehnten beschreitet der EuGH einen langen Weg der Durchsetzung beruflicher Gleichbehandlung von Mann und Frau. Die Gleichbehandlung von Männern und Frauen ist die arbeitsrechtliche Materie, die auf europäischer Ebene am frühsten aufgegriffen und am weitesten fortentwickelt worden ist.[14] Der Grundsatz der Gleichbehandlung schreibt nicht nur Art. 1 und 2 des Übereinkommens 100 der internationalen Arbeitsorganisation (EAO) vom 29.6.1951 fest. Speziell für das Europäische Arbeitsrecht führt Punkt 16 der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrecht für Arbeitnehmer das Erfordernis der Gleichbehandlung von Männer und Frauen auf.[15] Weiterhin waren und sind der ursprüngliche EWG-Vertrag gemäß Art. 119 (seit der Neufassung durch den Vertrag von Amsterdam jetzt Art. 141 EG) mit der Bestimmung zur Lohngleichheit, die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen gemäß der Richtlinie 75/117/EWG sowie insbesondere die Richtlinie 76/207/EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männer und Frauen[16] die Grundlagen für die Rechtssprechung des EuGH.[17]

Neben dem gesetzgeberischen Motiv, die Organe der Europäischen Gemeinschaften seien besonders frauenfreundlich, lassen sich auch noch wirtschaftliche Gründe für die Förderung des Gleichbehandlungsgedankens in der EG anführen. So besitzen Unternehmer in Mitgliedsländern, die weiblichen Arbeitnehmern geringeren Lohn als ihren männlichen Kollegen auszahlen dürfen, wirtschaftliche Vorteile gegenüber Konkurrenten, denen eine solche Ungleichbehandlung rechtlich unmöglich ist. So können durch die Gleichbehandlungsrichtlinien ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile zwischen Unternehmen ausgeschlossen werden, ungerechtfertigte Standortvorteile in einzelnen Mitgliedstaaten abgebaut werden, die Wirtschaftsbedingungen vereinheitlicht und letztendlich auch die europäische Integration gefördert werden.[18] Diese wirtschaft-

liche Betrachtungsweise dient dem EuGH vielfach als Auslegungshilfe bei Rechtsfragen der Gleichbehandlung von Männern und Frauen.

In den folgenden Unterkapiteln wird auf die geschlechtsbezogene Diskriminierung eingegangen. Dabei lassen sich die Erscheinungsformen der Ungleichbehandlung in zwei Gruppen der Diskriminierung einteilen. Zunächst wird in Kapitel 3.1 die unmittelbaren Diskriminierungen erläutert und anschließend in Kapitel 3.2 die mittelbaren Diskriminierungen dargestellt.

3.1 unmittelbare Diskriminierung

„Bei den unmittelbaren Diskriminierungen erfolgen die den einzelnen Arbeitnehmer belastenden Ungleichbehandlungen allein auf Grund eines Geschlechtes.“[19] Häufige Anwendungsfälle einer unmittelbaren Geschlechterdiskriminierung sind ungleiche Entgeltzahlungen (3.1.1) oder die Benachteiligung einer Arbeitnehmerin aufgrund einer Schwangerschaft (3.1.2).

3.1.1 Entgeltgleichheit

Gemäß Art. 141 Abs. 1 EG-V stellt jeder Mitgliedstaat die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher. Einzelheiten zur Entgeltgleichheit legt die Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10.02.1975 zur „Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen“ fest.[20] Die Entgeltgleichheit bedeutet nach Art. 1 dieser Richtlinie die Beseitigung jeder Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf sämtliche Engeltbestandteile und Entgeltbedingungen bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird. Den damit zentralen Begriff des Entgelts versucht Art. 141 Abs. 2 weit zu definieren. Demnach sind unter "Entgelt" im Sinne dieses Artikels die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in Bar oder in Sachleistungen zahlt. Die jeweiligen Merkmale legt der EuGH weit aus.

