Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien

Ahndung von Verbrechen und politischer Einfluss


Trabajo Escrito, 2017

18 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1 Ein Rückblick auf 24 Jahre ICTY

2 Grundsätzliches
2.1 Was geschah in den Jugoslawienkriegen?
2.2 Entstehung des Internationalen Gerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien
2.3 Organisation und Rechtsgrundlage des ICTY

3 Der ICTY im Laufe der Zeit

4 Verfahren gegen Slobodan Milošević

5 Relevanz und kritische Betrachtung in der Literatur
5.1 Positiver Einfluss des ICTY
5.2 Kritik am ICTY

6 Fazit

7 Literaturverzeichnis

1 Ein Rückblick auf 24 Jahre ICTY

Erst kürzlich machte der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in der Presse Schlagzeilen: Am 29. November 2017 verkündete das Tribunal sein letztes Urteil. Im Berufungsverfahren gegen sechs bosnisch-kroatische Kriegsverbrecher bestätigten die Richter das Urteil aus erster Instanz. Daraufhin beging einer der Verurteilten noch an Ort und Stelle vor aller Augen Suizid. Der Fokus der Medien lag nun weniger darauf, dass der Gerichtshof seine Arbeit abschließen würde, sondern hauptsächlich auf dem Selbstmord dieses einen Verurteilten.

Ich bin der Ansicht, dass es sich allerdings sehr wohl lohnt, einen Blick zurück auf die Handlungen des Tribunals seit seiner Entstehung zu werfen. Nach 24 Jahren wird der Gerichtshof am 31. Dezember 2017 offiziell schließen. Dies nehme ich zum Anlass, die Auswirkungen der Arbeit des ICTY auf die Bestrafung von Verbrechen in den Jugoslawienkriegen und seine Wirkung in politischer Hinsicht zu untersuchen.

Im Folgenden gebe ich einen kurzen Überblick über den Verlauf der Jugoslawienkriege. Anschließend beschreibe ich, wie es zur Gründung des Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (International Crime Tribunal for the former Yugoslavia, ICTY) kam, wie er organisiert ist, und welche seine Rechtsgrundlagen sind. Anschließend fasse ich die Arbeit des Gerichtshofes im Laufe der Jahre zusammen, bevor ich mich mit dem Prozess gegen Slobodan Milošević und dessen politischer Wirkung auseinandersetze. Im Kapitel „Relevanz“ schließlich beschreibe ich den Eindruck, den der ICTY auf die praktische Politik und die Rechtswissenschaft machte. Um herauszufinden, inwiefern dieser Einfluss negativ oder positiv ist, vollziehe ich ausgewählte Argumente aus der Literatur nach.

2 Grundsätzliches

Zu Beginn möchte ich einige grundlegende Dinge aufführen, die als Hintergrundwissen für das Verständnis dieser Arbeit nötig oder zumindest nützlich sind. Dazu zählt der grobe Verlauf der Jugoslawienkriege 1991 bis 1999, die Entstehungsgeschichte des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien und dessen Rechtsgrundlage und Organisation.

2.1 Was geschah in den Jugoslawienkriegen?

Bis 1990 bestand Jugoslawien aus den Teilrepubliken Slowenien, Kroatien, BosnienHerzegovina, Serbien und Montenegro. Die Autonomie des Kosovo und der Vojvodina, zwei Provinzen in Serbien, hob Serbien 1988 auf (Jäger 2001: 378).

In den Teilrepubliken verbreitete sich nach und nach eine nationalistische Stimmung, die am25. Juni 1991 dazu führte, dass Slowenien sich für unabhängig erklärte. Daraufhin marschierte die Jugoslawische Volksarmee (JNA) auf Befehl der jugoslawischen Staatsspitze in Slowenien ein - es kam zum sogenannten Zehn-Tage-Krieg. Er endete mit dem Kompromiss, dass Slowenien und Kroatien drei Monate lang darauf verzichten würden, die Unabhängigkeit zu vollziehen. Im Gegenzug zog sich die JNA aus Slowenien zurück. Slowenien wurde nach Ablauf der drei Monate schließlich unabhängig (Neumayer 2015).

In Kroatien hingegen begann 1991 ein Krieg zwischen kroatischer Armee auf der einen Seite und der zunehmend serbisch beeinflussten JNA und serbischen paramilitärischen Einheiten auf der anderen Seite (Jäger 2001: 393f). In dessen Verlauf brachten die Serben ein Drittel Kroatiens unter Kontrolle. Die Kroaten konnten diese Gebiete allerdings weitgehend zurückerobern (Neumayer 2015).

1992 erklärte Bosnien-Herzegovina seine Unabhängigkeit (Stephen 2004: xi). Bereits vor diesem Schritt hatte ein Bürgerkrieg in dem ethnisch dreigeteilten Land begonnen. Wenige Monate später kontrollierten JNA und serbische Milizen fast ganz Ost- und Nordbosnien. Wie in Kroatien auch riefen die Serben in Bosnien-Herzegovina autonome Regionen aus (Jäger 2001: 447, Ther 2011: 245). Zwischen Sommer 1992 und Sommer 1995 konnte keine der Kriegsparteien größere oder wichtige Gebiete dazuerobern . Unter UN-Vermittlung schlossen die Kriegsparteien wiederholt Waffenstillstände, die sie jedoch immer wieder brachen (Jäger 2001: 450ff).

Ende 1992 begannen Bosniaken und Kroaten in Bosnien-Herzegovina vereinzelt, gegeneinander zu kämpfen. Grund waren Pläne zur Teilung des Landes entlang ethnischer Trennlinien, bei denen beide Parteien ethnisch gemischte Gebiete für sich beanspruchten (Ther 2011: 248). Die Kämpfe führen schließlich zum kroatisch-bosniakischen „Krieg im Krieg“, der erst im Frühjahr 1994 mit der Bildung der muslimisch-kroatischen Föderation endete (Jäger 2001: 453).

Ab 1992 beschlossen die Vereinten Nationen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Kämpfe einzudämmen. Dazu zählten im Laufe der Zeit unter anderem Flugverbote, humanitäre Aktionen, die Errichtung von Schutzzonen mit Stationierung von UNPROFOR (United Nations Protection Forces) und Verhandlungen über Waffenstillstände und Friedenspläne (Ther 2011: 455ff).

1995 zeichnete sich ab, dass Kroaten und Bosniaken sich langfristig gegen die Serben durchsetzen würden. Um bei Friedensgesprächen über eine Teilung Bosnien-Herzegovinas möglichst viel Land mit möglichst guten Gründen beanspruchen zu können, wollten die Serben ihre militärische Situation entscheidend verbessern. Dies wollten sie erreichen, indemsie drei Städte eroberten, die mitten in dem von ihnen kontrollierten Gebiet lagen, und die bis dato von Bosniaken gehalten wurden. Im Juli 1995 eroberten serbische Einheiten Srebrenica. Von den etwa 25.000 Menschen, die sich dort aufhielten, waren mindestens drei Viertel Flüchtlinge. Srebrenica war eine UN-Schutzzone, die dort stationierten UN-Soldaten waren allerdings sowohl zahlenmäßig als auch in Hinblick auf ihre Bewaffnung deutlich unterlegen. Die Serben schafften Frauen und Kinder aus der Stadt und töteten 6.975 wehrfähige Männer und Jugendliche ab 16 Jahren (ebd.: 249f).

Die Kroaten reagierten mit einer Großoffensive: Es gelang ihnen, alle Gebiete unter serbischer Kontrolle innerhalb Kroatiens zurückzuerobern und West-Bosnien einzunehmen. Somit endete der Krieg in Kroatien (Neumayer 2015). Gleichzeitig bombardierte die NATO zehn Tage lang Stellungen der bosnischen Serben (Stephen 2004: xi). Schließlich endete am 14. Dezember 1995 der Krieg in Bosnien-Herzegovina mit der Unterzeichnung des DaytonAbkommens (Jäger 2001: 417).