[...]


[1] Der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft EURATOM.

[2] Vgl. Krimphove: Europäisches Arbeitsrecht, 2001, Vorwort.

[3] Im Gegensatz, z.B. zu den Subventionsregelungen in der Landwirtschaft.

[4] Vgl. Schäfer: Studienbuch Europarecht, 2000, S. 247.

[5] Vgl. Schäfer: Studienbuch Europarecht, 2000, S. 87.

[6] Vgl. Hummer, Somma, Vedder, Emmert: Europarecht in Fällen, 1994, S. 19.

[7] Vgl. Pieper, Schollmeier, Krimphove: Europarecht - Das Casebook, 2000, S. 5.

[8] Vgl. Rhode, Lorenzmeier: Europa Recht - Schnell erfasst, 1999, S. 136.

[9] Mit ihnen können Mitgliedsstaaten, Rat, Kommission und unter bestimmten Umständen das Parlament die Nichtigerklärung von Rechtsakten fordern, wenn diese sie unmittelbar und individuell betreffen. Hierdurch kann der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit der Gemeinschaftsorgane überwachen. Wenn die Klage begründet ist, wird die angegriffene Handlung für nichtig erklärt.

[10] Bleibt die Beschlussfassung von Europäischem Parlament, dem Rat oder der Kommission aus, können die Mitgliedstaaten, die anderen Organe und u. U. natürliche oder juristische Personen den Gerichtshof auf die vorliegende Unrechtmäßigkeit jenes Nichthandelns hinweisen.

[11] Das Vorlageverfahren wurde eingeführt um eine unterschiedliche Interpretation des Gemeinschaftsrechts aus Sicht der einzelnen nationalen Gerichte durch ihre verschiedenen Auslegungsregeln zu verhindern. Es gewährleistet eine ständige Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten. Dies ist wichtig, denn auch die einzelnen nationalen Gerichte sind Garanten für das Gemeinschaftsrechts.

[12] Vgl. Ihnen, H.: Grundzüge des Europarechts, 2000, S. 28.

[13] Vgl. Schäfer: Studienbuch Europarecht, 2000, S. 247.

[14] Vgl. Körner, in NZA: Der Dialog des EuGH mit den deutschen Arbeitsgerichten - Das Beispiel der Gleichbehandlung, 2001, Heft 19, S. 1046.

[15] Vgl. Krimphove: Europäisches Arbeitsrecht, 2001, S. 181.

[16] hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsausbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen.

[17] Vgl. Körner, in NZA: Der Dialog des EuGH mit den deutschen Arbeitsgerichten - Das Beispiel der Gleichbehandlung, 2001, Heft 19, S. 1046.

[18] Vgl. Krimphove: Europäisches Arbeitsrecht, 2001, S. 185.

[19] Krimphove: Europäisches Arbeitsrecht, 2001, S. 185.

[20] Der gesamte Gesetzestext Art. 141 EG-V befindet sich im Anhang.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Rechtssprechung des EuGH zur Gleichbehandlung
Hochschule
Universität Paderborn
Veranstaltung
Wirtschaftsrecht
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
23
Katalognummer
V45651
ISBN (eBook)
9783638430111
ISBN (Buch)
9783638658164
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit untersucht die Auswirkung der Rechtssprechung des EuGH auf das Arbeitsrecht und insbesondere die Rechtssprechung zur Gleichbehandlung. Dabei wird ebenfalls auf die Organisation und die Aufgaben des EuGH eingegangen. Der Schwerpunkt dieser Arbeit ist die Rechtssprechung des Gerichtshofs zur Gleichbehandlung von Mann und Frau im europäischen Arbeitsrecht.
Schlagworte
Rechtssprechung, EuGH, Gleichbehandlung, Wirtschaftsrecht
Arbeit zitieren
Lars Vogt (Autor:in), 2005, Die Rechtssprechung des EuGH zur Gleichbehandlung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45651

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