Zwischen 1991 und 1995 kam es auf allen Seiten zu sogenannten „ethnischen Säuberungen“ (Neumayer 2015). Ziel von ethnischen Säuberungen ist ein ethnisch „reines“ Gebiet. Hierbei geht es nicht zwangsläufig darum, Mitglieder dieser Gruppe umzubringen. Ziel ist eher „deren gewaltsame Entfernung aus einem bestimmten Gebiet“ (Ther 2011: 7). Laut einem UN- Bericht vom 15. März 1994 würden die meisten bis dahin verübten Verbrechen unter die Kategorie „ethnische Säuberungen“ fallen. Dazu zählten unter anderem Exekutionen, Folter, Vergewaltigungen, Diskriminierung, Zwangsumsiedelungen und die Zerstörung von Häusern oder Kulturstätten (Jäger 2005: 117).

In den Kämpfen und den daraus resultierenden Entbehrungen zwischen 1992 und 1995 starben allein in Bosnien-Herzegovina etwa 250.000 bis 278.000 Menschen. Weitaus mehr flohen: In Bosnien-Herzegovina blieben nur eine Million Menschen an ihren Wohnorten. Ungefähr 2.620.000 flohen, etwa 1.370.000 von ihnen ins Ausland (Jäger 2005: 115). Seit Mitte der 1990er Jahre forderten Kosovo-Albaner die Unabhängigkeit des Kosovo, dessen Bevölkerung zu mehr als 80 Prozent albanisch ist. 1998 schließlich erobert die albanische „Befreiungsarmee für Kosovo“ (UÇK) ein Drittel der Provinz. Die serbische Armee nimmt den Kampf gegen die UÇK auf und vertreibt große Teile der Bevölkerung. Hunderttausende Kosovaren fliehen. Ab dem 24. März 1999 flog die NATO Luftangriffe gegen serbische Stellungen und Infrastruktur. Im Juni 1999 ziehen die serbischen Truppen ab, der Kosovo wird unter UN-Verwaltung gestellt (Neumayer 2015).

2.2 Entstehung des Internationalen Gerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien

Am 25. Mai 1993 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 827 und rief somit den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien ins Leben (Jäger 2005: 7). Der ICTY war das erste internationale Gericht seit den Nürnberger Prozessen und dem Internationalen Militärgerichtshof für den Fernen Osten in Tokyo. Das Statut (die Rechtsgrundlage) des ICTY bezog sich häufig auf die beiden Tribunale als erste internationale Gerichte (Novak 2015: 7f).

In der Resolution 827 äußert der UN-Sicherheitsrat „grave alarm at continuing reports of widespread and flagrant violations of international humanitarian law occurring within the territory of the former Yugoslavia, and especially in the Republic of Bosnia and Herzegovina, including reports of mass killings, massive, organized and systematic detention and rape of women, and the continuance of the practice of „ethnic cleansing“, including for the acquisition and the holding of territory“ (United Nations Security Council 1993: 1).

Indem die Vereinten Nationen den ICTY gründeten, wollten sie diese oben genannten Verbrechen im ehemaligen Jugoslawien beenden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Hierdurch erhofften sie sich eine Wiederherstellung und Erhaltung des Friedens (ebd.).

Am 17. September 1993 erfolgte die Ernennung von elf Richtern auf zunächst vier Jahre, zwei Monate später ihre Amtseinführung. Die Richter wählten in einer ersten Sitzungsperiode Präsidenten und Vizepräsidenten des Tribunals und teilten das Tribunal in Kammern ein. In der Zeit zwischen 17. Januar und 11. Februar 1994 beschlossen die Richter juristische Grundlagen wie Beweisregeln und Verfahrensordnung. Außerdem legte das Tribunal seine innere Organisation fest und beriet darüber, wo seine juristische Zuständigkeit enden und die der Nationalstaaten beginnen sollte. Auch wie nationale Gerichte mit dem ICTY kooperieren sollten, legten die Richter fest.

Es entstand das Autonome Regelwerk des Tribunals, das 127 Regeln beinhaltete. Während der ersten fünf Jahre wurde dieses Dokument noch 18 Mal ergänzt (Jäger 2005: 16).

2.3 Organisation und Rechtsgrundlage des ICTY

Der ICTY ist laut Statut zuständig für alle „schweren Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht“ (Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien 1993: 1), die seit dem Jahr 1991 auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien begangen wurden (ebd.). Der ICTY besteht im Wesentlichen aus drei Organen: den Kammern, der Anklagebehörde und der Kanzlei, die hauptsächlich für die Verwaltung zuständig ist (International Crime Tribunal for the former Yugoslavia o. J.a).

Von den insgesamt vier Kammern des ICTY sprechen drei als Erstinstanzen Recht, die vierteist ausschließlich für Berufungsverfahren zuständig. Den Vorsitz der Kammern haben 16 Richter inne, die von der Vollversammlung der Vereinten Nationen ernannt werden. Dazu legt der UN-Sicherheitsrat der Vollversammlung eine Liste vor, aus der diese wählen kann (Huhle et al. 2011: 32). Zu den 16 ständigen Richtern kommen bis zu neun weitere sogenannte „Ad- litem-Richter“ (Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien 1993: 4). Der Anklagebehörde steht der unabhängige Chefankläger vor, zurzeit Serge Brammertz. Er agiert unabhängig von den anderen Organen des ICTY, von Regierungen oder Organisationen. Seine Aufgabe besteht darin, Ermittlungen über Verbrechen anzustellen und die ermittelten Fälle bei den Verfahren vorzutragen (International Crime Tribunal for the former Yugoslavia o. J.a).

Die Satzung des ICTY legte der UN-Sicherheitsrat mit der Resolution 827 vom Mai 1993 fest. Der Sicherheitsrat bezog sich dabei auf Kapitel VII, Artikel 41 der Charta der Vereinten Nationen (Huhle et al. 2011: 31): „The Security Council may decide what measures not involving the use of armed force are to be employed to give effect to its decisions, and it may call upon the Members of the United Nations to apply such measures. These may include complete or partial interruption of economic relations and of rail, sea, air, postal, telegraphic, radio, and other means of communication, and the severance of diplomatic relations“ (United Nations 1945: 9). Während in diesem Artikel nirgends von gerichtlich-juristischen Mitteln die Rede ist, „gibt es aber auch keinen plausiblen Grund, warum ein internationaler Strafgerichtshof keine solche Maßnahme sein sollte“ (Huhle et al. 2011: 33).

Der ICTY verhandelt wegen folgender Verbrechen, wie sie in den Genfer Konventionen ausgeführt sind:

„a) Vorsätzliche Tötung;
b) Folterung oder unmenschliche Behandlung einschließlich biologischer Versuche;
c) vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit;
d) Zerstörung und Aneignung von Eigentum, die durch militärische Erfordernisse nicht gerechtfertigt sind und in großem Ausmaß rechtswidrig und willkürlich vorgenommen werden;
e) Nötigung eines Kriegsgefangenen oder einer Zivilperson zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht;
f) vorsätzlicher Entzug des Rechts eines Kriegsgefangenen oder einer Zivilperson auf ein faires und ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren;
g) rechtswidrige Verschleppung oder Verschickung oder rechtswidrige Gefangenhaltung einer Zivilperson;
h) Geiselnahme von Zivilpersonen“

[...]

Final del extracto de 18 páginas

Detalles

Título
Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien
Subtítulo
Ahndung von Verbrechen und politischer Einfluss
Universidad
Friedrich-Alexander University Erlangen-Nuremberg  (Institut für Politische Wissenschaft)
Calificación
1,0
Autor
Año
2017
Páginas
18
No. de catálogo
V456295
ISBN (Ebook)
9783668868212
ISBN (Libro)
9783668868229
Idioma
Alemán
Palabras clave
Internationaler Strafgerichtshof, ICTY, Jugoslawien, Jugoslawienkriege, Balkan, Völkerrecht
Citar trabajo
Hannah Friedrich (Autor), 2017, Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/456295

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Título: Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien



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